Full text: St. Ingberter Anzeiger

ʒxt. Ingherter Amzeiger 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
8t. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2 mal wöchentlich mit Unterhaltungs 
hlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt lostet vierteljahrlich 1 A 60 einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 14 75 A, einschließlich 
“ tZuftellungtgebuhr. Die Einrückungsgebühr für die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 Z, bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auslunft ertheilt, 15 8, Neklamen 80 8. Bei 4maliger Einrucdung wird nur dreimalige berechnet. 
Vu 
—— 
Sonntag, 12. Juni 1887. 
22. Jahrg 
Deutsches Reich. 
Berlin, 10. Juni. Der Reichsanzeiger“ 
neldet: Der Kaiser brachte die letzten Tage von 
npflhaften Unterleibsbeschwerden vielfach beun 
uhigt, fast ausschließlich im Bette zu, auch hal 
id eine hlerhaliische Reizung der Augenlieder noch 
uzugesellt. 
oe 9. Juni. Die Berliner medizinische 
xsellschaft hielt gestern gemeinsam mit den hiesigen 
ztzllichen Bezirksbereinen eine Sitzung ab, um 
zllung zu nehmen zu der an den Reichstag ge⸗ 
achteten Petition des Dresdener Aerztebereins um 
zinführungen von Strafbestimmungen zur Unter 
müdung der Curpfuscherei. Nach eingehenden 
dFihtlerüngen wurde mit 168 gegen 164 Stimmen 
olgende Resolution angenommen: „Die am 8. Jani 
1887 versammelten Mitglieder der Berliner medi— 
hinischen Gesellschaft und der im Centralausschuß 
haltcetenen ärztlichen Bezirlsvereine erklären: daß 
die Wiederherstellung des Verbots der gewerbs⸗ 
mäßigen curpfuscherei durch Aufnahme bezüglicher 
hesümmungen; in das deutsche Strafgesetzbuch im 
Imeresse des allgemeinen Wohles nothwendig ist. 
—F— 
schweren Schädelbruch davontrug, an dem er nun 
m Spital hoffnungslos darniederliegt. Ein Unter⸗ 
juchungsrichter war an dem Orte der That und die 
Hensdarmerie. hat Verhaftungen bereits vorge— 
nommen. 
— Der Stadtraih von Annweiler und der⸗ 
derjenige von Dürkheim haben, dem Vorgange 
anderer Städte folgend, als Dienstbotenwandertage 
den 1. Januar, 1. April, 1. Juli, und 1. Oktober 
iestgesetzt. 
— In Freinsheim hat der Kirschenver. 
audt bereits begonnen. Das Pfund wird mit 60 
pfg. bezahlt. 
Ludwigshafen, 9. Juni. In der gest⸗ 
rigen Versammlung der Handels und Gewerbe⸗ 
ammer der Pfalz stand die Weinfrage auf der 
Tagesordnung. Man war zwar darüber einig, 
zaß gegen eine Verbesserung geringer Weine nichts 
inzuwenden sei; über die Frage aber, ob verbisser 
er Wein als solcher gekennzeichnet werden müsse. 
zingen die Ansichten weit auseinander. Die Ver⸗ 
reter von Ludwigshafen, Speyer, Kusel und Kasers: 
autern traten entschieden für den Deklarationszwang 
ein, jene von Neustadt, Edenkoben, Landau und 
rirchheimbolanden sprachen sich dagegen aus. Schließ— 
lich einigte man sich unter Zustimmung der Antrag 
steller in folgender Basis: Die pfälzische Handels 
ind Gewerbekammer spricht sich in ihrer Mehrheit 
jegen das Verbot der rationellen Weinverbesserung 
aus. Ueber den Declarationszwang wird, insofern 
Aussicht ist, daß die Weinfrage den Reichstag noch 
in dieser Session beschäftigt, in einer baldigst zu 
berufenden Handelskammersitzung weiter berathen 
und abgestimmt. 
Keigert. Die Einbrecherin wurde nach Mainz ab— 
zeführt. Die Untersuchung dürfte schlimme Dinge 
ntdecken, denn die genannte That soll unter sehr 
verdächtigen Manipulationen eingeleitet worden sein. 
Mühlhausen, 10. Juni. Der Reichs⸗ 
ags⸗ Abgeordnete Lalance, Fakhrikdirektor Resch⸗ 
Waldighofen und Büreaubeamter Schön wurden 
jeute ausgewiesen. Sie erhielten bis zur Abreise 
18 Stunden Frist. 
7. Heidbronn, 8. Juni. An einem 
Neubau der Konservenfabrik von C. H. Knorr an 
der Southeimerstraße brach heute Vormittag !ein 
vermuthlich zu schwer mit Bacdsteinen beladenes 
Gerüst zusammen, unter welchem sich gerade eben 
die Arbeiter mit ihren Frauen, die ihnen das 
Vesper gebracht, zum Einnehmen des Vespers nieder⸗ 
gelassen hatten. Von den Arbeitern wurden 6, 
von den Frauen 2 schwer verletzt dom Platze ge⸗ 
iragen; auf dem Gerüst befand sich zum Glüch 
Niemand. Die sofort vorgenommene gerichtliche 
Untersuchung wird die eigentliche Ursache des Un⸗ 
zlücks feststellen. 
Für Theologiestudirende der Aka— 
demie Münster in Westfalen, welche sich für die 
afrikanischen Missionen ausbilden wollen, ist daselbst 
nunmehr ein „afrikanisches Seminar“ unter 
deitung des katholischen Geistlichen Ehring in einem 
Bebäude, welches vordem einem „seminarium 
americanum“ als Heimstatte diente, erdffnet worden. 
Die Anstalt zählt erst 83 Zöglinge. 
— Der an Geistesstörung leidende Handelsmann 
J. Hausmann von Wachenheim a. Pfrimm 
wurde am Dienstag Morgen auf Monsheimer 
Bemarkung erhängt aufgefunden. 
fF Gelsenkirchen, 9. Juni. Während der 
Nacht und heute Vormittag wurden von den noch 
bermißten 12 Bergleuten noch 6 gefunden; dieselben 
waren theilweise verkohlt. Die fehlenden 6 lonen 
vegen der Steinblöcke, die im Wege liegen, vor⸗ 
erst nicht erreicht werden. 
Breslau, 8. Juni.' Der langgesuchte 
Mörder Aloys Thiem. der seiner Zeit einen Schutz⸗ 
mann getödtet und zwei andere schwer verwundet 
hatte, als er wegen geringfügiger Ursache verhaftet 
werden sollte, ist heute Morgen festgenommen 
worden. Er gab dabei wiederum viecr Schüsse ab 
und verwundete einen Schutzmann. 
f Von unserem Kaiser cirkulirt gegen⸗ 
wärtig in Berliner Offizierkreisen folgende der 
„Elbf. Z“* von zuverlässiger Stelle als völlig wahr 
dezeichnete reizende Geschichte. Vor einiger Zeit 
heabsichtigte Se. Majestät das Regiment der Gardes 
du Corps zu besichtigen und bei jener Gelegen⸗ 
J.it das neue Offizierkasino der bezeichneten Truppe 
n Augenschein zu nehmen. Schlechtes Wetter be—⸗ 
hinderte ihn, die militärische Besichtigung auszu⸗ 
sühren, während die allmälig eingetretene Besserung 
der Witterung ihn in den Stand sitzte, bei der 
Finweihung des Kasinos zugegen zu sein. Bei 
»em sehr opulenten Frühstück bemerllte der hohe 
herr zum General von Albedyll: „Nun werden 
die Leute denken: Dienst thun konnte er nicht 
— aber frübstücken — das kann er!“ 
F Berlhin, 6. Juni. Bei dem Brande der 
Hariser „Komischen Oper“ ist u. A. die Gattin 
)es hiefigen Bar quiers Sobernheim geretlet worden. 
Frau S. hat ihr Leben der Geistesgegenwart ihrer 
Hesellschafterin zu darken, mit welcher sie an jenem 
Abend die „Komische Oper“ besuchte. Die heiden 
damen hatten sich bereits bis in die Vorhalle ge— 
achtet, als Frau S. infolge der Aufregung ohn⸗ 
Ausland. 
Paris, 9. Juni. Die „Agence Habas“ be— 
reichnet die Nachricht, Ferron beabsichtige den 
Jlan in Betreff der versuchsweisen Mobi li— 
situng eines Armeekorps fallen zu lassen, 
als unbegründet; der Kriegsminister werde viel— 
mehr, sobald ein neuer Vorsitzendet der Budget⸗ 
tommission ernannt sei, sich mit diesem wegen der 
höhe des erforderlichen Kredits in Einvernehmen 
ehen. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
— pPirmasens, 6. Juni. Am Samstag 
Nachmittag wollte ein Einwohner der Zweibrücker⸗ 
straße in seinem Garten nach einer Katze schießen. 
Unglüdlicherweise hatte er sich in seinem Ziel ver— 
sehen und traf eine daneben wohnende Frau mil 
der ganzen Schrotladung in das eine Bein. Die 
Verlezung ist zum Glücke keine bedeutende. (K. Z.) 
— Kaiserslautern, 8. Juni. Die zum 
Wed der Erleichterung der außergewöhnlich großen 
cchuldenlast, die der hiesigen israelitischen Cultus- 
gemeinde durch den Nubau der Synagoge er— 
wachsen, von hoher kgl. Regierung genehmigte 
Geldlotterie muß nach dem Ziehungsplan am 1. 
Juli gespielt werden. Der Endtermin zum Ver— 
ichleiß der Loose rückt heran und darum wünschen 
wir, daß der Apell an die Bewohner der Pfalz, 
durch Abnahme von Loosen, die von den bekannten 
Verkaufstellen bezogen werden können, das schöne 
Werk ju subbentioniren, wobei auch ein jeder Loos— 
deßiher auf einen Gewinn hoffen darf, nicht unge ˖ 
höct und nicht undeachtet vorübergehe. 
— Speyer, 7. Juni. Gestern Abend er⸗ 
nrant während der Heimfahrt von Wornmis der 
Jisige Schiffer Friedrich Wolf, ein Mann in den 
Wer Jahre stehend, in der Nähe der Brühler Ueber- 
fahrt. Die Leiche ist noch nicht geländei. 
— Deidesheim, 8. Juni. In der Nacht 
dom Sonntag auf Montag wurde ein Geselle des 
Schremermeisier Gg. Weitlauff beim Nachhausegehen 
»n einigen Strolchen im Hofe überfallen und mit 
Steinen über das Thor hinein traktirt. Die Ver⸗ 
olger suchten das Thor einzubrechen, was der 
indere zu hindern versuchte. Dabei traf ihn ein 
Pfund schweret Stein und so unglüclich an den 
cudf, daß er bewußtlos zu Boden stürzte und einen 
Vermischtes. 
München, 8. Juni. Der k. Bezirksarzt 
a. D. Dr. Louis Bopp, namentlich durch seine 40 
jährige Thätigkeit als Cantonsarzt in der Pfalz 
bekannt, feiert heute im engsten Familienkreise das 
Fest der goldenen Hochzeit. 
f Nürnberg, 10. Juni. Hente Nacht sollte 
ein Chebauxleger verhaftet werden, der die nächt— 
liche Ruhe störte. Derselbe wiedersetzte sich der 
Verhastung und wurde laut „Fr. Jour.“ im Streite 
mit der Militärpatrouille von einem Soldaten er⸗ 
stochen. 
F Mannheim, 7. Juni. Gestern Vormittag 
zwischen 8 und 9 Uhr flürzte sich ein ca. 25 Jahre 
alics Mädchen in der Nähe der Stephanienprome— 
nade in selbstmörderischer Absicht in den Rhein. 
Von einer zufällig vorübermarschirenden Militär 
abtheiluug sprang ihr ein Unteroffizier rasch ent— 
chlossen nach und rettete die Selbstmordcandidatin, 
welche, aller Subsistenzmittel baar aus Lebensüber⸗ 
ruß sich das Leben hatte nehmen wollen. Dieselbt 
st aus Ingelfingen, Amt Künzelsau, kam erst vor 
iaigen Tagen hierher und konnte keine Stelle finden. 
Fin Schutzmann brachte sie mittelst Chaise in's 
allgemeine Krankenhaus, wo sie Aufnahme fand. 
fFBretzenheim, 8. Juni. Unser Ott ist 
in großer Aufregung. Heute Nacht wurde eine 
zdiesige Frau von dem Polizeidiener und Nachwächter 
jestgenommen, als sie bei einer Witwe, bei der 
Jewöhnlich viel Geld zu finden ist, einen Einbruch 
derübte. Sie wurde unter dem Bette hervorgeholt 
nand fand man bei ihr ein Beil und eine Tasche 
voll Pfeffer, woraus zu schließen ist, was sie vor— 
jatte. Die Frau befand sich in tausend Nothen, denn 
seute werden die sämmtlichen Mobilien, 5 Pferde, 
-„chweinen, Kleeschurrn ꝛc., definitiv gerichtlich ver—