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sugherter Amzeiger
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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. *
der ‚St· Jugberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2 mal wöchentlich mit Unterhaltungs
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232.
Deutsches Reich.
München, 23. Nob. Zur Tafel war von
5r. K. H. dem Prinz⸗Regenten heute der Direktor
er pfälzijchen Eisenbahnen, Regierungsrath Lavale,
eladen.
München, 23. Nov. Die Abgeordneten⸗
ammer genebmigte 440,000 Mt. Lohnerhöhungen
ür Eisenbahn ⸗Arbeiter, wobei Minister v. Crails—
eim hervorhob, daß zur Verbesserung der Lage
er Arbeiter der diesmalige Staats-Haushali
200,000 Mk. enthalte, wovon 700,000 Mt. völ⸗
ig freiwillige Leistungen seien. — Der Wahlaus-
quß hat einstimmig die Wahl Zahlers in Passau
aur gültig erklärt.
Berlin, 24. Nod. In dem Weißen Saale
es Königlichen Schlosses fand heute Mittag 12
Ihr durch Hrn. Staatsminister v. Bötticher die
eierliche Eröffnung des Reichstages statt. Die
Thronrede lauiet in ihrem wesentlichen Inhalte
olgendermaßen;
Die Finanzlage zeige in dem Voranschlage
men günstigen Stand. Von den Vorlagen find
u erwähnen: Die Beiträge zur Wittwen⸗ und
Vaisenkasse seitens der Offiziere und Beamten sollen
n Wegfail kommen, die Getreidezölle sollen erhöht
uind ein neues Landwehr⸗ und Landsturmgesetz im
Intereffe der Erhöhung der Wehrkraft vorgelegt
vperden. Ferner wird der Entwurf zur Alters und
Invalidenversicherung der Arbeiter erwähnt, die be⸗
chränkte Haftpflicht der Genossenschaften und die
porläufige Verlängerung des Handelsbertrages mif
Desterreich Ungarn.
Was die auswärtige Politik anbelange, so sei
neselbe auf Erhaltung des Friedens und der freund⸗
chuftlichen Beziehungen zu allen Mächten gerichtet;
die Bündnisse, die Deutschland geschlossen, haben
nur den Zweck, diese Ziele zu befestigen, Kriegs⸗
gefahren vorzubeugen und etwaigen Angriffen ge⸗
rüstet zu begegnen; Deutschland werde Niemanden
ingreifen, aber gerüstet sein zur Abwehr.
Eingangs der Thronrede wird auch des leiden-
den Kronprinzen gedacht, dem das innigste Beileid
der gesammten Nation und die Hoffnung auf
Hesserung versichert wird. —
Wie die „N. Fr. Pr.“ einem Privatschreiben
mus San Remo entnimmt, soll an dem deutschen
dronprinzen in den letzien Tagen eine ernstere
Stimmung als früher beobachtet worden sein. Da
r durch das ungünstige Weiter err Ausgehen ver⸗
hindert ist, beschaäftigte sich der Kronprinz mit der
Abfassung von Briefen an mehrere ihm befreundete
üürstliche Persönli teiten und soll denselben eine
darstellung seines Krankheitszustandes gegeben haben.
Wie es heißt, sind derartige Schreiben unter anderen
in den Krorprinzen Rudolf und an die beiden
Schwaͤger des deutschen Kronprinzer, den Großherzog
jon Boden und den Prinzen von Wales, abge⸗
jangen. — Am 19. cr. soll der Kronprinz einen
dierzehn Seiten langen Brief an fein⸗n kaiserlichen
Vater geschrieben haben.
Dreizehn türkische Offiziere, darunter
dapitäne, sind der Nationalzeitung zufolge vom
1. Dezember als Sekondelieutenants à la suite der
dreußischen Armee angestellt. Bei der Garde treten
drei türkische Offiziere ein.
Aussand.
In den Pariser Witzblättern muß jetzt Grevy
aͤglich die Kosten der Unterhaltung tragen. Der
hang zur boshaften Satire, bekanntlich eine natis
zale Eigenschaft unserer überrheinischen Nachbarn
Samstag, 26. November 1887.
tindet in den jetzigen Wirren vollsies Genügen
So heißt es in einer auf den Boulevards zu
Tausenden losgeschlagenen Nummer des „Gil Blas“:
Das Rennen um den großen Preis von
300,000 France (das Gehalt des Präsidenten)
Die Anzahl der zu diesem Rennen engagirten —
Personen ist sehr erheblich, doch dürften als vor—
aussichtliche Starter nur 45285 in Frage kommen
Als allgemeiner Favorit gilt Freycinet, der in der
Wettliste eines politischen Bookmakers mit 2:1
berzeichnet sei, Sadi Carmot ist mit 3322: 1 notirt
doch ist in letzter Zeit auch die Rachfrage nach
—X
Chancen, die ursprünglich keine schlechte waren,
haben sich sehr vermindert und wurden ungefähr
mit 30: 1 angeboten. Nächst de la Forge wird
Flourens in den Wetten ziemlich beachtet, doch der
robegalopp, den er in Gemeinschaft mit Freycine!
jenommen, sei zu des Letzteren Gunsten ausgefallen
und Flourens lahm angehalten worden: die Chancen
Brissons seien außerst gering, da er 2 Jahre aus
dem Training sei. Der zweimalige Gewinner
des großen Preises, im Zeitraum von 10 Jahren,
der jetzige Präsident Grevy dürfte diesmal schwer—
lich den Pfahl passiren, da er durch die Affaire
Wilson eine zu starke Bürde zu tragen habe und
allzusehr belastet sei.
Diese humoristische Studie, welche die Situation
treffend kennzeichnet, schließt der Verfasser, Henr'
Rochefort, mit dem nochmaligen Hinweis auf die
Thancen Freycinets, der durch die Terrainverhält-
nisse besonders begünstigt sei. Er kenne nämlich
jchon die Bahn im Elysee, die nichts weniger wie
gerade sei, und für die Wendungen und Biegungen
sei Freycinet wie geschaffen.“
Wie die Krisis verlaufen wird, läßt sich durch⸗
aus nicht prognostiziren. Die Auflösung der
stammer scheint das einzige Mittel zu sein, welches
dem Präsidenten Grevy übrig bleibit. Er hat be⸗
kanntlich auch bercits politischen Persönlichkeiten
gegenüber sich in diesem Sinne geäußert. Wer
aber soll die Neuwahlen leiten? Und welches Er—
gebniß werden sie unter den jetzigen Verhältnissen
haben? Die Dinge sind in Paris zur Zeit so
gespannt, daß man an jedem Tage auf Volkskund—
gebungen der Straße einerseits und auf das Ein—
greifen eines ehrgeizigen Generals andererseits ge—
faßt sein muß.
Diese vollkommene Unsicherheit der Zukunft in
Frankreich ist für uns von politischem Werth, weil
fie die Anziehungskraft Frankreichs für andere
Staaten bis auf den Nullpunkt vermindert, aber
sie ist auf der andern Seite unerwünscht, weil sie
der Säbelherrschaft eines Generals, der dann den
Frieden sofort bedrohen würde, oder den Orleans,
welche Frankreich bündnißfähiger erscheinen lassen
würden, Thür und Thor oͤffnet. Der bevorstehende
Ausgang der großen Krisis, in welcher sich der
französische Staat befindet, ist daher die europäischt
Friedens- und Wohlfahrtsfrage von böchster Be—
deutung, und daß grade bei dem Ausbruch dieser
ꝛrise der Czar Gelegenheit hatie, sich ausführlid
mit dem Fuͤrsten Bismarck auszusprechen, darf alt
ein Ereigniß detrachtet werden, welches die politische
Tragweite des vielbesprochenen Czarenbesuches in
Berlin in's hellste Licht stellt. —
In einem Artikel der „Times“ erklärt deren
bekannter französischer Korrespondent Herrn von
Bowit folgende charalteristische Aeußerung des Prä⸗
identen Grevy verbürgen zu können,. Der Präfi—
dent der Rebublik habe in einer Ministerraths—
22. Jahrg.
sitzung, angeblich am vorigen Donnerstag, zu den
bersammelten Ministern wörtlich gesagt:
„Meine Herren, das mir anvertraute Staats⸗
schiff ist in großer Gefahr. Es ist im Kampf gegen
die anarchistischen Wogen und gegen die Reaktion.
Würde ich es jetzt verlassen, so würde es an einem
Felsen scheitern; denn ich weiß, wohin unverstän ˖
dige Hände es dirigiren wollen. Wir würden die
Revolution im Innern und Krieg nach Außen
haben. Ich erkläre Ihnen daher, daß ich das Schiff
nicht verlassen werde und bis zum letzten Augen-
blick auf Deck bleiben werde. Eher würde ich
meine Frau, meine Tochter und mein Enkelkind
über Bord werfen. Sie, meine Herren, haben mich
bertheidigt gegen die heftigen Angriffe, denen ich
ausgesetzi war; Sie sind muthig und loyal. Sie
kannten keine Furcht vor General Boulanger, der
unser gemeinschaftliche Feind ist. Fahren Sie in
Ihren lobenswerthen Bestrebungen fort; das gute
Recht und das Gesetz ist auf unserer Seite.“
Jules Ferry, der seine Anwesenheit in Nanch
für den 27. d. M. zugesagt hatte, hat das Wahl⸗
komitee wissen lassen, daß er durch die politischen
Ereignisse in Paris zurückgehalten werde und des—
halb, nicht wie beabsichtigt, nach Nanch kommen
könne. J
Aus Mailand wird telegraphirt: Der, Secolo“
meldet, König Humbert werde den deutschen Krou-
prinzen besuchen und in San Remo mit Biamard
zusammentreffen.
London, 22. Nov. Der 47. Geburistag
der deutschen Kronprinzessin wurde gestern in Lon⸗
don und Windsor durch Glockengeläute und Böoller⸗
schüsse gefeiert. Die Admiralität und andere öffent⸗
liche Gebäͤude in London prangten zur Feier des
Tages im Flaggenschmucke.
Aus Petersburg wird der .Daily News“
berichtet, daß etwa 250,000 Mann russischer Truppen
in den polnischen Provinzen und fast eine gleiche
Anzahl in der Nachbarschaft der österreichischen
Krenze zusammengezogen wurden.
Lokale und pfälzische Nachrichten.
— Se. k. Hoheit der Prinz⸗Regent hat den
hom Schwurgericht Zweibrücken zum Tode verur⸗
theilten Mörder des Gendarmen Bahr, Jo st aus
Pirmasens. zu lebenslänglichem Zuchthaus be—
gnadigt.
—In einem Artikel der „Pf. Z.“ wird gegen
den Besuch der Tanzstunden seitens der sonntags⸗
chulpflichtigen Jugend geeifert und das Verlangen
gestelli, daß der Besuch der Tanzstunden ebenso
wie jener der Tanzbelustigungen überhaupt unter
Strafe gestellt werden soll. Das Verlangen wird
mit den Gefahren für die Sittlichkeit begründet,
denen die Jugend beim Heimweg von den Tanz
stunden ausgesetzt sein soll.
— Im Frühjahr werden innerhalb des Be—
fehlsberciches des 1. Armeekorps 2420 Reservisten
der Infanterie der jüngeren Jahrgänge zu einer
12tägigen Uebung mit dem Gewehr M. 71.84
Repetiergewehr) eingezogen.
— Beim 17. Ins.⸗Reg. in Germersheim
wurde ein Versuchsdetachement von 80 Mann auf
die Dauer von 8 Tagen zusammengestellt. Die
deute bekommen morgens eine Zwiebacksuppe, Mit—
tags Conserven und Abends einen halben Liter
Wein und zwei Cigarren, und müssen taglich einen
oftundischen Reisemarsch machen. Damit die Leute
nußer der gereichten Menage nichts genießen, werden
dieselben sireng beauffichtigt.