Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Indherter Anzeiger. 
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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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W 26. 
23. Jahrg. 
Die Debatte über die Ver—⸗ 
qlängerung der Legislaturperiode 
im Reichstage. 
t Am Mittwoch und Freitag ist anlaßlich der 
geralhung des Antrages der Conservativen und 
sta onalliberalen bezüglich der Verlängerung der 
·gislaturperioden auf fünf Jahre im Reichstage 
ne der größten Redenschlachten geliefert worden, 
offentlich aber auch eine der erfolgreichsten für die 
vfiegenden Parteien und die Entwickelung unserer 
meren Zustuͤnde. Man darf von allen denjenigen 
eutschen Männern, welche noch fachlich urtheilen 
innen und es auch wollen, erwarten, daß sie zu 
nal der Rede des nationalliberalen Führers Dr. 
hon Bennigsen Beachtung schenken und sich von 
allen einseitigen Uebertreibungen abwenden, deren 
ch der leidige Parteigeist in Deutschland immer 
und immer wieder schuldig macht. “ 
Die großen Redelämpfe leitete der Graf von 
Aehr, Uoͤgeordneter der freilonservativen Reichs⸗ 
zartei ein, indem er ausführte, daß der Antrag, 
»ie dreijährigen Gesetzgebungsperioden des Reichs⸗ 
ags in funfjährige zu verwandeln, kein Partei⸗ 
antrag sei, sondern lediglich damit bezweckt werde, 
den parlamentarischen Geschäften mehr Stetigkeit 
zu verschaffen und die häufigen Wahlagitationen, 
velche das Land in eine leidenschaftliche Aufregung 
zrachten, zu vermindern. Bekanntlich brachten die 
Wahlagitationen eine Verhetßung und Verbitterung 
n die weitesten Volkskreise, dieser Uebelstand würde 
derhindert, wenn man nur alle fünf Jahre statt 
alle drei Jahre einen neuen Reichstag wähle. Drei 
Jahre seien auch eine zu kurze Zeit für die Ar⸗ 
beiten des gewählten Reichstages, indem das erste 
Jahr noch unter dem frischen Eindrucke der Wahl ⸗ 
agitationen stehe und die Parleien einander fern 
halle im zweiten Jahre komme man erst zum posi- 
üben Schaffen und im dritten Jahre stehe man 
hereitz wieder unter dem Eindrucke der Neuwahlen. 
Der Führer der Centrumspartei, Dr. Windthorst, 
entgegnete darauf, daß gar keine Veranlassung dazu 
vorhanden sei, in den jetzigen ernsten Zeiten an 
der Verfassung zu rütteln, zumal man annehmen 
muss⸗, daß die jetzt am Ruder befindlichen Parleien 
bald noch mit ganz anderen Anträgen kommen 
wuürden. Er (Windthorst) sei zwar kein unbedingter 
Anhanger der dreijaͤhrigen Legigzlaturperiode und 
8 hatte früher sogar einmal eine vierjährige em⸗ 
n pfohlen. Jetzt müusse er aber gegen jede Aenderung 
der Legisladurperioden stimmen, da dadurch die 
Wacht der Regierung außerordentlich erweitert, der 
geringe Einfluß des Reichstags aber noch mehr 
ermindert würde. Ganz ähnlich wie Dr. Windt⸗ 
“8 sprach sich im Namen der Freisinnigen Dr. 
Bamberger aus. Aach Dr. Bamberger gab zu, 
Il daß die Dauer der Legislaturperioden keine politische 
oder liberale Prinzipienfrage sei, denn in England 
nn Italien, wo liberale Verfassung herrsche, habe 
man feben· und fünfjahrige Legisialurperioden. 
In Deutschland müßten aber alle wahrhaft liberalen 
Maänner gegen die Verlängerung der Legislatur⸗ 
niderisden stimmen, um der realtivnären Sirdmung 
nicht Vorschub zu leisten. Es sei in dieser Hinfich 
. Deutschland. schlimmer, als man gewoͤhnlich 
alaube und sehr bedauerlich, daß die National- 
ibetalen der Meinung wären, daß man der reai⸗ 
ionaren Strömung einige Concessionen machen 
zuse Beiden Abgeordnelen, Dr. Windthorst und 
t. Bamberger, antworlele darauf im Namen der 
Antragsteller im Allgemeinen wie der National · 
iberalen im Besonderen, Dr. von Bennigsen. Die 
vermeintlichen Unthaten der mit Hulfe der Natio 
nalliberalen zu Stande gekommenen politischen 
Keaktion könne wohl kein Wahrheitsfreund entdecken, 
s sei denn, daß man Liberalismus mit Freihandel 
ind Reaktion mit Schutzzoll verwechsele. Ueberdies 
jälten die Nationalliberalen stets gegen die Ueber⸗ 
reibungen der Schutzzölle gelämpft. Auch sei zu 
edenken, daß durch die einst ganz rüchsichtslose 
Aufhebung des letzien Restes der Eisenzöͤlle und 
zurch die dadurch hervorgerufene Erbitterung unter 
en Eisenindustriellen das gesteigerte Bedürfniß nach 
Schutzzollen in Deutschland erst herdorge⸗ 
ufen worden sei. Diese Bestrebungen nenne 
man nun im Lager der freifinnigen Oppo— 
ition Realtion, vergesse aber ganz dabei, daß 
die freiesten Lander zum Theil enorme Schutz⸗ 
ölle besaßen. Keinesfalls bezwecke auch der 
Antrag auf Verlängerung der Legislaturperiode 
eine reaktionäre Maßregel, sondern man wolle da⸗ 
mit dem Reichsstage nur mehr Festigkeit und Auto⸗ 
ität verleihen und dem Volke die häufigen Wahl- 
agitationen, welche leider giftigen Hetzereien und 
xntzweiungen in allen Gesellschaftskreisen Vorschub 
jeleistet haäten, ersparen. Dr. Windthorst hätte 
ich selbst früher für eine Verlängerung der Legis- 
aturperioden ausgesprochen und Dr. Bamberger 
jätte gar Broschüren über die Nothwendigkeit der 
Berlängerung der Legislaturperioden geschrieben, 
zdie Erfahrungen der beiden Herren von damals 
önnten doch jetzt nicht illusorisch geworden sein. 
war sofort todt. Der Unglückliche war schon länger 
nit nervösem Kopfleiden behaftet. Der Bedauerns- 
werthe war verheirathet und hätte demnächst Vater⸗ 
freuden erlebt. 4 G. A.) 
— Pirmasens, 2. Febr. Die Verwaltung 
der katholischen Pfarrei Schweix B. A. Pirmasens 
wurde dem bisherigen Pfarrverweser in Habkirchen, 
Johann Weiler, übertragen. J 
— Kaiserslaulern, 1. Febr. Unsere 
Stadt hat im Monat Januar wieder eine Zunahme 
don 30 Seelen zu verzeichnen, so daß sie unn 
34,896 Einwohner zählt. s5* 
— Kirrweiler, 2. Febr. Bei der vor⸗ 
Jestrigen Wahl eines Lehrers wurde Herr Lehrer 
dornbach aus Steinbach mit 8 gegen 5 Stimmen 
gewahlt. J 
DAus Ludwigshafen war in einigen 
Blattern die Nachricht von einem dort gegen zwei 
Frauen begangenen Raubanfall mitgetheilt worden. 
die Nachricht beruht auf einer Erfindung der an⸗ 
geblich Beraubten. 
— Bergzabern, 1. Febr. Hr. Mich. 
Mayer, Wirth zum „wilden Mann“ dahier, hat 
mit der Bierbrauerei Weltz in Speyer einen Ver⸗ 
trag abgeschlossen, wonach er innerhalb der nächsten 
5 Jahre seinen Bedarf an Bier nur aus genannter 
Brauerei beziehen darf. Herr Mayer erhäalt dafür 
von Herrn Weltz einen jähclichen Betrag von 4000 
Mark. G. W.) 
Sermi tes. 
Reichsgerichts Erkenntniß. Die 
kntführung eines minderjährigen Mädchens mit 
hrem Willen, jedoch ohne Einwilligung ihrer Eltern 
»der ihres Bormundes, um den bisherigen intimen 
Verkehr ungehindert fortzusetzen, ist nach einem 
Artheil des Reichsgerichts nach 8 237 des Straf⸗ 
zesetzbuches zu bestrafen. 
F Muͤnchen. Vor wenigen Tagen hat ein 
Tabinetscourier eine zweite Sendung Spaten⸗Bier 
ür den Kronprinzen nach San Remo mit⸗ 
zenommen. Ein Beweis, daß die Besserung in 
zem Befinden des hohen Herrn in erfreulicher 
Weise fortschreittete. 
FSaargemünd, 2. Febr. Die hiesfige 
Strafkammer hatte sich vorige Woche mit einem 
Fall zu beschäftigen, der von einer großen Ver⸗ 
vahrlosung Zeugniß ablegt. In der ersten Halfte 
‚origen Monats begab sich nämlich ein bejahrter 
Mann von Diedingen nach Sittingen; er trug eine 
Zumme von 71 Mk. bei fich und hatte dieselbe 
n sein Taschentuch geknüpft. Diese Summe be—⸗ 
chlossen seine beiden Enkelinnen, die 17jährige 
Maria Eidesheim und die 15jährige Maria Elisa⸗ 
zeth Eidesheim, ihm zu rauben. Die Aus- 
ührung sollte die jüngere 15jäahrige Maria 
flisabelh übernehmen. Sie zog zu diesem 
Zweck Maͤnnerkleider an, machte sich das 
hesicht mit Ruß schwarz und lauerte nun ihrem 
zroßbater unterwegs auf, von ihm Blut oder Geld 
»erlangend. Der Alte, welcher seine Enkelin in 
der Vermummung nicht erkannte, glaubte mit einem 
Zweimarkstück davon zu lommen, die ungeratene 
ßerson wußte aber, daß er mehr Geld bei sich 
jatte, und jagte dem Alten einen solchen 
Schrecken ein, daß er in der That mit seiner gan- 
zjen Barschaft herausrückte und froh war, 
nit dem Leben davon zu kommen. Die schnöde 
That blieb aber nicht lange verborgen, und so 
vpurde das edle Schwesternpaar mit einer Strafe 
bon 1 Jahr für die jüngere und von 1 Monat 
Ur die äültere wegen Beihülfe bedacht. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 3. Febr. Unter dem Vorsizt des 
Benerallieutenants Grafen v. Lehndorff tagt augen⸗ 
zlicklich eine Comission von höheren Militärs, welche 
die Küraßfrage beräth. 
Ausland. 
Wien, 3. Febr. Vor einigen Tagen IZoste 
der Regierungsvertreter einen Commers der Burschen⸗ 
chaft *Teutonia“ wegen politischer Reden und 
Besuünge auf. Abg. Schönerer forderte die Stu⸗ 
enten auf, sitzen zu bleiben, worauf dieselben trotz 
)es Protestes des Commissärs, „die Wacht am 
sthein anstimmten. 
Petersburg, 83. Febr. Die „Neue Zeit“ 
ält als einziges Mittel, voie Rußland vor einem 
Angriff zu schützen sei, die Verßärkung der Grenz⸗ 
ruppen und Festungen aufrecht. Die bisherigen 
ussischen Maßnahmen an der Grenze seien rein 
efensiv. Rußland brauche nicht einen Fuß breit 
eutschen Landes, werde auch nicht einen Fuß 
reit von dem seinigen abtreten. Es sei von tiefer 
Friedensliebe erfüllt. Solange Deutschland rubig 
ei, drohe ihm keinesfalls ein Anarif 
Loldle und pfaͤlzische Ltachrichten. 
*St. Ingbert. Die 24jährige Dienstmagd 
datharina Scherer von hier war sich nicht recht 
lar üder die Begriffe Mein und Dein, und das 
ührte sie vor die Schtanken der Strafkammer in 
zweibrücken. Besonders war sie angeklagt — und 
iuch geständig — ihrer ehemaligen Dienstherrschaft 
Schlossermeister Friedrich dahier Kleider eic. ent⸗ 
vendet zu haben. Mit Einrechnung einer früheren 
jährigen Gefängnißstrafe verurtheilte sie der Ge⸗ 
ichtshof zu einer Gesammtstrafe von 3 Jahren 6 
stonaten. 
— Pirmasen 3, 1. Febr. Gestern hat sich 
er 29jahrige Schuster Dernberger vor hier mittelst 
eines Kneipmessers den Hals durchschnitten und