Full text: St. Ingberter Anzeiger

ZInduberter Auzeiget. 
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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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Sonntag, 1. Januar 1888. 23. Jahrg. 
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zum Neuen Zahre 1888. 
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hrände, Erdbeben und andere Schrecken mehr, wären 
ju verzeichnen. Tausende verloren dabei ihr Leben 
an Unglück und Elend war auch in diefem 
Jahre kein Mangel. Und wie hat der Tod auch 
n diesem Jahre wieder in unerbitilichster Weise 
ie Sense geschwungen und unter den Bessen der 
Nationen, unter Staatsmänneri, Künstlern und 
gelehrten nur zu fleißig Umschau gehalten? Da 
st kein Volk, das nicht Grund hätte, ander 
Jahreswende mit Wehmuth der Lüdken zu gedenken, 
die 1887 hinterlassen. 
Wir haben aber auch viel Gutes vom alten 
Jahre empfangen und dürfen daher ohne Groll 
‚on ihm Abschied nehmen; wissen wir doch nicht, 
vas uns sein Nachfolger bringen wird. Das weiß 
nur Der, der die Herzen der Menschen lenkt, und 
in Ihn wenden wir uns auch beim Jahreswechsel 
n festem Vertrauen auf seinen starken Schutz 
Ddann dürfen wir getrosten Herzens die Brücke 
iberschreiten, die das alte vom neuen Jahre trennt. 
Zinüber mit Muth und Gottvertrauen ins neue 
Jahr. 
Beim Jahreswechsel pflegt man sich zu begrüßen 
ind dabei einander Gutes zu wünschen, Glück und 
Zegen, die das neue Jahr uns bringen soll. Zu 
en schmerzlichsten Ereignissen des Jahres 1887 
ählt für uns Deutische die Erkrankung unseres ge⸗ 
jebten Kronprinzen, der uns auch auf dem Kranken⸗ 
ager als Held und Mann ein Beispiel hoher 
Zeelengröße giebt. Möchte als kostbarstes Neu— 
ahrsgeschenk, das wir vom Himmel erflehen, dem 
heuren Maunne Genesung werden. Das ist unser 
Aller sehnlichster Neujahrswunsch, den Gott erhören 
möge! 
Und damit nun allen llieben Lesern ein herz— 
iches „Prosit Neuiahr!“ 
Landgerichts Zweibrücken folgende Personen zu 
veraniworten: Joh. Noll, Jakob Kleis, August 
Kleis, alle Hüttenarbeiter, Jakob Seel, Fuhr— 
nann, Heinrich Hill, Tagner, Christian Hu s— 
'ong, Holzschuhmacher, alle von Kirkel, und weiter 
Marlin Bläsi, Maurermeister, von hier. Die 
gerichtliche Verhandlung des Falles ergab gegenüber 
den Angeklagten Nol, Seel und August Kleis go 
nügende Beweismomente für die denselben zur Last 
jelegte Theilnahme an der Schlägerei und wurde 
insbesondere dem Noll das Werfen ziemlich großer 
Steine erwiesen, wie auch wabrscheinlich ist, daß 
)erselbe die Verwundung des Trier durch einen 
Steinwurf verursacht hat. Demzufolge erkannte 
das Gericht gegen Noll als den zumeist Belasteten 
auf 1 Jahr, gegen Seel auf 6 Monate und gegen 
August Kleis auf 3 Monate Gefängniß, wobei je⸗ 
doch die seither erlittene Untersuchungshaft den Ver—⸗ 
irteilten in Anrechnung kommt. Jakob Kleis, 
Hussong, Hill und Bläsi wurden freigesprochen. 
— Edenkoben, 28. Dez. Hier eingelaufener 
Nachricht zufolge hat ein Familienvater in Burr⸗ 
weiler bei einer Züchtigung durch Ohrfeigen sein 
Kind so unglücklich getroffen, daß dasselbe an einen 
Ofen stürzte und den Grist aufgab. Gerichtliche 
Untersuchung ist eingeleitet. Der Vater soll der 
„Pf. Pr.“ zufolge flüvtig sein. 
— Speyer, 30 Dez. Der reiche Gau 
unserer Stadt gegenüber erstrebt gleichfalls die 
Debung und Besserung seiner Berkehrsberhältnisse. 
So ist der Plan aufgetaucht, eine Straßenbahn 
von Wiesloch hierher zu führen und zwar über die 
Drischaften Waldorf, Reilingen und Hockenheim. 
Es muß sich nun zeigen, ob Baden noch an seiner 
selbstsüchtigen und undeutichen Verkehrspolitik fest⸗ 
hält, den Verkehr ganz vom linken Rheinufer ab— 
zuschneiden und nur auf das badische Gebiet zu 
beschränken. 
— Frankenthal, 30. Dez. Eine mit Ab— 
kehren des Schnees von einem Glasdach zu Neustadi 
beschäftigte Diensimagd ist 8 Stockwerke hoch herab 
gefallen und hat sich schwere Verletzungen zuge— 
zogen. 
— Auf der Lambsheimer Jagd hat ein Jäzer 
seinen Kollegen angeschossen. — 
Vermischtes. 
M Wir stehen wieder vor einem großen Giücks⸗ 
rade. Am 16. Januar findet die Zwieseler Zehung 
(in Folge einer Ministerialentschließung vom 26. 
Sepf. 87) definitiv statt. Zwiesel bietet seht viele 
Chancen. Wir wollen sehen, wen Fortuna im 
neuen Jahr beglückt. 
F Berlin, 29. Dez. Die Nachricht, daß im 
Wannsee bei Berlin 7 junge Laute beim Schlitt⸗ 
chuhlaufen eingebrochen und 5 davon ertrunken 
sind, ist glücklicherweise erfunden. .Das „Berl. 
Tageblatt“, welches diese Nachricht zusrst brachte, 
ertlärt heute selsst,“ das es mystifizirt worden sei. 
F Von der etwas stürmischen Hochzeitsfeier 
eines Deutschen in drNormandie erzählt die 
„Hess. Morg. Z.“ Ein im Orte Falaise wohnen⸗ 
der Kassclaner hatte sich mit einer jungen Französin 
»ermählt und als man in der Wohnung der Brauf 
veim Hochzeitsfeste saß, sammelten sich plötzlich vor 
dem Hause verdächtige Gesellen an, welche aus 
osller Köhle „a bas les Prussiens!“ schrien. 
Steine flogen durch die Fenster und schlugen zu 
den Füßen der entsetziten Gäste nied r. Nur dem 
nergischen Eingreifen des Vaters der Braut ge⸗ 
ang es, das junge Ehepaar in Sicherheit zu 
dringen. 
Horch, Mitternacht! und durch die tiefe Stille 
geßtefeierlich der Klang der Gloden zieht. 
dan Jahr gilt es, das den Lauf beendend, 
Fum Meere der Vergangenheit entflieht. 
as 66 auf seinem Flug auch immer brachte, 
5b wolkenloser Sonnenschein uns lachte, 
Ib lief uns beugten Gram und bittres Leiden — 
hit Ernst und Wehmut sehen wir dich scheiden, 
du altes Jahr 
Und eingehüllt in seinen dunkeln Schleier 
Fin neues Jahr sacht auf die Schwelle tritt. 
Frwartungsvoll klopft ihm das Herz entgegen: 
Was bringt es uns, was bringt der Welt es mit? 
ẽrnst ist die Zeit, drum stehet fest im Glauben! 
Zaßt nimmer euch die höchsten Güter rauben! 
Denn, was sich gegen uns auch mag verbinden, 
Wird jeder Feind uns stets gerüstet finden 
Im neuen Jahr! 
Zu all' den Bitten aber, die wir bringen 
Zur Stunde vor des Weltenherrschers Thron, 
Fesellt in jedem treuen deutschen Herz'n J 
Die Bitte sich für Deutschlands Kaisersohn. 
Erhöre an des Jahres erstem Morgen, — 
Hott, unser Flehn und wende unsre Sorgen! 
Dein ist die Macht; o Herr, laß Gnade walten! 
dilf Deutschlands Stolz und Hoffnung uns er— 
halten 
Im neuen Jahr! 
— EGreiner 
Zum Jahreswechsel. — 
Wieder ein Jahr am Scheidewege auf Neimmer⸗ 
viederkiht mit all seinen Sorgen und Kümmer. 
ussen, getäuschten Hoffnungen, aber auch mit all 
einem Glüch und Segçen, den es ja auch gehracht. 
Als wir vor Jahresfrist mit bangen Blicken in die 
Zukunft schauten — grollten doch damals besonders 
sefahrdrohend die politischen Wetter — da hofften 
vir nicht, daß uns ein Jahr des Friedens und 
Segens bescheert sein werde, und doch hat sich das, 
oas wir wunschten, faft ohne es hoffen zu können, 
rfüllt. Wir durften uns des goldenen Friedens 
reuen, die Erde gab uns reichlich Brod, denn eine 
esegnete Ernte lohnte den Fleiß des Landmanns. 
Der schwere Alp, der damals auf den Vötkern 
astete, ist freilich auch jetzt noch nicht gewichen. 
In Ecz gepanzert, stehen sich gerade diejenigen Na⸗ 
ionen gegenüber, die doch cher derufen srin sollten, 
a gemeinsamer Friedensarbeit zusammenzuwirken. 
Aber hier behält eben das Dichterwort Geltung, 
vaß kein Measch in Frieden leben köane, wenn es 
»em bösen Nuchbar Hicht gefalle, und daß daher 
Borsicht besser als Nachsicht. Wir dürfen es zu⸗ 
rieden sein, wenn das neue Jahr uns schenkt, 
vofür dem alten nicht genug danken können, den, 
venn auch „bewaffneten“ Frieden, der immer noch 
desser ist, als ein glücklich geführter Krieg. 
Der Mensch klebt an der Hoffnung, er hängt 
ich an die Rockschöße dieser nur zu oft trügerischen 
gestalt, die ihn von der Wiege bis zum Grabe 
jegleitet und über die Bitternisse der Erdenwan— 
»erung hinweghilft. Bei jedem Jahreswechsel hofft 
c vom neuen Jahre; was ihm das alte versagt, 
zZlaubt er Besseres einzutauschen und macht an 
edem Sylvesterabend in seinem Schicksalsbuche die 
Entdedung, daß Null von Null aufgegangen. 
Auch 1887 macht davon keine Ausnahme. 
»eid und Freud, Glück und Unglück wechselt in 
uter Reihenfolge. Zahlreiche Unglücksfälle zur 
Seutsches Reich. 
Berlin, 28. Dez. Durch eine kaiserliche 
Berordnung vom 26. Dezember, welche heute im 
„Reichsanzeiger“ veröffentlicht ist, wird bestimmt, 
daß die beiden letzten Unfallversicherungsgesetze, 
velche die Bersicherung der bei Bauten beschäftigten 
Personen und der Seeleute anordnen, mit dem 1. 
FJanuar 1888 in Kraft treten. 
Ausland. 
Paris, 30. Dez. Gestern wurde das Ab- 
kommen über die Verlängerung des Handelsver- 
rages zwischen Frankreich und Italien bis zum 1. 
März 1888 von Crispi und dem französischen 
Botschufter unterzeichnet. 
Rom, 30. Dez. Die Handelsverträge mit 
Frankreich, Spanien und der Schweiz sind bis zum 
1. März kommenden Jahres verlängert worden, 
ais zu welcher Zeit voraussichtlich der neue end⸗ 
giltige Aoschluß erfolgt. 
San Memo, 30. Dei. Die Witterung ist 
Jeute bedeutend mulder und sonnig. Das Befinden 
)es Kronprinzen ist forldauernd gut. Die Unfter⸗ 
tuchung hat auch bezüglich der katarrhalischen Ec⸗ 
cheiunngen günstige Ergebnisse geliefert. 
Lolcle und pfälzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 31. Dez. Wie unseren 
Lesern wohl noch erinnerlich, wurde am 2. Oklober 
s. Is. Abends auf der Ortastraße zu Kirkel der 
37 Jahre alte Bergmann Balthasar Trier von 
zier bei einer Schlägerei so schwer am Kopfe ver⸗ 
atzt, daß am folgenden Morgen der Tod eintrat. 
Der Theilnahme an jenem Vorfalle bezichtigt, hatten 
ich in der letzten Strafkammersitzung des königl.