Full text: St. Ingberter Anzeiger

Muünchen, 8. Mai. Der Nuntius di Pietro 
reist am nächsten Mittwoch von hier über Rom 
nach Madrid ab. Bis zur Ankunft des Fürsten 
Ruffo Scilla wird Auditeur Locatelli die Geschäfte 
der hiesigen Nuntiatur leiten. 
Berlin, 8. Mai. Der Kaiser nahm heute 
Vormittag mehrere kurze Vorträge entgegen. Um 
1Uhr erschien Staatssekretär Graf Herbert Bis⸗ 
mard zu längerem Vortrag. — Das Kanonenboot 
Iltis, Commandant Capitänlieutenant v. Eick 
Jedt, ist am 7. Mai in Gibraltar eingetroffen. 
Berlin, 9. Mai. Der russische Botschafter 
Schuwalow ist heute Morgen hier eingetroffen. 
Berlin, 9. Mai. Der aus Bulgarien be⸗ 
sannte russische Generalmajor Kaulbars, 
der seit kurzem zur Erledigung von Privatgeschäften 
jier verwelt, ist dieser Tage vom Reichskanzler 
Fürsten Bismarck zu langerer Unterredung em⸗ 
fangen worden. 
Heute (Dienstag) findet im Reichstag die 
erste Lesung der Branntweinsteuer-Vor— 
wage statt. 
Berlin, 9. Mai. Der konservative Antrag 
m Abgeordnetenhause auf Reform der direkten 
Steuern kommt in den nächsten Tagen zur Ver⸗ 
zandlung. 
Frankfurt, a. M. 7. Mai. Die „Fff. 
Korr.“ berichtet über eine gegen zwei hierselbst in⸗ 
haftirte Anarchisten schwebende Untersuchung. Die 
Verhafteten sollen ungeblich an dem Attentat gegen 
den Clesern-Hof und bei der Ermordung des Poli⸗ 
zeiraths Rumpff betheiligt gewesen sein. Am meisten 
gravirt ist ein Schneider Namens Piorkowsky. 
Es haben bexeits zahlreiche Vernehmungen statt⸗ 
gefunden. 
Hamburg, 8. Mai. Aus Kiel berichtet 
der Hamburgische Correspondent: Die Grundstein⸗ 
legung der Holtenauer Schleuse ist endgiltig auf 
den 6. Juni fsestgesetzt worden. Eintreffen werden 
zur Feier der Kaiser, der Kronprinz und etwa 
25 andere Fürstlichkeiten, jedenfalls auch Fürst 
Bismarck. Das Stadtverordneten-Collegium hat 
heute das Empfanas⸗-Comitee gewählt. 
Ausland. 
Havre, 7. Mai. In einer Rede, welche der 
Ministerpräsident Goblet bei einem ihm zu Ehren 
oeranstalteten Banket hielt, sprach derselbe der 
zffentlichen Meinung, welche die Regierung 
bei den jüngsten Zwischenfällen durch Klugheit 
und patriotische Einigkeit unterstätzt habe, 
seine Anerkennung aus; er hebt herbor, wie 
Frankreich unter dem Einflusse der Freiheit sich 
ein neues Temperament angeeignet habe, in 
welchem Kaltblütigkeit und Entschlossen⸗ 
heit jene Nervosität, jene etwas unstäte Hitze er⸗ 
setzten, welche den Franzosen häufig vorgeworfen 
vorden sei. „Befestigen wir uns in diesem neuen 
Tharakter, wir können es nöthig haben: die Zeit 
der Prüfungen ist vielleicht noch nicht 
»orüber. Wenn solche wieder über uns kommen 
jollten, so werden wir es nicht sein, die sie herauf⸗ 
„eschworen haben. Habe ich es nöthig zu 
viederholen, daß Frankreich den Frie— 
den will? Wenn Völker überhaupt jemals den 
rieg wünschen könnten, so würde das gewiß nicht 
»on einem Volke, wie das unserige, geschehen, 
welches in voller Umbildung begriffen, den lebhaften 
Wunsch hegt, seine Kraft und Thätigkeit dafür 
einzusetzen, um definitiv die Herrschaft der 
Demokratie zu begründen, indem es sich 
elbst in Frieden, Arbeit und Freiheit 
regiert. Aber wenn wir des Friedens bedürfen, 
venn Niemand an unserem Willen zweifelt, ihn 
zu erhalten, so kann auch Niemand daran zweifeln, 
daß wir fest entschlossen sind, ihn weder un— 
serem Rechte noch unserer Ehre zu 
opfern. Frankreich, das sich aus seinem Unglück 
erhoben, hat Vertrauen zu sich selbst gewonnen; 
weit entfernt, irgend ein Volk zu be—⸗ 
drohen, ist es bereit, freudig und in herzlicher 
Begenseitigkeit die Sympathien anderer Völker an⸗ 
zunehmen.“ Frankreich würde, wenn es nöthig 
wäre, nicht weniger bereit sein, ungerechten 
Angriffen die Stirn zu bieten. Die 
Haltung allein entspreche der Würde einer großen 
Nation und könne auch allein die Wohlthaten des 
Friedens verbürgen. „Weil wir annehmen konnten, 
daß dieses die einstimmige Meinung des Landes 
eei und weil wir das Herz von ganz Frankreich m 
Wallung gerathen sahen, so können wir, wie ich 
offe, heute o—hne Hintergedanken undohne 
neue Sorge die Beschäftigung mit unseren 
nneren Angelegenheiten wieder aufneh— 
nen.“ Die Haupischwierigkeit bestehe in der 
S„paltung der Republikaner. Es sei nothwendig, 
jzute Ordnung in den Finanzen und ein wirkliches 
hleichgewicht im Budget wieder herzustellen. Die 
etzten Budgets seien nicht befriedigend gewesen, 
iber es würde nicht möglich sein, lediglich durch 
krsparungen im Budget das Gleichgewicht wieder 
Jerzustellen, vielmehr erscheine eine Erhöhung 
gewisser Steuern nothwendig. 
Paris, 8. Mai. Die Gendarmerie von 
Toul läßt, gleich der von Belfort, alle in Toul 
unsässigen Fremden, die in ihrem Geburts⸗ 
ande keinen Militärdienst gemacht haben, eine Er⸗ 
lärung unterzeichnen, durch welche sie sich ber— 
yflichten, sich cllen Anforderungen des Militär— 
»ienstes in Frankreich zu unterziehen. Diese 
Maßregel soll dem Mißbrauch vieler Elsässer und 
dothringer ein Ende machen. Diese wanderten mit 
17 Jahre aus Deutschland aus, ließen sich erft 
m Alter von 28 bis 30 Jahren naturalisiren, 
dienten weder in Frankreich noch in Deutschland 
und wurden von keinem dieser Linder als Deser⸗ 
eure angesehen. 
Paris, 9. Mai. Bei den gestrigen Genteinde⸗ 
raths · Wahlen wurden 24 Autonomisten, 10 Radi⸗ 
ale, 10 Konservative und 6 Sozialisten gewählt; 
30 Stichwahlen find notwendig. Unter den ge— 
wählten Konservotiven befindet sich der Expräfekt 
der Seine, Duval. 
Paris, 9. Mai. Wie ich Ihnen aus sicherer 
Quelle mittheilen kann, wird seitens der französischen 
Kegie in aller Kürze eine größere Ausschreibung 
— 
Paris, 9. Mai. Der „FIrkf. Ztg.“ wird 
zemeldet: Alle Blätter hoffen, daß die friedlichen 
krklärungen Goblet's in dessen Rede zu Havre im 
Iuslande einen friedlichen Eindruck machen werden. 
Finige Blätter deuten Goblet's Worte: „Die Zeit 
der Prüfung sei vielleicht noch nicht vorbei, wenn 
diese aber komme, so werde Frankreich nicht pro— 
»ocirt haben“ — auf Angriffspläne des Fürsten 
Bismarck. 
London, 9 Mai. Der offiziösen Morning⸗ 
post zufolge, hat die englische Regierung die officielle 
Betheiligung Englands an der Pariser Welt⸗ 
ausstellung abgelehnt. 
Wien, 8. Mai. Der „Pester Lloyd“ gestehi 
etzt direkt zu, daß österreichisch-russische 
ßereinbarungen getroffen waren, da 
sttußland den Krieg gegen die Türkei nicht unter⸗ 
jehmeu konnte, ohne Gewißheit über die Haltung 
Desterreichs erlangt zu haben. Der „Pester Lloyd“ 
abe nur bestritien, daß Oesterreich gegen Ein— 
äumung von zwei Provinzen Rußland freie Hand 
m Orient gelassen habe. 
Wien, 9. Mai. An der Universität haben 
zeute Vormittag laut Depesche der Fr. Ztg. student- 
sche Demonstrationen gegen den Professor Maassen 
tattgefunden, weil dieser am Samstag im Herten⸗ 
jause heftig gegen Deutschland gesprochen. Beim 
hetteten des Hörsaales wurde Maassen mit stürmischen 
RKufen empfangen, ebenso beim Verlassen desselben. 
— Der bekannte Maschinenfabrikant Siegl ist heute 
gestorben. 
Passau, 7. Mai. Kaiser Franz Josef wird 
inen Vertreter hierher senden, um Se. K. H. 
den Prinzregenten in hiesiger Stadt zu begrüßen. 
Fs verlautet, daß Erzherzog Johann mit dieser 
Mission betraut werden soll. — Aus Anlaß der 
Ankunft Sr. K. Hoheit sind 250 Personen aus Linz 
ind Wien angemeldet, welche im hiesigen 
kathhauskeller ein gemeinschaftliches Mahl ein⸗ 
iehmen. — 
Lorale und pfalfesche Rachrichten. 
— Zweibrücken, 7. Mai. Ein 40jähriges 
risenbahn⸗Jubiläum.) Bis 11. künftigen Monats 
verden es 40 Jahre, daß die erste Theilstrecke der 
Bfälzischen Eisenbahnen Ludwigshafen⸗Speier-Neu- 
tadt, mit den Stationen Ludwigshafen, Mutterstadt, 
Schifferstadt, Speier, Böhl, Haßloch und Neustadt 
ür den Personenverkehr eroͤffnet wurde. Als k. 
dommissär fungirte der k. Regierungspräsident der 
Pfalz, Franz Alwens, als Bahndirektoren der k. 
Zaurath Paul Denis und der k. Landkommissär 
Maximilian de Lamotte, als stellvertretender Direk⸗ 
or der k. Regierungsaczessist Albert Jäger, als 
Zauptkassier Iqnaz Volk und als Maschienenmeister 
ẽugen Mündler, beide letzteren als Oberbeamte. 
der Verwaltungsrath war gebildet aus den Herren 
J. Bender, k. Kreiskassier, Speier. Fr. Wilh. Bet 
inger, k. Regierungsrath, Speier, Karl Ftoͤhl 
tankier, Zweibrücken, F. Graf.k. Bergamtzshe 
Zpeier, A. Schuler, k. Notär Dürkheim, Iin 
Mahla, k. Advokatanwalt, Landaus d n 
Roos, k. Regierungsrath, Speier, Dr. — 
Rektor der Gewerbschule Kaiserslautern, 
Deintz, k. Regierungsrath, Speier, Freihert n 
Holnitz, k. Landkommissär, Frankenthal, Dr. pp 
Ledita, Advokat, Mainz, L. v. Haber, gn 
darlsruhe, Heinrich Krämer, Huͤtenwertsbe 
St. Ingbert, L. Dacque, Bankier, Neustadt 
dudwig Golsen, k. Advokatanwalt, Zwebug 
Seligmann Ladenburg, Bankier, Mannhoanh 
haape, Kaufmann, Rheinschanze Cudwigehasent 
sthein), und Gottlieb Löw, Rentner, —*8*— 
Den Vorsitz führte Freiherr v. Polnitz, k. Ln 
ommissär in Frankenthal. — Die 39 silomnn 
ange eingeleifige Bahnstrecke war in drei Bahn 
neistereien eingetheilt, deren Chef der Abthei 
ingsingenieur Daniel Kühne mit dem Sitze 
Schifferstadt war. Bei Eröffnung waren ferm— 
ils Verwalter angestellt: in Ludwigshafen Philh⸗ 
Schlinck, in Mutterstadt Friedrich Schumachtet 
Schifferstadt Georg Eifler, in Speier Viltor duca 
in Böhl Joseph Breitling, in Haßloch Phiuh 
dohlhepp, in Neustadt Heinrich Hilgard; als G 
nehmer in Ludwigshafen A. Knoll, in Speier W 
Sager und in Neustadt H. Ambos, — Von aller 
»en vorgenannten Herren sind noch am Lehen Eugen 
Mündler als Subdirektor und Viktor Ducar uh 
Oberbetriebsinspektor der Pfälzischen Eisenbahnen 
zeide pensionirt, und Bankier Karl Fröhlich 
Zweibrücken. Letzterer trat bereits im Jahre 183 
zus dem Verwaltungsrathe aus. 
— Mit der Aussaat der Gurken kan 
nan jetzt beginnen und möchten wir dabei- au 
ine sehr wichtige Pflanzmethode aufmerksam machen 
vodurch nicht allein die Gurken reichlicher tragen 
vohlschmeckender und größer werden, sondern aud 
zor jeder Verunreinigung, Fäulniß und Fleden u. 
zerschont bleiben. Die Gurke gehört bekanntlich 
zu den rankenden Pflanzen und deshalb soll s 
auch ihrem natürlichen Bestreben und Wachthun 
nach gezüchtet und behandelt werden, nämlich an 
Spaliere, oder auf noch einfachere Weise, an Reise 
»der Pfähle ꝛc. Die Ranken heften sich wie jed 
derartige Pflanze von selbst an, so daß keine weiter 
Arbeit dabei erforderlich ist. Auf diese Pflanz 
weise wird der Blüthe⸗ und Früchteansatz bedeutend 
Jefördert, da von allen Seiten der Pflanze Luj 
und Licht in normaler Weise zugeführt wird. 
— Deidesßeim 6. Mai. Herr Simon Die 
uus Ruppertsberg, zur Zeit Oekonom un 
Bierbrauer in Ouinzi, Staat Illinois in Nond 
merika, ließ vor einiger Zeit durch Herrn Joseph 
Schultz aus Ruppertsberg in der Schweiz zwe 
Fafsel und vier Rinder, Simmenthaler Race, ein 
aufen, um mit diesen in der neuen Welt einen 
VBersuch zn machen. Genannte Thiere sind wi 
Begleiiung eines Wärters bereits nach dem Or 
hrer Bessimmung abgegangen und wurden dieselber 
in Antwerpen eingeschifft. 
— Dürkheim, 7. Mai. Das Herrn d 
Feral gehörige Kurhotel wurde heute dor 
dem frühern Eigenthümer, Herrn Denis, uw de 
Preis von 41,200 Mark vertragsmäßig wieder er 
teigert. 
— Das stark an „Altersschwäche“ leidem 
Wohnhaus des Herrn Beermann in Contwi 
st, ohne daß jemand dabei verunglückte, eingestür 
— Die protestantischen Diözesan⸗Synoden in de 
ßfalz werden am 6. Juni in jedem Dekanat che 
gehalten. — In Seinfeld und Kapswehe 
erhielten 2 besonders bedürftige Familien aus s 
gi. Hofkasse Gnadengeschenke von 30 bezw. 603 
zugewiesen. 
Ludwigshafen a. Rh., 7. Mai. 
)er heute stattgehabten Generalversammlung 
pfälzischen Eisenbahngefellschaften wurden die a 
ʒer Tagesordnung stehenden Gegenstände nach pe 
Anträgen des Verwaltungsrathes erledigl. 
ach dem Dienstalter zum Austritt bestimmten Mi 
zlieder des letzteren, die Herren Achille Andres 
hankier in Ftankfurt am Main, Josef Bennn 
Rentner in Landstuhl, Karl Eckhard. Banlptaside 
in Mannheim, und Karl Ladenburg, Nommerzienn 
n Mannheini, wurden wieder und an Stel⸗ 
uim 16. Oktober v. 38. verstorbenen duhn 
zarl Niaher d. Rothschud sur den Rest don de 
Wahlperiede Frhr. Wilheim v. Rolhscild, — 
jegenwärtige Chef des Frankfurter Banlhauses 
Lo. Rothschild und Söhne, neu gewadi.