Full text: St. Ingberter Anzeiger

richtshof allein im Saale zurückblieb. Dann ver⸗ 
kündete der Präsident, daß, wie dies übrigens vor⸗ 
auszusehen war, die Oeffentlichkeit für die ganze 
Dauer der Verhandlung auszuschließen sei, da durch 
das Gegentheil die öffentliche Ordnung gefährdet 
werden würde. Es wird sonach nur die Verkün⸗ 
digung des Urtheils öffentlich sein; dieselbe dürfte 
nächsten Samstag oder Montag Mittag erfolgen. 
Lokale und pfälzische Nach richten. 
— Aus der Pfalz, 6. Okt. Die Frist, 
zis zu welcher die von den Steuer⸗Einnehmereien 
»der den Orkspolizeibehörden zu erhebenden De⸗ 
larationen über Branntwein⸗Nachversteuerung bei 
zuständiger Stelle abgegeben sein müssen, wurde 
hdis einschl. den 10. d. M. verlängert. Es ist 
dies jedoch der äußerste Termin; im Unterlassungs⸗ 
fülle treten alsdann die betr. Strafbestimmungen 
n Kraft. 
— Zweibrücken, 5. Oktbr. Gestern ist 
hdie Frau des zum Tod verurtheilten Jost mit ihrem 
üngsten Kind nach München abgereist, um dort 
zei Sr. kgl. Hoh. dem Prinz ⸗Regenten um Be— 
gnadigung für ihren Mann zu bitten. (3w. Z.) 
— Roxheim, 1. Okt. Auf einem Felde 
des Uckerers Anton Lauer III. von hier wurde 
ꝛine Kartoffel gefunden, die vollstündig genau die 
Form eines wohlgebildeten Kindsfußes hat. Ferse, 
Mittelfuß und Zehen sind scharf ausgeprägt und 
vohlgestaltet und auch als Ganzes in der Form 
orrekt. Selbst die Nägel an den Zehen find 
narkiert und die einzige Abweichung bei diesem 
onderbaren Gebilde gegenüber einem Kindsfuße 
besteht darin, daß es nur vier Zehen hat. 
— Speyer, 4. Okt. Gelegentlich des morgen 
dahier stattfindenden Jahresfestes der pfälzischen 
Diakonissen⸗ Anstalt werden sieben Schwestern als 
Diakonissinnen eingesegnet werden. Es sind dies: 
Philippine Amann, Kathchen Fuchs, Henriette 
Keßler, Babette Mattinger, Margaretha Mendel, 
Johanna Schützenberger und Eva Schmidt. Ihr 
25jähriges Jubelfest feiern die Diakonissinnen: 
datharina Bossert, Karolina Gassert und Elisabetha 
Striffler. (Pf. K.) 
— Speyer, 4. Oktober. In der heutigen 
Sitzung der kgl. Regierung, Kammer des Innern, 
jatte der Senat für Verwaltungssachen über einige 
Begenstände zu berathen, welche wohl allgemeines 
Interesse in Anspruch nehmen dürften. Bekanntlich 
»estand bis zum Jahre 1868 — so berichtet die 
„Pf. Ztg.“ — in der Pfalz die Rechts⸗Uebung 
und Rechts-Anschauung, daß Niemand ohne eigenes 
Berlangen und ohne Genehmigung der Gemeinde⸗ 
VBerwaltung Bürger⸗ und Heimathsrecht in einer 
Bemeinde erwerben könne. Nun hat der Verwal⸗ 
ungsgerichtshof im Mai 1885 und auch neuer⸗ 
dings entschieden, daß Artikel 103 des codoe civil, 
velcher zum Akt der Niederlassung nicht blos die 
Thatsache des Wohnens, sondern auch die Absicht 
zur Ansässigmachung fordert, dahin aufzufassen 
wäre, es genüge zur Wohnungsänderung das wirk⸗ 
liche Wohnen und es ergäbe sich die Absicht zur 
Ansässigmachung aus der einfachen Thatsache des 
Wohnens selbst. Zwei Beamte der Pfälzischen 
Bahnen, der Hauptkassenbuchhalter Danner und 
Revisor Rosche, glaubten hingegen einwenden zu 
dürfen, daß diese Folgerung unzutreffend und als 
olche auch anerkannt werden müsse, weil sie diese vom 
Besetzgeber geforderte Absicht weder hatten, noch 
haben konnten. Namentlich führte letzterer des 
Näheren aus, daß er gegen seinen Wunsch im 
Jahre 1866 zur Kontrole nach Ludwigshafen ver⸗ 
jetzt worden sei, daß seine Verwendung auf letzterer 
lediglich als Vorbereitung für den Eisenbahndienst, 
venigstens bis zum Jahre 1860, anzusehen sei, 
und weil er nicht habe voraussehen können, daß er 
in Folge der Entwickelung des pfälzischen Bahn⸗ 
wesens Beförderung im innern Dienst finden werde. 
Ebenso stehe der Folgerung des Verwaltungs⸗ 
gerichtshofes die leicht festzustellende Thatsache eni⸗ 
zegen, daß der Vater des Beschwerdeführers mit 
des letztern Wissen unterm 18. Februar 1868 bei 
der Direktion der Pfalzbahn darum nachgesucht habe, 
einen Sohn zur Güterexpedition Homburg zurück⸗ 
zuversetzen. Diese wie alle andern Einreden vurden 
nit der einfachen Begründung abgewiesen, daß nach 
)em Entscheid des Verwaltungsgerichtshofes jeder 
Pfaͤlzer bis zum 1. September 1868 jedesmal dort 
jeimathberechtigt sei, wo er kürzere oder längere 
Zeit wohne. Daraus eröffnet sich für manchen 
xisenbahnbeamten die unerfreuliche Perspeltive, daß 
exr für jeden Ort, wo er nicht kommissarisch, en⸗ 
zern als definitid versetzt, thätig war, wie kurz 
ruch die Thätigkeit gewährt haben mag, zur Nach⸗ 
ahlung des Bürgergeldes angehalten werden kann. 
— Speyer. Sämmtliche protest. Pfrrr⸗ 
umtskandidaten haben die am Samstag be⸗ 
ndete Prüfung bestanden. 
Der Anstellungsprüfung pfälzischer Schul⸗ 
»iensterspektanten, die am 10. Olktober da⸗ 
jier beginnt, unterziehen sich über 130 Kandidaten. 
— Zu der letzten Samstag stattgehabten Aufnahms⸗ 
zxrüfung in die hiesige kgl. Lehrerbildungsanstalt 
satten sich 20 junge Leute eingefunden, von denen 
8 in den 1. und je einer in den 2. und 3. Prä⸗ 
zarandenkurs aufgenommen wurden. 
Vermischtes. 
F Dem „Apothekerlatein“ will man 
etzt nachdrücklich zu Leibe gehen. Zu diesem 
zwecke soll demnächst ein Verdeutschungswörterbuch 
ür die Pharinazie herausgegeben werden. Die 
S„prachreinigung hätte damit einen neuen, sehr be⸗ 
nerkenswerthen Erfolg zu verzeichnen. Auch in 
er Medizin, oder besser „Heilkunde“, wird mit dem 
Unfug der Fremdwörter allmälig aufgeräumt wer⸗ 
sen, nachdem Männer wie Esmarch und Waldeyer 
in die Spitze der Bewegung getreten sind. 
F München. Die Gesammtzahl der bei den 
siesigen Abtheilungen zugegangenen Einjährig⸗ 
Freiwilligen beziffert sich zusammen mit 518, be⸗ 
rägt also mehr als ein halbes kriegsstarkes Bataillon. 
fF Akt der Billigkeit. Das Direktorium 
er bayerischen Hypotheken⸗ und Wechselbank be⸗ 
ahlte der Wittwe des beim Brande auf der Ok— 
oberfestioiese in München verunglückten Herrn Frey, 
rotzdem dieser die Versicherungsprämie im Betrage 
u 21 Mark im Drange der Geschäfte noch nicht 
rlegt hatte, in Anbetracht der Umstände und des 
ntsetzlichen Unglücks die ganze Versicherungssumme 
hne allen Abzug im Betrage von 6500 Ml. aus. 
fMainz, 6. Okt. Durch das heute ver—⸗ 
ündete Urtheil im Sozialislenprozeß wurden sämmt⸗ 
iche Angeklagte der Theilnahme an einer geheimen 
zerbindung schuldig befunden und zu folgenden 
ztrafen verurtheilt: Jost 6. Conrad 6, Pfeiffer 
», Stoll. Loos und Anderhub je 8, Zimmermann 
und Romberg 1 Monat Gefängniß. 
FHeidelberg, 3. Okt. Für das Scheffel⸗ 
enkmal find nach einer Bekanntmachung des Land⸗ 
agsabgeordneten Mays, der als eines der wenigen 
noch lebenden Mitglieder des Engeren“ die Samm⸗ 
ungen leitet, jetzt 29,000 Mk. beisammen und 
och größere Beiträge aus den Nachbarstädten in 
lussicht. Unter den zuletzt eingelaufenen Beiträgen 
efinden sich Sammlungen von den Angehörigen 
er technischen Hochschule zu Graz und von dem 
Herein suüddeutscher Studenten in Berlin. 
F In Marburg wurden am 1. d. M. nicht 
veniger als 107 Einjährig ⸗Freiwillige, wohl durch⸗ 
zängig Studenten, in das dort garnisonirende 
dessische Jäger Bataillon Nr. 11eingestellt. 
FVon der Mosel. Von Bernkastel aus⸗ 
jehend circulirt unter den Winzern des Moselge⸗ 
ietes eine Petition an den Reichstag, die mit der 
Forderung schließt, man möge in das zu erlassende 
seichs-Gesetz über den Verkehr mit Wein folgende 
zestimmungen aufnehmen: 1) die Bezeichnung 
„Wein“ allein ohne Zusatz darf nur dem echten 
Traubenweine gegeben werden; 2) der durch Zucker⸗ 
usatz zum Traubenmost verzuckerte Wein ohne 
Vasserzusatz muß enweder als solcher declarirt, 
zas heißt, als Wein mit Zucker oder unter einer 
enerellen, das ganze Weingebiet der fraglichen 
ßorte umfassenden Bezeichnung, zum Beispiel 
Moselwein“, „Rheinwein“, „Saarwein“, „Ahr⸗ 
vein“ feilgeboten oder verkauft werden; 8) Zucker⸗ 
usatz zum Weine außer zum Traubenmoste ist ver⸗ 
oten; 4) ist Zuckerwasserzusatz nur zum Trauben⸗ 
noste gestattet; 5) die mit Zuckerwasser versetzten 
Weine dürfen nur unter der Bezeichnung „gallisirte 
Weine“ feilgeboten oder derkauft werden; 6) alle 
ibrigen nur weinähnliche Getränke oder sog. 
dunstweine unterliegen dem Verbote des Feilbietens 
ind Verkaufes; 7) bei Zuwiderhandlungen gegen 
iese Bestimmungen sind alternativ Geldstrafen bis 
u 1000 Mark oder Gefängnißstrafen bis zu 6 
Nonaten, im Rückfalle Gefängnißstrafen anzudrohen. 
F Görlitz, 6. Okt. General v. Kirchbach 
st auf seiner Besitzung Moholz bei Nisky in Folge 
ines Schlaganfalls gestorben. — Dem verewigten 
heneral gebührt ein hervorragender Antheil an dem 
m 6. August 1870 bei Wörth im Elsaß er—⸗ 
htenen großen Sieg über die Frauzosen unter 
MNac-⸗Mahon. v. Kirchbach kommandirte damab 
»as im deutschen Centrum aufgestellte 5. a 
Armeckorps, welches nach hartnäckigstem Lam sp 
und kolossalen Verlusten in Verhindung mit de 
rechten Flügel (Bayern) und dem linken (11. 
inter v. Bose, Württemberger und Badenser) si 
eg⸗ 
zeich vstdrang. 
F Breslau, 5. Okt. Gruben-Unglüt) 
Bie die „Breslauer Zeitung“ aus Zabrze meldet 
rrfolgte beute Nacht ein Durchbruch schwimmende 
Hebirge auf der Guidogrube in dem sogenannin 
Kurzen Werke“. Zwanzig Leute sollen —X 
ein. Bis jetzt ist ein Schwerverwundeter hetau— 
zezogen worden. 
f Berlin, 1. Okt. Ein 18jähriges Mädchen 
das einzige Kind seiner Eltern, kam heute unh 
Schluß des Schulsemesters mit einer schlechten Censut 
nach Hause. Die Mutter, welche an der Censut 
zuch noch Rasuren und Fälschungen bemerkte, strafte 
zas Kind ab und stellte ihm weitere Zuüchtigun 
eitens des Vaters in Aussicht. Als die Mu 
das Zimmer verlassen hatte, sprang das Kind au 
»em Fenster der vier Treppen hoch gelegenen Woh. 
nung auf den Hof hinab, wo es zerschmettert liegen 
lieb. 
F Ein neu entdecktes Thier, welcheß 
ich gegenwärtig im Berliner Zoologischen Garteh 
zefindet, ist eine durch den Forschungsreisenden E. 
3. Oertzen von den Cykladen mitgebrachte Wildziege 
ind hat durch Dr. Reichnow den Namen Carpa dorei 
ꝛrhalten. Sie bewohnt die kleine Insel —R 
zie nördlichste der sogenannten Strophaden, nörd— 
ich von Euboea gelegen. Zwar besaß man schon 
eit Alters her Kenntniß über das Vorkommen von 
vilden Ziegen auf Joura, aber wegen der Schwierig⸗ 
eit, das von Menschen unbewohnte Eiland zu be— 
uchen, blieb man über die besonderen Eigenschaften 
der Thiere in Ungewißheit. Gegenwärtig trägt die 
Ziege, ein etwa zweijähriger Bock, noch ihr Som— 
nerfell, welches eine röthlich gelbe Grundfarbe 
zeigt, auf der die schwarzen Binden, insbesondere 
ein breites schwarzes Halsband, sich prächtig ab⸗ 
jeben. Von Fachmännern wird die Vermuthung 
uusgesprochen, daß die Joura⸗Ziege und nicht, wie 
zisher angenommen wird, die Bezoar⸗Ziege die 
Stammform unserer Hausziegen sein dürfte. 
FHamburg, 4. Olt. Garl Hagenbecf) 
Nach längerem Leiden im Alter von 77 Jahren 
ist Karl Claus Gottfried Hagenbeck in seinem Wohn⸗ 
zJause am Neuen Pferdemarkt in St. Pauli, welches 
den Eingang zu dem weltberühmten Etablissement 
des Hagenbeck'schen Thierparks bildet, gestorben. 
Hagenbeck war der Begründer dieses eigenartigen 
Beschäftes, welches, von den kleinsten Anfängen 
ausgehend, sich zu dem ersten im Thierhandel auf⸗ 
geschwungen hat. Hagenbeck war ferner der Erste, 
velcher die Ueberführung großker Menschen⸗ und 
Thierkarawanen aus fernen Erdtheilen ins Leben 
jerufen und dadurch nicht nur der Schaulust des 
Publikums eine früher ungeahnte Befriedigung 
derschafft, sondern auch der Wissenschaft der Völler⸗ 
kunde unendlich große Dienste geleistet hat; wir 
»rinnern nur an die Eskimos, die Lappen, die 
Rubier, die Kalmücken, die Bella⸗Cola⸗Indianet 
und schließlich an die unvergleichlich schöne Schau⸗ 
ttellung der Singhalesen -Truppe. So war der 
alte Hagenbeck auf diesem Gebiete ein Bahnbrecher. 
dessen Verdienste allgemein anerkannt wurden. Der 
Mittelpunkt aller seiner großen Unternehmungen war 
aber stets sein Hamburger Thierparkt. 
fBetrogene Betrüger. In der Nähe 
des Pariser Odeons spricht ein Engländer einen 
ellegant gekleideten Herrn an und biltet ihn, ihm 
den Weg zum Pantheon zu bezeichnen. Der An— 
geredete ertlärt sich bereit, den Fremden zu be—⸗ 
aleiten, was dieser dankend annimmt. Beide de⸗ 
chtigten das Pantheon, erschöpften sich gegenseitig 
in Hoöflichkeiten und der Engländer bietet schließlich 
einem liebenswürdigen Cicerone eine Erfrischung 
n einem Café au. Man begiebt sich in ein Caf 
rinkt daselbst einige Gläser Sherrh, als der Pariser 
ich plötzlich erheht und von dem Engländer Ab⸗ 
chied nimmt. Gleich darauf erhebt sich auch der 
engländer, verlangt die Rechnung und will sein 
Bortemonnaie ziehen. Ein fürchterlicher Wuthschrei 
— sein Portemonnaie ist verschwunden. Mit einem 
Satze ist er aus dem Cafö, um seinen Begleitet 
zu verfolgen. Mit Hilfe seiner Beine gelingt ihm 
das; er schreit: „Diebe, Diebe!“ Die Stabdt⸗ 
ergeanten eilten herbei und Beide, Pariser und 
ẽngländer, werden auf die nächste Polizeistalion 
ehracht. Dort macht der amtirende Beamte ein—