Full text: St. Ingberter Anzeiger

z5t. Ingherter Anzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
r Gt⸗ Iz; Zrittger erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage. 2Z mal wöchentlich mit Unterhaltungt - Blatt und Freitags und Samstags mit acht⸗ 
miger illu rirter Beilage. Das Blatt koftet viertelijahrlich 144 60 — einschließlich Tragerlohn; durch die Poß bezogen ĩ A 78 -, einschließlich 40 Zustellungsgebühr. Die 
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Auskunft ertheill, 13 , Reklamen 80. Bei 4maliger Einruckung wird nur dreimalige berechnet. 
Donnerstag, 5. April 1888. 23. Jahrg. 
268. 
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vorerst controlliren ließe, inwieweit diese beunruhigen⸗ 
den Gerüchte begründet sind. 
* Durch die Bildung des Ministeriums Floquet 
si die Crisis, welche sich in Frankreich an den 
Abgang des Cabinets Tirard knupft, äußerlich we⸗ 
uigstens beschworen, aber im Inneren bleibt diestlbe 
inverändert bestehen, denn die Ursachen, welche zum 
Sturze des bisherigen Cabinets führten, sind mit 
»essen Verschwinden nicht auch zugleich beseitigt 
vorden. 
Als das eigentliche Grundübel erscheint die 
mmer weitere Fortschritte machende Zersetzung der 
ranzösischen Parteiverhältnisse, welche immer wieder 
ie so unnatürliche Verbindung der Radicalen mit 
ꝛen monarchistischen Gruppen gegen die Regierung 
eitigt. Als ein speciell die jetzige Crisis charakte- 
isirendes Moment kommt die boulangistische Be⸗ 
vegung hinzu, welche sich der allgemeinen Unzu⸗ 
riedenheit in Frankreich mit dem gegenwärtigen 
infähigen republikanischen Regime geschickt bemäch - 
iigt hat und dieselbe in bekannter Weise ausbeutet 
Vorerst handelt es sich darum, ob die franzö— 
ische Deputirtenkammer aufgelöst werden oder noch 
veiter vegetiren soll; die Monarchisten wie die An— 
Jjänger Boulanger's plaidiren ungestüm für die 
Auflösung, von der sich die Parteiganger des Kai⸗ 
erthums wie der „legitimen“ Monarchie und der 
dictatur Boulanger's nicht mit Unrecht eine Förder 
ing ihrer dunkeln Pläne versprechen. Dagegen 
cheinen die Anhänger Clemenceau's, die Radicalen, 
zoch stutzig geworden zu sein, denn es heißt jetzt, 
je würden das neue Cabinet auch ohne Kammer— 
wuflosung unterstützen. 
Man mag die heutige Crisis jenseits der Vo— 
zesen betrachten wie man will, immer wieder muß 
man zu dem Schlusse kommen, daß hinter ihr das 
politische Chaos lauert und letzteres seinerseits kann 
nur zur Dictatur und dann zur — Monarchie führen 
* In Florenz, der Frühlingsvilleggiatur der 
Zönigin von England und des württembergischen 
önigspaares, findet am Sonnabend eine Begegnung 
wischen der englischen Monarchin und dem italie⸗ 
nischen Königspaare statt. Letzteres begibt sich in 
Begleitung des Arbeitsministers Saracco, sowie des 
Tabinetschefs Crispi selber nach Florenz und nament⸗ 
ich letzterer Umstand verleiht der bevorstehenden 
Fürstenbegegnung in der ehemaligen Hauptstad! 
Italiens ein besonderes politisches Relief. An die 
Begrüßung soll sich eine Revue über die mit der 
italienischen Flotte zu vereinigende englische Mittel⸗ 
meerflotie in Spezzia oder Livorno schließen, ge—⸗ 
wissermaßen als eine Besiegelung des gegenwärtigen 
Bündnißverhaltnisses auch zwischen Italien und 
England. 
* Die von italienischen Blättern verbreiteten 
beunruhigenden Mittheilungen über die Gesund⸗ 
heit des Papftes werden von authentischer 
Seite für unbegründet erklärt. 
* Die kaum erst begonnenen italienisch— 
abyssinischen Friedensverhandlungen 
Jaben fich schon wieder zerschlagen. Der Negus 
jat ein zweites Schreiben an den italienischen Ober⸗ 
zefehlshaber, General San Marzano, gerichtet, 
worin er erklärt, auf die italienischen Friedensbe⸗ 
dingungen nicht eingehen zu können, wahrscheinlich 
— wie man wenigstens italienischerseits annimmt — 
nus Furcht, sein Anfehen bei den hervorragenderen 
Führern und der Armee einzubüßen. Die Abyssinier 
zaben sich in den mit Wasser versehenen Localitäten 
oncentrirt, der Negus selbst begab sich nach Sa⸗ 
burguma. Abyssinier und Italiener werden fich 
also bis auf Weiteres noch schlaafertig gegenüberstehen. 
* Aus der rumänischen Hauptstadt 
kommt die überraschende Kunde, daß der Mini⸗ 
terpräsident Bratianu auf's Neue seine 
demisfion gegeben hat, vermuthlich unter dem Ein- 
drucke des scandalösen Treibens der Opposition. 
Der König beauftragte den Senatspräfidenten Fürsten 
Ihika mit der Cabinetsbildung, welcher jedoch ab⸗ 
ehnte, worauf dem Vernehmen nach Rosetti, wel⸗ 
her dem Parlamente nicht angehört, diese Aufgabe 
bernahm. 
den 6 mal wöchentlich erscheinenden „St. Ing⸗ 
rter Anzeiger““ mit zwer Sseitigen illustrir- 
Beilagen für das II. Quartal 1838 werden 
genommen von den Postanstalten, den Vostboten, 
umtragern und der Expedition. 
Politische Uebersicht. 
2Der Amnestieerlaß erstreckt sich, wie be— 
nnt, nicht auf Personen, welche wegen Landes⸗ 
ind hochverraths verurtheilt sind. Fur diese Aus- 
ahme dürfte der Umstand maßgebend gewesen sein, 
ch die Amnestie eben nur eine vom König von 
mreußen, nicht aber vom deutschen Kaiser erlassene 
4. Mithin kann sie sich nicht auf die vom Reichs⸗ 
zuicht als erste Instanz wegen Hoch und Landes⸗ 
errathes verurtheilten Personen beziehen, wozu aber 
loch kommt, daß es auch dem allgemeinen Rechts⸗ 
efühl widersprochen haben würde, wären Individuen, 
elche mit dem Auslande zum Nachtheil des deut—⸗ 
hen Reiches conspirirt oder Dynamit-Attentate 
Irsucht haben, mit unter die Wohlthaten des Er⸗ 
—D 
nadenact des neuen Herrschers ein umfassender, 
a gibt zahlreichen Gefangenen die Freiheit zurück 
nd klang er darum harmonisch in die Osterfreude 
rein. 
Dem Reichskanzler Fürsten Bis⸗ 
„marck sind auch zu seinem 73. Geburtstage über⸗ 
us zahlreiche und herzliche Zeichen der Theilnahme 
us Nah' und Fern' zugegangen, während an vielen 
drten des Reiches besondere Feierlichkeiten anläßlich 
es Geburtsfestes des Kanzlers veranstaltet wurden. 
hesonders erhebend gestaltete sich die in Köen am 
donnlag Abend zu Ehren des Fürsten stattgefundene 
jtier im Gürzenich Saale. Eine große Anzahl 
in Bürgern fand sich hierzu ein und hielt Regier⸗ 
aupräsident v. Sydow die erste Rede, worauf 
dberaatsanwalt Hamm in längerer Rede die Ver— 
ienste des Reichskanzlers, des Ehrenbürgers Köln's, 
ette. Die Versammlung sandte schließlich ein 
Rüdwünschungstelegramm an Furst Bismardab; 
n eingung der „Wacht am Rhein“ endete 
deier. 
Wir wollen nicht unerwähnt lassen, daß auch 
St. Ingbert der Geburtstag unseres 
helanzlers Fürsten Bismarck im engeren 
ehe am Samstag Abend im Cafs Seiter gefeiert 
ude. In ernsten und heitern Reden wurde der 
dienste des verehrten Kanzlers gedacht. Ab⸗ 
delnd hiermit erliangen die herrlien Vorträge 
niotischer Lieder durch unsern Reichsbarden Hrn. 
eiter, von denen namentlich die beiden: „Wir 
dbereit und Hurrah, Germania von frraf. 
ser Wirkung waren. In heiterster Stimmung 
die Gesellschaft bis Mitternacht vereinigt.) 
In die Ruhe der Osterfeiertage klangen aus 
ouautaiserstaau⸗ sensationelle Ge⸗ 
“ e von großen Verschiebungen österreichischer 
Apen nach der galizischen Grenze zu hinein. 
qp — sollen bis zum 15. April nicht we⸗ 
* s drei neue vollständige Divisionen aus dem 
n de Reiches nach Galizien mittels Ertra- 
a abgehen, um die dortige Truppenmacht wenig⸗ 
ren auf die Staͤrke der gegenüberstehen⸗ 
ben Truppen zu bringen Weiter der⸗ 
F p Errichtung großer Lazarethe in Krackau 
snderen Platzen, sowie von Personalverander- 
in den höchsten Commandostellen der in 
llebenden Truppen. ohne daß sich dod 
Deutsches Reich. 
Berlin, 3. April. Das socialistische „Berl. 
Volksbl.“ erkennt selbst an, daß der Gnadenact 
des Kaisers nicht auch eine Amnestie für Social⸗ 
—XEDDO 
mokratie selbst den Kampf gegen den modernen 
Verfassungsstaat nicht aufgeben wolle. Die erbit⸗ 
terte Leidenschaft dieser kriegführenden Partei 
will keinen Pardon, geschweige denn eine aufrichtige 
Annäherung und Versöhnung, — sie ist in ihrem 
wahnwitzigen Eifer so weit gegangen, von Central⸗ 
comites wegen erklären zu lassen, daß kein Ange⸗ 
höriger der Partei einen auf dem Wege der Gnade 
berfügten Straferlaß annehmen dürfe, widrigenfalls 
er nicht mehr als „Genosse“ zu betrachten sei. 
Berlin, 3. April. Bei dem Diner, das am 
Ostersonntag der Reichsskanzler anläßlich seines 
73. Geburisfestes gab, erhob sich, nachdem der 
Reichskanzler des hochseligen Kaisers gedacht und 
ein Hoch auf Kaiser Friedrich ausgebracht hatte, 
der Kronprinz und bat um Gewährung, bei 
einer so erhebenden Gelegenheit ein Bild vorzuführen, 
wie er fich das Deutsche Reich in seiner politischen 
und sozialen Lage, in seinen inneren und äußeren 
Beziehungen im gegenwärtigen Augenblicke vorstelle. 
Er vergleiche dasselbe mit einem Armeekorps, wel⸗ 
hes im Feldzuge seinen Höchsteommandirenden ver⸗ 
loren habe und dessen erster Officier schwer ver⸗ 
wundet darniederliege. In diesem Augenblick richte⸗ 
ten sich 46 Millionen echter deutscher Herzen in 
Angst und Hoffnung nach der Fahne und deren 
Träger, von dem Alles erwartet werde. Der Träger 
dieser Fahne sei aber uuser erlauchter Fürst, un ser 
großer Kanzler; er gehe uns voran, 
ihm folgen wir, er lebe hoch! 
Ausland. 
Nom, 4. April. Der König ließ dem Minister— 
präsidenten Crispi 40000 Francs für die durch 
die jungsten Ueberschwemmungen in Deutschland 
Betroffenen zustellen. Beigefügt war ein Schreiben 
des Ministers des königlichen Hauses, worin der 
Wunsch des Königs ausgesprochen wurde, Deutsch⸗ 
land seine Dankbarkeit auszudrücken für die viel- 
fachen Beweise der Sympathie, welche die deutsche 
Nation bei verschiedenen Gelegenheiten für Italien 
ʒetundete. Crispi übergab die Summe dem deut⸗ 
schen Botschafter, welcher ihn ersuchte, dem Koönige 
Namens der deuschen Regierung zu danken. 
Die Termine für die Audienz des zweiten 
deutschen Pilgerzuges hat der Papsst auf die Zeit 
wischen dem 9. und 12. Mai in Aussicht gestellt. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
S St. Ingbert, 5. April. Gestern Nach⸗ 
mittag von *3 Uhr ab hielt der Bezirkslehrerverein 
Zliestastel⸗St. Ingbert im Lokale Oberhauser seine 
zrtühjahrsversammlung ab. Herr Lehrer Michel⸗ 
Kohrbach hielt einen mit sehr großem Fleiße aus⸗