Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der „St⸗ Jugberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Moutag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2 mal wöchentlich mit Unterhaltungs 
i mnd Sonntags mit achtseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteliährlich 446) 4 einschließzlich Trägerlohn; durch die Post bezoggen 146 75 4 einschließlich 
J Zustellungsgebühr. Die Einruckungsgebühr fur die Agespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 138, Reklamen 80 . Vei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
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Bestellungen 
auf den J 
S5t. Ingberter Anzeiger 
für das 
lehle Quartal 1887 
fönnen noch fortwährend gemacht werden bei den 
igl. Postanstalten, den Postboten, den Umträgern 
ind der Expedition. 
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Deutsches Reich. 
München, 5. Okt. In der Abgeordneten⸗ 
ammer beantragte Abg. Crämer als Referent über 
den Gesetzentwurf, betreffend Fixirung des Malz- 
wfschlages, den Vorschlag der Regierung (den 
Ralzaufschlag wit 6 Mark vom Hektoliter Malz 
zu fixiren) abzulehnen und die Bewilligung des 
Jufschlages, wie bisher geschehen, periodüsch, d. h. 
n jedem Budget: Landtag, von der Genehmigung 
er Kammern abhängig zu machen. 
München, 4. Okt. Die Gerüchte über einen 
eborstehenden Wechsel in der Person des Kriegs⸗ 
ninisters treten wieder auf. 
Zum KHKampf um die Schulen äußerte 
ich der Reichs- und Landtagsabgeordnete Freiherr 
zon Stauffenberg gelegentlich einer Rede bei einem 
dankette in München, wobei er zugleich die künf—⸗ 
üge Aktion der liberalen Partei im bayerischen 
dandtage andeutete. Der Redner erklärte: 
„Auf der Katholikenversammlung zu Trier ist 
xotlamirt worden, daß jetzt der Kampf um die 
ẽchule mit erneuter Kraft begonnen werden solle. 
Bir erinnern uns, daß der Ansturm der Zentrums⸗ 
artei im Landtage im Jahre 1869 ebenfalls mit 
dem Kampfe um die Schule begann. Die im 
dahre 1869 abtretende Kammer hatte fich mit einem 
iberalen Schulgesetzentwurf beschäftigt, und dieser 
„chulgesetzentwurf hatte die Agitation der anderen 
hartei wachgerufen. Daß diese in Zukunft eine 
hwächere sein werde, können wir nicht annehmen. 
der Kampf wird nicht leichter, sondern schwerer 
verden. Wenn jezzt dieselbe Partei ihre bisher be—⸗ 
riebene Opposition mildert, wenn ihre Stellung 
um Reiche und zur Regierung eine andere wird, 
önnen wir das an fich nur mit Freuden begrußen. 
Uher die Sache hat auch eine andere Seile Der 
usturm çezn die Schule wird nur noch ein ge— 
telicher werden, wenn die Oppositionspartei sich 
xser stellt mit der Regierung, und wir muüssen 
nher die Wachsamkeit verdoppein und dürfen unsere 
dinigkeit nie erschüttern lassen. Zwei Punkte 
nöchte ich ans Herz legen. Wir dürfen nicht ver— 
en, sondern müssen als erste Richtschnur unserer 
thatigkeit stets im Auge behalten, daß wir eine 
crutsche Partei sind, daß wit entftanden und groß 
worden sind im Kampfe um die Entstehung des 
deuischen Reiche ß. Dieser Gedante muß uns stets 
ur Richtschnur unseres Handelns dienen, so wie 
schon ein alter Vers sagt: Ob's falit suß oder 
er. Du stehst zum Reich, Koln'jcher Bauer!“ 
gweilens dürfen Sie nich vergessen, daß wir nach 
iserer ganzen Geschichte eine liberale Partei immer 
deren und sein müssen. Nach diesen beiden Rich⸗ 
Angen hin muß sich die Thätigkeit der Liberalen 
m Landiage bewegen. 
Ausland. 
Vach in Sofia eingegangenen Nachrichten aus 
counantinopel soll die Antwort Rußlands auf die 
Samstag, 8. Oktober 1883. 
letzte Note der Pforte über die bulgarische An⸗ 
zelegenheit eingetroffen sein. Ueber den In— 
jalt verlautet, daß Rußland einen russischen Fürsten 
ils Statthalter nach Bulgarien in Begleitung eines 
ürkischen Kommissars schicken will und die Dauer 
der Mission auf 4 Monaie begrenzt sein solle. Die 
ussische Regierung sei der Ansicht, daß die Er— 
lärung der Pforte, die Wahl des Fürsten Fer⸗ 
dinand sei ungesetzlich, verbunden mit dem Befehle, 
das Land zu verlassen, da sie niemals die Wahl 
bestätigen werde, genügen werde. Man werde nicht 
nöthig haben, andere Mittel zu ergreifen. — So⸗ 
weit eine Meldung der „Agence Havas“. Ob 
virklich in Petersburg eine so optimistische Auf— 
assung Platz gegriffen hat, daß man dort annehmen 
zu dürfen glaubt, der Koburger werde aufs Wort 
folgen, wenn man ihm mit Noten drohe, muß 
üglich dahingestellt bleiben. — Der bisherige Ver⸗ 
lauf der Dinge läßt aber wenig in dieser Richtung 
erhoffen. 
Der Sozialismus in Italien macht 
bedeutende Fortschritte, namentlich im nördlichen 
Theile des Landes. Dieser Tage hat auch der erste 
zrößere Kongreß der sozialdemokratischen Arbeiter 
zetagt, und zwar in Pavia. Vertreten waren auf 
dem Kongreß die Arbeiter von Mailand, Brescia 
Turin, Genua, Alessandria, Cremona, Venedig. 
Bologna, Imola, Novara, Como und Mantug. 
Der Kongreß dauerte zwei Tage, und wenn man 
ozialdemokratischen Quellen glauben kann, ist die 
Keorganisation der Partei vollständig gelungen. Das 
Parteiorgan „Il Fascio Operajo“ soll ferner in 
HNailand verbleiben; als Sitz des Centralkomite's 
ür das nächste Jahr ist Alessandria, ein industrie⸗ 
eicher Ort, bestimmt. Beglückwünschungstelegramme 
'amen u. A. auch von deutschen Sozialisten. 
Man vermerkt es in Italien übel, daß der 
französische Kriegsminister Ferron sein 
Augenmerk besonders auf die Befestigung Frank⸗ 
reichs nach Italien hin richtet und durch eine neu⸗ 
lich in Nizza gehaltene Rede die Nothwendigkeit 
dieser Maßregel sehr scharf hervorgehoben hat. Der 
Bürgermeister von Nizza hielt bei derselben Gelegen⸗ 
jeit eine Rede, in welcher betont wurde, daß die 
Bevolkerung im Falle der Gefahr ihre Pflicht thun 
verde. Die italienische Presse erhebt den Vor— 
vurf, daß, während Italien auf friedliche Nachbar⸗ 
chaft bedacht ist, solche Reden Gefahren heraufbe⸗ 
chwören. 
Die irische Nationalliga setzt unbe⸗ 
ümmert um alle Unterdrückungsmaßregeln ihre Thä⸗ 
igkeit fort. Am Sonntag haben über 500 Zweige 
der Natisnalliga in Irland Meetings abgehalten. 
FJerner werden zwei Zusammenstöße zwischen der 
Vendarmerie und Banden von Mondscheinlern ge⸗ 
meldet; der eine fand am Sonnabend früh in der 
Rähe von Baraduff, an der Grenze von Cork und 
Kerry statt, wobei ein Mann verwundet und ver⸗ 
haftet wurde; und der andere unweit Headford, 
dillarney, am Freitag Abend, wobei 2 Männer 
herhaftet wurden. 
Ermordung des deutschen Kaisers, des deutsche 
Kronprinzen, Anreizung zu einem Volksaufstande 
und zur Anwendung von Sprengstoffen, Gottes— 
lästerung, wissentlichen Meineid u. a. m. Der Ein⸗ 
tritt in den Saal war nur gegen besondere Karten 
zestattet und der Saal daher von Zuschauern nur 
mäßig gefüllt, während die Presse gegen 15 Ver— 
rreter gestellt hatte. Der Angeklagte saß auf der 
Erhoͤhung dicht vor den Plätzen der Richter, rechts 
don den Plätzen die beiden öffentlichen Ankläger 
Vberreichsanwalt Tessendorf und Reichsanwalt 
Treplin, an der andern Seite sein Vertheidiger 
Rechtsanwalt Dr. Erythropel. Hinter dem Ange⸗ 
clagten stand ein Schutzmann. Der Angeklagte, 
laut Aushang an der Gerichtstafel zu Uelversbuͤll, 
Kreis Eiderstadt im Herzogthum Schleswig am 12. 
April 1844 geboren, ist Tischler, hatte zuletzt seinen 
Aufenthalt in Lüttich, befindet seit diesem Frühjahr 
aber sich hier in Gewahrsam. Er ist von eher 
nittlerer als großer Figur, hat röthlichblondes, 
etwas kurzgeschnittenes Haar und' einen Schnurr⸗ 
hart von gleicher Farbe, während er früher noch 
einen Kinnbart getragen haben soll. Die Nase ist 
eine sogenannte Adler⸗ oder Habichtsnase. Die 
Augen verrathen Energie und Verschlagenheit und 
jafsen vermuthen, daß dieser Mann zu Allem fähig 
ist. Herausfordernd, trotzig und mit einem Anflug 
halb von Selbstgefühl, halb von Spott musterte 
Neve, nachdem er auf seinem Stuhl Platz genom⸗ 
men, die Anwesenden, dann blickte er meist in sich 
»ersunken finster vor fich hin, als wenn er selber 
die volle Ueberzeugung von dem tiefen Ernste feiner 
Lage hätte und gewiß wäre, daß er diesmal einer 
chweren Strafe entgegengehe. Präsident Drenk⸗ 
mann fragte den Angeklagten zunächst nach seinen 
Personalien, und zur nicht geringen Verwunderung 
der Zuschauer erklärte derselbe jetzt, nachdem er 
rüher beharrlich jede Anskunft über seine Person 
nerweigert haben soll, mit fester Stimme, daß er 
in der That Johannes Christopher Neve sei, durch 
welches Eingeständniß der Gang der Gerichtsver—⸗ 
jandlung wesentlich vereinfacht worden ist. Hierauf 
rfolgte der Namensaufruf der vorgeladenen achtzehn 
Zeugen und 3 Sachverständigen. Die Zeugen sind 
die verwittwete Eisendreher Böhme, Maurer Börfig 
und Frau, Wittwe Dietz, Eisendreher Drichel und 
Schuhmacher Krause (diese beiden aus der Straf⸗ 
haft vorgeführt), Postschaffner Glaz, Weber Groß, 
Redakteur Kaulitz aus Magdeburg, Polizei-Assessor 
Möhlig, Polizei Assessor Packels, der schon im 
Reinsdorf'jchen Prozeß als Zeuge vernommene 
Weber Palm aus Elberfeld, Lehrer Schlichting, 
Fisendreher Sander, Kriminalkommissar Schmidt 
aus Magdeburg, Landgerichtsrath v. Varnhagen, 
Posthülfsbote Dielebein und Tischlergeselle Winkler. 
Die Sachverständigen find Major Pienitz, Chemiker 
Dr. von Süßenguth und der Leipziger Schriften⸗ 
dergleicher Henze. Nach beendetem Namensaufruf 
wurden die Zeugen ins Zeugenzimmer entlassen, 
während die Sachverständigen der ganzen Prozeß- 
berhandlung beizuwohnen haben. Präsident Drenk⸗ 
mann erklärte hierauf, daß seitens der öffentlichen 
Anklage ein Antrag auf Ausschluß der Oeffentlich⸗ 
keit vorliege; der Gerichtshof werde sofort hierüber 
Beschluß fassen. Es ward in Folge dessen zunächst 
auf einige Minuten die Oeffentlichkeit ausgeschlossen, 
vahrend der aus dem Vorsitzenden Präsident Drenk⸗ 
nann, dem Senatspräsidenten v. Wolf, den Reichs⸗ 
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Stechow, Kienitz, Schaper, Rehbein, Peisch, Dr. 
3pieß, Dr. Mittelstädt und Neiße bestehende Ge—⸗ 
Anarchisten⸗Prozeß Neve. 
Leipzig, 83. Okt. Wie schon kurz gemeldet, 
hegann heute Vormittag 9 Uhr in dem kleinen 
Saale (dem sogenannten Parterresaal) des Land⸗ 
jerichts zu Leipzig vor dem vereinigten zweiten und 
ritten Strafsenat des Reichsgerichts unter Vorsitz 
»es Prasidenten Drenkmann die Hauptverhandlung 
jegen den Anarchisten Johannes Christopher Neve 
Die Anklage lautet auf mehrfache Aufforderung zur