Full text: St. Ingberter Anzeiger

t. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmalz: Am Montag, Dieustag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2 mal wöchentlich mit Unterhaltungs 
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17. 
Nolitische Uebersicht. 
Wahlaufrufe und Wahlversammlungen 
zildeten bereits die Signatur der Woche, obgleich 
zoch die Auflösung des Reichstages und die Aus— 
chreibung von Neuwahlen erst seit ganz kurzer Zeit 
zatiren. Aber freilich, die Zeit drängt, denn bis 
zum entscheidenden Tage, dem 21. Februar, ist es 
serade nur noch einen Monat hin und da erklärt 
ich's, daß die Wahlbewegung schon jetzt immer 
veitere Kreise zieht. Als bemerkenswerthe Ereig⸗ 
nisse hat dieselbe die Wiederübernahme der Führung 
jer nationalliberalen Partei durch Rudolf v. Ben⸗ 
nigsen und das Wahlcartell der drei regierungs⸗ 
reundlichen Parteien gebracht und von beiden 
Borgängen verspricht man sich auf Seiten der 
AInhänger des Septennats einen bedeutenden Ein; 
luß zu Gunsten ihrer Sache. Mit der Aufstellung 
on Candidaturen ist man schon in zahlreichen 
Wahlkreisen vorgegangen; meist haben sich die bis⸗ 
erigen Abgeordneten zur Wiederübernahme eines 
MNandats bereit erklärt. Im Uebrigen erscheint es 
ast selbstverständlich, daß hierbei überall die Parole 
autet: „Füur oder gegen das Septennat“, und 
ind daher in vielen Wahlkreisen, die bislang frei—⸗ 
innig oder klerical vertreten waren, den bisherigen 
Vertretern Anhänger des Septennats entegengestellt 
vorden. Eine karserliche Proclamation sollte, 
Undeutungen des Reichskanzlers zufolge, Ende der 
Voche erscheinen und sicht man dieser Kundgebung 
nit Spannung und Bewegung entgegen. Ist es 
a allgemein bekannt, wie außerordentlich schmerzlich 
er Kaiser durch die Ablehnung des Septennats 
eitens der bisherigen Reichstagsmehrheit bewegt 
vorden ist, welchen Gefühlen er beim Empfang 
»es Herrenhauspräsidiums underhohlen Ausdruck 
erlieh und man darf annehmen, daß diese schmerz 
iche Erschütterung auch in der signalisirten Proc⸗ 
amation durchklingen wird. Noch nachträglich 
verden verschiedene Einzelh iten von dem Empfange 
ekannt. Der Kaiser soll ganz traurig und nieder⸗ 
jeschlagen gewesen sein und namentlich hervorgehoben 
aben, daß ihn die Reichstagsentscheidung haupt 
ächlich als Patrioten empfindlich berühre und er 
nicht glaube, eine solche Behandlung verdient zu 
jaben, wobei er auf seine Worte beim Empfange 
»es Reichstagspräsidiums hinwies. Er empfinde 
;* bitter, daß zu ihm in seinen hohmn Alter, nach ˖ 
dem er eine unecmüdliche 80jährige militärische 
Dienstlhätigkeit hinter sich habe, der Reichstag kein 
Zertrauen habe. — Sollte es noch eine Anregung 
ür alle reichstreuen Wähler geben, in welchem 
Sinne sie sich am 21. Februar zu enischeiden haben, 
o könnten es nur diese von so tiefer, schmerzlicher 
Ergriffenheit des greisen Herrschers zeugenden Aeu⸗ 
zerungen sein! 
Im Potsdamer Stadischlosse fand am 
Mittwoch die Ueberreichung des dem Prinzen 
Pilhelm von Preußen verliehenen japanesischen 
Irdens vom Chrysanthemum durch den Prinzen 
Akihilo Komathu Na Muja statt. Die Ueberreich 
ing gestaltete sich durch die Gegenwart des Staats 
ekretairs Grafen Bismarck und der Spitzen der 
Tivile und Militärbehörden zu einem besonders 
reierlichen Acte. 
Bei der in Dortmund stattgefundenen Ecsatz · 
wahl zum Landtage für den verstorbenen Dr. Löwe⸗ 
Lalbe wurde Bergrath De. Schulz (nat.lib.) 
fast einstimmig gewählt. 
Wie wenig in Regierungskreisen die Besorgnisse 
vor einer schlimmen Wendung der politischen Lage 
Sonntag, 23. Januar 1887. 
22 Jahrg. 
jewichen sind, darf man daraus schließen, daß das 
Organ des Reichskanzlers, die „Nordd. Allg. Ztg.“, 
sestern einen Artikel brachte, der einen nahe bevor⸗ 
tehenden Krieg gewissermaßen an die Wand malt. 
das Blatt schreibt: 
„Unter dem Eindruck der Gefahren, welche die 
m politischen, nationalen und wirthschaftlichen Leben 
ver Voölker vorhandenen Gegensätze bergen, hat in 
neucrer Zeit der Gedanke au einen nahe bevor⸗ 
tehenden Krieg in weiten Kreisen bereitwillig Ein⸗ 
jzang gefunden.“ 
Es folgt darauf ein Zitat aus der „Schwei⸗ 
zerischen Militärzeitung“, folgendermaßen lautend: 
„Spätere Zeiten werden vielleicht dem 10. 
Jahrhundert nachsagen, daß es nicht nur durch 
eine großen Erfindungen alle Verhältnisse der 
Menschheit umgewälzt habe, sondern daß es auch 
»as Jahrhundert der großen Kriege gewesen sei. 
zu Anfang desselben schien der Gott der Schlachten 
elbst Mensch geworden zu sein, und noch lange 
jallte der Kanonendonner durch Europa, als ein 
Bötkerheer, das als unvergleichlich an Zahl und 
triegserfahrung galt, im Schnee des Nordens zu 
iner Handvoll zerlumpter und gebrochener Männer 
jeworden war. Seit der Mitte des Jahrhunderts 
jaben sechs große Kriege fast alle Kulturvölker er ⸗ 
chüttert, und nun steht noch weit großere und 
chwerere Kampfesnoth über unserer Zukunft wie 
rother Nordlichtschein am nächtigen Himmel. 
„Von der Wucht kuünftiger Zusammenstöße 
wischen den europäischen Großmächten können wir 
ins kaum ein Bild machen. Es werden wahr⸗ 
cheinlich Sch'achten geschlagen werden denen gegen⸗ 
iber selbst der Ruhm von Leipzig, Königgräß und 
Sedan erbleichen muß. ... 
„Die Zahl der Streiter wird Alles übersteigen, 
vas die Geschichte bisher aufzuweisen hatte. Es 
verden Heerschaaren auftreten, die zu unterhalten 
vor Erfindung der Eisenbahnen ganz unmöglich 
jewesen wäre. Wenn der Krieg einmal begonnen 
sat, vermag Niemand sein Ende und seine Folgen 
ibzusehen .... Die kolossalen Dimensionen des 
»evorstehenden Krieges und die Höhe des Einsatzes 
ind geeignet, den verwegensten Staatsmann ver⸗ 
agt zu machen. Sie werden vielleicht Ursache, in 
er letzten Stunde seinen Ausbruch noch einmal zu 
hertagen.“ 
Gegenüber den vielfach aufgetauchten Gerüchten, 
Ze. kal. Hoheit der Prinzregent von Bayern 
jedenke zu den Reichstagswahlen eine Proklamation 
u erlassen, können die „N. N.“ auf Grund sicher⸗ 
ter Nachrichten mittheilen, daß dies nicht der Fall ist. 
Die „Nordd. Allgem. Ztg.“ meldet: Die in 
Brootfontain in der Otowiegegend (Südwestafriku) 
ingesiedelten Boers sind auf ihren Antrag nach 
Benehmigung des Kaisers unter den Schütz des 
zeutschen Reichs gestellt worden. 
Der „Straßb. Post“ berichtet man aus der 
ßegend bei Ver dun, daß in einem großen Theil 
„r Dörfer an der französischen Grenze fast kein 
Irbeiter mehr aufzutreiben sei, weil alle disponiblen 
träfte sich in die Gegend von Conflas begeben 
aben, um an dem Bau der Baracken für die fran⸗ 
osischen Truppen zu arbeiten. Diese werden, wie 
»dort in der Gegend heißt, für 5000 Mann her⸗ 
erichlet, die vorzugsweise aus Infanterie bestehen 
»llen, während die kleinen Ortschaften zwischen 
zont⸗a⸗s Mousson und Verdun, meistens kleinere 
ldtheilungen Kavallerie als Garnison erhalten 
llen. Die Gegend bei Conflans beherrscht be⸗ 
nnilich die Straßen nach Verdun (einerseits Die— 
denhofen⸗Briey-Etain und anderseits Metz⸗Graves 
otte⸗Mars· la Tour⸗ Verdun) und wird in militär⸗ 
schen Kreisen das „Loch von Conflans“ genannt. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 21. Jan. Die soeben erschienene 
„Nationalz eitung“ erklärt die Nachricht vom bevor⸗ 
tehenden Pferdeausfuhrverbot als positiv zutreffend, 
ementirt aber die Zusammenberufung einer Con⸗ 
erenz, resp. die Einsetzung eines Schiedsgerichts 
gehufs der bulgarischen Frage. 
Ausland. 
Paris, 19. Januar. Die „Korr. Havas“ 
neldet: „Der Kriegsminister hat den sämmtlichen 
Militärmusikkorps befohlen, die verschiedenen aus⸗ 
ändischen Nationalhymnen einzuüben. Unter diesen 
emerken wir hauptsächlich die „Wacht am Rhein“, 
das God save the Quesen, die belgische „Bra⸗ 
angonne“, das „Heil Columbia? von Nordame⸗ 
cika, das „Gott schütze den Zaren“ von Rußland. 
Paris, 21. Jan. Die „Republ. Frane.“ 
ordert Boulanger auf, gegen einen Artikel Roche⸗ 
orts zu proiestiren, indem er zu einem Staais⸗ 
ireich aufgefordert werde. Durch diesen Ariikel 
verde nicht nur der innere Frieden Frankreichs 
zestört, sondern auch die Truppen aufgewiegeit. 
die orleanistische Presse verlangt die sofortige Be⸗ 
eitigung Boulangers. 
Nom, 20. Januar. Aus guter Quelle er⸗ 
ährt die „Frkk. Ztg.“, daß die preußische Regier⸗ 
uing die bedingungslose Rücktehr aller geistlichen 
Irden, mit Ausnahme der Jesuiten, zugestanden 
Jat, über deren Zulassung der Reichstag entscheiden 
soll, da sie durch Reichsgesetz ausgewiefen worden 
ind. Ueber die Form der Anzeigepflicht schweben 
noch Verhandlungen. 
ααα 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 21. Jan. Bei einer am 
Dienstag abgehaltenen Treibjagd der Herren Gebr. 
draemer zwischen Webenheim und Einöd wurden 
48 Hasen und 6 Rehböcke zur Strecke gebracht. 
— Am Donnerstag Morgen wurde bei Enken⸗ 
zach der Handwerksbursche Lorenz Wiener von 
handhoffen bei Speyer ermordet aufgefunden. Als 
nuthmaßliche Thäter gelten 3 Handwerksbursche, 
wovon einer derselben, Peter Euler, Steinhauer 
von Staudernbeim, in Landstuhl verhaftet Burde. 
Fur die Redaltion verantwortlich: J. X. Deme ß. 
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Wer noch kein Loos 
zu der ihrer ganzen Zusammenstellung wegen bei 
»em Publikum so beliebten Zwieseler kath. Kirchen⸗ 
zaulotterie gekauft hat, wolle solches daldigst thun, 
za zur Ziehung am nächsten Mittwoch den 26. 
Januar nur noch wenige Loose bei den bekannten 
Berkaufsstellen zu haben sind. Hauptir ffer 830,000 
Mark, 25,000 Mark, 10,000 Mark, 5000 Mark, 
2800 Mark. Sehr viele hohe Mittelgewinne zu 
000 Mark, 500 Mark, 250 Mark, 200 Mk.ꝛc. 
deine Serienziehung — Mindester Gewinn 10 Mk. 
Das Loos kostet 2 Mark. 11 Loose 20 Mark 50 
Bfennig.