Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
Dder „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2 mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
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22 Jahrg. 
M u45 
Dienstag, 18. Januar 1887. 
— 
Ausländische Stimmen über 
Bismarck's Rede. 
Die Rede des Fürsten Bismarck hat auf die 
ffentliche Meinung in Frankreich eine beruhigende 
Wirkung geübt. Die Offenheit, mit der die Ge— 
ühle Frankreichs für Deutschland dargelegt sind, 
ntwaffnet die möglichen Empfindlichkeiten, das der 
ranzösischen Armee gespendete Lob, die Anerken⸗ 
nung ihrer nie bezweifelten Tapferkeit, das Zuge— 
tfändniß, daß im Falle eines Krieges der deutsche 
Sieg gar nicht so unbedingt sicher sei, schmeicheln 
er französischen Eigenliebe und versttzen den fran— 
ösischen Leser in eine freundlichere entgegenkommende 
Stimmung, welche sich denn auch in allen bisher 
rschienen Zeitungsartikeln über die Rede ausspricht. 
Selbst das Revanche-Hetzblatt, France“ kann nicht 
imhin, den Aeußerungen des Reichskanzlers Beifall 
u zoslen. Es sagt unter Anderem: 
„Fürst Bismarck bedauert, daß der 187 Ler 
Friede nicht so aufrichtig ist wie der 1066. Aber 
in wem liegt die Schuld? Oesterreich hat fich 
versöhnen können, weil man nicht an sein Gebiet 
zerührt hat. Frankreich gegenüber haben die Deut— 
schen weniger klug gehandelt. Sie haben durch 
ie Abneigung von Elsaß-Lothringen einen schweren 
Fehler begangen. Herr von Bismarck muß dies 
jeute einsehen, aber er getraut sich nicht, dies ein⸗ 
ugestehen, und er hat nichts gethan, um ihn gut⸗ 
‚umachen. Bei alledem sind wir glücklich, zu hören, 
daß Deutschland uns in keinem Falle angreifen 
vird. Wir haben das immer gedacht. Aber wie 
ann Herr von Bismarck annehmen, daß plötzliche 
Freignisse in Frankreich eine Regierung ans Ruder 
„ringen könnten, die den Krieg erklären würde? 
Solche Ueberraschungen sind bei einer monarchischen 
stegierung möglich, allein in einer Republick, wo 
zas Recht, den Krieg zu erklären, der Kammer zu⸗ 
teht, ist nichts derartiges zu besorgen. () Man 
nüßte höchstens einen Staatsstreich zugeben. Einen 
olchen könnte aber nur ein siegreicher General sich 
jestatten ... Im Falle eines Krieges und Sieges 
vürde die Republick übrigens bloß die Vollständig—⸗ 
teit ihres Gebiets verlangen. Der Friede von 1890 
väre aufrichtiger als der von 1870, denn im Aus⸗ 
ausche für das Böse, das sie uns zugefügt haben, 
vürden wir den Deutschen die Freiheit geben. () 
Ungefähr denselben Gedankengang hat der Ar— 
ikel im „Paris“. 
„Hr. von Bismarck“, heißt es da, „stellt fest, 
daß in Frankreich die Erinnerung an den Krieg 
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nehr Deutschland den Sieg von Sadowa nachträgt. 
Dieser Unterschied erstaunt ihn. Es ist doch aber 
ehr natürlich. Er erklärt sich durch das verschie— 
»ene Verfahren des Siegers. Nach 1866 verlor 
Desterreich kein Stückchen seines Gebietes; vor acht 
Jahren hat Hr. von Bismarck ihm sogar Bosnien 
ind die Herzogowina zur Entschädigung gegeben. 
Frankreich aber hat man 1871 Elsaß - Lothringen 
ius dem Leibe geschnitten ... Indessen, da man 
ins versichert, daß Deutschland Frankreich nicht 
ingreifen will, und da Frankreich keine Lust hat, 
nit Deutschland anzufangen, so darf man glauben, 
aß, wenigstens auf dieser Seite der Friede nicht 
jestört werden wird.“ 
So sprechen Blätter, die aus der Pflege der 
kevanchegefühle ihre Daseinsberechtigung ziehen. 
doch weit freundlicher und anerkengender ist die 
Sprache der gemäßigten Zeitungen. So schreibte! 
National“: 
„Es ist schwer, von deutschem Gesichtspunkte 
uus eine klarere und verständigere Sprache zu führen 
ils es Herr von Bismarck gethan hat. Lafon⸗ 
aine sagte in einer seiner Fabeln: Nichts ist 
efährlicher als ein ungeschickter Freund. 
zin weiser Feind wäre weit besser. Der eiserne 
danzler ist für uns dieser weise Feind, dessen 
erbes Wort voll Belehrungen ist und der sich stark 
enug fühlt, um alles zu sagen, selbst die Wahrheit. 
Seine Ansichten über Frankreichs innere Lage über 
ie Friedens- oder Kriegs-Wahrscheinlichkeiten, sind 
ibsolut richtig und es wäre kindisch zu leugnen, 
daß er über den Stand der öffentlichen Meinung 
n Frankreich ausgezeichnet unterrichtet ist. Es 
st sehr wahr, daß die Mehrheit des französischen 
ßolks den Krieg nicht will, weil man nicht fröh— 
ichen Herzens einen Zusammenstoß herbeigeführt, 
der Sieger und Besiegte auf dreißig Jahre elend 
nachen würde. Es ist auch wahr, daß trotz un⸗ 
erer Pläne eines langen Friedens, trotz unserer 
gorbereitungen zur Weltausstellung, trotz unseres 
Bunsches, Handel und Gewerbe zu heben, in 
frankreich irgend ein Kabinet aus Ruder kommen 
ann, welches vor die Unmöglichkeit des Regierens 
jestellt, im Kriege einen Ausweg aus seinen inneren 
Schwierigkeiten suchen würde. Das ist die Gefahr, 
ie wir immer vor uns gesehen haben. Frankreich 
imerikanisict sich. Die Leitung der Geschäfte kann 
rdeuten ohne bedenken zufallen, die, um ihre Hände 
anicht aus den Staatskassen zurückziehen zu müssen, 
hre hartnäckige Gier oder ihren elenden Schacher 
zinter der elenden Fahne des Vergeltungskrieges 
erbergen würden ... Wenn wir so weit kämen, 
ein Kabinet von werthlosen Skeptikern, von Fana⸗ 
ikern zu haben, denen alle Thorheiten zuzutrauen 
ind, dann wären die großen Katastrophen nicht 
.., Aber Gott sei Dank, so weit sind wir 
nicht.“ 
„Liberte“ äußert sich wie folgt: 
„Unsere Unparteilichteit zwingt uns anzuerkennen, 
zaß man an Fürst Bismards Platz nicht anders 
prechen konnte, als so, wie er gesprochen hat. Ob⸗ 
vohl fast seine ganze Rede Frankreich zum Inhalt 
jatte, scheint es uns, nachdem wir sie mit größter 
Aufmerksamkeit durchgelesen haben, daß die öffent⸗ 
iche Meinung bei uns keine Ursache hat, sich durch 
ziese Rede aufregen zu lassen oder von ihr verletzt 
u sein ... Was Herr Bismarck über Frankreichs 
nilitärische Macht sagt, ist geeignet, nicht uns zu 
nißfallen, sondern im Gegentheil, unserem National⸗ 
tolz eigenthümlich zn schmeicheln. Das französische 
deer hat in ihm einen beredten Schätzer gefunden... 
Bir bezeichnen mit einer Befriedigung, die wir nicht 
erheimlichen wollen, diese bezeichnenden Zugeständ— 
isse und sehen in ihnen eher eine Friedensbürg⸗ 
haft als eine Kriegsdrohung. Die Ueberzeugung dvon 
inserer Kraft ist für Deutschland, das keine Ursache 
jat, sich auf uns zu ftürzen, ein Grund, uns in 
stuhe zu lassen. .. Herr v. Bismarc hal beiden 
dändern in packenden Ausdrücken gezeigt, welche 
chrecklichen Folgen ein neuer Riesenkampf haben 
önnte. Wir wünschen daß seine Worte auf beiden 
Zeiten der Vogesen ernstlich erwogen werden 
nögen. 
Schließlich mag aber auch noch die „Revanche“ 
das Wort erhalten: 
„Der Reichskanzler hat der jetzigen französischen 
degierung sein Vertrauen bezeigt, und sie ist desselben 
vürdige; aber er giebt sich nicht der geringsten 
Illusion über das französische Nationalgefühl 
sin.. .. Er urtheilte ganz richtig, als er seinen 
»örern sagte, von einem Augenblick zum andern 
onne sich in Frankreich eine Regierung erheben, 
velche den Revanchekrieg wolle oder durch eine 
olitische Nothwendigkeit dazu gezwungen sei. Nur 
sat er den unwiderstehlichen und wesentlichen 
Tharakter dieser Nothwendigkeit abgeschwächt oder 
ucht verstehen wollen. Die Revanche wird nicht 
eine gelegentliche politische Ablenlung sein, wie die 
segierungen, die sich in der Noth befinden, eine 
olche suchen; nein, sie wird das Ergebniß aller 
gesirebungen, die Krönung aller nationalen An⸗ 
trengungen, die Ablenkung, wenn man fich des 
Wortes bedienen soll, von der Gesammtheit der so⸗ 
ialen, politischen, parlamentarischen Krankheiten des 
zationalen Körpers sein. Sie ist ein Bedürfniß, 
ie wird ein Heilmittel sein“ 
Aus der italienischen Presse vermittelt die 
Frankf. Zig.“ einige Stimmen, aber wesenrlich 
olche aus dem franzosenfreundlichen Lager. Wir 
zitten unsere Leser, dies bei der Lektüre des Nach⸗ 
tehenden festzuhalten. 
Diritto“ schreibt: 
„Heute ist die Situation durch den den deut⸗ 
chen Kanzler so gestaltet. daß Europa sich schützen 
nüsse vor dem Uebergewicht Deutschlands, welches 
ine despotische (7) Politik mit bewaffneter Hand 
reibt, ohne Rücksicht auf Verbündete oder Gegner. .. 
ind weiter: Bismarks Rede ist die giftigste, die 
emals gegen Frankreich gehalten wurde. Sie 
nacht den Eindruck einer vorbedachten Provokation 
ind bethört den Reichstag mit der Drohung einer 
Jeträumten französischen Invasion. Molkte sowohl 
als Bismarck lassen alauben, daß ein Krieg nahe 
st.“ 
„Riforma“ schreibt: 
„Jetzt ist man und wird man bleiben in einer 
dage, welche allen sicheren Schaden und keinen eben⸗ 
tuellen Vortheil eines Krieges aufweist.“ Mit Be⸗ 
uug auf die Stelle der Rede Bismark's, welche von 
deutschlands Beziehungen zu Italien handelt, sagt 
„Riforma,“ daß die Zusammenstellung Italiens 
nit England schon beweise, daß zwischen Rom und 
gerlin kein intimes Einverständniß bestehe. — Die 
„Tribuna“ meint, daß, trotzdem Bismarks größte 
Stärke seine Offenheit und Wahrbeitsliebe sei, er 
diesmal mit Absicht schwarz gemalt habe. Sie 
indet in seiner Rede etwas Brutales und Gekünsteltes 
iber diese Schroffheit würde die Franzosen darüber 
elehren, das Italien und England ihre wahren 
—X 
en Versicherungen Bismarks nur den Zweck haben, 
den Frieden zu garantiren. Aber was sei das für 
in Frieden, wenn dieser Frieden Europa zu Rüst⸗ 
ingen zwingt, die für Ackerbau und Industrie ver⸗ 
angnißvoll sind, und zu stündlicher Kriegsbereit— 
haft? Was bleibt dann von dem auch diesmal 
etonten Verdienste des Kanzlers, durch das Drei⸗ 
aiserbündniß die Kriegsgefahren verschoben zu haben 
jbtig? — Der „Moniteur de Rome“ erblickt in 
zer Rede des Fürsten einen neuen Beweis, daß 
dußland Europa beherrsche. Es ist ganz entzückt 
on der Feinheit der Berechnung. mit welcher die 
ussische Diplomatie das Szepter Bismark's Händen 
niwunden habe und behauptet, daß es deshalb 
ingeschickt von Italien gewesen sei, sich mit Eng⸗ 
and gegen Rußland zu erklären. Allegfind einig 
arüber daß der wichtigste Passus der Rede der 
ei, daß Deutschland im Kriege mit Frankreich auf 
HBesterreich nicht rechnen könne, und bemerken dazu.