Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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auf welche die Expedition Aubkunst ertheilt, 15 4, Neklamen 80 . Bei 4maliger Einrüdung wird nur dreimalige berechnet. 
Deutsches Reich. 
München, 17. Juni. Der deutiche Kron⸗ 
rung beabsichtigt, dem Schluß der Herbstman över des 
hahyerischen Armee Corps beizuwohnen. 
München, 17. Juni. Der Minister Dr. 
use d. Lutz ist mit Gemahlin gestern wieder hier 
ingetroffen. 
München, 18. Juni. Demächst beginnen 
je Berathungen des Ministerraths über die Auf⸗ 
llung des Budget-Entwurfs für die nächste 
nanzperiode. Man hegt laut Fr. Jour. die 
hohnung, die defekten Wasserwerke von Herrenchiemsee 
Aederherzustellen. 
Berlin, 18. Juni. Der socialistische Abge⸗ 
xdnete Kräcker ist nach Schluß des Reichstages 
zeuse beim Verlafsen des Reichsgebdudes vor der 
thür defselben verhaftet worden. 
— Nach dem „D. Tgbl.“ gilt in bayerischen 
zut informirten Kreisen die Ernennung des Geh. 
egationsraths Freiherrn v. Podewils, der sich 
uf seinem Posten in Berlin als erster Rath der 
aherischen Gesandtschaft bereits im siebenten Jahre 
efindet, zum bayerischen Gesandten in Berlin als 
idhe bevorstehend. 
Leipzig, 18. Juni. Hochverrathsprozeß. In 
en Urtheilsgründen heißt es, es sei als erwiesen 
mzusehen, daß der Zweck der Patrotenliga der 
biedereroberung Elsaß; Lothringens mit Waffenge⸗ 
nalt watr. Die Art, wie die französische Jugend 
uitch die Liga erzogen werde, deute unsehlbar auf 
men beabsichtigten Krieg. Es sei nicht denkbar, 
ahß der Zweck der Liga nur sei, den Verteidiguns⸗ 
tieg vorzubereiten, im Gegentheil, alle Kundgeb⸗ 
mgen und · Handlungen der Liga ließen nur die 
dee eines Angriffkriegs gegen Deutschland erkennen. 
zanz unerfindlich sei, wie der positive Zweck der 
diedergewinnung Elsaß⸗Lothringens durch einen 
hertheidigungskrieg erreicht werden könne. Der 
anze Zweck der Patriotenliga sei also die Vorbe⸗ 
eitung des Revanchekrieges. Dieser Zweck der Liga 
wauch der Zweck der Handlungen der Verurtheilten. 
ꝛg bestehe kein Zweifel, daß derjenige Deutsche, 
er unter deutschem Schut stehende Ausländer, 
zelcher einen solchen Krieg vorbereiten helfe, sich 
et Verurtheilung zum Hochverath schuldig mache. 
Re Verurtheilung zu Festungshaft ist deßhalb er⸗ 
olgt, weil der Gerichtshof nicht die Ueberzeugung 
rlangte, daß die Angeklagten die Tragweite ihret 
dandlungsweise sich bewußt gewesen seien. 
Leipzig, 18. Juni. Das Reichsgericht ver⸗ 
ntheilte don den angeklagten Elsässern: Emil Köch ⸗ 
meClaudon aus Muͤhlhausen zu 1 Jahr Festung 
b4 Monate Untersuchungshaft; Fabrikant Kari 
hlech aus Markirch zu 2 Jahren, Vuchhalter Kari 
zchiffmacher aus Muͤhlhaufen zu 2 Jahren, E. F. 
srapp aus Rastatt zu 1 Jahr“ 6 Monaten Festung. 
jreigesprochen wurden: Fabrildirektor Cugen Jordon 
us Maaßmünster. Speditions⸗Unternehmer Josef 
sreund aus Hagenau, Rentner G. A. Humbert 
uus Retz, Buchhaltet Eugen Reybel aus Straßburg. 
Ausland. 
maris 16. Juni. „Temps“ spricht die An⸗ 
aus. daß Rußland, nachdem es in Bulgarien 
zum Ziele gekommen sei, sich auf Serbien ge⸗ 
und diesem Lande die Leitung der slawischen 
n widelung der Balkan · Halbinsel dersprochen habe. 
neue Haltung Rußlands habe den Ehrgeiz 
ions Uewedt, welches bei der Anlehnung an 
Inpreid seine Rechnung nicht mehr zu finden 
te. Auch in Rumanien erhebe die russen 
renndliche Partei das Haupt und man glaube in« 
milichen hitsigen Krejsen an einen nahen Ausbruch. 
Paris, 18. Juni. Die Deputirten⸗ 
a mmer nahm den ersten Artikel bes Militär⸗ 
esetzezs an, welcher besagt, daß jeder Franzose 
ꝛen Militärdienst ableisten müsse; alsdann wurde 
der zweite Artikel des Gesetzes angenommen, in 
velchem es heißt, daß der Dienst 20 Jahre dauere, 
yersönlich und für Alle gleich see.. — Die Be— 
athung wird Montag fortgesetzt werden. — Der 
Bräfident der Armenkommission, Demah y, zog 
ein Entlassungsgesuch zurück. 
Paris, 18. Juli. Der Kriegsminister Ferron 
»gte in heutiger Sitzung des Ministerrathes ver⸗ 
chiedene militärische Gesetzentwürfe, darunter solche 
zetreffend die Errichtung don 4 Kavallerie- und O 
znfanterrieregimentern sowie üher die Erhöhung 
es Effektivbestandes der Compagnien vor. Die 
zorlagen werden nächste Woche in der Kammer 
ingebracht werden. 
Madrid, 18. Juni. Heute empfing die 
königin den deutschen Gesandten Herrn v. Stumm. 
London, 18. Juni. Folgende fürstlichen 
häste sind in London angekommen. Der König 
son Sachfen, Prinz Ludwig von Bayern, Prinz 
ind Prinzessin Wilhelm von Preußen, Prinz und 
Zrinzejsin von SachsenMeiningen, der Kronprinz 
on Oesterreich ⸗· Ungarn, Prinz und Prinzessin 
Bhilipp von Sachsen Coburg. — Sieben deutsche 
Torpedoboote unter dem Befehl des Prinzen Hein- 
ich von Preußen find in Sherneß angelangt, um 
)er Flottenrepue bei Portsmouth beizuwohnen. 
London, 18. Juni. Prinzesfin Wilhelm 
»on Preußen mit ihrem ältesten Sohne und der 
xkrbprinz und die Erbprinzessin von Meiningen 
ind heute Vormittag 11 Uhr hier eingetroffen. 
London, 18. Juni. Der Kronprinz von 
—Schweden ist heute Nachmittag in Doder eingetroffen 
ind alsbald nach London weitergereift. 
In London laufen, wie man dem „Berl. 
tagebl.“ telegraphirt, seit einigen Tagen Gerüchte 
im, die Fenier beabfichtigten anläßlich des Jubi⸗ 
aums der Königin Viktoria Dynamit Atten⸗ 
ate zur Ausführung zu bringen; man behauptet, 
ie Polizei sei einem weitverzweigten Komplott auf 
er Spur. Bei Ankunft eines New⸗NYorker Dampfers 
vurde am Freitag ein Mann verhaftet, in dessen 
Zesitz mehrere Explofionskörper mit Lunten gefun— 
»en sind. 
kotkale und pfäͤrrzische Rachrichten. 
*St. Ingabert, 20. Juni. Unter äußersi 
sünstiger Witterung verlief der erste Festtag der 
Fahnenweihe unseres Turnvereins. Ein Zapfenstreich 
im Vorabend und Tagreveille am Festmorgen, 
zeide ausgeführt von den Trommlern und Pfeifern 
»es Turnbereins, leiteten das Fest ein, zu dem sich 
zie Stadt mit bayerischen und deutschen Fahnen 
uf's schönste geschmückt hatte. Während des Vor⸗ 
nittags und Mittags wurden die eintriffenden aus⸗ 
pärtigen Turnderreine von Abordnungen des Fest⸗ 
sereins empfangen. Gegen 2 Uhr nachmittags 
nahmen sämmtliche Vereine in der Oberstadt Auf⸗ 
tellung. Von hier aus vetzte fich der imposante 
yestzug, voran die hiefige Bergkapelle nach dem 
Ztadthause zu in Bewegung, vor welchem eine 
Tribune aufgeschlagen war und der feierliche Akt 
er Fahnenweihe vorgenommen werden sollte. Der 
Festzug bot der in vielen Hunderten anwesenden 
Zevölkerung unserer Stadt ein schönes Schauspiel. 
Her Musik folgten zunuͤchst die Sanger der El⸗ 
müthlichkeit“, dann kam die verhüllte Fahne des 
niesigen Turnvereins mit Fahnenjungfrauen und 
Turnschwestern; diesen schlossen sich an das Fest⸗ 
omité die Ehrengäste, der Turnrath und 22 aus⸗ 
wärtige Turnveteine, an deren Spitze mit eigener 
Musik der Turnverein St. Johann, der als Pathen⸗ 
perein fungirte. Den Schluß bildeten Kriegerverein 
und Landwehrverein St. Ingbert und der Fest⸗ 
berein. In seiner bunten Mannigfaltigkeit und den 
wehenden Bannern, 12 an der Zahl, bot der 
Festzug, wie schon gesagt einen prächtigen Anblié. 
Rachdem die Aufstellung vor der Tribüne beendet 
var, begrüßte von derselben herab Herr Bürgermeister 
dein rich die Festtheilnehmer namens der Stadt 
nit einem herzlichen, Willkommen.“ Nachdem noch 
raͤulein Schwarz in gebundener Rede einen 
rolog gespeochen hatte, hielt Herr Kaufmann Karl 
Zecker in passenden und markigen Worten, die 
auf die Anwesenden den besten Eindruck machten, 
die Weihrede, die mit einem dreifachen „Gut Heib!“ 
iuf die deuische Turnerei schloß. Die enthüllte 
Fahne wurde jetzt dem Fahnenjunker übergeben, 
porauf mit entsprechenden Worten Fraͤulein 
„chmelzer eine von hiesigen jungen Damen ge⸗ 
tiftete prächtige Fahnenschleife an der Spitze des 
Fahnenschaftes befeftigte. Ein Vertreter des St. 
Johanner Turnbereins dankte namens desselben 
dem Festberein für die freundliche und ehrende 
lLebertragung der Pathenstelle bei dieser Feier; als 
Zeichen des Danles und der Freundschaft heftete 
er ebenfalls an der neugeweihten Fahne eine Schleife 
in. Sein „Gut Heil!“ galt dem hiesigen Turn⸗ 
verein. Herr Gasmeister Heck toaflete jetzt noch 
nit kurzen Worten auf seine Königl. Hoheit unseren 
illverehrten Prinz: Regenten Luitpold. Begeistert 
timmten alle in das dreimalige Hoch ein, und 
ben so begeistert und kräftig sangen alle mit, als jetzt 
die Musik die Königshymne intonierte. Erwähnt 
ei noch, daß die Sanger der „Gemüthlichkeit“ den 
Weiheakt durch den Vortrag eines Chores verherr⸗ 
ichten. Nachdem die Weihe vollzogen war und der 
Festzug wieder Aufstellung genommen hatte, ging 
8 unter klingendem Spiele hinaus zum Festplatze 
in den Wald. Hier, im Mühlenthale rechts der 
ẽnsheimerstraße, entwickelte sich bald im kühlen 
Schatten der hochstämmigen Buchen ein fröhliches 
Treihen; denn nichts fehlte, was dieses fördern 
onnte. Für den Durstigen war der irefjfliche, 
ühle Stoff aus der Becker'schen Brauerei eine an⸗ 
zenehme Labe; für den Hungrigen hatten die Fest⸗ 
virthe ebenfalls aufs Beste gesorgt. Für das Ohr 
»ot die Musik ihre heiteren Weisen. Und damit 
nuch das Auge was habe, führten eifrige Jünger 
Jahns an Barren und Reck schwierige Uebungen 
uus. Auch mehrere Toaste wurden ausgebracht, 
die jedoch in dem Menschengewühle schon auf wenig 
veite Entfernung nicht mehr verftanden werden konnten. 
So toastete Herr Stadtschreiber Bayer anuf S. 
Majest. den deutschen Kaiser, Herr Buchhalter 
Louis auf die auswättigen Vereine und Turner. 
llmählich lichteten sich die Reihen an den dicht 
hesetzten Tischen. Ein auswärtiger Verein nach 
dem andern trat den Heimweg an, begleitet von 
inem „Gut Heil!“ der zurückbleibenden Turnge⸗ 
zenossen. Gegen *8 8 Uhr ging es im Zuge unter 
den Klängen eines Marsches zurück zur Stadt in 
den Becker'schen Biergarten. Mit einem Garken⸗ 
este, das sich hier in der ungezwungensten Weise 
ntwickelte und seine Theilnehmer bis zur späten 
Abendstunde beisammen hielt, schloß der erste Fest⸗ 
2der Fabnenwei⸗