Full text: St. Ingberter Anzeiger

in der ganzen Umgegend bekannte tüchtige 74jährige 
Pumpenmacher Friedrich Sohn, der durch Fleiß, 
Beschicklichkeit und Rechtlichleit sich bedeutend em⸗ 
porarbeitete. In letzter Zeit machten sich Anzeichen 
von Geistesstörung nach Angabe seiner Angebörigen 
geltend. — Der andere ist ein noch junger Mann, 
der durch Familienkreuz, Verlust seiner Frau und 
seines einzigen Kindes durch den Tod, wahrschein⸗ 
lich zu diesem unseligen Schritte getrieben wurde. 
Er heißt Friedrich Ittel und war ein küchtiger 
Sattler. Beide litten an Furcht, Angst und Ver⸗ 
folgungswahn und erhängten sich im Hause. 
— Dirmstein, 5. April. „Ein Unglück 
ommt felten allein!“ sagt ein gutes deutsches 
Sprichwort, und dasselbe kann ein hiesiger Bürger 
vohl in weitester Bedeutung auf sich anwenden. 
Zu Anfang voriger Woche meldeten wir den am 
Palmsonntag frühe erfolgten Einsturz eines Hauses 
hier, wodurch dem Eigenthümer ein höchst empfind⸗ 
licher Nachtheil erwachsen mußte. Noch mehr! 
Zwei Tage spätec verlor derselbe eine ausgezeichnet 
gute Kuh infolge plötzlich eingetretener Krankheit, 
und als einzige Entschädigung hiefür blieb ihm 
die Haut. Und vollends: — Heute Vormittag 
um 10 Uhr — der Schwerheimgesuchte war auf 
dem Felde, seine Ehefrau mit einem sechsjährigen 
naben allein zu Hause und mit den Vorbereit 
angen zum Mittagessen beschäftigt — wurde sein 
in der Nähe stehendes zweites Wohnhaus, das er 
infolge Verheirathung in zweiter Ehe zu dem ein⸗ 
gestürzten Hause erworben hatte, ein Raub der 
Flammen. Schnell griff das Feuer um sich, 
piang auf das angebaute Nachbarhaus über, und 
in kurzer Zeit waren beide Wohnhäuser bis auf 
die Grundmauern niedergebrannt. 
Vermischtes. 
fMuünchen, 7. April. Verkehrsanstalten⸗ 
Dienstprüfung. Das Ministerium des Aeußeren 
zat bestimmt, daß für Stellen im Portierdienste 
auch einige Sprachgewandtheit im Franzofischen 
und Englischen verlangt werden soll. 
F München, 7. April. Eine in der Holz⸗ 
raße 19 wohnende Familie rettete im vorigen 
Sommer eine Schwalbe, welche halb verhungert 
auf die Altane gekommen war, indem sie das 
Thier fütterte und längere Zeit bei sich in der 
Wohnung behielt. Die dankbare Schwalbe wurde 
so zutraulich, daß sie sich von jedem Familienmit⸗ 
zlied fangen ließ und sich von einer Tochter der 
Familie auf der Schulter mitten durch die Stadt 
und zum Photographen tragen ließ, wo sich bdeide, 
die Schwalbe auf einem Finger der Dame sitzend 
porträtiren ließen. Als der Herbst kam, wanderte 
die Schwalbe gleich den übrigen nach dem Süden. 
Man kann sich nun die freudige Ueberraschung 
denken, als heute Früh 7 Uhr die Schwalbe durch 
das offen stehende Oberlichtfenster in das Schlaf⸗ 
zimmer der Kinder dieser Familie geflogen kam, 
sofort Futter annahm und sich alsbald wie im 
vprigen Jahre ganz heimisch fühlte. Selbstverständ⸗ 
lich wurde der treue Gast von der ganzen Familie 
freudigst bewillkommt. 
fF München, 8. April. Die allgemeine 
deutsche Forstmännerversammlung findet 
in diesem Jahre in den Tagen vom 9. bis 13. 
September dahier statt. Der Besuch der Versamm⸗ 
lung wird voraussichtlich ein sehr starker. Im An⸗ 
schluß an die Verhandlungen find Ausflüge in die 
in der Nahe von Munchen gelegenen Waldungen 
in Aussicht genommen. — Bei dem kgl. Kataster⸗ 
Bureau wird im Herbste 1888 eine praktische 
Prüfung für Kataster- und Bezirks— 
geometer stattfinden. Zu dieser Prüfung wer⸗ 
den jene Candidaten zugelassen, welche bei der tech⸗ 
nischen Hochschule in München das Absolutorium 
für das Geometerfach erlangt und vor dem Besuche 
der technischen Hochschule ein humanistisches oder 
Realgymnafsium oder eine kgl. bayer. Industrie⸗ 
schule absolvirt haben und den Nachweis über eine 
zweijährige Praxis zu liefern vermögen. Die prak⸗ 
tische Pruͤfung beginnt am Montag, den 17. Sep⸗ 
tember 1888; die Zulassungsgesuche sind spätestens 
his zum 1. Juni ĩ. Is. bei dem kal. Kataster- 
Bureau einzureichen. 
F Amberg, 6. April. Vom Schöffengerichte 
wurden 2 junge Fräulein, welche einer jungen 
Frau zwei unanständige Neujahrsgratulationskarien 
unter Couvert zuschicken ließen, wegen Beleidigung 
zu 5. bezw. 8tägiger Gefängnißstrafe und zur 
Kostentragung verurtheilt. 
F Würzburg, 6. April. Eines Vergehens 
der fahrlässigen Tödtung angeschuldigt ist der Ge⸗ 
reite des 18. Infanterie-Regiments Anton Becki 
on Bellheim, Bezirksamt Germersheim. Der 
Anteroffizier Wies genannten Regiments hatte von 
inem Bekannten einen sogenannten Zimmerstutzen 
rhalten und im Kasernenzimmer zu Landau in 
Begenwart des Becki eine Uehung damit vorge⸗ 
iommen. Er hatté eine scharfe Patrone hinein—⸗ 
jesteckt, den Zimmerstutzen gegen die Wand gehalten 
ind losgedrückt, allein der Schuß versagte wieder⸗ 
jolt. Wies nahm schließlich die Patrone wieder 
eraus und legte sie in eine Schublade. Am 
dachmittag des betreffenden Tages ging Wies in 
AIrlaub, ließ aber sein Gewehr im Zimmer hängen. 
Iuf Veranlassung des Soldaten Bauer von Min— 
eld nahm der Angeklagte das Gewehr und steckte 
ie scharfe Patrone in den Lauf, er kam dem 
Drücker zu nahe, der Schuß ging los und die 
dugel drang dem gegenübersitzenden Bauex in den 
Unterleib. Der Berletzte starb audern Tags in 
folge innerlicher Verblutung. Vor seinem Tode 
jußerte er noch gegenüber dem Feldwebel: „Sorgen 
Zie dafür, daß dem Becki nichts geschieht, er kann 
nichts dafür.“ Unteroffizier Wies hatte am 28. 
Januar erklärt, die Patrone sei unbrauchbar. Die 
Beschworenen verneinten auch die Schuldfrage, 
veßhalb der Angeklagte freigesprochen wurde. 
F Aus Franken, 7. April. Auf der stra- 
tegischen Bahnlinie Nürnberg Crailsheim ist bereits 
die Schienenlage des neuen zweiten Geleises vol⸗ 
endet. Es verkehren auf der Strecke bereits Ma⸗ 
erialzüge. Die Bahn soll bis 1. Juni d. J. fertig 
ibergeben werden. Hinter Station Crailsheim 
nachen nur noch die Ueberbrückungen der Jart 
inige Schwierigkeiten, doch hofft man auch diese 
ioch vor der gegebenen Frist zu heben. — Auch 
nuf der Linie Lauda Heidingsfeld-Würzburg ist das 
leichfalls aus strategischen Gründen heergestellte 
doppelgeleise vollendet. 
F Stuttgart, 7. April. Die württem—⸗ 
ergischen Zeitungen enthalten heute einen mit zahl⸗ 
eichen Unterschriften aus dem ganzen Lande be⸗ 
eckten Aufruf für ein Landesdenkmal Kaiser Wil⸗ 
elms in Stuttgart. Erster Unterzeichner ist Prinz 
Bilhelm, zugleich Ehrenpräsident des Ausschusses. 
Z„ämmtliche Reichstagsabgeordnete und über 70 
dandtagsabgeordnete haben sich ebenfalls unterzeichnet. 
f Frankfurt a. M., 7. April. Es ist nun⸗ 
nehr festgestellt, daß der in der Kinzig Ertrunkene 
nit dem entsprungenen Langner nicht identisch ist. 
das Publikum wird daher unter Bezugnahme auf 
ie öffentlich angeschlagenen Plakate aufgeferdert, 
sach wie vor alle ihm belannt werdenden That⸗ 
ichen, welche auf die Flucht und die Wiederer⸗ 
zreifung des Langner Bezug haben, der Polizeibe⸗ 
sörde mitzutheilen. 
FMannheim, 5. April. Von Seiten des 
5tadtrathes wurde beschlossen, für das hier zu er⸗ 
ichtende Kaiser Wilhelm⸗Denkmal vorläusig 10,000 
Mark in das Badget einzustellen. 
F Colmar, 5. April. Ein kaltes Bad 
cheint, trotz der herrschenden Temperatur, auf 
nanche Leute doch eine große Anziehungskraft aus⸗ 
iben, wie es aus folgendem Geschichtchen der Col⸗ 
narer Zeitung erhellt: „Der Gerber Andreas 
Waller, wohnhaft in der Haslingergasse, hatte sich 
vorgestern einen kolossalen Affen gekauft und tau⸗ 
nelte mit demselben durch die Straße. Am Brei⸗ 
acherthor Thor kam ihm ein Zug der Straßen- 
ahn entgegen. Indem er demselbon ausweichen 
vollte, verlor er gänzlich das Gleichgewicht und 
türzte kopfüber ins Brennbächlein. Jetzt kam das 
Schönste, einmal im Wasser, wollte er nicht wieder 
jeraus. Er wälzte sich behaglich umher und drei 
Nänner waren nöthig, um ihn mit Gewalt an das 
üfer zu schleifen. Waller wollte durchaus nicht 
zus dem Bach und wenn man ihn nicht nach 
dause geführt, wäre er von neuem ins Wasser ge⸗ 
prungen“. Wohl bekomm's! 
F Neunkirchen, 8. April. Die „S. u. 
Bl.Zig.“ schreibt: Ein raffinirter Schwindler 
reibt, gegenwäͤrtig hier sein Wesen, und warnen 
vir hiermit alle Geschäftsleute vor demselben. Er 
st groß und schlank und sucht meistens kleine Läden 
juf, wo er in höflicher Weise bittet, ihm ein größeres 
ßeldstück oder einen Papierschein zu wechseln. Wäh⸗ 
end er nun scheinbar das Geld hervorsucht, zählt 
der Ladeninhaber das gewünschte Kleingeld hin, 
vorauf der Gauner dasselbe im Nu zusammenrafft 
ind schleunigst davonläuft, dem verblüfften Kauf- 
nann das Nachsehen überlassend. Drei hiesige Ge⸗ 
häfte sind auf diese Weise bereits geschädigt worden. 
stach dem Gauner wird scharf gesucht 
hm wohl das Handwerk bald gelege — 
F Neunkirchen, 9. April. (8 
Line sehr interessante Sehenswürdigte J. 
värtig im Saale des Herrn Kramd J 
kin Meeresbewohner, den selten ein 
AIuge erblickt, da dessen Art im —E 
st, ein Exemplar der Si rene ist ** 
varirtem Zustande zu sehen. Man 9 
Thier mit Recht eine Meerfrau nennen 
jat in mancher Beziehung lberrascheme ge 
eit mit dem Menschen. Besonders die d 
ie fünf Fingern sind vollständig — 
rsetzen die Flossen bei den Fischen. R 
äume nicht, dieses merkwürdige Thie— 
aten und neuen Zeiten Stoff zu den winn 
HNärchen gegeben bat, sich anzusehen. 
F Köoln, 6. April. Für die Wassehit 
in Elbe und Weser haben die Aktioriu 
vestfälischen Webstofffabriken in ihren un 
zehabten Hauptversammlungen namhast J 
»ewilligt, nämlich die Radensberger — 
gielefeld 3000 M., die Bielefelder mie 
Beberei 2000 M. Dieses lobenswerte Vih 
mdern Aktienunternehmungen, die über rei 
rägnisse zu verfügen haben, zur Nachahmungem 
F Das höchste Alter in Deutst 
ürfte wohl gegenwärtig der frühere Schitns 
Markus Jordan in Bielefeld haben, welh 
Jahre zählt. 
F Wiesloch, 9. Aprii. Vorgesten! 
3 Uhr ereignete sich im nahen Altwiehlt 
Inglücksfall, der sehr schwere Folgen hiant 
önnen. Emin uralter Thurm von ca. 25 
Zöhe, welcher von einem Gehöfte umgeben 
»er vor einiger Zeit zum Abbruch bversteigetu 
türzte ein und schlug zwei nebenstehedde hi 
zänzlich zusammen. Zwölf Personen, bems 
ssen begriffen, wurden unter den Ttümnm 
zrahen, jedoch sämmtliche, mit mehr odenm 
chweren Verletzungen noch lebend hervoryh 
F Dr. Kaußler, Chefredakteur der 
Post“ hat den Freiherrn v. Hammerstein 
edakteur der „Kreuzzeitung“ wegen Beled 
verklagt, weil letzterer die „Post“ der Felori 
semeinen Verleumdung beschuldigt hatte. 
Brozeß macht großes Aufsehen, weil derjelb 
Folge jener vielbesprochenen Versammluns 
Beneralquartiermeister Grafen Waldersee 
velcher der Kronprinz Wilhelm zu Gunßfen! 
Stöcker'schen Stadtmission sich äußerte. 
F Doppelt reitzt nicht. Ein flohte! 
mann aus der Haupistadt verherrlicht durh 
Anwesenheit den Honoratiorenball eines Prwiin 
tädtchens. Die Mutter zweier hoffnunß 
Töchter, eine echte rechte Ballmutter, mach 
—X 
merksam. Thatsächlich werden auch die 
ungen Mädchen von ihm, dem begehrtes 
Tänzer, am meisten ausgezeichnet. Da, 
pause, stürzt plötzlich die Mutter auf ihre 
os. „Mit dem Großstädter ist es nichts!“ 
je ihnen zu; „er soll fabelhaft viel Schulden se 
Zu spat!“ entgegnei die Aeltere, „er hatst 
em zweiten Watzer mit mir verlobt. „It 
nir“, schluchzt die Andere, „mit mir ur 
weiten Quadrille!“ 
F Weltausstellung Brüssel. Zu 
Nale wird Deutschland auf einer Weltaui 
ie erste Stelle unter den dertretenen 
dationen einnehmen. Die deutsche Abtheil 
insprucht in Brussel mehr wie Zehntausend 
atmeter Raum, welche sich wie folgt veth 
industriehallen Sechstausend, Maschinen 
dreitausend, Garten mehr wie Eintausend 
atmeter. — Das Bureau der deutschen Ablh 
jersendet soeben an alle Ausfieller ein Rundst 
n welchem dasselbe um Einsendung einet 
eder Spezialausstellung ersucht, um an de 
ieses Materials ein recht geordnetes und 
ichtliches Arrangement treffen zu köoͤnnen. 
Detoration der Abiheilung wird eine rechh 
ind nationale, und sind dem Delegirien für d 
and wirkliche Prachtstücke zur Verwendung 
Dekoration zur Verfügung gestellt. Der der 
Abtheilung auch recht lebhaften Besuch zu 
zarauf arbeitet zur Zeit das Comitee hin 
astig und schädlich sich bei den voraufgege 
lusstellungen zu zahlreiche Verkaufsstellen 
aben, so laßt sich doch micht leugnen, 
jarke und anhaltende Besuch der nalienisch 
heilung auf Ausstellungen vielfach in den