Full text: St. Ingberter Anzeiger

7* Nachstehendes dürfte besonders alle Innungs- 
meister interessiren: Vor einiger Zeit sollte der 
Schuhmacher-Innung in Spandau eine größere 
Lieferung von Stiefeln für das 4. Garde-Regiment 
z. F. übertragen werden. Das Geschäft kam aber 
nicht zustande und die Schuld daran schoben die 
Innungsmitglieder auf den damaligen Altmeister 
8., welcher die Interessen der Innung nicht gehörig 
bertreten hahe. Infolge dieses Vorfalls, welcher 
auch zu einer Privatllage wegen Beleidigung An⸗ 
laß gab, beschloß die Innung, Herrn L. aus der- 
selben auszuschließen. Der letztere beantragte darauf 
beim Spandauer Magiftrat, als der Auffichtsbe⸗ 
hoͤrde, Aufhebung jenes Innungs⸗Beschlufses. Die 
Veweisaufnahme in dem eingeleiteten Verfahren 
hat folgendes Ergebniß herausgestellt: Der Vor⸗ 
fitzende der Bekleidungskommission des 4. Garde- 
Regiments hat eidlich ausgesagt, daß er den ehe⸗ 
—XEVV 
angegangen, um ihm eine größere Stiefellieferung 
für die Innung zu übertragen. Von dieser Liefe⸗ 
rung hat L., anstatt die Angelegenheit der Innung 
zur Kenntnißnahme zu unterbreiten, einen Theil 
auf eigene Rechnung übernommen. Sämmtliche 
andern Innungsmitglieder sind lerr ausgegangen. 
Auf Grund dieses Ergebnisses hat der Magistrat 
den Junungsbeschluß anerkannt, und L. ist nun 
endgiltig aus der Innung ausgeschlossen. 
— Webenheim, 9. Dez. Gestern wurde 
unser altester Mitbürger Herr Ackerer Joh. Nik. 
Reitengauer zur letzten Ruhestätte geleitet. Der⸗ 
selbe war 1801 am 1. August geboren, hatie sich 
im Jahre 1822 mit seiner Ehefrau Jakobina 
Schunck verheiratet und lebte in glücklicher Ehe 
mit derselben bis 1877, wo dieselbe starb. Er 
hatte 8 Kinder, von denen 5 vor ihm gestorben 
find, außerdem hat er 38 Enkelchen und nicht 
weniger als 79 Urenkelchen. Enkelchen und Ur⸗ 
enkelchen sind noch alle am Leben, ein Teil dabvon 
weilt in Amerika. (3. 3.) 
sa. Kaiserslautern, 10. Dez. Heute 
Nachmittag passierte unsere Stadt eine Zigeuner⸗ 
bande, die zirka 10 Wagen mit sich führten. In 
Begleitung mehrerer Gendarmen wurden dieselben 
underzüglich über die bezirksamtliche Grenze beför⸗ 
dert. Es wäre zu wünschen, daß allenthalben mit 
dieser Energie gegen das arbeitsscheue Diebsvolk 
berfahren würde; wir wären damit bald um eine 
Vvandplage aäͤrmer. 
— In Kailerslautern ward die Er—⸗ 
richtung eines Pferde⸗ und Fohlenmarktes beschlossen 
und zwar sollen jährlich zwei solche Märkte statt⸗ 
finden; der erste am 3. Dienstag des Märzg und 
der zweite, mit welchem eine Verlosung verbunden 
wird, am 8. Dienstag des Oktober. 
— Pirmasens, 10. Dez. „Nach der 
Hauptstadt der Hölle“? lautete das Thema des Vor⸗ 
drages, den gestern Abend Herr Ritter von Vinzenti 
(aus Wien) im Kaufmännischen Verein vor ziemlich 
zahlreichem Publikum hielt. Er bildet die Beschrei⸗ 
ung einer Reise von Kairo nilaufwärts nach 
Chartum, der Haupstadt des Sudan. wegen des 
daselbst, herrscherden Lasters und Elends die Haupt⸗ 
stadt der Hölle genannt. Der Redner zeichnet sich 
vor anderen Erzählern von Reise⸗Erlebnissen durch 
die gluhtvolle Phantasie aus, welche der Darstellung 
seiner gesprochenen Bilder einen eigenartigen Reiz 
berleiht. Und um des buntfarbigen Gepräges 
willen, den seine Erzählungen tragen, darf denselben 
ein schätzenswerther Gehalt nicht abgesprochen wer⸗ 
den, gleichviel, ob sie sich in Vorträgen oder 
Schriften finden. Der Verfasser von „Gluht und 
Eis“, „Unter Schleier und Maske“, „Die Tempel⸗ 
stürmer Hocharabiens“, „Wundergeschichten der 
Liebe“ weiß aus dem Morgenlande des Interessan⸗ 
ten sehr viel zu erzühlen, und findet auch nicht 
Alles den Beifall der Zuhörerschaft, so schöpft sie 
doch sehr viel daraus zur anregenden Unterhaltung. 
CB. Zig.) 
— Pirmasens 10. Dez An Stelle des be⸗ 
kanntlich mit Neujahr aus dem städt. Dienste treten⸗ 
den 3. Stadischreibers Herrn Pfirrmann wurde 
Herr Gemeindeschreiber Jakob Kuntz von Const⸗ 
wig ernannt. (P. A.) 
— Landau, 10. Dez. Die im Entwuͤrfe 
vorgelegten Satzungen für eine zu gründende Pen— 
sionsanstalt der städtischen Beamten und Bediensieten 
find vom Stadtrathe genehmigt und ein auf die 
Dauer von 36 Jahren sich erstreckender jährlicher 
Zuschuß von 2000 M. bewilligt. 
— Landau, 10. Dez. Die erste ordentliche 
Generalversammlung der Aktienbrauerei „zum eng⸗ 
lischen Garten“ faßte am Freitag nach Anhörung 
»es Geschäftsberichtes den Beschluß, von dem Ueber⸗ 
schuß von M. 25.490. 40 die Summe von M. 
13,753,09 zu Adschreibungen zu verwenden und 
den Ueberschuß von M. 11,737,81 als Dividende 
von 4pCt. zu vertheilen. Der Bierberkauf erreichte 
5649 Hektoliter, wobon 1311 auf die erste, 4338 
auf die zweite Jahreshälfte entfielen. Die Aus⸗ 
fichten füͤr das zweite Geschäftsjahr erachtet die 
Direktion als günstig, indem eine Verminderung 
der außergewöhnlichen Arbeitslöhne und eine Ver⸗ 
zrößerung der Leistungsfähigkeit des Betriebes in 
icherer Anssicht steht. E.) 
— Muhlhofen, 9. Dez. Endlich ist die 
Frage der Erbauung des Bahnhöfchens Billigheim- 
Mühlhofen endgültig durch Se. Excelleuz den kgl 
Kegierungs-Präsidenten und Staatsrath Herrn v. 
Braun dahin entschieden, daß genannte Haltestelle 
an der zu erbauenden Stkundärbahn Rohrbach- 
dlingenmünster zwischen Billigheim und Muhlhofen 
zu erbauen ist. Es ist damit sden Wünschen der 
zesammten Bürgerschaft Mühlhofens wie auch der 
Mehrzahl derjenigen von Billigheim Rechnung ge⸗ 
ragen. Die Verbindungsstraße, zum Bahn hofe 
ührend, welche zu erbauen Mühlhofen schon längst 
hereit ist, muß nun auch von Billigheim ausgeführt 
werden. (L. E.) 
— Speyer, 10. Dez. Am 10., 11. und 
12. Dezember, jedesmal vormittags von 91 Uhr 
an, wird dahier unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz 
des Herrn kgl. Regierungspräsidenten und Staats⸗ 
rates v. Braun, sowie in Gegenwart der Mitglieder 
beider Abteilungen der Prüfungskommission die 
mündliche Prüfung der zum Staatsdienste 
adspitierenden Rechtspraktikanten der Pfalz 
abgehalten. (Sp. Ztig.) 
— Speyer. Pfälzische Aussteuer⸗-Anstalt. 
Bei dem diesjährigen Abschlusse der Hauptliste find 
wegen Nichtzahlung des Beitrages eine Reihe von 
Nummern gestrichen worden. Reclamationen müssen 
innerhalb 8 Tagen bei dem Rechner der Anstalt, 
Herrn F. Haid hier, angemeldet werden. Im 
Banzen wurden von 1547 Nummern, 28 mehr 
uls im Vorjahre, die Beiträge einbezahlt und hier⸗ 
zus 14 Gewinne zu je 300 Mk. gebildet. Dit 
offentliche Einlegung der Loose in's Glücksrad findet 
hier am 21. d. M. und am 22. d. M. die öffent⸗ 
iche Verloosung der Gewinne statt. Vor der Ver⸗ 
oosung Generalversammlung. Tagesordaung: Ab⸗ 
hör der letzten Jahresrechnung und Neuwahl des 
Verwaltungs-Ausschusses. 
— Wachenheim, 9. Dez. Die hiesige 
Schuljugend, welche im verwichenen Sommer von 
den Masern heimgesucht worden war, leidet in 
der letzten Zeit derart an der Ohrenklamm, daß 
in der letzten Woche übec die Hälfte derselben in 
den einzelnen Schulen als krank entschuldigt werden 
mußte.. 
— Freinsheim, 10. Dez. Gesitzwechsel.) 
Wie dem D. A. mitgetheilt wird, ging die hiesige 
Apotheke des Herrn Wilhelm Schramm durch Kauf 
in einen Herrn aus der Rheinprovinz über. Der 
Berkauf wurde durch Vermittelung des Commis⸗ 
ionsgeschäfts S. Kaufmann perfekt. 
— Ludwigshafen, 10. Dez. Inder Woche 
bdor Weihnachten, am Donnerstag den 20. Dezember 
nächsthin, veranstaltet der hiesige Cäcilien Verein 
ein öffentliches Konzert zum Besten der Familie 
Isenmann, das geeignet; sein dürfte, die 
Musikfreunde in großer Anzahlzum Besuche zu 
oeranlassen. 
— Gollheim, 10. Dez. (Ndpf. B.) Gestern 
hrach am Postomnibus auf der Strecke von Dreisen 
hierher eine Achse. Der Omnibus, mit einigen 
Pafsagieren besetzt, fiel um, der Postillon wurde 
vom Bock geschleudert. Sämtliche Personen kamen 
mit dem Schrecken dabvon und mußten den Weg 
aach Göllheim zu Fuß zurücklegen. 
— Kirchheimbolanden, 10. Dezember. 
Bestern Nachmittag fand dahier im Saale des 
herrn Chormann die erste definitive Versammlung 
»eß Vereins für häusliche Krankenpflege statt. Es 
waren etwas über 30 Personen der Einladung ge⸗ 
folgt. Herr Bezirksamtmann Esper erstattete Be⸗ 
richt über die Zeichnung von Beiträgen. Hiernach 
vurden gezahlt von 443 Mitgliedern Mk. 666.35 
aährliche Beiträge und Mk. 41.50 einmalige Bei⸗ 
räge; hierzu kommt noch das Brunk'sche Legat 
nit Mi. 150.— sodaß im Ganzen vorhanden sind 
n Summa Mk. 857.853. — Hierauf erstattete 
derr Esper Bericht über die Verhandlungen mit 
»em Distriktsrathe. Die Krankenpflegerin finde 
Jufnahme im Distriktskrankenhause dahier gei, 
eine reduzlrte jährliche Verpflegszahlung — 
Mk. und einen Beitrag von 50 Mk., außerd 
jei eine Leistung an das Mutterhaugs in Sp 
zu entrichten, die zwar auf 260 Me. veranschle 
sei, aber worüder erst Unterhandlungen stattzufin 
hätten. Die jährlichen Ausgaben für eine⸗ Kranf 
pflegerin sind demnach vorläufig auf 870 
festgestellt worden. 
— Lautereken, 10. Dez. In der gest 
hierselbst stattgehabten Versammlung der Krie 
vereine Becherbach, Lauterecken, Odenbach, 
Wol fstein wurde Herr Jakob Gauer 
Becherbach einstimmig zum Bezirkzobmann gewa— 
—————— 
Vermischtes. 
4 St. Johann, 10. Dez. Als vorgehte 
Rachmittag Knaben auf dem Prinzenweiher sich 
Schlittschuhlaufen vergnügten, brach an einer Ste 
das Eis; ein Kaabe sank ein, sein Bruder woh 
ihn herausziehen, fiel aber auch ins Wasser; 
Gleiche widerfuhr einem andern Knaben, der H 
leisten wollte. Ein Junge benachrichtigte schu⸗ 
mehrere in einer nahegelegenen Brauerei befindli— 
Männer von dem Vorkommniß; dieselben kam— 
sofort und reichten den Knaben Bretter und Stange 
woran sie sich festhalten konnten; so wurden 
aus dem Wasser gezogen. Zwei Knaben brach 
man in ein Haus, gab ihnen Kleidungsstücke zu— 
Umkleiden und beförderte sie mit einem Wagt 
nach der Stadt in das elterliche Wohnhaus; 
liegen noch krank darnieder. Der dritte eingesunken 
kleine Schlittschuhläufer lief mit den nassen Kleide 
nach Hause. (S. J.S. UA.) 
F Am Samstag Nachmittag versqhied 
St. Johann der evangelische Pfarrer He— 
Beorg Dörmer nach fast fünfwöchentliche 
schweren Krankenlager. Der Enischlafene war— 
Jahre 1823 geboren. Er studierte in Bonn Thee 
sogie, erhielt als Pfarrer Anstellung in Alt⸗Wie 
und kam im Jabre 1868 an die evangelische G 
meinde zu St. Johann, der er während 20 Jahre 
ein treuer Seelsorger war, hochgeehrt und aufricht 
hetrauert von seiner Gemeinde. (S. 3) 
4 Mannheim. Hauptlehrer Dr. Meuse 
Redakteur und Begründer der Neuen Badisch 
Schulzeitung, ist wegen eines in dieser Zeitun 
enthalienen, Herrn Oberschulrath Joos in Karb 
ruhe beleidigenden Artikels aus dem Schuldienk 
und zwar ohne Pension, en thlassen worde 
Herr Dr. Meuser hat gegen diese Verflügung 
Oberschulraths Berufung zum Ministerium 
hoben. 
F Köoln. Die hiesige Sattler⸗Innun 
hat im letzten Jahre für nahezu 300.000 
Militärarbeit geliefert, wodurch manchem kleine— 
Meister besonders fur den Winter lohnender Ve 
dienst zu Theil wurde. 
PFür Briefmarkensammleristdie Me 
teilung nicht ohne Interesse, daß ein Mitglied 
Wiesbadener Philatelisten⸗Vereins dieser Tage ser 
Sammlung für das schöne Sümmchen von 601 
Mark an einen Londoner Händler, der eigend 
diesem Zwecke aus England haerher reiste, derlaun— 
hat. 
f Der Mörder Dauth scheint doch — 
und nach Reue über seine That zu empfind 
wenigstens deutet darauf eine bei ihm bemerh 
anhaltende Niedergeschlagenheit hin. Nach 
eigenen Angabe des Dautih hatte er eine Zeit uu 
gleichzeitig verschiedene Geliebte und eine Bra 
ẽr scheint überhaupt ein Mensch von statk⸗ 
wickelier Sinnlichkeit zu sein. Das junge Mädch 
dem er nach Karlsruhe gefolgt isi, will er o 
cichtig geliebt haben, obgleich sie nichts wenun 
vie eine Schönheit war. Er will besonders 
fallen an ihrem sanften Charakter und ihrer Liebe 
wücdigkeit im Umgang gefunden haben. Du 
hat jeiner Braut erzaͤhlt, er habe in Hamon— 
ine größere Summe auf der Bank stehen. D 
Bank ist wohl unzweifelhaft der arme Hülsebe 
Jewesen. Dauth wird von Herrn Oberinspen 
daempe persönlich überwacht und in dessen 
vesenheit von anderen Angestellten des Gefängm 
Sein Benehmen ist ein geradezu musterhaftes. 
allem zeigt er sich willig es erscheint kaum gle 
lich, daß ein solcher Mensch einen geplanten Ra 
mord ausführen konnte. Er trägt in seinem duß— 
Verhalten etwas Weltmännisches zur Schau, 
er scheint überhaupt ein Mensch von nicht 
wöhnlicher Bildung. Am meisten beschäftigt e