Kirche und ihren Besitz gerichte. So will man
jest in Petersburg ploötzlich herauägefunden haben,
daß Staatsländereien in den Besitz der evangelisch⸗
rutherischen Kirchen, zum Theil auch in die Hände
yon Privatpersonen übergegangen seien und un⸗
rechtmäßiger Weise, auf Grund des Verjährungs⸗
rechtes, von diesen als Eigenthum beansprucht
werden. Das Ministerium der Reichsdomänen
wurde beauftragt, die nöthigen Recherchen anzu⸗
stellen, deren Resultat jetzt schon abzusehen ist.
Lokale und pfälzische Nachrichten.
*St. Ingbert, 30. Dez. Wir rechnen es
uns zur angenehmen Aufgabe, in diesen Tagen,
wo Hand und Herz mehr wie sonst im Jahre zum
Geben geöffnet sind, der Verdienste zu gedenken,
die sich unsere Postboten in treuer und pünkt⸗
licher Ausübung ihrer oft schweren Pflichten er⸗
worben haben. In Sturm und Weiter liegen sie
mit Eifer ihres Dienstes ob, oft schwer bepatkt.
Ohne auf Dank zu rechnen, bringt der Postbote
seine Schätze in das Haus, gar häufig heiß er—
sehnt. Auch am Neujahrstage naht er wieder,
diesmal mit einem „Prosit Neujahr!“ für Alle.
Möge dieser Neujahrsgruß bei Allen die richtige
Würdigung finden!
„Ja, naht der Bote Eurer Thür
Mit reichen Gaben Euch zu grüßen,
So mögt zum fröhlichen Neujahr
Den harten Weg Ihr ihm versüßen!“
*St. Ingbert, 80. Dez. Gedenket
der Vögel! Der Winter mit seiner ganzen
Strenge ist eingezogen und hat die Erde dicht in
—
ohne Scheu, kommen sie nun hereingezogen in Dorf
und Stadt, die befiederten Sänger des Feldes und
des Waldes und suchen da, in der Nähe der mensch⸗
lichen Wohnungen, ihre karge Nahrung, ein Krüm⸗
hen Brod, ein Körnlein Frucht. Lassen wir sie
nicht vergebens bitten, unsere treueu Freunde der
Natur; sie lohnen es uns reichlich durch ihren Ge⸗
sang im Frühling und Sommer und durch ihre
unermüdliche Arbeit in Vertilgung schädlicher In⸗
sekten.
Alle Dächer, Hecken, Wälder,
Alle Wege, alle Felder,
Wo ein Futterkörnchen steckt,
Alles ist mit Schnee bedeckt.
Alle Nahrung ist verschüttet,
And ein hungernd Völkchen bittet:
Bitte, stillet uns're Noth,
Bitte, bitte, gebt uns Brot!
ehrt der schöne Frühling wieder,
Singen wir euch frohe Lieder,
hHüpfen frisch von Ast zu Ast,
Picken ohne Ruh und Rast,
Raupen, Frucht und Blüthenfresser,
Daß sich füllen Scheu'n und Fässer,
Bitte, stillet uns're Noth,
Bitte, bitte, gebt uns Brot!
Von dem großen Tafelfeste
Bebt uns Krumen nur und Reste,
Keine Wohlthat ist zu klein,
BGottes Auge sieht darein;
Wollen sammeln, wollen singen,
Bottes Segen euch zu bringen.
Bitte, helft uns aus der Noth,
Bitte, bitte, gebt uns Brot!
— Diejenigen jungen Leute, welche im Jahre
1868 geboren find und das Zeugniß über die
vissenschaftliche Befähigung zum einjährig-freiwilligen
Dienst erlangt haben, müssen ihre Gesuche um Er⸗
heilung des Beiechtigungsscheines zum einjährig-
freiwilligen Dienst spätestens dis 6. Januar 1888
bei der löniglichen Prüfungs Commission eingereicht
haben. Dem Gesuch ist beizulegen: 1) Das Zeug-
niß über die wissenschaftliche Befähigung; 2) das
Einwilligungs⸗Attest des Vaters oder Vormundes
mit der Erklärung über die Bereitwilligkeit und
Fahigkeit, den Freiwilligen während seiner ein⸗
jährigen altiven Dienstzeit zu bekleiden, auszurüsten
und zu verpflegen (die Unterschrift ist bürgermeister⸗
amtlich zu bestätigen;) 83) ein bürgermeisteramtliches
Beburtszeugniß. — Verspätetes Nachsuchen zieht
den Verlust der Berechtigung nach sih.
— Wie die „Pirm. Zig.“ erfahrt, haben die
folgenden Gemeinden zu den Grunderwerbskosten
für die anzustrebende Bahnlinie Biebermühle Kaisers-
lautern Beträge bewilligt: Pirmasens 1500 Mark,
Waldfischbach 300, Schopp 500, Hermersberg
100, Geiselberg 100, Steinalben 25, Kridenbach
40. Trippstadt 50 Mark. Wie viel das große
raiserblautern beizutragen gesonnen ist, ist noch
unbekannt, doch dürfte es nicht zweifelhaft sein,
paß der Beitrag seinem Interesse unẽ der Opfer-
villigkeit der übrigen Gemeinden enispricht.
— Am 8. Januar nächsthin soll in Kai—
serslautern eine Gemeindeversammlung statt-
inden, um über die Anleihen zu beschließen, welche
»er Stadtrath, „der Noth gehorchend, nicht dem
eig'nen Triebe“, zur Genehmigung vorschlägt. Es
ind dies erstens eine Anleihe von 100,000 Mark
ur Erbauung eines neuen Schulhauses und zwei—
ens eine Anleihe don 160,000 Mk. zum Ankauf
on Aktien der Gasgesellschaft. Eine dritte, vom
*tadtbaumeister Bindewald angeregte Anleihe von
'O, 000 Mark zur Durchführung der bereits pro⸗
ektirten Straßen⸗ und Kanalisationsbauten wurde
joch zurückgestellt, da die Stadwäter der Ansicht
varen, als diesmaliges Neujahrsgeschenk würden
360. 000 Mark genügen.
— Neustadt, 27. Dez. In der Genexal⸗
ersammlung des protestantischen Kirchengesangver-
ins für die Pfalz, welche heute Vormittag dahier
m Saalbau stattfand, waren die Vertreier von
20 Vereinen anwesend. Den Vorsitz führte Herr
dekan Sturtz aus Zweibrücken. Der Verein zählt
ur Zeit 55 Lokalvereine gegen 50 des Vorjahres.
Ddie Einnahmen betragen für das letzte Rechnungs⸗
ahr 807 Mk., die Ausgaben 566 Mt. 48 Pf.,
omit ergiebt sich ein Ueberschuß von 240 Mk. 532
zf. Das nächste pfälzische Kirchengesangsfest, das
eka nntlich in Zweibrücken stattfinden wird, wurde
vegen baulicher Veränderungen der dortigen Kirche
ind wegen des zu erwartenden hohen Besuches
——AV
as Jahr 1889 verichoben. Eine Erhöhung der
jahresbeiträge wurde abgelehnt. Besondere Er⸗
»ähnung verdient noch der Vorschlag, daß es an⸗
zezeigt erscheine, für die Folge von den vier Kö⸗
nigsfesttagen nur den Luitpoldtag im März durch
Nitwirkung der Kirchenchöre zu begehen. — Ueber
Unordnung und Aufeinanderfolge von Gebeten und
gesangen im Gottesdienst beabfichtigt der Ausschuß
»estimmte Normen vorzuschlagen.
— Ludwigshafen, 29. Dez. Der Rhein
geht stark mit Treibeis, so daß die Schifffahrt
zänzlich eingestellt werden mußte. Heute früh 7
Ahr hatten wir 100 R. Kälte, infolgedessen sich die
reibenden Eismassen vermehren dürften.
ermischtes.
F St. Johann, 28. Dez. Die hiesige
Ipotheke ist gestern, wie der hiesige „Anz.“ mit⸗
heilt, durch notariellen Alt für den Preis von
270,000 Mk. (das Haus nicht miteingerechnet) in
en Besitz eines Herrn bon auswärts übergegangen.
fSt. Wendel, 28. Dez. Gestern Nach⸗
nittag wurde in der Nähe des hiesigen Bahnhofs
ine 75jährige Frau aus Reichenbach im Odenwald
yvom Schlage gerührt aufgefunden. Dieselbe war
zarfuß, hatte jedoch eine Summe Geld bei sich
und scheint Wahrsagerin gewesen zu sein. Das
jiesige Amtsgericht, welches den Leichenbefund vor⸗
aahm, ordnete die Ueberführung der Leiche in das
diesige Hospital an. N. Bl.⸗83)
t München, 29. Dez. Ein freudiges zwoͤlftes
Familienereignis wird in der Familie des Prinzen
zudwig für die nächste Woche erwartet. Die Erz-
Jerzogin Elisabeth von Oesterreich, die Mutter der
Zrinzessin Ludwig, trifft am nächsten Montag
zier ein.
F Augsburg, 26. Dez. Der Bruder des
steichstags⸗ und Landtagsabgeordneten Frhr. v.
Stauffenberg, der k. bayer. Major a. D., Karl
„chenk Frhr. v. Stauffenberg, der die Feldzüge
866 und 1870 71 mitgemacht und wegen seiner
Tapferkeit mehrfach dekoriert wurde, ist heute Abend
gestorben.
fFrankfurt a. M., 29. Dez. Ein braver
Bostbediensteter P., in Sachsenhausen wohnhaft,
iitzte fich vor einigen Tagen an einem Finger und
st infolge einer Blutvergiftung gestern gestorben.
— Heute Morgen 2 Uhr stürzte sich der 18jährige
Sohn eines Cigarrenhändlers aus Zorn über eine
hm seitens seines Vaters zutheil gewordene Züchtig⸗
ing aus einem Fenster des 4 Stockes der Woh—
iung am Wollgraben auf daa Pflaster des
dofes und blieb mit zerschmettertem Schädel so⸗
ort todt.
fF Frankfurt a. M. Eine reiche Weih«
achtsspende ist dem hiesigen Verein für Kinder⸗
jorte zu Theil geworden. Die beiden in Paris
vohnenden Töchter des verstorbenen Freiherrn Karl
non Rothschild, Frau Salomon von Roihschild
und Prinzessin von Wagram, hatten zum Ange—
denken an den Entschlafenen ihrer hier lebenden
Mutter die Summe von 120,000 Mtk. zur Aus—
heilung an Frankfurter wohlthätige Stiftungen
»hne Unterschied des Bekenninisses übergeben.
diervon entfallt auf obigen Verein ein Fünftel mit
24,000 Mt., darunter 20,000 Mk. mit der Be—
timmung, daß daraus zu den schon bestehenden
wei Knabenhorten ein Mädchenhort erricht t werde.
F Mainz, 27. Dez. Der Main bringt seit
zestern große Mengen kräftigen Treibeises, so daß
die Stauung aufgehoben und der Verkehr der
,fliegenden Brücken“ eingestellt werden mußte.
F Koͤln, 28. Dez. Die Rheinschifffahrt ist
vegen Eistreibens eingestellt und die hiesige Schiff⸗
brücke abgebrochen.
Am Montag Vormittag schoß in Neue⸗Glas⸗
zütte ein 16jähriger, im Stieringet Werke beschäf⸗
igter Bursche mit einem hohlen Schlüssel, wie man
»as überall vielfach zu beobachten Gelegenheit
hat; die Röhre platzte und dem Burschen wurde
zie eine Hand schwer verletzt; ein Finger wurde
janz, ein anderer zum Theil abgerissen. Möge
ieses andern zur Warnung dienen!
F Auf der Göttinger Sternwarte erschienen
in einem schönen Abend mehrere jung⸗ Damen
ind baten den Professor Klinkerfues, ihnen einen
Blick durch die Teleskope zu gistatten. Der Pro⸗
ressor, liebenswürdig wie immer, war gern dazu
jereit, richtete das Rohr auf den Mars und bat
eine der jungen Damen, hineinzusehen. „Himmlisch,
eizend, entzückend!“ hauchte Amanda 8. „Nicht
vahr, mein gnädiges Fräulein“, antwortete Klinker-
ues, „sehr schön?“ „Ja wohl, himmlisch.“ „So,
dann will ich nun einmal den Deckel oben vom
Rohre abnehmen“, lächelte der Professor. Tableau!
F Goörlitz, 26. Dez. Der Schneiderschen
Bärtnerei hier ist es geluggen, das Vergißmeinnicht
ils Bäumchen zu ziehen. Die bis *84 Fuß hohen
Stämmchen tragen eine ziemlich bedeutende Krone
n voller Blüthenpracht.
F Was kostet die Reise um die Welt? Bau—⸗
ath Hobrecht erzählte in der letzten Sitzung des
Urchitektenvereins in Berlin über seine Reise—
rlebnisse auf einer Jap infahrt. Die Reise Hobrechts
ann im Grund als Reise um die Erde bezeichnet
oerden. Sie ging von Brindisi über Alexaundrien,
dairo, Aden, Colombo, Singapore, Hongkong, Yo⸗
ohama, San Franzisko und dann quer durch
UImerika über New-York nach Bremerhaven zurück;
ie währte 135 Tage, während welcher rund 19 000
Zeemeilen zurückzelegt wurden. Der Fahrschein
Zrindisi Yokohama kostet 1600 Mark, der Linie
)otohama⸗Bremerhaven (einschließlich der Eisen-
ahnfahrt quer durch Amerika) 1500 Mark bei
reier Verpflegung, so daß unter Zurechnung der
Strecken Berlin-Bologna-Brindisi und Bremerhaden⸗
Berlin mit Nebenausgaben, Zoll u. s. w. ein Be⸗
rag von 3500 Mark sich ergeben wird.
Berlin, 28. Dez. Beim Schlitischuhlaufen
nuf dem Wannsee sind gestern funf junge Leute
ertrunken.
F Die Morphiumsucht und ihre Be—
sandlung. Dr. H. Kurella bespricht in der
„Nation“? das neue Werk Erlenmehers über „die
Morphiumsucht und ihre Behandlung“. Diem sehr
nteressanten Artikel entnehmen wir in Folgendem
inige Einzelheiten: „Der Wonnerausch des Mor—⸗
zhinisten (resp. des Opiumessers) hat den Cdarakter
ines idealen Entzückens, destimmte Sinnesempfind⸗
uingen fehlen meist, eine erotische Farbung ist nie
yorhanden, und dieser ideale Charakter giebt dim
tets bereiten Sophismus des noch halb widerstre-
jenden Opfers die nie fehlende Beschönigung; das
daster erscheint bald im Lichte eines höheren Auf⸗
chmungs, einer Selbstoeredlung. Beim Opiumesser
zerrscht der göttliche Theil seines Wesens vor, das
jeißt, die sittlichen Triebe sind in einem Zustande
volkenloser Klarheil, und darüber strahlt das ge-
valtige Licht des Verstandes in erhabenem Glanz.“
Dem Entzücken foigt jedoch sehr bald der körper⸗
iche und geistigmoralische Verfall und schließlich
ollständiger Ruin. „Die Erfahrungen der letz en
Jahre lehren nun“, so fährt der Artikel der „Na-
sion“ fort, „daß die Morphiumsucht in geometrischer
Progression steigt; und die Frage liegt nahe, ob
sie an Verbreitung nicht bald der Trunksucht Kon⸗
kurrenz machen wird. Unzweifelhaft handelt es sich
im eine Erscheinung, die längst nicht mehr eine
Zuriosität, ein bloßer Sport ist, und die schnelle
lusdehnung der Seuche in breiten Volksschichten
rechtfertigt es, daß auch die Sozialpolitiker sich mit