Full text: St. Ingberter Anzeiger

(.3 u Kirmeß wird (Alles ge⸗ 
ressen!“) Eine empörende Nahrungsmittelfälsch⸗ 
ing bildete den Gegenstand einer Verhandlung 
zer Dortmunder Strafkammer. Der Metzgermeister 
dgrünewald aus Hörde hatte zur Kirmeß aus 
chlechten, in Fäulniß übergegangenen Fleischab⸗ 
llen Leberwurst und sog. Schwartenmagen ver⸗ 
—X — Delikatessen zu den gewöhnlichen 
Breisen verkauft. Seinem Gehülfen gegenüber, der 
ie unsaubere Arbeit nicht ausfuͤhren wollte, äußerte 
er Mensch woörtlich: „Zu Kirmeß wird alles ge⸗ 
ressen!“ Man wird das auf 2 Monate Gefäng⸗ 
uß lautende Urtheil nicht zu streng finden. 
Gatriotismus in der Narkose.) Professor 
pillroth in Wien hatte dieser Tage eine Fuß⸗ 
peration an einem jungen Burschen vorzunehmen. 
Zer Poatient wurde auf den Operationstisch gelegt 
ind der Narkotiseur begann seines Amtes zu walten. 
cins, zwei, drei ... und so fort ließ er den Pa⸗ 
ijenten zählen. Als das Irritationsstadium eintrat. 
»egann der baumstarke Mann zu toben, und nur 
nn Anwendung großer Gewalt gelang es, ihn 
inigermaßen zur Raison zu bringen. Während 
nun Prof. Billroth die Operation vornahm, begann 
Bursche mit tiefem Baß. — die Volkshymne 
u singen. „Gott erhalte, Gott beschütze unsern 
daiser, unser Land ...“, und so forl mehrere 
Ztrophen hintereinander. Professor Billroth lächelte, 
ie Assistenten lachten und das zahlreiche Audito⸗ 
um brach in ein homerisches Gelächter aüs .... 
p. Zu einem der großen „Kohlen Könige“ 
n Wien, dem Besitzer riesiger Kohlenwerke kommt 
„er Direktor einer wohlthätigen Anstalt und bittet 
hn, der letzteren, angesichts des sehr strengen Winters 
ine größere Quantität Kohle zum Geschenk zu 
nachen. Der Grubenbesitzer erklärt sich bereit, der 
Anstalt zwei Wagenladungen von Kohlen zum halben 
ßreise zu überlassen. „Ich wußte,“ so lautet die 
Antwort des Direktors, „daß wir nicht vergebens 
mn Ihre Großmuth appelliren, nur bitten wir anstatt 
der zwei Wagenladungen zum halben Preise um 
ine Wagenladung ohne Entgelt, was ja dasselbe 
st.“ Der „großmüthige“ Grubenbesitzer konnte in 
her That nichts einwenden und mußte sich zum 
Zeschenk einer Wagenladung Kohlen herbeilassen. 
— In den europäischen Regentenfamilien herrscht 
„ekannilich die Gepflogenheit, daß die einzelnen 
Mitglieder derselben in ihrer Jugendzeit irgend ein 
dandwerk oder die Ausübung einer Kunstpraxis 
Aernen. Diese schöne Sitte haben auch die Finanz⸗ 
dnige des Hauses Rotschild eingeführt und beispiels⸗ 
veise die kleinen Söhne des Barons Albert Roth⸗ 
child, des Wiener Chefs dieser Weltfirma, sind 
ben eifrig daran in der Ausführung derselben. 
Man wird vielleicht ein wenig neugierig sein zu 
rfahren, welches Gewerbe oder welche Kunst sich 
diese jungen Millionäre ermählt: den Golddruck, 
zas Nolenpressen oder dergleichen angenehme Spiele⸗ 
teiem? Nichts von alledem. Die kleinen haben 
der Photographie zugeschworen und verfolgen aus 
der Dunkelkammer die Lichtseiten, die ihnen das 
deben ohne Zweifel nicht schuldig bleiben wird. 
F Zürrch, 22. Jan. Die Reservekasse der 
Sozialdemokraten steuerte angeblich für den Wahl⸗ 
zampf der Sozialdemokraten in Deutschland 4000 
Mark bi. —. 
4 In Paris wurde gelegentlich des geplanten 
Rücktrities des Präsidenten Grevy die Frage besprochen 
»b Grevys Nachfolger das jetzige Ministerium be— 
jalten werde. „Oh nein!“ sagte Arthur Ranc pu 
Sob(elet „est trop pou pour tant de eruches.“ 
(Ein Becher ist zu wenig' für so viel Krüge; aber 
xruche hat noch eine andere Bedeutung; sie steht 
in jedem Wörterbuche.) 
Es wird erzählt, daß der Minister des Aus⸗ 
värtigen, Herr Flourens gesagt habe, er sei der 
Ansicht gewesen, ein Ministerportefeuille sei aus 
Maroquin, er habe aber nur Chagrin (Verdruß — 
genarbtes Leder) darin gefunden. 
7 VLEin schmachbedecktes Leben hat dieser Tage 
seinen Abschluß gefunden: das des Obersten 
Mi quel Lopez, welcher den unglücklichen Kaiser 
Maximilian bei Queretaro um schnoden Judaslohn 
oerrathen hat. Sein Tod ruft die Erinnerung an 
das „Trauerspiel in Mexiko“ wach. Joh. Scherr 
schildert die Uebergabe von Queretaro folgender⸗ 
maßen: „Allgemein ist die Meinung, der öster⸗ 
reichische Prinz sei an jenem Maimorgen durch 
Bercath in die Hände seiner Feinde gefallen. Der 
Oberst Miquel Lopez, ein Oheim der Marschallin 
Bazaine, auch Ritter der französischen Ehrenlegion 
uind gern gesehener Gast in den Tuillerien, soll 
»en Erzherzog um 10,000 Pesos an Esco bedo 
errathen und verkauft, das heißt an jenem Morgen 
den Belagerern das Thor von La Cruz aufgethan 
und fie sogar bis in das Schlafzimmer Maximilian's 
geführt haben. Allem nach, was man von diesem 
dopez weiß, war er ganz der Mann dazn, diese 
Fufamie zu begehen und die bestimmte, die Vorgänge 
dom Morgen des 15. Mai klar und überzeugend 
deranschaulichende Bezeugung des Prinzen Salm⸗ 
Zalm laßt keinen Zweifel mehr übrig, daß er sie 
virklich beging. Prinz Salm berichtet, daß nach feiner 
ind des Erzherzogs Gefangennahme in ihrer Gegen⸗ 
dart ein hoͤherer republikanischer Offizier den Lopez 
ur als Verrcäther bezeichnet und hinzugefügt habe: 
Solche Leute benützt man und gibt ihnen dann 
inen Fußtritt· 
VLondon. Karl Blind ist aus der 
nternanonalen Schiedsgerichts⸗ und Friedensligo 
zusgetreten, deren Exekutievausschuß er eine Reiht 
son Jahren angehörte. Als Grund dieses Schrittes 
vird angegeben, daß trotz seiner Einsprache immer 
vieder Versuche gemacht werden, die elsaßlothringische 
Frage in ber Liga zur Erörterung zu bringen. 
FLondon, 19. Jan. Ueber ein Unglück 
in einem dramatischen Club in Spitalfields meldet 
die „Daily News“ folgende Einzelheiten: „In 
dem Israelitischen (woraus der Telegraph „Irelie“ 
emacht hatte) dramatischen Club, Princes Street. 
and eine Vorstellung statt, welcher ungeführ 500 
tersonen, meist Israeliten, beiwohnten. Während 
er Vorstellung rief Jemand auf der Galerie „Feuer“ 
ind in demselben Augenblicke wurde das Gas aus⸗ 
elöscht, worauf eine furchtbare Panik entstand. 
die ganze Versammlung stürzte in einer fast zu⸗ 
ammenhängenden Masse gegen die Thür, wobei 
iele uner die Füße getreten wurden. Ein Polizist, 
velcher das Geschrei hörte, gab mit seiner Pfeife 
in Signal und erhielt Beistand, allein ehe der 
Zaal geräumt werden konnte, lagen 16 Personen 
— 12 Frauen, 3 Knaben und 1 Mann — todt 
nuf dem Boden. Aerztliche Hülfe war bald zur 
Stelle, allein von derselben konnten nur Diejenigen 
stutzen ziehen, welche ohnmächtig geworden waren 
der Contusionen erhalten hatten. Die Letzteren 
Henry Gilberg 80, Harry Gilberg 3, Harris 
voldstein, Leon Adler, Friedmann Roselander, 
Zarah Marks und Rachel Costa) wurden in das 
zondon Hospital gebracht, von wo sie bald nach 
»ause befoördert werden konnten. Mach einem 
äteren Telegramm der „K. Z.“ sind 17 Per— 
onen umgekommen. Unter denselben befinden sich 
rei Personen Namens Levy, je eine Namens 
goldstein, Rosenfeld, Silbermann, zwei Krotowskis 
wei Guberb, eine Marks, Ellis, Monladum, Aizan 
3 zusammen 12 Frauen, 1 Mädchen, 1 Mann 
7nb 3 Knraben. Die Ausgangsthür der etwa 700 
Personen fussenden Halle sei so eng, daß sie nur 
wei Personen gleichzeitig den Durchgang gestattete. 
London, 20. Jan. Ueber das Unglüd 
hei der Theatervorstellung des israelitischen dra⸗ 
natischen Clubs in Spitalsfields Condon) wird 
peiter berichtet: Was den Anlaß zu dem Rufe 
Feuer“ gab, der die furchtbare Panik dabei ver⸗ 
mlaßte, ist noch immer nicht ganz klar gestellt. 
Jetzt wird angegeben, daß, waͤhrend die Vor—⸗ 
ledung im besten Gange war, ein Knabe, um 
jesser sehen zu können, auf einen Gasarm kletterte. 
Die Röhre brach und das Gas entströmte. Einem 
in der NRähe befindlichen Manne gelang es freilich 
inschwer, dieselbe mit einem Taschentuche zu ver⸗ 
topfen, als Unbedachte schrieen, man solle den 
Basometer abdrehen. Dies geschah und! die Halle 
wvar plötzlich in Dunkel versetzt. Jetzt erschollen 
die Rufe „Feuer“ und in wildem Schrecken stürzte 
Alles, wie bereits geschildert, dem Ausgang zu. 
Fin Knabe, welcher über die Köpfe der einge— 
lemmten Menge hinwegkletterte, war der Erste, 
welcher der Polizei Meldung von dem Unglucd 
machte. Die schnell herbeigeeilten Polizisten hatten 
inen harten Stand. Viele der glücklich Entkomme⸗ 
jen wollten wieder in die Halle zurüch, um ihre 
Herwandten zu retlen und konnten nur mit Gewalt 
»oran gehindert werden. Es dauerte eine geraume 
Zeit, dis es der Polizei gelang, den am Fuße 
der Treppe aufeinander gethürmten Menschenknäuel 
zu entwirren. Die Todten wurden einstweilen in 
das Vorzimmer auf den Fußboden gelegt. Die⸗ 
enigen, welche mit dem Leben davongekommen 
varen, erholien sich schnell wieder, sobald fie die 
rische Luft athmeten. Vielen Frauen und Mädchen 
ingen die Kleider in Fetzen am Leibe und selbst 
hrSchuhwerk war in Stücke zerrissen. Aerzt— 
liche Hilfe war zeitig bei der Hand und wurden 
die Verwundeten in das Londoner Hospital ge⸗ 
schafft. Zu der Verwirrung hat jedenfalls das 
Sprachengemenge — deutsch, englisch, hebräisch 
und russijsch — beim Ausbruch der Panik wesent⸗ 
sich beigetragen. Eine dex am härtesten betroffenen 
Familien ist die des Webers Henry Gilbert, dessen 
Frau und 12jähriger Sohn bei der Katastrophe 
hren Tod fanden. Der Jewish Chronikle“ hat 
»ine Sammlung zum Besten der durch das Unglück 
Betroffenen eröffnet. 
(Ein Riese.) In der Pavillon⸗Mufsik· 
jalle in Londor läßt sich augenblicklich der Riese 
Minkelmeier aus Oesterreich sehen. Er ist 21 
Jahre alt, 8“ 9“ hoch, also 1 großer als der chine⸗ 
iche Riese Tschang, beschreibt mit den Armen 
ien Umkreis bon 102/0 Durchmesser umspannt 
nit der Hand auf dem Klavier zwei volle Oktaven. 
7 Shang ei, 21. Jan. Der Peninsular⸗ 
und Oriental⸗ Dampfer Nepaul“ stieß gestern, 
pie der Standart“ meldet, mit einem chinesischen, 
von Shangai segelnden Transportschiffe zusammen. 
das chinefische Schiff sank und über hundert der 
mn Bord befindlichen Soldaten sowie verschiedene 
Handarine ertranken. Der Schaden des „Nepaul“ 
st noch nicht zu ubersehen, doch sind Passagiere 
und Mannschaft unverletzt. P 
CEine schneidige Frau.) Am 5. Dezember 
sollte der Redakteur des oppositionellen Naradin 
Blas“, in Philippopel, Herr Mantschoff, wegen 
eines angeblichen Komplotts von vier Gendarmen 
derhaftet werden. Die Gattin Mantschoff's wider⸗ 
etzte sich indeß der Verhaftung ihres Mannes, und 
als sie einer der Gendarmen zurückstieß und miß⸗ 
Jandeln wollte, zog sie einen Revolver hervor und 
euerte auf die Polizisten, welche den Verhafteten 
osliehen und schleunigst die Flucht ergriffen. Eine 
Stunde später kehrten sie aber mit einigen 80 
MNann Verstärkung zurück, und da sie das Hausthor 
serrammelt und alle Fensterladen geschlossen fanden, 
o begannen fie eine regelrechte Zernirung und 
Belagerung des Gebäudes. Inzwischen rückte auch 
ine HPatrouille Militär an und versuchte die Haus⸗ 
chüre zu forziren. Da erschien Frau Manischoff, 
nin einem Winchester ⸗Karabiner bewaffnet am 
Fenster, und feuerte muthig auf die Andringenden, 
udeß ihr Mann hinter ihr stand und das Gewehr 
mmer von neuem lud. Die Soldaten und Gen⸗ 
zarmen schossen zurück und es entstand ein mehr⸗ 
ündiger Kampf, bei dem über zweihundert Kugeln 
ruf die couragirte Frau abgefeuert wurden, ohne 
daß sie verletz, worden wäre. So gelang es ihr, 
sich fast zwei Stunden lang gegen die Uebermacht 
zu halten; vier Gendarmen und ebensoviel Solda⸗ 
im vurden verwundet, schließlich mußte sie aber 
doch der Mehrzahl weichen und sich zurückziehen. 
Die Belagerer stürmten das Haus und Frau Mant⸗ 
choff fiel, von drei Säbelhieben schwer getroffen, 
hlutend zusammen. Auch ihr Mann wurde auf⸗ 
gefunden und von der erbitterten Soldateska zu 
Zoden geschlagen. Gegen Abend wurden Beide 
infolge Intervention des Stadtkommandanten ins 
Spital überführt. Der Zustand der tapferen Bul⸗ 
Jarin, welche ebenso gut die Feder, wie die Flinte 
zu führen wußte, ist fast hoffnungslos. 
F (Amerikanische D'amenmode.) Viele 
junge amerikanische Damen sollen in letzter Zeit 
ine weihevolle Sitte der Indianer nachahmen, in⸗ 
dem sie an ihren Armbändern einen elfenbeineren 
Todtenkopf fuͤr jeden abgewiesenen Freier baumeln 
lassen. 
Gestorben: in Zweibrücken Ludwig Stutter, 
58 J. a., in Pirmasens Ludwig Petzinger, Privat⸗ 
mann, 74 J. .. 
Leg phischer Schisbericht 
der Red Star Linie“ Autwerpen 
New VYork, 22. Januar. — Der Postdampfer 
„Pennland' der „Red Star Linie“, welcher am 
3. gJanuar von Anwerpen abging, ist heute wohl⸗ 
behalten hier angekommen. —— 
Philadelphia, 22. Januar — Der Postdam⸗ 
pfer Switzerland der „Red Star Linie“, welcher 
Jin s5. Jacuar von Anwerpen abging, ist heute 
wohlbehalten angekommen. 
Briefkasten der Redaktion. 
(Preisräthsel.) Bei der Verloosung des Preises, 
zwei Oeldruckbilder, entschied das Loos zu Gunsten 
bon Fräulein H. K. hier. 
Fur die Redaktion verantwortlich:: F X. Demetz.