Full text: St. Ingberter Anzeiger

— Da aus Anlaß der jüngsten Reichstags— 
wahlen in manchen Gemeinden die Schul⸗ 
locale zu Wahlversammlungen benutzt 
vurden, so hat die königl. Regierung der Pfalz 
unterm 16 v. Mis. eine Entschließung dahin er⸗ 
assen, daß die Benützung von Schulsälen zu solchen 
Zwecken ungeeignet erachtet werden müsse und daß 
daher bei künftigen politischen Wahlen die bezeich- 
neten Locale zur Abhaltung von Parteibersamm⸗ 
lungen nicht mehr zur Verfügung gestellt werden 
dürfen. 
— Blieskastel, 10. Mai. Die Gehalte der 
»eiden Lehrer Herrn Roth und Gain dahier 
wurden laut Beschluß des hiesigen Stadtrathes in 
aerkennenswerther Weise um je 200 Mk. erhöht. 
— Kaiserslautern, 10. Mai. Das 
„Mauschel-Lied“, erschienen in der Verlags- 
buchhandlung von Aug. Gotthold dahier, wurde 
jeute Morgen mit Beschlag belegt. 
— Neustadt, 10. Mai. Das Bezirksgremium 
Reustadt Dürkheim bat ia seiner gestrigen 
Sitzung u. A. in namentlicher Abstimmung mit 10 
gegen 4 Stimmen einen Antrag Böhm angenommen: 
l. Verbot der teigentlichn Weinfabrikation, 
2. gesetzliche Fixirung der stofflichen Grenzen des 
Weines, 8. kein Deklarationszwang. Es wurde 
beschlossen, eine derartige Pelition unter Bezug⸗ 
nahme auf die Eingabe der Wiesbadener Handels- 
ammer an den Reichstag zu richten, oder, falls 
dies nach den Bestimmungen über die Bezirksgremien 
instatihaft wäre, an das königl. Staatsministerium 
zu Handen des Bundesrathes. Mit der formellen 
Rebaktion und Erpedition der Eingabe wurden die 
Herren Heinrich Oehlert (als Schriftführer), Böhm 
ind Zumstein betraut. Nach vollzogener Abstimmung 
erhob sich Herr Dr. A. Buhl und erklärte: Nach— 
dem sich das Gremium zu einem Schritt entschlossen 
habe, den er von seinem Gesichtspunkte aus als 
einen für die Interessen des pfälzischen Weinbaues 
höchst bedenklichen erachte, sehe er sich gezwungen, 
aus dem Gremium auszüsscheiden. Trotz mehrfacher 
Aufforderung, diese äußerste Kosequenz nicht zu 
zsiehen und dem Gremium feine Kraft zu erhalten, 
»eharrte Dr. Buhl bei seinem Rücktriti und ver⸗ 
ieß die Versammlung. 
— Forst, 10. Mai. Die heute dahier ab⸗ 
gehaltene Weinversteigerung des Herrn 
Schellhorn-Wallbillig hat wie sen Jahren wieder 
den Beweis geliefert, daß die edelsten Haardiweine 
nur hier und in der Nachbarschaft gefunden werden. 
Der Besuch dieser Auktion war ein überaus slarker 
und der Verlauf ein so lebhafter, daß der ganze 
Vorrath von 100 Fuder Absatz gefunden hat. Die 
Preise haben sogar mehrmals die Taxe um 700 
bdis 1000 Mark überschritten, sonach dieselben als 
sehr hohe gelten können, wie folgende Zahlen be⸗ 
weisen werden: 1888er erzielten hiesige 900, 1110, 
eine Auslese kam auf 5610, 18844r hiesige 1280, 
1350, 1410, 1710, 1860, 2720, aus den besten 
Lagen 8110, 3120, 3460, 8510, 3700, 3760, 
Auslese 5010, Wachenheimer 680, 1680, 
2510, Luginsland 2600, Belz 2810, Dei— 
desheimer 910, 1290, 1960, 2010, 2100, 
Ruppertsberger 14830, Gewürztraminer 3860, 
1885er hiesige, 570, 580. 630, 690, 820, 
300, 940, 1180, 1420, 1600. 1610, 1940, 
aus den besten Lagen 2860, 2410, Jesuitengarten 
2510, Kirchenstück 2660, Freundstück 2570, Fleck⸗ 
inger und Langenböhl 2960, Wachenheimer 460, 
180, 490. 540, 800, 1090, Luginsland 1650, 
Deidesheimer 560, 580, 680, 1440, Rupperts- 
berger 1050, Hoheburg Gewürztraminer 2230 
Mark per 1000 Liter. 
— Der Verbandstag der Pfälzischen 
Fredit-Genossenschaffen wird am Freitag, 
17. und Samstag, den 18 Juni im Kirchheimbo— 
anden abgehalten. Für Sonntag, 19. Juni, ist 
ein gemeinschaftlicher Ausflug der Genossenschafter 
zuf den Donnersberg in Aussicht genommen. 
— Verwalter Stenglein von der Kreis— 
Irren-Anstalt Klingenmünster wurde auf 
Ansuchen als Rendant an das Kreis-Landes. 
nestüt Zweibrücken berufen. 
— Oggersheim, 11. Mai. Der 26 Jahre 
alte Friedrich Hofmann dahier, welcher der unbefugten 
Jagdausübung beschuldigt war und den Zeugen 
Huber für den Fall einer Bestrasung mit Todt 
techen bedroht hatte, wurde in der gestrigen Straf⸗ 
ammersitzung zu Frankenthal zu 7 Monaten Ge— 
'angniß und zur Tragung der Kosten verurtheilt, 
— Speyer, 10. Der Kaufmann Franz 
Weber von hier, welcher wegen betrügerischen 
Bankerutts flüchtig gegangen, ist gestern in Wein⸗ 
zarten bei seinen Schwiegereltern festgenommen und 
in die Untersuchungshaft verbracht worden. 
— Speyer, 11. Mai. Der kommandirende 
Seneral des II. Armeelorps, v. Orff. ist heute 
Nachmittag 5 Uhr von Nürnberg über Heidelberg 
ommend, hier eingetroffen und im „Wittelsbacher 
Zofe“ abgestiegen. Die Inspektion des 2. Pionier⸗ 
ataillons beginnt morgen früh 7 Uhr. 
— Frankenthal, 10. Mai. Herr Fabri—⸗ 
ant A. Hamm daͤhier erhielt aus Wien ein 
Weizenkorn gewidmet, auf welchem von einem dortigen 
Schreibkünstler 15 Worte in deutlichen, lesbaren 
Buchstaben eingeschrieben stehen. Die Worte sind 
»hne Vergrößerung bei genauem Sehen leserlich. 
Man weiß nicht. was mehr zu bewundern ist, die 
dunst oder die Geduld des Schreibers, denn leicht 
war eine solche Widmunag sicherlich nicht herzu⸗ 
stellen. 
— Ludwigshafen, 12. Mai. Am Rhein⸗ 
ifer wurde heute früh eine auf dem Hemshof 
vohnende Frau Namens Moser todt aufgefunden. 
Dieselbe war dem Alkohol sehr ergeben und ist die 
Ursache des Todes wohl in allzu reichlichem Ge— 
zusse dieses Feuerwassers zu, suchen. — Heute 
rüh gelangte auch das Adreßbuch für die hiesige 
„tadt zur Ausgabe und ist damit einem schon 
ängst gefühlten Bedürfniß ahgebolfen. 
Vermischtes. 
F Saarbrücken, 11. Mai. Die nächste 
Bersammlung des „Pfalz⸗Saarbrücker Bezirksvereins 
»eutscher Ingenieure“ findet am kommenden Sonn⸗ 
ag im „Zweibrücker Hofe“ zu Zweibrücken statt, 
hei welcher Gelegenheit u. a. Herr Dr. Brimmer 
aus Kaiserslautern einen Vortrag über die Thomas⸗ 
chlacke und ihre Bedeutung in der Eisenindustrie 
und Landwirthschaft halten wird. 
F Warnung vor einem Schwindler. 
Folgende Warnung vor einem Schwindler veröffent⸗ 
icht der „Reichs und Staats-Anzeiger“: Nach Zu—⸗ 
chriften aus mehreren Städten Mittel- und Süd—⸗ 
»eutschlands hat fich ein gewisser Adolph Schmidt, 
zer sich als und Inhaber des cand. qhil. ,Scan- 
naviens kemisk tekniske Centralbladẽ einzuführen 
iflegt, im Laufe der letzten Monate verschiedene 
dersonen um größere oder geringere Beträge be— 
chwindelt. Wie die angestellten Ermittelungen er— 
‚eben haben, hat der Genannte früher in Kopen⸗ 
jagen die erwähnte, inzwischen eingegangene Zeit⸗ 
hrift herausgegeben, hat aber bereits vor etwa 
inem Jahre Dänemark verlassen, um sich einer 
jegen ihn erhobenen Anklage wegen Betruges zu 
utziehen. Es erscheint geboten, vor diesem Glücks 
itter, der es vorzugsweise auf die Inhabder von 
Druckereien oder mit Druckereien in Geschäftsver⸗ 
nindung stehender Fabriken abgesehen zu baben 
cheint, öffentlich zu warnen. 
F Deutsch-Avricourt, 10. Mai. Heute 
bend 82 Uhr trafen mit dem Zuge aus Frank— 
eich zehn deutsche Arbeiter hier ein, welche 
iuus Frankreich ausgewiesen worden waren. 
dach deren Aussagen kamen ihn um 5 Uhr der 
lusweisungsbefehl zu und um 8 Uhr mußten sie 
hon dem Lande Lebewohl sagen! Es sind dies 
Irbeiter aus der vor einigen Monaten neu er— 
ichteten Kinderwagenfabrik eines Herrn Sch. in 
Naraineville, welcher sich bei Gruͤndung seiner 
rabrik die Arbeiter aus Rothenburg mitgenommen 
atte. Morgen kommen die anderen deutschen 
lrbeiter nach, da in Zukunft nur noch französische 
Urbeiter dort beschäftigt werden dürfen. Angeblich 
rblickte man französischerseits in der Anwesenheit 
)er Deutschen eine Gefahr, da die Fabrik in der 
Nähe des Forts Maraineville liegt, und so wurden 
zie deutschen Arbeiter, um einem womöglichen 
—„pioniren vorzubeugen, einfach ausgewiesen. Wie 
rzählt wird, soll das gleiche Schicksal auch den 
Arbeitern der Puppenfabrik in Embermenil (eben⸗ 
'alls nahe den Forts) bevorstehen. Für die Fa— 
zrikanten dürfte dies Vorgehen der französischen 
Regierung von großem Nachtheil sein, da die Fa⸗ 
)riken überwiegend deutsche Arbeiter beschäftigt 
jaben sollen und nun plößtzlich sämmilicher Kräfie 
veraubt sind; noch mehr Schaden erleiden die 
erxmen Arbeiter, denen das Brod genommen ist. 
(Str. P.) 
— Ein seltenes Kunstwerk wird in den nächsien 
Tagen in Karlsruhe zur Ausstellung gelangen: 
ie sog. Martinsuhr, der 90999jährige Zeitmesser 
der wie die „Daily News“ sagte, „das achte 
PBunder der Welt.“ Diese Uhr zeigt die Sekunden 
Minuten,. Stunden, Tage, Wochen, Monate — 
zeiten, Jahreszablen und —AR 
zinnend mit der ersten Sekunde des Jeht e 
ind endend mit der letzten Sekunde des * 
oogh . Sie, sete auerdem diele henth 
Figuren in Bewegung wie zum Basegeh 
Minuten und Viertelschläget, den dee 
Schutzeugel, die vier Menschenalter, den Tid de 
12 Apostel, den Cherubim. eine Figur D di 
vorstellend, den Glöckner, den betenden Greis n 
Orgelspieler, Nachtwächter, den mechanisch nit er 
den Hahn, die 7 heidnischen Gottheiten, den 9 
kreis, die vier Jahreszeiten, den Kuckuc n 
Trompeter, die große Musiluhr und ein —* 
Flötenwerk. In geographischer Baʒiehunm 
ziese Uhr die Umdrehung der nördlichen unh 
lichen Erdhälfte. In der symbolischen Sanhe 
zeigt dieselbe das ganze Leiden Jesu Christ 
die Bildnisse der Erschaffung der Erde und *— 
mechanisch veranderlich, bei welcher Verändeun 
mehrere Engel durch Glockenschläge die van 
Nachwoche verkünden. Ebenso zeigt diese Uh d 
inodischen Lauf des Mondes oder die Zeit, wes 
zerselbe notwendig hat, um von einer Konjuns 
zer Sonne zur andern, oder von einem Neumon 
um andern zu gelangen, wodurch innerhalb 
Tagen, 12 Stunden, 44 Minuten, 7 Sekunden 
die verschiedenen Mondphasen enistehen. Die Kuns 
uhr wird jedem Besucher auf das Genaueste etilan 
um 3, 5 und 8 Uhr. Der Eintrittspreis ist seh 
wmäßig. Verfertiger des Kunstwerkes ist Hert Jin 
SZtern von Villingen. 
F.München, 11. Mai. Zwei Doppelwaiser 
die beiden Schwestern Anna und Louise Freifräulet 
don Guttenberg, haben am Montag Aben 
m Starnberger See den Tod gesucht und gefunden 
M.⸗Gladbach, 9. Mai. In einem Stamm 
local bestellt sich ein Gast ein Brödchen, mit Su 
»ellen. Dieses erscheint ihm mit Rüchksicht auf der 
HJreis von 20 Pfg. gar zu winzig, und er fragte 
»en Wirth kaltlächelnd: „Und was kaostet da 
Zuadratmeter davon?“ „Fünf Mark,“ lauͤtet di 
»rompte Antwort des Wirthes. „Gut, ich bitte um 
inen Quadratmeter davon.“ Der Gast bestand auf 
einer Forderung, und wohl oder übel mußte sit 
der Wirth an's Werk machen. Wie der aber den 
Schaden besah, brauchte er nicht weniger als 120 
Brödchen für den Ouadratmeter, was nach Adam 
stiese 24 Mark und nicht 5 Mark ergiebt, daß 
Brödchen zu 20 Pfg. gerechnet. Ein schlechtes 
Beschäft für den Wirth; aber die Brödchen schmedten 
den zahlreichen Gästen um so besser. 
f Landshut, 11. Mai. Bei der Anwesen 
jeit des Prinz Regenten bildet der plötzliche Tod 
»es Pfarters Gruber einen tragischen Zwischenfal: 
er Pfarrer hatte nach der Hoftafel, zu der er ge— 
aden war, den Weg zur Trausnitz in raschem 
Bange zurückgelegt und stürzte, kaum im Schloß⸗ 
sofe angelangt, von rinem Herzschlag getroffen 
eblos zusammen. 
Zur Landtagswahl. Das Cemite der 
eutschfreisinnigen Partei in Nürnberg 
jat an die Gesinnungsgenossen auf dem Lande 
Firculare gesendet, in welchen auf die bevorstehen⸗ 
den Landtagswahlen hingewiesen wird und man 
den Wählern an's Herz legt, daß man diesmal 
neben 3 freisinnigen auch einen nationalliberalen 
Tandidaten aufstellen müsse. Denn, heißt es in 
»em Brief, wenn wir dieses Mal nicht energisch 
und fest zusammenhalten, könnte es geschehen, daß 
gier Sozialdemokraten in den Landtag gewählt werden. 
fF Stuttgart, 9. Mai. Im Septembet 
soll hier eine Ausstellung von Luxushunden statt⸗ 
inden, veranstaltet vom „Verein der Liebhaber von 
ruxushunden in München“. Stuttgart ist gewählt 
worden, weil Württemberg in der Zucht von Hun 
den das leistungsfähigste Land in Deuischland iß 
ind jährlich viele Tausende Hunde exporiirt. b 
verden ansehnliche Preise zur Vertheilung gelangen. 
— Die diesjährige Sommerversammlung de 
„Vereins deutscher Eisenhüttenleutt', 
velche in Trier tagt, wird zum erstenmale mit 
Jrößeren Exkursionen verbunden sein. Nach Be⸗ 
endigung der wissenschaftlichen Verhandlungen sollen 
u. a. technische Ausflüge in das Saargebiet statt 
inden. Als Zeitpunkt sind die Tage des 26. 2 
uind 28. Juni in Aussicht genommen. J 
F Aachen, 10. Mai. Auf schreckliche Weis 
machte in vergangener Woche ein auf einer benach 
barten Kohlengrube beschäftigter Arbeiter seinem 
Leben ein Ende. Der Mann begab sich auf die 
Svpockelserhaide. grub dort ein Loch, in welchem ee