Full text: St. Ingberter Anzeiger

rietzten Woche in erschreckender Weise zu und 
j dem Aufgebote aller Krafte wurde von vielen 
usenden von Menschen an der Ausbesserung der 
amme gearbeitet. Den herandrängenden Fluthen 
mochten sie jedoch nicht Stand zu halten und 
un zwei verschiedenen Landstrichen wurden im 
hanzen 9000 Menschen von den über die Dämme 
it furchtbarer Gewalt fortstürzenden Wogen hin⸗ 
Feggeschwemmt. Die Ueberschwemmnng hat mehr 
5 100,000 Chinesen der tiefen Nothlage preis⸗ 
egeben. 
Schiffbruch. Nach einer bei den Lon⸗ 
daer Lloyds eingegangenen Depesche ist der eng⸗ 
sche Dampfer „Wahyeung“ auf dem Kanton-Flusse 
rbrannt. Man befürchtet, daß 400 Personen 
runken find. 
Newyork, 15. Nov. Gestern Abend 
rannten die in der Vanderbilt'schen Avenue ge⸗ 
egenen Stelle der Brooklyn Straßen⸗Eifenbahn ab. 
30 Pferde kamen in den Flamm⸗n um. Der 
zerlust wird auf Lstr. 200,000 geschätzt. 
Der Anarchist Lingg, welcher sich im Chi⸗ 
agoer Gefangniß mittelst einer Explosionskapsel, 
e er in den Mund gesteckt und mit einem in der 
»elle brennenden Licht eutzundet hatte, tödtete, is 
in geborener Mannheimer. Lingg hat diesen 
sod demjenigen des Erhängens, der ihm bevor- 
and, vorgezogen. Lingg's Mutter gab den jungen 
ingg nach vollendeter Schulzeit in die Lehre zu 
mem Schreinermeister, wo er eben so, wie in der 
zchule, Zeugniß seines aufgewedten Kopfes gab. 
inige Zeit nach der gut bestandenen Lehrzeit be⸗ 
agte es dem damals 17jährigen Lingg — geboren 
derselbe am 9. September 1864 — nicht mehr 
den Mauern seiner Vaterstadt; er wollte hinaus 
die Welt, um sich in dem Schreinerhandwerk 
a vervollkommnen und sich weitere Kenntnisse an⸗ 
ueignen. Dies sollte aber für den jungen Mann 
erhüngnißpoll werden. Er nahm Abschied von 
einer Mutter, um zunächst durch Baden und von 
a nach der Schweiz zu wandern. Dort arbeitete 
e in seinem Handwerke und hat sich, wie Briefe 
us damaliger Zeit an seine Mutter darthun, gut 
rnahrt. Schließlich faßte Lingg im Frühjahr 1885 
en Entschluß. nach Amerika auszuwandern, welchen 
r auch ausführte. Am 4. August jenes Jahres 
im Lingg in Newyork an, woselbst er sofort eine 
Atbezahlte Stelle als Schreinergeselle fand und 
it Johannes Most bekannt wurde. Als der all⸗ 
meine Arbeiterstreik ausbrach, begab er sich nach 
hdicago, wo er den Anarchisten Spies (geboren in 
tirchheim bei Heidelberg), welcher damals die 
Allgemeine Arbeiter -Zeitung“ redigirte, kennen 
ernte. Dieser bewegte Lingg, in die Buchdruckerei 
einer Zeitung als Arbeiter einzutteten. Hier scheint 
ingg noch vollends die richtigen anarch stischen 
ehren von Spies empfangen zu haben. Bei den 
n dieser Stadt ausgebrochenen Arbeiter -Unruhen 
zegen Herabsetzzung der Arbeitszeit spielte Spies 
ie hervorragende beklagenswerthe Rolle und Lingg 
jat auf sein Geheiß die Bomben, welche, wie die 
Anklage behauptete, geworfen wurden, angefertigt. 
fWarum sind so viele Leute arm? 
Weil sie den Rahm verderben lassen; silberne Löffel 
verden zum Auskratzen der Kessel genommen; die 
Sscheuerbürste bleibt mit Wasser; Messer mit schönen 
zriffen werden in heißes Wasser gesteckt; die Besen 
verden nicht aufgehangen; das gebrauchte Tische 
eug wird an Orte geworfen, wo Mäuse daran 
agen koͤnnen. Wannen und Tonnen liegen in 
»er Sonne, bis sie zerfallen, die Kleider hängen 
m der Leine, bis sie der Wind zerreißt. Die 
Bintersachen werden im Sommer von den Motten 
erfressen. Fleisch- und Gemüsereste verderben in 
er Speisekammer. In das Backobst läßt man 
VBürmer kommen. Der Pfropfen fehlt auf der 
Syrupflasche und die Würmer schlagen ihr Quartier 
arin auf, Kaffee, Thee, Pfeffer und andere Ge⸗ 
vürze verlieren, weil offen stehen gelassen, ihr 
Lroma. Das Pockelfleisch verdirbt, weil Salz 
ehlt oder weil es auf dein Salzwasser schwimmt. 
Armuth ist keine Schande, wird aber Jemand arm 
iuf diese Weise, sollte — der sich nicht schämen? 
Dauerndes Andenken. Bureauchef (zu 
nem jungen Mann, welcher sich verabschiedet): 
Sie sind ein sehr braver junger Mann und der 
vollsten Achtung eines jeden Ehrenmannes würdig. 
da Sie mich nun verlassen, wünsche ich Ihnen ein 
auerndes Andenken an mich mitzugeben: „Wählen 
Sie sich eine von meinen Töchtern.“ 
Gemeinnuũtziges. 
Die Stengel des aufgeschossenen 
Salates hat man wohl vielfach für unbrauchbar 
gehalten, da kommt uns denn jetzt eine Notiz zu 
Veficht, die wohl allen Hausfrauen und Gärtnern 
villkommen sein dürfte, nämlich, daß diese Stengel 
sowohl als Gemüse, als auch als Salat bereitet, 
ein sehr angenehmes, dem Spargel ähnliches Ge⸗ 
richt liefern sollen. Man schält die Stiele wie 
S„pargel, kocht sie in leichtem Salzwasser und be—⸗ 
reitet sie wie Spargemüse oder Salat; bei letzterem 
hut man gut, das Oel eine halbe Stunde vor dem 
kssen darüber zu geben. 
Dienstesnachrichten. 
Vom 1. Dezember l. Is. ab wird das ständige 
Bikariat Mittelbexbach dem Pfarramtskandi⸗ 
»aten Jakob Hoffmann, bisher ständiger Vikar 
n Winnweiler, das ständige Vikariat Mackenbach 
dem Pfarramtskandidaten Katl August Rudolf 
Fischer, bisher Pfarrverweser in Dannstadt, und 
die Verwesung der protest. Pfarrstelle Wallhalben 
dem Pfarramtskandidaten Georg Heinrich Fickeisen, 
. Z. Privaivikar in Odernheim, übertragen. Pfarr⸗ 
zmtskandidat Philipp Stock von Pirmasens 
vird vom gleichen Tage an als Privatvikar bei 
herrn Pfarrer und Kirchenrath Welsch in Odern⸗ 
jeim verwendet. 
Der Amisgerichtssekreitiir J. Hofmann in 
Oberdorf wurde auf Ansuchen nach Wassertrüdingen, 
ind der Amiggerichtssekretär J. Hengge von 
Dachau an das Amisgericht Oberdorf, beide auf 
Ansjuchen versetzt, zum Sekretär am Amiäsgericht 
Dachau der geprüfte Rechtspraktikant und Hilfs- 
irbeiter im Justizminiserium A. Ulmer ernannt. 
Sterbe fälle. 
Gestorben: In Ebertssgeim Frau Anna 
MNaria Thowann, 62 J. a.; in Wickelhof b. Nieder⸗ 
irchen Frau Hermin⸗ Christmann, geb. Maue, 24 
J. a.; in Heuchelheim Conrad Jung, 79 J. a.; 
in Landau Wirth Wilh. Brüderle; in Albersweiler 
Jakob Michel, 47 J. a.; in Speyer Joseph Kühn, 
63 J. a.; in Pirmasens Jakob Dauenhauer, 78 
J. a.; eben daselbst Margaretha Itt, 7 J. a. 
F München, 16. Nov. Gegen den Latein⸗ 
schüler Fauner, welcher das unheilbolle Ergebniß 
m Ludwigsghmnasfium herbeiführte, ist Untersuchung 
vegen Vergehens der fahrlässigen Tödtung beim 
kgl. Landgericht München J anhängig. Der un⸗ 
zlückliche junge Mann hat die Wohlthat jenes Ge⸗ 
etzesparagraphen für sich, nach welchem für Per⸗ 
onen, welche noch nicht das 18. Lebensjahr über⸗ 
hriiten haben, ein milderes Strafmaß als das ge⸗ 
»zliche einzutreten hat. 
Marrtberichte. 
Homburg, 16. November. (Fruchtmittelpreis und Vik— 
ualienmarkt; Weizen 8 M. 70 Pf., Korn O M. — Pf., 
Spelzlern — M. — Pf., Spelz 0O M. — Pf., Gerste 
2reihige O M. — Pf., Gerste Areihige 0O M. — Pf., 
dafer 5 M. 90 Pf., Mischfrucht 7 M. 10 Pf., Erbsen 
O0 M. — Pf. Wicken 0 M. — Pf., Bohnen 0 M., 
— Pf., Kartoffeln 2 M. 30 Pf. Kornbrod 6 Pfunt 
bd Pf. Gemischtbrod 6 Pfund 72 Pf., Ochsenfleisch —- Pf 
Rindfleisch 40 Pf. Kalbfleisch 50 Pf., Hammelfleisch — P 
«weinefleisch 50 Vr, Butter 1 Vfund 1 Mi10 pf 
Protestantischer Gottesdienst. 
Sonntag, den 20. November 1887, vorm 
10 Uhr. Schluß des Kirchenjahres und Todten— 
fest. Text Psalm 126, Lied 5878. 
Nach—tAas 2Unr Christenlehre. 
Neueste Nachrichten. 
Berlin, 17. Nov. Der „Reichsanzeiget“ 
eröffentlicht heute an der Spitze des Blattes 
olgenden Allerhöch sten Erlaß: „Aus Anlaß 
»er jüngst bekannt gewordenen betrübenden Nach— 
iichlen über die Krankheit Sr. kaiserl. königl. Hoheit 
)»es Kronprinzen hat sich im ganzen deutschen 
Haterlande und weit über dessen Grenzen hinaus 
die wärmste Theilnahme kundgegeben. Nicht nur 
vas schwere Geschick, welches über den künftigen 
Thronfolger verhängt, sondern auch die harte Prü— 
ung, welche dadurch über Sr. Majestät den Kaifer 
ind Koͤnig, sowie über das ganze königliche Haus 
sekommen ist, hat allerorten tiefes Mitgefühl her⸗ 
vorgerufen. Dafselbe hat in zahlreichen Eingaben, 
velche nicht nur aus allen Theilen des deutschen 
tdeiches, sondern auch aus dem Auslande, insbe⸗ 
yndere aus Oesterreich, Rußland, Frankreich, 
zelgien, Holland, England. Italien, Spanien u. 
w. bei Sr. Majestät in diesen Tagen eingegangen 
ind, unzweideutigen Ausdruck gefunden. Seinet 
Majestät werden dabei die verschiedensten Heilmittel 
uind Heilverfahren für Se. kaiserliche und könig⸗ 
liche Hoheit empfohlen, eigene Lebenserfahrungen 
dei ähnlichen Leiden mitgetheilt, sowie Rathschläge 
'ür die fernere Behandlung des Kranken gegeben. 
Seine Majestät find von dieser allgemeinen Theil⸗ 
iahme und Liebe fur Allerhöchstihren Herrn Sohn 
tief gerührt und haben zu befehlen geruht, daß 
dies zur Kenniniß aller Betheiligten gebracht werde.“ 
Berlin, 17. Nob. Die Ankunft des 
zussischen Kaiserpaares ist endgiltig auf 
norgen Vormittag 10*2 Uhr festgesetzt. 
Die Grundzüge zur Alters und Invaliden— 
bversicherung der Arbeiter liegen nunmehr 
vor. Dieselben bestimmen im wesentlichen folgendes: 
Die Alters ˖ Versorgung erhält, wer das siebenzigste 
debensjahr vollendet hat, die Invaliden-Versorgung, 
ver nachweislich dauernd erwerbsunfähig ist 
zeides in Renten. Die Letztere kann in gewissen 
Fällen bis zu drei Viertel in Naturalleistung ge— 
vährt werden. Die Mittel zur Gewährung der 
Renten werden vom Reich, den Arbeitgebern und 
)en Versicherten je zu einem Drittel aufgebracht. 
Die volle Rente kann nur beansprucht werden, wenn 
zis zum Eintritt der Invalidität in jedem Kalender- 
sahr Beiträge für mindestens 300 Arbeitstage ge⸗ 
leistet worden sind, sonst tritt eine Kürzung ein. 
Die Invaliditätsrente betragt bei Männern 120 Mt. 
jährlich und steigt nach Ablauf der ersten 15 Bei⸗ 
tragsjahre für jedes vollendete Beitragsjahr um je 
4 Mk. jährlich bis zum Höchstbetrag von jährlich 
250 Mk. Die Altersrente beträgt ebenfalls jährlich 
120 Mk. und fällt fort, sobald der Empfänger die 
Invalidenrente erhält. Weibliche Personen erhalten 
zwei Drittel des Betrages dieser Renten. 
Am Vorabende der Ankunft des Czaren 
in Berlin veröffentlicht die „Kreuzzeitung“ folgendes 
Schreiben russischer Offiziere, welches 
ihr aus Kowno zugegangen ist: 
Vor einigen Wochen hat die Kr. Zeitung ein 
Artikel gedruckt, wodurch wir erfahren mit Erstau⸗ 
nen, daß preußen beabsichtigt hat ein Teil v. Rus⸗ 
ischen Territorium mit Gewalt von Rußland ab— 
zunehmen, um ein neutrale Staat „Polen“ zu 
ormiren, damit preußen um seine Grenze von 
Rußland sicher wäre daß wir preußen nicht be⸗ 
auben. Wir, Offiziere der großen Festung in 
downo, direlt gegen Preußen aufgebaute, — haben 
die Ehre Ihnen mittzuteilen, daß wir und unsere 
Armee, anstatt euer ein Stickchen Russisches Terri⸗ 
torium abzugeben, kommen bald bis Berlin schlagen 
euch wie Räuber geschlagen werden sollen, stechen 
euch alle wie Sch. .... Mun folgen Schimpfe⸗ 
reien auf alle Preußen, auf Fürst Bismarck und 
den Kaiser, welche wir nicht wiedergeben können.) 
Der Teufel soll euch bald holen auf Wiedersehen 
in Berlin!“ 
russische Offiziere 
in Kowno. 
Sehr richtig bemerkt die Redaktion dazu: Die 
Franzosen meldeten sich 1870 belkannilich auch in 
Berlin an; sie kamen auch rechtzeitig en — als 
BGefangene. Also auf Wiedersehen! 
Für die Redaktion verantwortlich: F. *X. Deu etz. 
Verläumdungen widerlegt. 
Ein gewisser Dr. Merkel in Nürnberg, beschuldigt unßs 
n einer Zuschrift an den dortigen Polizeisenat, einer ge⸗ 
neinen Fälschung, daß wir zwei unechte Atteste von 
Rürnberg in unserer Broschüre veröffentlicht haben sollten. 
Auf diese Anschuldigung hin sind die Original⸗Schriftstücke, 
velche mit den veröffentlichten Attesten übe rein stimmen 
ei der Nürnberger Polizei-Behörde deponirt worden, zum 
Beweise, daß wir keine unechte Atteste publiziren. Die 
ustündige Behörde in Nurnberg hu dem dort zur Zeit an⸗ 
nesenden Vertreter unserer Firma die Versicherung gegeben, 
aß in der nächsten Sitzung des Polizeisenats betreffs der 
ẽchtheit der veröffentlichsen beiden Atteste aus Nurnberg Be⸗ 
icht erstattet wird. 
Wir köonnen es hier nicht unterlassen, zu bemerken, daß 
s wohl endlich an der Zeit wäre, uns mit ungerechten An— 
zriffen zu verschonen, denn alle gegen uns erhobene Be⸗ 
chuldigungen haben sich bei genauer Untersuchung als 
rundlos ergeben, und appeliren wir besonders an den 
Berechtigkeitssinn der Herren Zeitungs⸗Redatteure 
in Zukunft solchen Verläumdungen keine Verbreitung zu 
weben. H. H. Marner - 
Oesterreich. Nordwestbahn 5 pCt. Gold⸗Priori⸗ 
äten von 1874. Die nächste Ziehung findet am 
4. December statt. Gegen den Coursverlust von 
a. 8 pCt. bei der Ausloosung übernimmt das 
Bankhaus Carl Neuburger, Berlin, Französische 
Straße 13, die Versicherung für eine Prämie von 
s Pf. pro 100 Mark.—