Full text: St. Ingberter Anzeiger

ðxt. Indberter Anzeigey 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
er „St⸗ JZugerter Anzeiger erscheint woͤchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sountag; 2 mal wöochentlich mit Unterhaltung 
an und Sonntags mit —— illustrirter ege Das Blatt kostei vierteljährlich JAMG60 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1.M 75 3 einschlie ßlics 
3 Zustellungsgebuhr. Die , fur die Agespaltene pgee oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 1ß 4, NReklamen 80 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
W 26. 
Die Debatte über die Ver⸗ 
längerung der Legislaturperiode 
im Reichstage. 
Am Mittwoch und Freitag ist anläßlich der 
eralhung des Antrages der Conserbativen und 
ionalliberalen bezüglich der Verlängerung der 
egislaturperioden auf fünf Jahre im Reichstage 
ne der groößten Redenschlachten geliefert worden, 
ffentlich aber auch eine der ecfolgreichsten für die 
siegenden Parteien und die Entwickelung unserer 
neren Zustände. Man darf von allen denjenigen 
xutschen Männern, welche noch sachlich urtheilen 
nnen und es auch wollen, erwarien, daß sie zu 
zal der Rede des nationalliberalen Führers Dr. 
n Bennigsen Beachtung schenken und sich von 
len einseitigen Uebertreibungen abwenden, deren 
h der leidige Parteigeist in Deutschland immer 
'd immer wieder schuldig macht. 
Die großen Redekämpfe leitete der Graf von 
r, Ubgeordneter der freikonservativen Reichs⸗ 
ctei ein, indem er ausfuhrte, daß der Antrag, 
dreijährigen Gesetzgebungsperioden des Reichs⸗ 
46 in fünfjährige zu verwandeln, kein Partei⸗ 
itrag sei, sondern lediglich damit bezwecdt werde, 
a parlamentarischen Geschäften mehr Stetigleit 
perschaffen und die häufigen Wahlagitationen, 
lche das Land in eine leidenschaftliche Aufregung 
achten, zu vermindern. Bekanntlich brachten die 
ahlagitationen eine Verhetzung und Verbitterung 
die weitesten Volkskreise, dieser Uebelstand würde 
rhindert, wenn man nur alle fünf Jahre statt 
e drei Jahre einen neuen Reichstag wähle. Drei 
ihre seien auch eine zu kurze Zeit für die Ar⸗ 
ten des gewählten Reichstages, indem das erste 
yr noch unter dem frischen Eindrucke der Wahl⸗ 
itationen stehe und die Parteien einander fern 
te, im zweiten Jahre komme man erst zum posi 
en Schaffen und im dritten Jahre stehe man 
greins wieder unter dem Eindrude der Reuwahlen. 
er Führer der Centrumspartei, Dr. Windthorst, 
zgegnete darauf, daß gar keine Veranlassung dazu 
rhanden sei, in den jetzigen ernsten Zeiten an 
r Verfassung zu rüttein, zumal man annehmen 
isse, daß die jetzt am Ruͤder befindlichen Parteien 
Ad noch mit ganz anderen Anträgen dommen 
irden. Er (Windthorst) sei zwar kein unbedingter 
hanger der dreijährigen Legislaturperiode und 
hatte früher sogar einmal eine dietjährige em— 
ohlen. Jetzt müsse er aber gegen jede Aenderung 
Legislaturperioden stimmen, da dadurch die 
acht der Regierung außerordentlich erweiteri, der 
inge Einfluß des Reichstage ader noch mehr 
emindert würde. Ganz Ahnüich wie Dr. Windh 
ꝓiu sprach sich im Namen der Freisinnigen Dr. 
nberger aus. Aaqh Dr. Bamderger had u, 
die Dauer der Legislaturperioden beine politische 
Abetale Prinzipienfrage sei, denn in Fnglam 
Italien, wo überale Verfassung herrsche, habe 
ebene und fünfjahrige Legislaturperioden. 
Deutschland müßten aber alle wahrhaft liberalen 
inner gegen die Verlängerung der Legislatur⸗ 
ioden stimmen, um der reaktionären Sirömung 
in Vonschut zu leisten. Es sei in dieser Hich 
gdrutschland. schlimmer, als mau gewhnug 
ude und sehr bedauerlich, daß die Ratinaß 
alen der Meinung wären, daß man der reat. 
nären Stromung einige Concessionen machen 
e. Beiden Abgeordneten, Dr Windthorst und 
Bamberger, anworleie darauf im Namen der 
30 
Sonntag, 5. Februar 1888. 
23. Jahro 
Antragsteller im Allgemeinen wie der National⸗ 
iberalen im Besonderen, Dr. von Bennigsen. Die 
bermeintlichen Unthaten der mit Hülfe der Natio— 
aalliberalen zu Stande gekommenen politischen 
Reaktion könne wohl kein Wahrheitsfreund entdecken 
es sei denn, daß man Liberalismus mit Freihandel 
uind Reaktion mit Schutzzoll verwechsele. Ueberdies 
zätten die Nationalliberalen stets gegen die Ueber⸗ 
treibungen der Schutzzölle gekämpft. Auch sei zu 
bedenken, daß durch die einst ganz rüchsichtslose 
Aufhebung des letzten Restes der Eisenzölle und 
durch die dadurch hervorgerufene Erbitterung unter 
den Eisenindustriellen das gesteigerte Bedürfniß nach 
Schuß zzoͤllen in Deutschland erst hervorge⸗ 
cufen worden sei. Diese Bestrebungen nenne 
nan nun im Lager der freisinnigen Oppo— 
ition Realtion, vergesse aber ganz dabei, daß 
zie freiesten Lander zum Theil enorme Schutz⸗ 
ölle besäßen. Keinesfalls bezwecke auch der 
Antrag auf Verlängerung der Legislaturperiode 
eine reaktionäre Maßregel, sondern man wolle da⸗ 
nit dem Reichstage nur mehr Fefligkeit und Auto⸗ 
ꝛität verleihen und dem Volke die häufigen Wahl- 
agitationen, welche leider giftigen Hetzereien und 
kntzweiungen in allen Gesellschaftskreisen Vorschub 
geleistet hätten, ersparen. Dr. Windthorst hätte 
ich selbst früher für eine Verlängerung der Legis- 
aturperioden ausgesprochen und Dr. Bamberger 
zatte gar Broschüren über die Nothwendigkeit der 
Verlangerung der Legislaturperioden geschrieben, 
die Erfahrungen der beiden Herren von damals 
könnten doch jetzt nicht illusorisch geworden sein 
Deutsches Reich. 
Berlin, 8. Febr. Unter dem Vorsitz des 
Benerallieutenants Grafen v. Lehndorff tagt augen⸗ 
blictlich eine Comission von höheren Militärs, welche 
die Küraßfrage beräth. 
Ausland. 
Wien, 3. Febr. Vor einigen Tagen löoste 
der Regierungsvertreter einen Commers der Burschen⸗ 
schaft „Teulonia“ wegen politischer Reden und 
Besänge auf. Abg. Schönerer forderte die Stu⸗ 
denten auf, sitzen zu bleiben, worauf dieselben trotz 
des Protestes des Commissaärs, die Wacht am 
Rhein anstimmten. 
Petersburg, 8. Febr. Die „Neue Zeit“ 
zält als einziges Mittel, wie Rußland vor einem 
Angriff zu schützen sei, die Verstärkung der Grenz⸗ 
ruppen und Fekungen aufrecht. Die bisherigen 
sussischen Maßnahmen an der Grenze seien rein 
zefensiv. Rußland brauche nicht einen Fuß breit 
deutschen Landes, werde auch nicht einen Fuß 
reit von dem seinigen abtreten. Es sei von tiefer 
Friedensliebe erfüllt. Solange Deutschland ruhig 
oj, drokß⸗ ihm koeinesfafsa in Möarict 
war sofort todi. Der Unglückliche war schon länger 
mit nervösem Kopfleiden behaftet. Der Bedauerns- 
werthe war verheirathet und hätie demnächst Vater⸗ 
freuden erlebt. (P. A.) 
— Pirmasens, 2. Febr. Die Verwaltung 
der katholischen Pfarrei Schweix B. A. Pirmasenß 
wurde dem bisherigen Pfarrverweser in Habkirchen, 
Johann Weiler, übertragen. 
— Kaiserslautern, 1. Febr. Unsere 
Stadt hat im Monat Januar wieder eine Zunahme 
pon 830 Seelen zu verzeichnen, so daß sie unn 
34,896 Einwohner zaͤhlt. 
— Kirrweiler, 2. Febr. Bei der vor⸗ 
zestrigen Wahl eines Lehrers waurde Herr Lehrer 
Hornbach aus Steinbach mit 8 gegen 5 Stimmen 
gewählt. 
— Aus Ludwigshafen war in einigen 
Blättern die Nachricht von einem dort gegen zwei 
Frauen begangenen Raubanfall mitgetheilt worden. 
Die Nachricht beruht auf einer Erfindung der an⸗ 
geblich Beraubten. 
— Bergzabern, 1. Febr. Hr. Mich. 
Mayer, Wirth zum „wilden Mann“ dahier, hat 
mit der Bierbrauerei Weltz in Speher einen Ver⸗ 
trag abgeschlossen, wonach er innerhalb der nächsten 
5 Jahre seinen Bedarf an Bier nur aus genannter 
Brauerei beziehen darf. Herr Mayer erhält dafür 
von Herrn Weltz einen jährlichen Betrag von 4000 
Mark. (S. W.e 
Vermischtes. 
F. Reichzsgerichts-Erkenntniß. Die 
Entführung eines minderjährigen Mädchens mit 
ihrem Willen, jedoch ohne Einwilligung ihrer Eltern 
oder ihres Bormundes, um den bisherigen intimen 
Verkehr ungehindert fortzusetzen, ist nach einem 
Urtheil des Reichsgerichts nach 8 287 des Straf⸗ 
gesetzbuches zu bestrafen. 
* Munchen. Vor wenigen Tagen hat ein 
Cabinetscourier eine zweite Sendung Spaten⸗Bier 
für den Kronprinzen nach San Remo mit⸗ 
genommen. Ein Beweis, daß die Besserung in 
dem Befinden des hohen Herrn in erfreulicher 
Weise fortschreitet. 
f.Saargemünd, 2. Febr. Die hiesige 
Strafkammer hatte fich vorige Woche mit einem 
Fall zu beschäftigen, der von einer großen Ver⸗ 
wahrlosung Zeugniß ablegt. In der ersten Halfte 
dorigen Monats begab sich nämlich ein bejahrter 
Mann von Diedingen nach Sittingen; er trug eine 
Summe von 71 Mk. bei sich und hatte dieselbe 
in sein Taschentuch geknüpft. Diese Summe be⸗ 
schlossen seine beiden Enkelinnen, die 17jährige 
Maria Eidesheim und die 1bjahrige Maria Elisa⸗ 
beth Eidesheim, ihm zu rauben. Die Aus— 
führung sollte die jüngere 15jährige Maria 
Flisabeth übernehmen. Sie zog zu diesem 
Zweck Mannerkleider an, machte sich das 
Besicht mit Ruß schwarz und lauerte nun ihrem 
Broßvater unterwegs auf, von ihm Blut oder Geld 
derlangend. Der Alte, welcher seine Enkelin in 
der Vermummung nicht erkannte, glaubte mit einem 
Zweimarlstück davon zu kommen, die ungeratene 
Person wußte aber, daß er mehr Geld bei fich 
hatte, und jagte dem Alten einen solchen 
Schrecken ein, daß er in der That mit seiner gan- 
zen Barschaft herausrückte und froh war, 
mit dem Leben davon zu kommen. Die schnöde 
That blieb aber nicht lange verborgen, und so 
wurde das edle Schwesternpaar mit einer Strafe 
bon 1 Jahr für die jüngere und von 1 Monai 
ür die ältere wegen Beihuülfe bedacht. 
Lokale und pfaälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert. Die 24jährige Dienstmagd 
datharina Scherer von hier war sich nicht rech 
lar über die Begriffe Mein und Dein, und das 
ührte fie vor die Schtanken der Strafkammer in 
Zweibrücken. Besonders war sie angekllagt — und 
zuch geständig — ihrer ehemaligen Dienstherrschaf 
—AV 
wendet zu haben. Mit Einrechnung einer früherer 
2jahrigen Gefangnißstrafe verurtheüte sie der Ge— 
richtshof zu einer Gesammtstrafe von 8 Jahren 6 
Monaten. 
—T.Pirmasens, 1. Febr. Gestern hat sich 
zer 29jahrige Schuster Dernberger vor hier mittelsi 
jeines Kneipmesseis den Hals durchschnitten und