Vermischtes.
f Frankfurt a. M., 1. Juni. Ein Hand—
lungsreisender hatte in einem Hotel Schulden ge—
macht, und da er sie nicht bezahlen konnte, wurde
sein Musterkoffer von dem Wirthe als Pfand ein⸗
behalten. Der junge Mann war nun vollständig
außer Stande, Geschäfte zu machen. Er klagte
auf die Herausgabe seines Musterkoffers, als seines
Handwerkszeuges, das ihm zu seiner Ernahrung
uͤnumganglich nothwendig sei und erstritt ein ob⸗
siegendes eilfertiges Urtheil.
F Zu der in den Tagen vom 9. bis 18. Juni
in Frankfurt a. M. stattfindenden deutschen
landwirthschaftlichen Ausstellung wurde
Seitens des Ministeriums des Innern, der Referent
für Rindviehzucht, Landesthierarzt Göring, abge⸗
ordnet; ferner werden sich dorthin begeben der
Consulent und Wanderlehrer für Thierproduction
in Bayern, Professor Feser, dann als Vertreter des
landwirthschaftlichnn Vereins, der Generalsecretär
Professor May, Oberlandstallmeister Frh, d. Andri⸗
uin; ferner mehrere Herren, welche als Preisrichter
fungiren, so Professor des Polytechnikums Sorhlet
als Preisrichter für Futtermittel. Von Seiten
Baherns werden die Ausstellung u. A. beschicken:
die Pfalz mit 17 Stück des Glan⸗ und Donners⸗
berger Viehes. An die Aussteller wurde der Seitens
des Ministeriums bewilligte Zuschuß von 2800
Mk. zu Unterstützungen Seitens des Generalcomite's
des landwirthschaftlichen Vereines bereits vertheilt
Das Vieh, welches zur Ausstellung geschickt wird,
ist außerordenttich schön und ein jedes Stück soll
ein Prachtexemplar der betreffenden Race sein.
f Um das preußische Trommeln
kennen zu lernen, ist, wie die „Potsd. N.“
schreiben, der Regimentstambour des 1. bayerischen
Infanterieregiments auf Veranlassung des · Prinz⸗
Regenten nach Potsdam kommandiert und dem
Tambourkorps des 1. Garderegiments attachiert
worden.
Passau, 30. Mai. Vor wenigen Tagen
starb der Bezirksgeometer a. D. Franz Messert im
Alter von 80 Jahren. Tags darauf folgte ihm
seine 65jährige Köchin, die bei ihm 38 Jahre im
Dienste gesianden war, in den Tod. Messert war
1807 zu Kreuth als Sohn des dortigen Revier—
försters geboren. Dieser ertrank mit seiner Ehe⸗
frau bei einer Fahrt auf dem Schliersee im Jahre
1822 und hinterließ zehn Doppelwaisen, die auf
Anordnung des Königs Max erzogen wurden.
F Straßburg, 1. Juni. In der Nacht
vom 25. auf den 26. Mai brach in Geberschweier
ein Biand aus. Derselbe begann in den Neben⸗
gebäuden des „Storchen“, dem ältesten Hause des
Dorfes, das anfänglich in Schloßform gebaut war.
Die Feuerwehrleute eilten schnell zur Brandstätte und
thateun wacker ihre Pflicht; leider aber ereignete sich
wie das „E. J.“ mittheilt, ein schwerer Unglücks
fall, indem ein brennender Giebel einstürzte und
neun Feuerwehrleute unter seinen Trümmern be—
grub. Zwei Brüder blieben auf der Stelle todt,
deide sind verheirathet; der eine hinterläßt eine
Wittwe mit vier Kindern. Ein dritter Arbeiter
wurde arg verstümmelt nach Hause getragen, wo
er bald darauf seinen Wunden erlag; er hinter⸗
läßt eine Frau und zwei Kindern. Vier andere
Feuerwehrleute wurden derart getroffen und ver⸗
wundet, daß au ihrem Aufkommen gezweifelt wird.
Sie werden immerhin Krüppel bleiben, auch wenn
fie mit dem Leben davon kommen sollten. Feuer⸗
wehrhauptmann Ott wurde glücklicherweise gerettet
und kam mit sehr schmerzhaften, aber ungefähr—
lichen Fußquetschungen davon; der Geistesgegenwart
des Gemeindedieners verdankt er sein Leben.
Mobilmachung. Die Stadt Kassel hat
sich noch eine besondere PfingstfestAufregung ge—
schaffen. Sie „machte mobil!“ Mann kann sich
die Aufregung und das Halloh denken; die Ver⸗
anlassung war ein eigenthümliches Mißvecständnis.
Es war den Eifenbahnbeamten eine Instruktion
mitgetheilt, Vorschriften „für den Fall einer Mobil⸗
machung“ enthaltend, wie das von Zeit zu Zeit
zu geschehen pflegt. Der Beamte, welcher die
Privatgüter anzunehmen hat, verweigerte nun den
Fabrikanten, Spediteuren und Kaufleuten am Frei—
tag Abend die Abnahme der angefahrenen Güter,
weil „der Pridatgüterverkehr infolge einer Mobil⸗
machung eingestellt sei.“ Der Beamte hatte anslatt
„im Falle“ gelesen: „infolge“ und handhabte nun
die Instruktion handfest „angesichts dieses“. Wie
»in Lauffeuer verbreitete sich diese Nachricht durch
dassel und erzeugte eine gewaltige Aufregung. Erst
päter konnte die beruhigende Aufklärung erfolgen.
7 Minden, 4. Juni. Der gesammten Beleg—
chaft der dereinigten Zechen Helene⸗Nachtigall
zei Witten mit über 600 Bergleuten wurde laut
Bochumer Zeitung zum 15, Juni gekündigt.
za seitens der Gewerle die zum Weiterbetrieb er
'orderlichen Mittel verweigert worden sind.
FEltville, 2. Juni. Mit gestern haben
die diesjährigen Rheingauer Wein-Versteigerungen
hr Ende erreicht. Die Versteigerungen begannen
mit niedrigen Preisen; infolge des langanhaltenden
Frostwetters schnellten die Preise in die Höhe, von
Mitte des vorigen Monats ab wurden sogar sehr
johe Preise erzielt. Die höchsten Preise wurden
nuf der Domanen⸗Versteigerung zu Ederdach gezahlt.
— Gegen sonstige Jahre ist der Weinstoch in seiner
Entwickelung heute um geradezu 8 Wochen zurück,
zoch zeigen sich zahlreiche Gescheine.
7 Großes Aufsehen erregte dieser Tage die Ver⸗
jaftung eines eleganten Herrn vor der Reichsbank
n Berlhin. Wie mitgetheilt wird, war der Grund
zu der Verhaftung folgender: Vor der Kasse der
gank hatte ein junger Mensch einen Hundertmark⸗
chein fallen lassen; der Verhaftete sah dieses, hob
ꝛen Schein auf und entfernte sich mit demselben
chleunigst. Aber auch eine Dame hatte diesen
Zwischenfall, trotz der Schnelligkeit, mit welcher er
ach abwickelte, bemerkt und einen Beamten davon
in Kenntnis gesetzt, so daß es den Verfolgern ge⸗
jang, den Unbekannten auf der Straße zu erreichen
ind seine vorläufige Festnahme zu bewerkstelligen.
F Ganz überraschende Erschein—
angen,) die auch für weitere Kreise Interesse
jaben dürften, traten kürzlich bei der Behandlung
ines Negers zutage. Derselbe litt an Unterschenkel⸗
Beschwüren und war in die Klinik des Professors
Thiersch in Leipzig gekommen. Hier wurden ihm
Theile seiner eigenen schwarzen und gelegentlich auch
Stücke von wei ßer Haut „angeheilt“. Nach einiger
Zeit wurde das weiße Hautstück dunkel und schließ⸗
ich so schwarz wie die ursprüngliche Haut des
Negers. Nun wurde der Versuch umgekehrt und
Regerhaut auf einen Weißen verpflanzt. Schon
einige Wochen darauf begann das schwarze Hautstück
zu erblassen, und nach 12 -514 Wochen war die
stegerhaut gerade so hell geworden, wie die weiße
daut des Einheimischen. Dr. Karg, der Assistent
Tiersch's, hat nun eine größere Reihe von Haut—
tücken in den verschiedenen Stadien des Schwarz⸗
ind Weißwerdens mikroskopisch untersucht und
vichtige Thatsachen gefunden, welche über die Vor⸗
zänge bei der Färbung, sowie bei der Ernährung
er Oberhaut Aufschluß geben.
F Aus Ungarn. Eine schreckliche Selbst⸗
nordart führte der Krecskemeter Fuhrmann Köszegi
ürzlich aus. Er wollte sammt Familie, sammt
stoß und Wagen, aus dem Leben scheiden, um —
pie er in einem hinterlassenen Schreiben erklärt
— für immer der Noth und dem Elend, in wel⸗
hem er und seine Familie sich befanden, zu ent⸗
jehen. Unlängst Nachmittags setzte Koszegi seine
Hattin und seine drei kleinen Kinder auf den
Wagen und fuhr vom Hause fort direct der Theiß
u. Zwischen 9 und 10 Uhr Abends erreichte er
as Ufer, welches etwa 5—26 Klafter Hohe steil
jegen den Fluß abfällt. Köszegi trieb die Pferde
in, daß sie en carrière gingen und das Gespann
türzte vom Ufer sammt und sonders in den Fluß
sinab. Die Gattin Köszegi's hatte die zwei lleineren
dinder an den Leib gebunden. Die Wellen warfen
das unglückliche Weib auf die Oberfläche und es
zelang der Frau, noch lebend das Ufer zu erreichen,
ie beiden Kinder ertranken. DieLeiche Köszegi's und
eines Söhnchens wurden an eine kleine Insel an⸗
eschwemmt aufgefunden. Wagen und Pferde ver⸗
hwanden spurlos. Die Gattin Köszegi's gestand,
zaß sie, den Ueberredungen ihres Gatten nachgebend
n den Selbstmord einwilligte. Im letzten Augen⸗
licke reute sie der Entschluß und sie wollte den
Fatten zurückhalten, aber die Pferde hatten schon
den festen Boden verloren.
F Schulküchen sollen nach einem Beschlusse des
Stadtrahts in Genf eingerichtet werden. In
einem der Primarschulhäuser soll eine Küche herge⸗
tellt werden, welche allen Kindern, die es wünschen,
Suppe, Fleisch und Gemüse zu 25 Cent., liefern
vird. Die armen Kinder, die nicht so viel zahlen
önnen, werden auf Kosten der Stadt genährt
ind blos die Kinder schweizerischer Nationalität,
ondern auch die der fremden Niedergelassenen.
Nach der „Irdey. B.“ hat eine bedeutende
Feuersbrunst in Pernambuco großen Stad
berursacht; mehrere Magazine und 25,000 on
Baumwolle sind vernichtet worden. en
4 Das Schicksal bat dem General Bo
langer schon einen Trost für seine —
beschieden. Aus Catania wird geschrieben
lofter der Barmherzigen starb hier eine Tant· da
Benerals Boulanger, die Schwester Auguste eͤe
juet im Alter von 64 Jahren. Sie —**
dem General ihr ganzes. nicht unbeträchtlicheg de
nögen.“
F Ein früherer Offizier des französische
Beneralstabes, Graf Herrisson, bat vor zwei **
iin Buch „Journal d'un Officier d'ordonneet
zeröffentlicht, worin er erzählte, wie er nahh W.
ailles zum Fürsten Bismarck geschickt wurde
iesem die von der französischen Regierung endgilt
interschriebene Kapitalations Urkunde zu ubre
jen. Unterwegs kam ihm der verwegene —
iuf eigene Hand und ohne jeden Auftrag din
Fürsten Bismarck noch eine Milderung der Beding⸗
ingen abzuringen und die in der Kapitulationam
zemachte Uebergabe der Fahnen der Pariser Garnison
u verhindern. Er erklärte daher dem Fürsig
zaß er die unterschriebene Kapitulation zwar mn
jebracht, aber den Auftrag habe, sie nur dann zu
ibergeben, wenn man deutscherseits auf die Au.
ieferung der Fahnen verzichte. Fürst Bismatt
var zuerst sehr argerlich und erregt, gab schließlich
iber nach und — Herissons List war gelungen
Als Herisson diese Geschichte in seinem ꝰJourua)
l'un Officier d'ordonnance?“ erzählte, stieß sie auß
Jewisse Zweifel. Sie ist aber nicht nur buchstab.
ich wahr, sondern Fürst Bismarck selbst hat, wi⸗
die „N.Z.“ erfährt, gleich nach dem Erscheinen des
Buches durch eine hochgestellte Persönlichkeit den
Frafen Herisson mittheilen lassen, daß er sein
Frzählung mit hohem Interesse gelesen habe unmd
hn zu dem patriotischen Erfolg beglückwünsche, den
er über ihn (den Kanzler) davongetragen habe.
F Ein unter eigenthümlichen Umständen be—
jangener Selbstmord erregt jetzt in Pariz
angewöhnliches Aufsehen. Der unglückliche Held
desselben, Lucien de M, war ein vierundzwanzig—
ähriger Mann, der durch einen Buckel auf der
Zrust und auf dem Rücken furchtbar verunstalte
var, so daß er das allgemeine Mitleid erregte
Vor ungefähr 4 Wochen wurde bei seinem Schwa
jer, Herrn von Saint-Ge..,„ein glänzendes Fest
jefeiert und während sich die Gesellschaft im Tanz⸗
aale unterhielt, saß der arme Bucklige einsam
unter einem Fliederstrauche im Wintergarten. Da
azahm ein achtzehnjähriges, junges Mädchen bon
eltener Schönheit an seiner Seite Platz; es war
in Mädchen ohne Vermögen. Die beiden jungen
deutchen plauderten so angenehm, der Anblick der
S„chönen berauschte ihn so sehr, daß er am nächsten
Tage hinging und ihr seine Hand und sein Ver—
nögen von 500,000 Fres. anbot. Die Heirath
cheiterte jedoch an dem Widerstande der beider⸗
eitigen Angehörigen und Lucien wurde noch düsterer
ind trauriger, als er es zuvor gewesen. Er schloß
sich stundenlang mit einem Fliederzweige ein, den
Fraäulein von X. an jenem Abende fallen gelassen
jatte. Bor einigen Tagen fand wieder eine Tanz⸗
unterhaltung in einem vornehmen Hause statt, wo
sich Lucien und seine Angebetete befanden. Während
dieselbe walzte, schickte er einen Diener fort, mit
dem Auftrage, einen Strick zu holen, mit welchem
er eine Ueberraschung für den Cotillon vorbereiten
wolsle. Eine Stunde später fand man den armen
Zrüppel am Gartengitter erhängt. Er hatte die
Enttäuschung seiner ersten und letzten Liebe nicht
überleben können.
F Die Proskribirten von Bordeaus.
Das in Bordeaur erscheinende Revancheblatt „Le
Reveil du Sud⸗Duest“ veröffentlicht unter der
lüebetschrift: TES ALEBM ANDS CEHE IBS
NOTABIES COMAMERCANIS BORDPPLAlb:.
Die Deutschen in den hervorragenden Handels⸗
häusern von Bordeaux) eine Hrostriptionsliste.
welche in der Nummer vom 26. Mai enthalten iß
Zum Gaudium der deutschen Leser war nämlih
in der Spitze der betreffenden Nummer Folgendes
zu lesen:
Man schreibt uns: Bordeaux, den 20. Nat
1887. Geehrter Herr Chefredatleur Ich bin
zanz der Anficht des Herrn A. H... und de
heren A. Lasside, welche in Ihren beiden lehen
Rummern einige Deutsche bezeichnen, die in de
zroßen Weinhandlungen von Bordeaux zum Ant
hen der frar osischen Kommis angestellt sind. Ge