Full text: St. Ingberter Anzeiger

st. Ingherter Anzeiger 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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Montag, 25. Juli 1887. 22. Jahrg. 
X 145. 
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Deutiches Reich. 
Muͤnchen, 22. Juli. Wegen Geheimbündelei 
ind in Verfolg der im März djs. Js. erfolgten 
Saisirung des Depots sezialdemokratischer Druck— 
shriften bis jetzt achtzig Sozialdemokraten vor das 
Andgericht verwiezen. 
Mmünchen, 24. Juli. Im Ministerium des 
leußern werden dem Vernehmen nach die Gesetzent⸗ 
rürfe zur Vorlage an den Vandtag ausgearbeitet, 
zaͤmlich: über die Ausführung von Vizinalbahnen, 
sher die strategischen Bahnen, zu melchen aus Reichs⸗ 
nitteln ein Theil der Kosten beigesteuert wird, und 
ann über Erweiterungsbauten wie z. B. bezüglich 
er Bahnhöfe in Regensburg, Würzburg, Kulmbach 
x. Bezüglich der Kosten für die Anschlußbahnen an 
Württemberg, für deren eine Linie die Mittel früher 
ichon bewilligt worden waren, wird auch ein be⸗ 
ügliches Postulat an den Landtag gelangen. 
Berlin, 28. Juli. Die „Kreuzztg“ führt 
uus, gegenüber der Mobilisirungsprobe in Frank⸗ 
rcich dürfte Deutschland Vorkehrungen treffen, die 
zum mindesten so weit reichen, jedem unvorherge⸗ 
ichenen Zwischenfall, sowie jeder Ueberraschung 
Rgenüber gerüstet zu sein. 
Berlin, 23. Juli. Nach Petersburger Mel⸗ 
dungen sollen französische Kapitalisten den Inge— 
neur Boulanger, einen Bruder des bekannten 
Henerals, nach dem Kaukasus entsendet haben, um 
daselbft die Erwerbung großer, an Kohlenlagern 
und Naphthaquellen reicher Grundstücke zu vermitteln. 
Von den Kohlenbergwerken soll eine Eisenbahn 
nach der Linie Poti⸗Tiflis erbaut werden. 
Berlin, 24. Juli. Der deutsche Kronprinz 
hat den Sultan ein Dankestelegramm zugehen 
jassen für das vielfache Interesse, das der Sultan 
aus Anlaß der Erkrankung des Kronptinzen an 
den Tag gelegt hatte. 
Ausland. 
Wien, 23. Juli. Die Kandidatur des 
Prinzen Ferdinand von Coburg ist auch bei den 
Zulgaren positiv abgethan. Gestern reisten nach 
der „Fr. Ztg.“ die letzten Mitglieder der 
3 Deputation, Tomotow und Stransky 
eim. 
Neapel, 28 Juli. Hier brachen große Un⸗ 
ruhen aus, da die Wasserleitung abermals gebrochen 
die ganze Stodt für mehrere Tage wasser⸗ 
os isi. 
Dublin, 24. Juli. Ja der gestrigen Sitz⸗ 
ung des Geheimen Raths ist beschlosse worden die 
ßrafschaften Cork, Kerrh, Limerick und Clare den 
Ausnahmezustand zu verhängen. 
Petersburg, 22. Juti. Das Gesetzblatt 
deröffentlicht einen kaiserlichen Ukas vom 6. d. 
Misn, der die freie Ausfuhr vonPferden ins Aus 
and wieder gestatiet. 
Petersburg, 23. Juli. Das „Journal de 
St. Petersbourg“ bestätigt, daß ein Einverständniß 
wischen Rußland und England in der afganischen 
Brenzfrage erzielt worden ist. 
Eokale und pfälziscte Nachrichten. 
*St. Ingbert, 25. Juli. Gestern feierte 
der Knappenverein der preußischen Beroleute dahier 
sein Stiftungsfest. Am Vormittage begab er sich 
in feierlichem Zuge, voran die hiesige Verglapel⸗ 
und die Vereinsfohne, zum Gottesdienste in die 
lath. Kirche. Am Naechmittaa fand dann im 
Vrewenig'schen Biergarten cin Conzert statt. 
Schnappach, 23. Juli. In vergangener 
Nacht erschoß sich auf der zu Altenwald gehörenden 
Fischbach ein in Pension stehender Glashütten⸗ 
arbeiter. Ueber den Grund zu dieser That kann 
man nur vermuthen. 
— Wie vor Jahren, so werden sich auch dieses 
Jahr sämmtliche pfäl zische Postboten an 
hohe Kammer der Abgeorneten wenden, um die 
Aufnahme in Kategorie D IV. zu erwirken. Zu 
diesem Behufe findet am 31. d M. eine Ausschuß 
fißung statt. 
— Homburg, 22. Juli. Gestern Abend 
erschoß sich in dem nahegelegenen Orte Erbach 
der ledige 23 Jahre alte Bäcker Andreas Roth 
von da. 
— Eine Gesellschaft von Großmetzgern und 
Viehhändlern wili das neue Schlachthaus zu 
Kaiserslautern benützen, um dort täglich große 
Mengen Hämmel zu schlachten und' mittelst Eis— 
aggons nach Paris zu bringen. In Frankreich 
ist das lebende Vieh mit einem hohen Zolle belegt, 
das frische Fleisch dagegen geht zollfrei ein. Man 
rechnet, daß wöchentlich 5300 —600 Stück Hämmel 
geschlachtet würden, von denen jeder der Stadt 20 
Pf. Schlachtgebühr eintragen würde. 
— Die Judustrieschule zu Kaisersla utern 
wird mit Schluß dieses Schuljahres, also Ende 
Juli, wegen zu geringen Besuches aufgehoben. 
— Mysteriss. Man schreibt aus Frank— 
furt a. M.: Wo in unserer Stadt ein Schütze 
aus Edenkoben während des Schützenfestes ge⸗ 
wohnt hat, sucht die Polizei zu erforschen. Es iss 
derselbe sehr bald, nachdem er zu Hause angelangt, 
in Folge einer Verletzung gestorben. Wahrschein- 
lich ist dem Schützen die Verletzung von Leuten 
mit denen er hier Umgang gehabt, beigebrach 
worden. 
BVermischteo. 
— Saarbrücken, 23. Juli. Heute Nacht 
sank das unmittelbar an der alten Brücke, St. 
Johanner Uferseite, haltende Kohlenschiff, „Gott 
mit uns“, des Schiffers W. Hoffmann aus 
reuchingen bei Merzig. Das mit 120 Tonnen 
Kohlen beladene Schiff sollte heute nach Straßburg 
gehen; es ist bei der „Fortuna“ versichert. — 
Vor etwa 8 Tagen proponirte ein jede Woche hier 
berkehrender lothringischer Heuhändler auf der 
Bellevue einem Flurschütz aus St. Arnual eine 
Wette um 83 Mk. darüber, daß die Franzosen bis 
zum 31. Juli in einem Kriege die Deutschen ge— 
schlagen, und sich bis dahin wieder in den Besitz 
don Saarbrücken gesetzt haben würden. Der guft 
preußisch gesinnte Feldhüter ging auf diesen Vor— 
schlag ein und deponirte sofort bei dem Wirth, wie 
es auch der Lothringer that, seine 3 Mk. Die 
kommende Woche wird nun die Entscheidung bringen 
wver von den beiden Helden die deponierten 6 Mk 
einheimsen kann. Einstweilen sieht man aus dieser 
kteinen Geschichte, mit welchen Hoffnungen sich 
unsere Reichssständer, wenigstens ein Theil derselben, 
noch tragen. (S. 3.) 
FSaarbrücken, 23. Juli. Die Hunde⸗ 
sperre in unserer Stadt Saarbrücken wird j tzt auf's 
allerstrengste gehandhabt. Im Laufe dieser Woche 
ind durch eigens dazu Angestellte eine Anzahl 
hunde auf ihren Früh⸗Promenaden, wo sie sich 
icher glaubten, eingefangen worden und es mußten 
die Eigenthümer solche gegen Erlegung des Fang— 
geldes von 3 Markt einlösen; außer diesen Fang⸗ 
zeldern haben die Hundebesitzer auch noch die 
ingedrohte Strafe zu bezahlen. Wie glücklich is 
das Hundevieh in unserer Schwesterstadt St. Johann, 
wo man von Maulkorb und Leine, von Festlegen 
und Einsperren nichts weiß! 
F Saarbrücken, 24. Juli. Der Reichs-⸗ 
anzeiger veröffentlich das Allerhöchste Privilegium 
wegen Ausfertigung auf den Inhaber lautender 
Anleihescheine der Stadt Saarbrücken im Betrage 
don 360 000 Mt. Dieselben sind mit 4 Prozent 
ährlich zu verzinsen und mit wenigstens 5 Prozent 
ährlich zu amortisirer. 
F Der „Stuttg. Beobachter“ constatirt einen 
argen Verstoß bei der letzten Ziehung der V. Serie 
der Ulmer Münsterbau⸗-Lotterie. Die 
mmiliche Ziehungsliste enthält einen groben Fehler. 
Danach fällt nämlsch ein einziger Gewinn (Nr. 
3688) auf 2 Loose (die Nrn. 221,898 und 
339,969). Nach dem Vorgang der Berliner 
Jubiläums-Lotterie wäre es sonach möglich. daß 
die letzte Ausloosung vom 20. bis 22. Juni um⸗ 
gestoßen wird und von Neuem vorgenommen 
werden muß. 
— Poesie und Prosa des Lebens.In 
reiner Frankfurter, gut situierten Familie war wäh⸗ 
rend des Schützenfestes ein junger Schütze, Sohn 
eines Pfälzer Landwirthes einquartiert. Er hatte 
das Interesse der jüngsten Tochter des Hauses in 
jolch' hohem Grade zu erregen gewußt, daß noch 
dor Ablauf des Festes die Verlobung der beiden 
ungen Leute gefeiert wurde. Anfangs voriger 
Woche war das Fräulein einer Einladung ihres 
Brautigams gefolgt und hatte sich zum Besuche in 
dessen Heimath begeben. Bei ihrer zwei Tage 
später erfolgten Rückkehr, erklärte sie zur größten 
Ueberraschung der Ihrigen, daß sie von dem Ver⸗ 
öbnisse zurücktrete. Als Grund dieses Entschlusses 
gab sie an, daß ihre Liebe beim Anblicke des Ver⸗ 
lobten, den sie nur als schmucken Schützen hier 
gesehen und der sich ihr dort in ganz gewöhnlicher 
Landmannskleidung p.äsentiert habe, plötzlich voll⸗ 
ständig verflogen sei. Ihr Bräutigam scheint jedoch 
mit dieser Sinnezänderung der jungen Dame nicht 
einverstanden zu sein; denn am Mittwoch langte 
ein Schreiben von seinem Anwalte dort an, wonach 
Ehelichung oder eine namhafte Entschädigung bean⸗ 
prucht wird. 
Mainz, 23. Juli. In einem Mililärschuppen 
auf der Eisgrube erhängte sich gestern Nachmittag 
der Sergeant Baumann von der 5. Kompagnie des 
brandenburgischen Fuß Artillerie-Kegiments Nr. 3. 
Der Selbstmörder hatte am Vormittag einen Wort⸗ 
wechsel mit einem Offizier, bei welchem der Sergeant 
etwas heftig geworden sein soll. Bauman diente 
hereits im 6. Jahre und sich erst kürzlich verheirathet. 
Es ist dies der zweite Fall von Selbstmord eines 
Sergeanten in diesem Jahre. 
FThann, 21. Juli. Seit einigen Tagen 
sollen die französischen Baracken bei Bussang mit 
Soldaten belegt sein. Gestern Rorgen gegen halb 
wölf Uhr kam plötzlich und unerwartet von Mül- 
Jausen ein nach Wesserling bestimmier Extrazug 
nit Militär hier durch. Die aufgeregten Gemüther 
suchen dieses mit der Belegung der Baracken inso⸗ 
fern in Verbindung zu bringen, als man glaubt, 
die Grenze sei dieses Schutzes benöthigt. — In 
Thann und Bitschweiler ist ein Bataillon des 
vadischen InfanterixRegiments Nr. 114 einquartiert. 
Dosselbe nimmt in der Nähe von Bitschweiler 
Gefechts⸗ und Schießübungen vor. (Str. Post) 
F Zur Feier des Tags der Schlacht von 
GBravelotte-⸗St. Privat wird in diesem Jahre 
ein aus Dresden kommender Sonderzug über