Full text: St. Ingberter Anzeiger

ich gegen die ehrgeizigen und rachesüchtigen Pläne 
hrer nachsten Nachbarn zu schützen. Das Haupt⸗ 
Zzindernis der ruffischen Bergroößerungsgelüste ist in 
Furopa, die österreichisch · ungarische Monarchie. Der 
dieblingsgedanke Frankreichs ist die Vernichtung 
des jungen, aber mächtigen Deutschen Reiches. 
stiemals in der Geschichte der Allianzen haben 
wei Nationen vffenkundig ein so gemeinsames 
Interesse gehabt, angesichts einer so gemeinsamen 
Befahr, als Deutschland und Oesterreich ˖Ungarn. 
Das ist die Ursache, warum der greise Kaiser 
Wilhelm ein so willkommener, ein so allverehrter 
Zast ist, sobald er seinen Fuß auf österreichischen 
Boden setzt. Immer wieder hören wir, daß sich 
die Beziehungen zwischen Berlin und St. Peters⸗ 
butg wesentlich gebessert haben, und manchmal 
vird sogar mit erstaunlichem Vertrauen geäußert, 
daß die beiden Regierungen im Einvernehmen 
zandeln. Diejenigen aber, welchen die wirklichen 
Faktoren der Lage bekannt find, wissen, daß dieses 
mmöglich ist. Es mag den Planen des Zaren 
passen, von Zeit zu Zeit au mieux mit dem Deut⸗ 
schen Reiche zu erscheinen, und die Pflicht der 
zolitischen Verstellung mag manchmal so weit ge⸗ 
frieben werde, daß man die Welt glauben machen 
möchte, daß Wien und Petersburg durch die Bande 
yrüderlicher Sympathie umschlungen werden. Aber 
wir wiederholen, es ist dieses nicht möglich. Der 
Wind weht doch wieder aus derselben Richtung. 
Desterreisch und Deutschland bewachen Rußland 
und Frankreich. Rußland und Frankreich arbeiten 
nit aller Stille und ohne Ostentation, aber mit 
Geduld und Ausdauer daran, Oesterreich und 
Deutschland Verlegenheiten zu bereiten. 
Portsmouth, 23. Juli. Die Jubiläums⸗ 
festlichkeiten wurden mit einer großen Flotten⸗Revue 
in Spithead heute abgeschlossen. 130 englische 
Artegsschiffe nahmen daran Theil. Nachmittags 
im 3 Uhr verließ die Königin Cowes auf der 
HYacht „Viktoria und Albert“, worauf fich die 
Mehrzahl der königlichen Familie befand. Der 
Prinz von Wales folgte auf der Yacht „Osborne“. 
Die Königin fuhr die Linie der ausländischen 
Schiffen entlang, von den Mannschaften auf's 
auteste begrüßt. Sie ließ die in drei Reihen auf⸗ 
zestellte englische Flotte Revue passicen. Das 
ziplomatische Corps und viele Parlamentsmitglieder, 
owie tausende Zuschauer wohnten auf Transport⸗ 
Dampfern und Kriegsschiffen der Fahrt der Königin 
zie Linien entlang bei. Das Wetter ist prächtig. 
Dublin, 25. Juli. Der Ausnahmezu— 
taud wurde über noch vierzehn Grafschaften 
zänzlich, und über noch zwölf weitere Grafschaften 
sheilweise verhängt. Die Städte Dublin, Cork, 
Londonderry, Belfast und fünf andere sind ebenfalls 
dem neuen Gesetze unterworfen. 
Die gegenwärtigen Verhältnisse in Bulgarien 
geben zu ernstlicher Beunruhigung Ursache genug. 
Wenn die Gerüchte, welche aus Tirnowa und Sofia 
n's Ausland dringen, nur zum geringften Theile 
nuf Thatsachen beruhen, so darf man sich auf ernste 
Ereignisse gefaßt machen. Es geht das Gerücht, 
Slawejkoff, der in der Kammer gegen den Coburger 
und für Rußland gesprochen, sei ermordet worden. 
Fine Meldung aus Rustschuk besagt, Er⸗Minister 
Radoslawoff wäre verhaftet worden und zwär, weil 
er gegen die Regierung arbeitete. Auch fürchteten 
sich die Regenten und neuen Minister, nach Sofia 
zu gehen, weil die Garnison sich offen zu Gunsten 
des früheren Kriegsministers Nikolajeff erklärte. 
Bestimmt verlautet, daß, im Falle der Prinz von 
Coburg den Thron ausschlagen sollte, die Regenten 
die Ugabhängigkeit Bulgariens mit dem Fürften 
Alexander von Battenberg als König proclamiren 
würden. So lange fich die Bulgaren mit der 
Hoffaung trugen, den Prinzen von Coburg zum 
Fürsten zu erhalten, beanspruchten derartige Gerüchte 
seine Berücksichtigung. Nachdem aber die Mission 
der bulgarischen Abordnung bei dem Prinzen fehl⸗ 
geschlagen zu sein scheint, liegt die Befürchtung 
nahe, daß sich die Bulgaren zu einem Verzweif⸗ 
ungsschritt entschließen, der ernste Verwickelungen 
m Gefolge haben müßte. 
Lofr⸗i⸗ und pfaälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 26. Juli. Am nächsten 
Sonntag, nachmittags 3 Uhr, veranstaltet der 
»vangelische Kirchen-Chor dahier, wie bereits durch 
Annonce angezeigt, ein Kirchen⸗Konzert. 
Hiesige und auswärtige bewährte musikalische Kräfte 
virken dabei mit. Das Programm ist ein sehr 
eichhaltiges und gewähltes. Wir finden auf dem⸗ 
elben die Namen der besten Meister unserer 
dirchenmusik. Orgelvorträge. gemischte Chöre, 
Zoli und Duette wechseln mit einander ab. Es 
deht also ein teicher musikalischet Genuß in Aus- 
icht. Der Eintrittspreis ist dabei ein sehr mäßiger. 
der Ertrag selbst ist für die Zwecke des Kirchen⸗ 
Fhores bestimmt. —— 
r. (Einige allgemeine Bemerkurgen 
über Vereinsfeste). Die Zeit der Feste ist 
un vollständig heraufgezogen. Ueberall, wohin 
nan seine Blicke lenki, nichts als Fahnenweihe, 
Ztiftungsfeste, Gausängerfeste u. s. w. Auf festlich 
jeschmückten Waqgen, der Fuß und mittelst den 
risenbahnen eilen die Besucher den Festdörfern 
der Feststädten zu. Dort Empfang der Gäste, 
zug durch den mit Kränzen, Fahnen und Bäumen 
seschmückten Ort zum Festplatz. Nun kommt die 
AIbwickelung des Festprogramms: Gesang, Festrede, 
Musik und Gesang und zuletzt Jubel und Trubel, 
aß man thatsächlich sein eigenes Wort nicht mehr 
versteht. Von einer gemüthlichen Unterhaltung 
indet man keine Spur, alles rennet hin und her. 
Zei Gesangvereinsfesten kͤnnte man durch den 
recht gelungenen Vortrag mancher Lieder Genuß 
saben, aber selbst die Nächststehenden vermögen nur 
ie Fortestellen derselben zu vernehmen, das Geltöse 
ind Stimmengewirr übertönt alles. Und wenn 
nan das Ende bedenkt, welches manches dieser 
gruderfeste nimmt, dann muß alle Lußsi 
chwinden. Von den vielen Vorkommnissen sei 
rur eins erwähnt. Bei einem Gesangvereinsfeste 
ieser Tage, der Festort bleibe ungenannt, mußten 
zie eingeladenen Vereine auch für die mitgebrachten 
damen den festgesetzten Eintrittspreis von 80 Pfg. 
ntrichten. Natürlich herrschte große Entrüstung 
ind ein Verein fand es für gut, gleich beim 
geginn des Festes den Platz zu räumen. Ausf 
velcher Seite das Recht war, mag der Leser ent⸗ 
cheiden. Das erwähnte Vorkommniß ist eigentlich 
ioch harmloser Art. Oft aber wird die Festfreude 
andgreiflich und gefährlich. In den Gerichts- 
tuben weiß man davon zu erzählen. 
r. Schnappach, 25. Juli. Heute wurden 
sier fünf Verhaftungen vorgenommen. Es waren 
zurschen von Sulzbach, die hier das übrig ge— 
zliebene Geld vom letzten Zahltag verjohlten. 
dLeberhaupt rühren alle Ausschreitungen, die hier 
»otkommen, von auswärtigen jungen Leuten her. 
fk. Vom schönsten Wetter begünstigt feierte am 
SZonntag, den 24. ds. Monats der Sulzbach— 
halec Sängerbund auf dem Bergfestplatze 
zer Kgl. Grube Friedrichsthal sein 14. 
ßesang fest. Dem Festzuge, an dem sich 183 
hereine betheiligten, folgte der weihevolle Akt der 
finweihung der neuen Fahne des Friedrichsthaler 
gesangvereins. Das Fest selbst verlief in der 
dürdigsten Weise. Die einzelnen Stücke des reich 
jewählten Programms wurden mit viel Bravour 
orgetragen und ernteten deshalb auch den reichsten 
geifall. Wie für die geistige, so war auch für die 
eibliche Erquickung in der besten Weise Sorge 
jetragen. Ein fröhlicher Ball bildete den Abschluß 
jes Festes. 
— Kaiserslautern, 23. Juli. Heute 
Zormittag während des Abladeus von Holz be⸗ 
utzte ein Gefangener des Arbeitshauses die augen⸗ 
lickliche geschaftliche Abwesenheit des Aufschers 
m Bureau des betreffenden Hauses zur Flucht. 
PBie wir hören, ist es noch nicht gelungen, desselben 
abhaft zu werden. (Pf. Pr.) 
— Kindenheim, 21. Juli. Heute früh 
vurde Herr Pfarrer Hoos dahier — ein mit reichen 
kenntnissen begabter, beliebter Mann — todt in 
einem Bette aufgefunden. Wahrscheinlich hat ein 
c„chlaganfall seinem Leben ein so rasches Ende 
ereitet. 
— Winterbach, 23. Juli. Heute Nacht 
rannte der Klosterbergerhof infolge Blitzschlages ab. 
— Landau, 23. Juli. Die erwarteten 
Kepetirgewehre für das 1. Batailion find nunmehr 
jestern Nachmittag eingetroffen. 
— Neustadit. Der hiesige Kaufmännische 
derein hat an die pfälzischen Vereine gleicher 
Tendenz die Aufforderung zur Gründung eines 
zerbandes der Kaufmännischen Vereine 
er Pfalz gerichtet. Demselben würde obliegen: 
Förderung gemeinsamer Interessen, Abhaltung von 
zorträgen, Erledigung der Lehrlingsfrage u. s. w. 
— Der Dürkheimer Wurstmarkt wird 
im 2., 3. und 4. Oktober abgehalten. 
— Die Direktion der Pfälzischen Bahnen soll 
as Projech der Anloge einer Straßenbahn 
bon Ludwigshafen über Oppau nach Frarkent 
und Dirmstein bis nach Großkarlbach (al⸗ 8 
dation) der königl. Regierung befürwortend in 33 
age gebracht haben. Falls sich diese Nachrich p 
tatigt, dürfte sicher anzunehmen sein, daß 
»der später der Ausbau dieser Linie von —*— 
zach bis Kirchheim a. E. solgen uad so vi * 
zindung mit der Eisenbahn Monsbeim ⸗ Neuftadt 
adurch indirect mit Grünstadt hergestelit win 
— Zur Haftsflicht der —A 
Aus Frankenthal wird der „K. 3.“ — 
Fin Urtheil, wie solches vom k. Landgericht Framn 
hal am 5. Mai 1887 gefüllt wurde, dürfte sein 
figenart wegen für die Großgewerbetreibemne 
deutschlands beachtenswerth sein. Eine hicig 
jroße Maschinenfabrik beschaftigte in ihrer Misn 
sießerei zwei Arbeiter, die sich oftmals in un 
uußer der Fabrik in heftiger Weise zankten und 
on denen der eine dem andern bei solchem i 
aß ein zum Umrühren des flüssigen Metalls dienen. 
des glühendes Eisen in die Brust stieß. Der va 
pundete erholte sich wider Erwarten von dieser 
chweren Verletzung im Laufe des Sommers dba 
Thäter hatte eine längere Freiheitsstrafe —* 
ühßen. Nachdem ersterer wieder hergestell ma 
lagte er gegen die Firma auf Schadenersehe 
»er Höhe von 10,000 M. Nach Adhörung einet 
deihe von Zeugen und in Folge des ärztlich 
hutachtens wurde gegen die verklagte Firma * 
inen Schadenersatz von 900 M. bestehend in 
inmaliger Vergutung von 500 M. für den 
ittenen Schaden und 400 M. für Entgang da 
Berdienstes in der Zwischenzeit erkannt. Die 
Urtheil des k. Landgetichts gründete fich zumess 
arauf, daß J. der Arbeitgeber für Beschaffenhen 
ind die Handlungen seiner Arbeiter, auch wen 
olche mit der Arbeit in keinem Zusammenhan⸗ 
tehen, verpflichtet sei, und 2. daß bei ununte 
zrochener Aufficht durch einen Betriebsbeamten oder 
Meister der Unfall nicht hätte geschehen önnen 
Wie aber ist es möglich, den Forderungen gerecht 
u werden? Hat der Arbeitgeber überhaupt Gi— 
egenheit die Beschaffenheit der Arbeiter kennen zu 
ernen, und in welchem Maße wird ihm oder dem 
Aufsichtspersonal dies möglich sein ?! Der Meistet 
»der Auffichtsbeamte ist nach der gesetzlichen Augs— 
egung verpflichtet, den Raum, in dem die ihm 
interstellten Arbeiter beschäftigt sind, nicht zu der— 
assen. Es ist das eine weitere Unmöglichkeit für 
den Betrieb einer Fabrik und auch dieses Verlangen 
zaher gar nicht zu erfüllen. Daß im vorstehenden 
Falle die Fabrik als haftbar erkannt wurde, obwohl 
je mit dem Schaden in gar keinem Zusammen⸗ 
jange steht, scheint denn doch mit dem Geiste und 
jen berechtigten Zielen der Haftpflicht Gesetzgebung 
nicht im Einklang zu stehen. Es wäre doeher 
vünschenswerth, daß eine Entscheidung in du 
Frage an einer höheren Gerichtsstelle veranlaß 
vürde. 
VBermischtes. 
4 In der Sulzbach oberhalb St. Johann 
vurde am Sonntag ein weiblicher Leichnan 
zJeländet. 
St. Wendel. Das Bankhaus Ku 
Fetto hierselbst hat seine Gläubiger zu einer Be 
prechung eingeladen. Schwere Verluste, welhe 
die Firma durch den Krach auswaärtiger Banker 
erlitt, haben das Haus zu diesem Schritte gedrängt 
FAugsburg, 28. Juli. Ein gestern über 
unsere Gegend mit wolkenbruchartigem Regen nie 
Hergegangenes Unwetter richtete an Obsftbäumen 
ind Getieidefeldern, Anlagen und auch an Ge— 
änden großen Schaden an. Gleiche Nachrichten 
dinmen don Miltel- und Unterschwaben, woselbh 
Zagelschläge mehr als ein Drittel der Ernte beb 
nichteten. 
Nürnberg, 22. Juli. Um den Minder: 
zemittelten auch im Winter die Benützung eines 
Bades zu ermöglichen, hat der Magistrat die kr⸗ 
ichtung eines Volksbades beschlossen. 
Mürnberg. Der Verwaltungsrath den 
gayerischen Gewerbe⸗Museums schlägt zum Direckor 
derrn K. v. Kramer, Kunstgewerbe· Schuldirecho 
n Kassel, früher in der Pfalz, vor. 
pPtartsruhe, 28. Juͤli. Heute hraf da 
gischof der Altkatholiken, Herr Dr. Reinkens. von 
Bonn hier ein. Morgen wird derselbe ca. 5b 
Bersonen die Firmung ertheilen. 
Aug Karidruhe, 21. Juli, wird a 
duridsum mitgetheilt, daß dieser Tage vor den 
Sia deamte in VPaar“ gum zweilenmale do