Full text: St. Ingberter Anzeiger

— Annweiler, 10. Juni. Das Hoͤtel 
Völcker am Bahnhof in Annweiler wurde heute 
bon der Liegenschafts-Agentur J. Schneider in 
dandau für das Bankhaus Müller & Weyland in 
Landau um 25 000 Mk. ersteigert. (L. T.) 
— Arzheim, 10. Juni. Beim Ackerer Mich 
Scherrer dahier hat heute ein Huhn ein Küchelchen 
ausgebrütet, welches an Stelle des Schwanzes ein 
drittes Bein hat. Die Zehen an den Beinchen sind 
dabei ungleich vertheilt. An einem Bein hat es 
deren zwei, am zweiten vier und am dritten sechs 
Zehen. C. T) 
Ludwigshafen, 11. Juni. Die Di— 
rektion der Pfalzischen Eisenbahnen hat den Theil · 
nehmern an dem 18 Kriegertaq, welcher am 19 
Juni in Ludwigshafen abgehalten wird, Fahrpbreiser— 
mäßigung gewührt in der Weise, daß alle Vereins⸗ 
mitglieder, welche einem Militärverein angehören 
und sich durch eine Verband⸗ resp. Vereinskarte 
oder ein Vereinsabzeichen legitimiren, auf einfaches 
Billet am 19. Juni freie Rückfahrt genießen. 
Vermischtes. 
München, 13. Juni. Der beliebte Schau⸗ 
spieler Ernst Posfart erbat gestern und erhielt 
daraufhin sofort seine Entlasßung aus dem Ver— 
band des Hoftheaters. 
F Nürnberg, 10. Juni. Ueber einen schweren 
Mililärexzeß werden folgende Einzelnheiten berichtet: 
Gestern Abends 6 Uhr kamen in die Baum'sche 
Wirthschaft an der Deutschherrenwiese etwa 20 
Chevourlegers, welche sich im Garten ein Fäßchen 
Bier auflegen ließen. Während des Trinkens kam 
es unter ihnen zu Raufereien. Die anwesenden 
Civilisten verhielten sich passiv; als aber ein Soldat 
mit einem Gias zuschlagen wollte, griff der Wirth 
ein und suchte seinen Gläser zu retlen, wurde aber von 
mehreren Soldaten zu Boden geschlagen, so daß er 
blutende Verletzungen davontrug. Mittlerweile hat⸗ 
ten die Soldaten ihr Fäßchen ausgetrunken und 
berlangten weiteres Bier. Der Wirth verweigerte 
— V Pat⸗ 
rouille gesandt habe. Hierauf erfolgten wieder 
Drohungen und Rempeleien, wobei ein Civilist zu 
Boden geworfen wurde. Endlich erschien eine In⸗ 
fanterie Patrouille von fünf Mann und forderte 
die Chevauxlegers, deren noch 14 — 19 anwesend 
waren, sowie auch die Civilisten auf, das Lokal 
ruhig zu verlassen, Die Chedaurlegers verhöhnten 
die Patrouille und ihren Führer und blieben sitzen. 
Da fie aber doch kein Bier mehr bekamen, drohten 
einige, sie würden Verstärkung holen und Alles 
kurz und klein schlagen; fie gingen fort, lamen 
wieder zurück und wurden nun von zwei ganz engerisch 
einschreiienden Polizeisoldaten verhaftet. Dem Trans- 
port der Verhafteten folgte die Patrouille, welch⸗ 
alsbald bemerite daß ein Verhafteter entsprang. 
Derselbe wurde dreimal angerufen, verfolgt und in 
der Praterstraße angehalten, wobei er Wiederstand 
leisteie und einen Stich mit dem Bajonnet in die 
Brust erhielt, der ihn födtete. Der Erstochene 
heißt Popp. Es war Abends nach 10 Uhr, als 
dieses iraurige Ende des Exzesses eintrat. 
Interessante Versuche. Nürnberg, 
7. Juni. Es werden jetzt hier von der Bahnbe— 
hörde sehr interessante Versuche mit einer neuen Art 
Petarde gemacht, welche dazu dienen sollen, den 
Zugführet in Fällen, in denen eine anderweitige 
Bvenachrichtigung nicht mehr möglich ist, auf die 
Unterbrechung des Schienengeleises (z. B. im Krieg 
durch eine vom Feind erfolgte Herausnahme von 
Schienen oder im Feieden durch Elementarereignisse 
aufmerksam zu machen. Es wird eine solche Pe— 
iarde längs der Schiene gelegt und sobald nur die 
Maschine dieselbe streift, erfolgt ein donnerähnlicher 
Knall, so daß, der Lokomotivführer sich veranlaßt 
sehen muß, den Zug zu halten. Die Versuche mit 
den Petraden sind bisher gut ausgefallen, von 100 
Stück, welche erprobt worden sind, hat nur eine 
versagt. 
FBad Kissingen, 9. Juni. Der „ange— 
sehenste“ Mann (im Wortsinne) ist augenblicklich 
hier unter den zahlreichen Kurgästen der Fürst 
Alexander, Prinz von Battenberg, der 
sich seit zwei Tagen hier befindet. Er wird aber 
nicht allein „angesehen“, sondern es folgen ihm sogar 
ganze Schaaren Neugieriger zeitweise auf Schritt 
und Tritt, so daß ihm seine bulgarische Vergargen⸗ 
heit sogar hier noch einige Unbequemlichkeiten ver— 
ursacht. 
FFrankfurt, a. M., 10. Juni. Auf dem 
Schützenfestplatze in Frankfurt. woselbst das ueunte 
zeutsche Jubiläums- und Bundesschießen stattfinden 
oll, iann man über dem Buffet das folgende echt 
frankfurtische Trink⸗Sprichlein lesen: 
Der Schöpfer setzte Mann und Weib 
E richtig Lewer in den Leib; 
Und owe druff e Gorgelrohr — 
Mer hawe Dorscht, wer kann dafor! 
fpeFrankfurt a. M., 11. Mai. Auf der 
Deuischen landwirthschaftlichen Ausstellung haben 
ie badischen Rindviehzüchter fast sammt⸗ 
iche erste Preise in den bezüglichen Abtheilungen 
abongetragen. Meßkirch erhielt den ersten Samm ·˖ 
ungspreis mit 7650 Mt. Im Ganzen Preise im 
Hettage von über 83000 Mark und 30 Ehrendiplome. 
'Mainz, 8. Juni. Gestern Mittag wurde 
n der Strafkammersitzung das Urtheil ir. Sachen 
der wegen Diebstahl und Hehlerei angeschuldigten 
neun ebewaligen Bediensteten der hessischen Lud⸗ 
wigsbahn verlündigt. Die Verhandlung fand in 
»er letzien Mittwochsitzung des hiesigen Landgerichts 
tatt und beantrugte damals die Staatsanwaltschaft 
segen fieben der Beschuldigten Zuchthausstrafen und 
jegen zwei derselben Gefängnißstrafen. Das Gericht 
rtannte heute gegen einen der Bremser auf eine 
hefungnißstrafe don 2 Jahren, gegen einen weiteren 
geschuldigten auf eine. Gefängnißstrafe von 1 Jahr 
Monaien, gegen zwei auf 10 Monate, gegen 
wei auf 9 Monate, gegen einen auf 4 Monate 
ind gegen einen der Angeklagten auf eine Gefäng— 
nißstrafe von 3 Monaten. 
Aus Rheinhessen, 12. Juni. Am 
Freitag Abend wurde in Nierstein die Leiche des 
steferendar Karl Pretorius, (ein Sohn des Heraus— 
jebers und Verlegers des „Beobachters“ in Alzey) 
jeländet. Der Verstorbene war vor acht Tage zu 
inem Besuche nach Worms gereist. Dort ging er 
or einigen Tagen unter dem Vorgeben, einen Spazier⸗ 
ang zu machen aus, ohne indeß wiederzudehren 
da Pretorius oft Spuren von Schwermuth zeigte, 
o scheint es ziemlich sicher, daß er seinen Tod 
reiwillig in dea Wellen gesucht hat. Die viel⸗ 
jeprüften Eltern des Unglücklichen verlieren in ihm 
inen braven hoffnungsvollen Menschen. den einzigen 
Zohn. 
Trier. Durch den Tod des Commerzien⸗ 
caths L. R. Mohr in Oberemmel wird nun das 
zroße, durch seinen musterhaften Bau ausgezeichnete 
Weingut des Verstorbenen einer Versteigerung aus— 
zesetzt. An Steigliebhabern wird es gewiß nicht 
ehlen, da die vorzüglichsten Lagen der Saar, wie 
Scharzhofberger, Wiltinger, die zu dem Gute ge⸗ 
Jören, in der ganzen Welt einen guten Klang 
vaben. 
Köln, 10. Juni. Der Handelsabtheilung 
zer wirtschaftlichen Conferenz fur den Regierungs— 
zezirk Köln hielt vorgestern hierselbst eine Sitzung 
1b, in welcher mitgetheilt wurde, daß die Orts ⸗ 
crankenkasse Koln in 1886 einen Ueberschuß von 
)30,000 Mtk. erzielt haben (Einnahme 400,000 
Mk., Ausgabe 310,000 Mk.) 
pueber Blutvergiftungen. Zur Be— 
ruhigung und gleichzeitig auch zur Vorsicht mahnend, 
zai der Verein der Aerzte in Düsseldorf Folgendes 
zeröffentlicht: „In letzter Zeit bringen die Tages 
lätter sehr häufig Erzählungen von Blutvergiftungen 
nach scheinbar unbedeutenden Verletzungen. Das 
eine Mal ist es der Stich der Nadel, mit welcher 
ein bunter, natürlich mit giftiger Farbe gefärbter 
Stoff genäht worden ist; das andere Mal der 
Stich ein Feder, welche mit arsenikhaltiger Tinte 
ersehen war. Hier ist es kleine Abschürfung am 
geine, die durch einen farbigen Strtumpf infizirt 
vurde, dort eine Schnittwunde, die man mit!Brief⸗ 
narkenpapier oder anderem giftigem Material be⸗ 
lebt hat. Mit besonderer Vorliebe springen Theile 
jon Streichhölzchen in offene Wunden oder verur⸗ 
achen auch Brandwunden, die dann weil der 
zifiige Phosphor hineingerieth, die Quelle einer 
tziuiwergifiung abgeben, in Folge deren die Finger 
iner Hand, ja, ein ganzer Arm amputirt werden 
nußten! Durch derartige Berichte wird das Publi⸗ 
um in hohem Grade ängstlich gemacht, ja, bei 
iner vorlommenden Verletzung oft in die größte 
Aufregung versetzt. Und das ohne jeden Grund. 
Alle diese Erzählungen beruhen auf völlig falscher 
Beurtheilung des betreffenden Falles oder auf 
nüßiger Erfindung. Wahr ist es, jede Wunde, 
ruch die unbedeutendste, kann der Eingangspunkt 
iner Blutvergiftung werden, aber die Gifte, welche 
ine solche hervorrufen koönnen, sind ganz anderer 
Natut und dem Publikum als Gifte gewöhnlich 
icht bekannt. Es sind die Zersetzunasstoffe. welch⸗ 
zeim Faulen, Verwesen, Gähren u. s. w. thierischer 
ind pflanzlicher Stoffe sich bilden und welche 
edem Schmutz, ja in jedem Staube und 8* 
n der ganzen Atmosphäre in großer Menge en 
zalten find. Gifte, wie Phosphor, Arseuit. Vlei 
Säuren u. s. w. sind Wunden in dieser Waj— 
ticht schadlich. Der brennende Phosphor wird ga 
nicht vor Korper cufgenommen, da er selbst R 
die Bildung des Brandschorfes die Haut, beziehung 
weise die Wunde, dazu unfähig macht. Ausge 
dehnte Phosphorverbrennungen in tiefen Wund 
bei Explosionen in Laboratorien find unjchädlich 
verlaufen. Arsenik, Kupfer, Blei u. s. w. werdn 
in so außerordentlich geringer Menge selbst unter 
den günstigsten Verhaltnissen ins Blut gelangen 
daß von einer Vergiftung gar nicht die Rede sein 
kann. Das Briefmarkenppier enthält keinerhe 
Bift. Ganz anders wirken die sogenannten septischen 
Infektionsstoff,, die der Fäulniß u. s. w. ent 
tammen. Da genügt die Aufnahme einiger nut 
nikrofkopisch sichtbarer Teilchen in die Wunde, um 
bei der Berührung mit der Wundabsonderung oder 
dem Blute im ungüustigsten Falle auch dieses in 
Zersetzung zu bringen, eine Zersetzung. welche er— 
ahrungsmäßig nicht nur örtlich tasch um sich greift 
ondern auch dald in den innern Organen sich de 
nerkbar macht und oft eine rasche Auflösung zur 
Folge hat. Zum Glück besitzt übrigens der mensch 
iche Körper gegen die Infektionskrankheiten eine 
iemlich große Widerstandsfähigkeit, so daß dei 
Weitem nicht jede Wunde dieser Gefahr erliegt. 
Es gehört dazu ein gewisser Grad Vernachlässigung 
und Unreinlichkeit oder ˖eine gewisse Disposition. 
Bir wiederholen es, die Gefahr der Blutvergiftung 
heim Eindringen von „Giften“ in zufällige Wunden 
st nicht vorhanden. Wohl aber ist es der Vorficht 
zemäß, auch kleinste Wunden' zu beobachten und 
zieselben von Anfang au vor Allem mit peinliche 
Reinlichkeit zu behandeln“ 
F Bielefeld, 9. Juni. Gestern starb hier 
elbst eine Hundertjährige, die Frau Witwe Heil⸗ 
dronn. Obschon die Verstorbene in der letzten Zeit 
örperlich und geistig recht schwach war, hatte dech 
merkwürdigerweise ihr Gedächtniß seine volle Krast 
„ehalten. Namentlich die Eindrücke aus der Jugend- 
zeit waren mit wunderbarer Klarheit haften geblieben 
F Breslau. Bei einer dieser Tage dahier 
zefeierten Hochzeit war auch ein Hochzeits-Kladde— 
radatsch, in welchem u. A. die Junggesellen Sünden 
des Bräutigams geschildert wurden. Nach der Tafel 
ragte die junge Frau ihren Mann, ob denn das 
auch alles wahr sei, was ihm der Dichter nachsage. 
„Natürlich, mein Schatz“, war die Antwort. Nach 
einer Stunde vermißte man die junge Frau, und 
8 stellte sich bald heraus, daß sie abgereist war, 
ind zwar, wie aus einem hinterlassenen Briefe er⸗ 
ichtlich, zu entfernten Verwandten; da sie, wie sie 
chreibt. sich den Mann, dem sie ihr Herz schenk⸗ 
zanz andecs gedacht habe. 
F Berlin, 9. Juni. Zwischen Oskar Blumen⸗ 
hal und Ernst Possart, weilcher augenblichlich in 
Berlin verweilt, ist der „Nat. Ztg.“ zufolge in den 
etzteren Tagen ein vorlaufiges Abkommen verein · 
hart worden, welches nicht dlos für das neue 
Theater ⸗ Unternehmen, sondern für das gesammte 
Berliner Kunstleben eine hohe Bedeutung besizt 
xrnst Possart würde hiernach, wenn es ihm gelingt. 
einen Munchener Kontrakt zu lösen — und daß 
Entlassungsgesuch hat der Künstler beretts einge⸗ 
reicht — in das Theater Oskar Blumenthal's als 
Societär, Schauspieler und technischer Direktor ein 
treten. 
F Berlin, 13. Juni. Die Auswanderun— 
iber Bremen war nach dem „Norddeutschen Lloyd 
in diesem Jahre um 17.600 Personen größer al⸗ 
im Vorjahre. 
F Unschuldig zum Tode verurtheilt 
Am Donnerstag Abend wurde in Berlin ein junge 
Mensch verhaftet, dessen Fest nah me mit große 
Wahrscheinlichkeit noch einem zum Tode verut— 
theilten auderen Manne die Freiheit wieder— 
geben wird. Vor vier Jahren fand mann 
El derfeld die Gattin des in sehr guten Verhältaisen 
benden Saamenhändletrs Albert Ziethen 
nit zertrümmertem Schädel dem Tode nahe in 
hrem Wohnzimmer liegen. Die Entdeckung wirh 
yon dem eben von der Reise zurückgekehrten Ehe 
nanne gemacht, der das Haus üllarmirte, du 
Polizei benachrichtigte und ärzliche Hilfe holte— 
staubmord lag nicht vor. Reunzehntau n 
Otark, die in einer Kassette lagen, waren — 
cg niußte also nach anderen Motidben geiucht we