Full text: St. Ingberter Anzeiger

Jahren, erkannte ibm die bürgerlichen Ehrenrechte 
auf die Dauer von 5 Jahren ab, erkannte die 
Zuläsfigkeit der Stellung desselben unter Polizei⸗ 
aufsicht undilegte ihm die entstandenen Kosten zur 
Last. 
— Zweibrücken, 18. Juni. Verhandlung 
gegen 1) Jakob Heß, 20 Jahre alt, Musikant von 
Finöllen, 2) Friedrich Hupprich, 20 Jahre alt. 
Maurer von Hohenöllen, 8) Franz Metzger, 20 
Jahre alt, Maurer von Stahlhausen, 4) Heinrich 
eller, 20 Jahre alt, Ackerer von Einöllen. 
Den Angeklagten liegt ein Verbrechen wider, 
die Sittlichkeit zur Last. Auf Grund des Spruches 
der Geschworenen wurde Heß zu einer Gefängniß⸗ 
trafe von 9 Monalen, Hupprich zu einer solchen 
zon 6 Monaten verurtheilt, Metzger und Keller hin⸗ 
gegen frigesprochen. 
— Zweibrücken. Im Gegensatz zu den 
ablehnenden Aeußerungen der meisten Gewerbe—⸗ 
dereine der Pfalz hat der hiesige Gewerbeverein 
ich entschieden im Sinne der im Reichstag be— 
schlossenen Zusätze zur Gewerbeordnung bezüglich 
der Erweiterung der Innungsbefugnisse ausge⸗ 
prochen. Zugleich protestirt der Verein gegen 
eine etwaige Aeußerung des Vorortes an den 
Reichstag, bevor den Verbandsmitgliedern Ge⸗ 
legenheit gegeben ist, die zustehenden Ansichten zu 
degründen. 
— Dietrichingen, 20. Juni. Worsicht 
zeim Baden!) Gestern geriethen beim Baden in 
der Trualb zwei Mädchen von 10 und 12 Jahren 
oom seichten Ufer aus plötzlich in die Mitte des 
Baches und wären ohne das wackere Einschreiten 
weier Bürger von hier, sowie eines 15jährigen 
Knaben, welcher ebenfalls baden wollte, sicher er⸗ 
runken. Der eine Lebensretter, Namens Ph. Lauer, 
sah vom Ufer aus, wie das älteste Mädchen noch⸗ 
mals die Hand über's Wasser erhob, eilte auf die 
Stelle zu, wobei er bis über den Kopf selbst in 
die Tiefe gerieth. Da aber das Kind sich im 
Todeskampfe fest an ihn klammerte, so wäre auch 
er nicht mehr im Stande gewesen, sich aus dem 
nassen Elemente emporzuarbeiten, wenn nicht ein 
Dritter ihm eine Stange gereicht hätte. Zu ver—⸗ 
wundern ist nur, daß Schulkinder solche gefähr⸗ 
lichen Stellen zum Baden wählen konnten; die⸗ 
selben sollten von den Eltern hievon abgehalten 
verden. Nur nach großer Anstrengung gelang es, 
has eine Mädchen wieder ins Leben zu rufen. 
3) 
— Flommersheim-Eppstein, 21. Juni. 
Fin abgegebener Wahlzettel enthielt folgende Verse: 
„Heut', wo Bayerns Unterthanen 
Wählen ihre Urwahlmannen, 
Thu ich ein für allemal, 
Weil mer ke direkti Wahl — 
Des braven Bürgers erste Pflicht: 
Bleib' zu Haus und rühr' mich nicht.“ 
— Edenkoben, 22. Juni. Hier soll ein 
Bad mit Curhaus und Anlagen errichtet werden. 
Zwei Gutsbesitzer haben der provisorischen Aktien⸗ 
Gesellschaft für den Fall, daß das Projtkt zur 
Ausführung kommt, bereits sehr werthvolle Grund⸗ 
stücke als Eigenthum geschenkt. Ein großer Theil 
der Aktien ist bereits gezeichnet. (G.) 
— Maxau, 21. Juni. WVerflossene Nacht 
wurde in Maxrau (badisch) in den Bahnhof ein⸗ 
gebrochen und die Stationskasse ihres Inhaltes, 
ca. 700 Mark, beraubt. (S. W.) 
— Die „Neustadter Ztg.“ sieht sich veranlaßt, 
angesichts der Wahlergebnisse in Neustadt den 
chärfsten Tadel gegen die eigenen (nationalliberalen) 
Parteigenossen wegen ihrer bei der Urwahl an den 
Tag gelegten Saumseligkeit auszusprechen. Die 
bei den Gegnern herbvorgetretene Uneinigkeit, welche 
fich ducch starke Stimmenzersplitterung äußerte, 
hätte allerdings leicht dazu führen können, daß im 
ersten Bezirke die nationalliberalen Wahlmänner 
zewählt worden wären. Das Maximum der in 
senem Bezirk auf die deutschfreisinnigen Wahl⸗ 
männer gefallenen Stimmen betrug 80, welche 
Ziffer leicht hätte erreicht werden können, wenn die 
aationalliberalen Führer die Hände nicht in den 
Schooß gelegt hätten. 
— Haßloch, 21. Juni. Bei der gestrigen 
Frankenthaler Strafkammersitzung wurde u. A. 
folgender Fall verhandelt: Dem Johannes Mar-⸗ 
net, 41 Jahre alt, Tagner und Nachtwächter von 
jier, wurde Ende Oktober 1886 eine geisteskranke 
Frau zur Ueberwachung im Wachtlokal übergeben, 
welche aus einem Nachbarorte entsprungen war und 
n Haßloch aufgegriffen würde Die geisteskranke 
Person benahm sich sehr ungebührlich und suchte 
sich mit Gewalt zu befreien. Um sie nun festzu— 
halten, wendete der Angeklagte Mittel an, die 
etwas zu fühlbarer Natur waren; er riß fie an den 
Haaren vom Fenster weg und versetzte ihr außer⸗ 
dem noch mit einem Stock einen Schlag. Der 
»orübergehende Dr. Reiß machte hierüber seinem 
AInwillen durch lebhafte unwillige Aeußerungen gegen 
»eun Nachtwächter Luft, weshalb dieser Privatklage 
vegen Beleidigung anstrengte. In der Schöffen⸗ 
erichtssitzung stellte Marnet entschieden auf seinen 
rid hin in Abrede, die geisteskranke Frau miß⸗ 
jandelt oder geschlagen zu haben. Er leistete diesen 
fid, trotzdem er vom Vorfitzenden darauf aufmerk⸗ 
am gemacht wurde, daß er das Zeugniß, soweit 
s die ihm zur Last gelegte Mißhandlung betreffe, 
zerweigern könne. Gestern hatte sich Marnet wegen 
ahrlässigen Falscheides zu derantworten und wurde 
dieserhalb zu einer Gefängnißstrafe von drei Monaten 
erurtheilt. 
— Der „Sp. Ztg.“ zufolge berubt die Mit⸗ 
heilung, daß die seit Freitag Abend in Speyer 
„»ermißten Unteroffiziere Zapf und Vichtel⸗ 
zerger ins Karlsrahe verhaftet worden sind, auf 
krfindung. 
— Grünstadt, 22. Juni. Wie die „Gr. 
Ztg.“ aus zuverlässigster Quelle erfährt, wird in 
Angelegenheiten des Straßenbahnprojectes 
dudwigshafen-FraukenthalDirmstein— 
Brünstadt morgen Nachmittag eine Kommission, 
hestehend aus Herrn Hofrath Neumayer aus 
daiserslautern, Präsident des Verwaltungsrathes 
der pfälzischen Bahnen, Herrn Eisenbahndirector 
davale, Herrn Dr. August Clemem aus Lud— 
vigshafen und Herrn Commerzienrath Karcher 
nus Frankenthal, hier eintreffen und im Hotel Ilgen 
ibsteigen, wo die Herren mit den Spitzen der hiesigen 
Stadwerwaltung und Mitgliedern des für Durch ˖ 
ührung des in Rede stehenden Straßenbahn⸗ 
Itojectes gebildeten Comité's zusammentreffen und 
anferiren werden. 
Vermischtes. 
Metz, 22. Juni. Verschiedene Kriegerver⸗ 
ine des Königreichs Sachsen beabsichtigen in den 
Nugufsttagen eine Reise auf die Schlachtfelder um 
Metz zu machen und zwar ist die Betheiligung so 
sroß, daß ein Extrazug abgelassen werden soll. Die 
Feier am 18. August auf den hies. Schlachtfeldern 
oll in diesem Jahre überhaupt eine größere werden; 
s sollen fich an derselben der hiesige Kriegerverein, 
der Turnvberein und einige Gesangvereine betheiligen, 
nan beabsichtigt sogar, einen Feldgottesdienst auf 
den ewig denkwürdigen Gefilden abzuhalten, falls 
iner der hiesigen Divisionsgeistlichen sich dazu bereit 
rklären sollte. 
— Mannheim, 21. Juni. Unter dem Nach⸗ 
aß seiner kürzlich verstorbenen Mutter fand ein 
iesiger Handelsmann dieser Tage ein Gunsenhauser 
Guldenloos. Ec forschie nach, ob selbiges nicht etwa 
zereits gezogen sei und, wer schildert die Freude 
es Mannes, als ihm die bestimmte Auskunft 
vurde, daß sein Loos mit 22.000 Mark heraus 
ekommen. 
F In der Angelegenheit Ziethen fand am 
Nontag Vormittag im Landgericht zu Elberfeld die 
rste Vernehmung des am Sonnabend früh von 
Zerlin eingeliefetten Barbiergehilfen Wilhelm durch 
en mit der Untersuchung dieser Sache betrauten 
derrn Landrichter Marx statt. Um *210 Uhr 
vurde Wilhelm vorgeführt, und die Vernehmung 
zauerte bis gegen 12 Uhr. 
fLeipzrg, 22. Juni. Auf einer Anzahl 
on Bauten legten heute die Maurer die Arbeit 
nieder. Der Streik dürfte größere Dimenfionen 
innehmen. 
F Berlin, 21. Juni. In Kamerun iss 
»eine Kaiserliche Postanstalt eingerichtet 
vorden, welche unter den für den Weltpostverein 
zeltenden Bedingungen den Austausch von gewöhn—⸗ 
ichen und eingeschriebenen Briefsendungen, sowie 
von Postpacketen bis 5 kKg vermittelt. Die Be— 
örderung der Briefsendungen erfolgt mit sämmt⸗ 
ichen sich bietenden deutschen, britischen und portu⸗ 
niesischen Postdampfschiffverbindungen. Für Sen— 
zungen aus Deutschland beträgt das Porto: für 
rankirte Briefe 20 Pf. für je 15 g, für Post⸗ 
arten 10 Pf., für Drucksachen, Waarenproben 
ind Geschäftspapiere 5 Pf. für je 50 g., mindestens 
edoch 10 Pf. für Waarenproben, 20 Pf. für Ge⸗ 
hafts papiere. Zu diesen Sätzen tritt u. A. die 
tinschreibtrasaebühr von 20. Pf. Für Mostpack⸗te 
bis 5 Ag nach Kamerun beträgt die Tare w· 
530 Pf. * 
F Ein, Wort Kaiser Wil helms, weh— 
die Prinzessin Wilhelm in London, wo die zu 
der Konigin Victoria versammelt sind, zum —* 
gab, wird mitaetheit. Die Prinzessin enane 
„Als ich am Toge meiner Abreise zu Gihe 
tam, rief er mir entgegen: „Grüß' Gott, —5* 
hast Du heute schon Zeitungen gelesen?“ vien 
dies verwundert verneinte, meinte der Kaiser: * 
thut mir leid; ich hoffte, von dir genau zu — 
wie ich mich befinde; denn die Aerzte bucen 
immer eirnst drein, aber die Bulletins, die sie * 
ausgeben, sind rosig, damit meine guten Berlihe 
ich nicht ängstigen; in der Mitte zwischen Beidn 
iegt die Wahrheit, die sich nur die Herren * 
der Presse herauszusuchen wissen.“ 
F (Totale Sonnenfinsterniß.) Der 
ür uns fichtbaren totalen Sonnenfinsternissen bon 
28. Juli 1881 und 8. August 1869 folgt, 6 
genau dem bisherigen Abstande don 18 Jahren ij 
Tagen, in diesem Jahre und zwar am 19. —X 
vieder eine totale Sonnenfiinsterniß, welche in 
Hanzen 2 Stunden 42 Minuten dauern wird 
nnerhalb welcher Zeit der Mondschatten eine Strec 
non 1800 deutschen Meilen zurücklegt. Die Ve. 
bachter werden diesmal aber etwas frih auffteher 
nüssen, da die Finsterniß in die Stunde zwischer 
5 unn 6 Uhr Morgens fällt. Die Finsterniß duich 
ieht in einem Anfangs 22 deutsche Meileu breiten 
Streifen zunächst in nordöstlicher Richtung Brau— 
chweig und die preußischen Provinzen Sachsen 
Brandenburg. Pommern (jüdlicher Theil), Posen 
West- und Ostpreusen, an dessen Ost und Sid 
zrenze sie in's Russische übertritt. 
— Wie gefährlich das Rauchen für Rad— 
fahrer während der Fahrt ist, beweist folgender 
Fall: Bei einem Ausfluge, den mehrere Radfahrer 
machten, flogen in Folge des Gegenwindes mehtere 
Funken der Cigarre des einen Herrn auf die Kleider 
eines der Fahrer, welche in kurzer Zeit durch' den 
Luftzug angefacht, in hellen Flammen standen 
Der Betreffende hatte Geistesgegenwart genug, schnell 
dom Velociped zu springen und durch Hinwerfen 
auf eine Wiese die Flammen zu ersticken. 
F Antisemitische Greuel in Ungarn. 
Es giebt in Ungarn bekanntlich eine Klique von 
Politikern, welche es sich, ähnlich wie es in Ruß— 
and und Rumänien geschieht, zur Aufgabe machen, 
die ländliche Bevölkerung gegen die Ju den auf— 
zuhetzen. Jede Wahlbewegung in Ungatn 
oflegt an gewissen Orten arge Manifestationen des 
Judenhasses herdorzurufen. Selten jedoch so schlimme 
vie sie diesmal gemeldet werden. In Szerdahely 
inem Flecken auf der Donauinsel Czallo⸗-Köz im 
domitat Preßburg, wurde, wie behauptet, von 
den Antisemiten das Judenviertel in Brand ge⸗ 
teckt. Am Sonntag Nachmittag standen 64 Ge 
‚äude in Flammen. 80 jüdische Familien konnten 
nur das nackte' Leben retten. Am Donnerstag war 
dort ein Antisemit, der einmal Szabo, das 
inderemal Sonder genannt wird, zum Reichstags⸗ 
ibgeordneten gewählt worden. Derselbe soll, wie 
der „Frkf. Zig.“ berichtet wird, auf der Straße 
niedergekniet sein und unter einer Fahne geschworen 
sjaben, die Juden zu vernichten. Das Volk schwor 
nit. Während der Nacht versuchte der Pöbel, die 
üdischen Laden zu plündern. Bewaffnete Strolche 
orderten Geld. Von Preßburg wurde Milität re⸗ 
zuirirt, das hoffentlich die Ordnung prompt wieder⸗ 
zerstellen wird. Aus dem Komilat Hajda ( 
angen ebenfalls Berichte ein, daß Unruhen be— 
ürchtet werden. Auch dahin ist Militär abgegangen. 
In einem der betreffenden Bezirke hat Geze 
Denody, der Anstifter der Eßlarer Affaire kandi⸗ 
dirt. An anderen Orten haben übrigens die Antise 
miten Niederlage erlitten. 
f. Frau Cosima Wagner hat Hettr 
Kapellmeister Lam dureux in Paris eine pracht 
voll ausgestattete Lohengrin-Partilur sowie mehrer 
interessante Original⸗Manufkripte Richard Wagner“ 
als Geschenk durch Vermittlung der franzöfischen 
Botschaft in München überreichen lassn. 
F General Boulanger verläßt Paris zu 
Ende dieses Monats, um sechs Wochen in Dina 
zuzubringen. 
F Mut und Kraft von seltener Art hat kürz 
lich in der Nahe St. Pau!s der 785jährige Vate 
des Senators Davis bewähtt. Er war mit seinet 
Frau und einem Manne, der das Boot ruderte, 
auf den MceCarrow See fischen gegangen, und um 
die Neine hesser werfen zu künnen waten beide iw