Full text: St. Ingberter Anzeiger

d. Ingherter Auzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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22. Jahrg. 
128. 
Behleluugen 
dasselbe Blait ganz Frankreich als eine „Patrio⸗ 
tenliga.“ 
Berlin, 30. Juni. Der Bundesrath stimmte 
n seiner heutigen Sitzung den Gesetzentwürfen be⸗ 
reffend die Zucker besseuerung und die Un⸗. 
allbersicherung der Seeleute mit den vom Reichs⸗ 
age beschlossenen Aenderungen zu, vnd überwies 
ie vom Reichstage bei der Berathung des Brannt⸗ 
veinsteuergesetzes beschlossenen Refolutionen dem 
eichskanzler. 
Kölnu, 30. Juni. Erzbischof Dr. Kremenß 
ollzog soeben bei Anwesenheit des Domkapitels 
ind aller hohen Behörden die Taufe der Kaiser—⸗ 
zloche, welche seit dem Dombaufest im Jahre 1880 
jill blieb. Sie erhielt den Namen Gloriosa. Im 
domhof harrte eine ungeheure Menschenmenge. 
Metz, 28. Juni. Der soeben erfolgten Ein i⸗ 
lassung. des Bürgermeisters und Großindustriel⸗ 
sen Jaunez zu Saargemünd als Mitglied des 
lsaßz ⸗ lothringischen Staatsrates kommt insofern 
eine weitergehende Bedeutung zu, als damit die 
unter Manteuffel eingeführte Notablenwirthschaft 
us endgültig beseitigt angesehen werden kann. 
Jaunez machte niemals aus seinen deutschfeindlichen 
HBesinnungen ein Geheimnis, namentlich nachdem 
Manteuffel den merkwürdigen Sazz aufgestellt hatte, 
in Elsaß⸗Lothringer könne seine Söhne im fran⸗ 
zöfischen Heere dienen lassen, ohne deshalb das 
Hhertrauen der deutschen Regierung zu verlieren. 
Trotzdem wurde er von Manteuffel in den Staats⸗ 
at berufen. Als Mitglied des letzteren hate er 
uicht blos sämmtliche Gesetzentwürfe, sondern auch 
ille zur Ausführung der Gesetze gegebenen Ver⸗ 
»xdnungen zu begutachten. Außerdem wurde ihm 
n allen möglichen Angelegenheiten ein Einfluß 
eingeräumt, der vielfach höher geschätzt wurde als 
der des Staatssekretärs und aller übrigen Regier⸗ 
ingsbeamten. Als er daher bei den letzten Reichs⸗ 
agswahlen sich ganz offen auf die Seite der Pro⸗ 
esiler stellte, durfte man nicht erstaunt sein, daß 
er mit überwältigender Mehrheit aus der Urne 
zervorging. Die Regierung befand sich dabei in 
der gewiß höchst eigenthumlichen Lage, verschiedene 
Zürgermeister, Lehrer und Beamte, welche für die 
Wahl Jaunez eintraten, maßregeln zu müssen, ob⸗ 
vohl dieselben ganz richtig sagen konnten: Wir 
haben uns auf die Seite eines Mannes gestellt 
)»en die Regierung durch Berufung zu einem der 
zöchsten Ehrenämter im Staate vor dem ganzen 
dande als ihren Vertrauensmann bezeichnet und 
dessen Verdienste sie sogar mit dem Adlerorden 
zritter Klasse belohnt hatte. Unter solchen Um— 
tänden gestaliete sich nach und nach der Druck der 
zffentlichen Meinung so stack, daß die Eutlassung 
Jaunez' aus dem Staatsrate nicht mehr zu um⸗ 
gehen war, zudem derselbe freiwillig nicht aus⸗ 
cheiden wollte. Auch das weitere Ehrenamt als 
Bürgermeister wird er eindüßen. Seine Ersetzung 
zurch einen Berufsbürgermeister ist schon seit einiger 
Zeit beichlossene Sache. (K. 3.) 
Ausland. 
London, 30. Juni. Offiziöse Meldung. 
Dr. Mackenzie nahm gestern eine erfolgreiche Ope⸗ 
ration bei dem Kronprinzen vor und ist die 
Wucherung jetzt soweit beseitigt, daß für eine weitere 
Dperation kaum mehr Anlaß ist. Nach der Ope⸗ 
zation ging sofort ein Expreßbote nach Berlin mit 
»em von Dr. Mackenzie aus dem Kehllopf ent⸗ 
ecnten Stücke ab, welches Geheim Rath Virchow 
nikrostopisch untersuchen wird. Der Kronprinz zog 
ich seit seiner Ankunft in Enaland eine unheden— 
tende Erkältung zu, welche eine geringe Kongestion 
der Kehle veranlaßte. Uebrigens ist das Befinden 
»es Kronprinzen ganz ausgezeichnet. Die Aerzte 
»es Kronprinzen wohnten der Operätion, welche 
n der Wohnung Dr. Mackenzie's statifand, bei. 
die Fürsorge der Regierung für die 
Arbeiter 
vird in einem Berichte des amerikanischen Konsuls 
Potter in Krefeld, welcher im Uebrigen die Aus— 
vanderungsfrage behandelt, eingebend beleuchtet. 
Der Konsul knüpft an die relative Zufrieden⸗ 
seit der industriellen Arbeiter im Krefelder Distrikte 
in, die wohl ähnlich in ganz Preußen herrsche und 
ührt dieselbe auf richtige Erkenntniß der thatsäch⸗ 
schen Verhältnisse zurück. 
Die Reichsregierung, die Staats- und lokalen 
stegierungen in Deutschland zeigen sich unermüdlich 
n ernstlichen praktischen Anstrengungen, die Fabrik⸗ 
ndustrie und Handel und Wandel im Lande zu 
ördern, damit das Volk zu thun habe. Dies zu 
rreichen, scheint als die eigentliche Essens der Funk⸗ 
ionen der Regierung angesehen zu werden. In 
illen Verwaltungsdepartements in Preußen scheinen 
ie Staatsdiener von dem Gedanken durchdrungen 
u sein, daß ein thätiges Volk zufrieden ist und 
aß Müßiggang, Unzufriedenheit und Anarchie er⸗ 
eugt. Die allgemeinen und lokalen Steuerlasten 
ind schwer, aber man weiß sehr wohl, daß sie so 
eicht find, wie sie nur möglicher Weise gemacht 
verden können. Niemand klagt über Verschwen⸗ 
zung oder Extravaganz in oͤffentlichen Ausgaben. 
die numerische Stärke der Armee ist eine enorme, 
iber sie wird mit einem Minimalaufwand von Kosten 
interhalten. 
Setzen wir den Fall, daß es ungeachtet eifersüchtiger 
ind rivalisirender Nachbarn möglich wäre, die Armee 
bzuschaffen und die Soldaten dem Aclerbau, der Fab⸗ 
ifindustrie und dem Handwerk zuzückzugeben. Die 
andwirthschaftlichen Produkte würden sich nicht ver⸗ 
nehren, denn es sind jetzt meyr Hande da, als nothwen⸗ 
dig, um dem Boden der vollständig unter Kultur ist, 
en höchsten Ertrag abzuzwingen. Die gewerblichen 
ind industriellen Erzeugnisse ließen sich allerdings 
»ermehren, aber das Produkt ist jetzt schon größer, 
als der Markt verlangt. Man darf somit annehmen, 
zaß die fünf oder sechs Mal hundert— 
tausend junge Leute, die jetzt im Heere 
dienen, wenn man sie entließe, als Produzenten 
den Reichthum des übervölkerten Landes nicht 
dermehren würden, während die Regierung 
durch sorgfältige Ausbildung sie geistig und körper⸗ 
lich zu fördern und als Soldaten weit billiger im 
Btoßen zu ernähren vermag, als im Kleinen da⸗ 
Jjeim möglich wäre, wo weder Platz noch produk⸗ 
ibe Beschaftigung für sie vorhanden ist. 
An der Zoll⸗ und Steuerpolitik der Regierung 
wird mitunter gemäkelt, aber daß mit ihr der Zwechk 
berfolgt wird, den arbeitenden Klassen zu helfen 
und dem Gemeinwohl getreulich zu dienen, wird 
elten bezweifelt.“ 
auf den 
&t. Ingbherter Anzeiger 
für das 3. Quartal 1887 
ehmen noch fortwährend an: die Postanstalten, 
je Vostboten, die Umträger und 
Die Exvedition. 
Deutsches Reich. 
München, 28. Juni. Se. k. Hoheit der 
zunzregent haben an den 2. Vorstand des König 
udwig J. Denkmal-Komite's in Straßburg fol⸗ 
endes Handjchreiben erlassen: „Herr Ministerial⸗ 
oth Dursy! Mit großer Freude habe ich aus 
et Mir von Ihnen erstatteten Anzeige ersehen, 
aß das Denkmal, mit welchem die Bayern in 
zhaß⸗Lothringen die Geburtsstätte Meines unver— 
ehlichen Herrn Vaters, Weiland Seiner Majestät 
soͤnigs Ludwig J. von Bayern, zu schmücken be⸗ 
pichtigen, zufolge der unablässigen Bemühungen 
es hierfür gebildeten Komites schon in wenigen 
zagen enthüllt und der Stadt Straßburg über⸗ 
ehen werden wird. Ich erblicke in der Verwirk⸗ 
chung dieses echt patriotischen Unternehmens einen 
auernden Beweis treuer Anhänglichkeit der Bayern 
m ihr Herrscherhaus und kann nicht umhin, Ihnen, 
vie Allen, welche das Gelingen des schönen Werkes 
efördert haben, wiederholt meinen herzlichsten Dank 
uszusprechen. Mit hulvollen Gisinnungen bin Ich 
Ihr wohlgeneigter (gez.) Prinz Luitpold. — 
NRünchen, den 28. Juni 1887.“ 
München, 29. Juni. Der Parteistand 
n dem künftigen Landtag wird sein: 73 Libe⸗ 
ale, 75 Ulsramontane, 5 Konservativen und 6 
Kentrumsmittelpartei. 
München, 30. Juni. Freiherr Dr. von 
3tauffenberg hat die Wahl für hier ange⸗ 
X 
München, 30. Juni. Nach einem Tele⸗ 
sramm der „Agence Havas“ aus Rom bereitet 
ꝛer Pabst einen Brief an den Erzbischhof von 
Rünchen oder eine Encyclika an den bahyerischen 
zviscopat vor, worin er sich über die kirchlichen 
derhältnisse in Bayern aussprechen wird. 
Berlin, 29. Juni. Dem Bundesrath sind 
n der letzten Zeit mancherlei Gesuche bezüglich 
iner verschärften Sonntagfeier zugegangen, nament⸗ 
ich wünschten mehrere Antragsteller das Verbot 
it Tanzvergnügungen an Sonntagen. Der Bun⸗ 
»edtrath hat diese Anträge abgelehnt. Dasselbe 
zchicksal hatte eine Eingabe von Studenten der 
xutschen Hochschule in Prag, welche die Anrech⸗ 
wuung der von Studierenden deutscher Nationalität 
uf der Universität Prag verwendeten Zeit wünschten. 
Berlin, 29. Juni. Das „Deutsche Tage⸗ 
lan“ publizirt unter der Ueberschrift „Parlamen⸗ 
mische Erinnerungen für die Franzosen“ Auszüge 
us den französtschen Kammerverhandlungen und 
attern aus den Jahren 1867 und 1870, speziell 
uuch einen Satz des „Pays“, der damals schrieb, 
ꝛcs Caudinische Joch ist bereit fur Preußen. Das 
Deutsche Tageblatt“ fragt schließlich: Beginnen 
ne politischen Kinder jenseits der Vogesen nicht 
ineut mit dem Feuer zu spielen, und führt nicht 
ie französische Presse wiederum eine Sprache, 
velche an den Ausruf des „Pays“ von 1870 
xinnert? In einem weiteren Artikel bezeichnet 
Lokale und pfaälzische Nachrichten. 
— Landau, 28. Juni. Die Bewaffnung 
des 18. Inf.⸗Regts,, auch des in Zweibrücken 
liegenden Bataillons, mit dem neuen Repetier⸗ 
zjewehr wird nunmehr, wie uns mitgetheilt wird, 
Ende des pächsten Monats, wahrscheinlich am 28. 
Juli, geschehen. Die alten Gewehre M. 71 werden 
jach Erhalt der neuen in das Artilleriedepot Ger⸗ 
nersheim verbracht “QM