Full text: St. Ingberter Anzeiger

eweils in demselben Betrage, find auswärligen 
Anstalten zugewandt worden. Die edelherzige Dame 
var wor Jahren von Aachen nach Bonn gezogen. 
F Herr Berginspektor Frielingshaus von 
Dudweiler hat, wie die „Srbr. Zig.“ hört, 
einen zweijährigen Urlaub erhalten behufs Ueber- 
nahme der Stelle eines Leiters und Vorstandes der 
ür das südwest-afrikanische Schutzgebiet zu errich⸗ 
senden Bergbehörde. 
* St. Johann a. S., 29. April. Am 5. 
und 6. Mai findet im ,Tivoli“ eine größere Mufik⸗ 
aufführung statt, auf die wir an dieser Stelle auf⸗ 
merksam machen möchten. Der erste Tag wird 
den „Odysseas“ von Bruch, zweifelsohne eines der 
zlänzendsten, großartigsten und zugleich gefälligssen 
Werke der Neuzeit, der zweite Tag u. a. die be⸗ 
rühmte „Akademische Fest-Ouverturer von Brahms, 
die allbeliebte Mendelssohn'sche „Walpurgisnacht“ 
und Einzelvorträge der Solisten bringen. Als letztere 
ãand Fräul. Dietsch aus Köln und Fräul. Aßmus 
aus Frankfurt a. M. gewonnen; ferner der am 
zanzen Rhein bekannte Tensrist Herr Litzinger aus 
Düfseldorf und Herr Kammersänger Scheidemantel 
aus Dresden, der bereits mehrfach in Bayreuth bei 
den Parsival⸗Aufführungen große Triumphe gefeiert 
hat und überhaupt vielleicht der bedeutendste unter 
den lebenden Baritonisten ist. Da auch der Chor 
aund das Occhester unter der thatkräftigen und um⸗ 
ichtigen Leitung des Herrn Musikdirektors Heubner 
gutes, zumtheil sogar vorzügliches leisten, so ist 
von den beiden Aufführungen ein Kunstgenuß zu 
zrwarten, den sich kein Freund der Mnsik entgehen 
'assen sollte. Die Concerte endigen beide schon um 
210 Uhr. 
Fe Metz, 28. April. Als ein Fortschritt des 
Deutschthums darf angesehen werden, daß die hie⸗ 
sige Sparkasse, die seit vorigen Herbst einen Deut⸗ 
schen als Direktor erhalten, nun endlich auch deutschen 
Briefwechsel und Buchführung bei sich eingeführt 
hat. Nach 17 Jahren war dies allerdings auch 
endlich einmal Zeit! (3w. 3.) 
FSangershausen, 26. April. Am Sonn- 
jage beschlossen hier dersammelte Vertreter von 40 
Zriegervereinen der goldnen Aue, das Vorhaben, 
Kaiser Wilhelm auf dem Kyffhäuser ein Denkmai 
zu errichten, dessen Kosten von den deutschen Kriegern 
purch freiwillige Beiträge aufgebracht werden sollen, 
in jeder Weise unterstützen zu wollen, und setzten 
ein Komite ein, um mit dem deutschen Kriegerbunde 
ins Benehmen zu treten. 
F Eisleben, 27. April. Eine gerichtliche 
Versteigerung von Hochzeitskuchen dürfte auch zu 
den Seltenheiten gehören. Hierselbst hatten dieser 
Tage die Eltern der Braut dei einem Bäcker, dem 
sie sonst noch schuldeten, 14 Kuchen bestellt. Der 
Bäcker ließ die Kuchen versteigern und kam so zu 
seinem Geld. Die Hochzeitsleute aber mußkten sich 
den Mund wischen. 
F Aus Sachsen, 26. April. Zum dritten 
Mal in diesem Jahr ist Sachsen von einer großen 
Trichinen⸗Epidemie heimgesucht. Dieses Mal ist 
die Umgegend von Zwickau betroffen, wo in Sche⸗ 
dewitz, Niederplanitz und Neudörfel bisher etwa 80 
Personen an der Krankheit schwer darniederliegen. 
F Berlin, 28. April. Die längst ersehnte 
Freigebung des Dreiradfahrens und Vierradfahrens 
in den Straßen Berlins ist nun erfolgt. Unter 
den Byciclisten hercscht Jubel, denn sie meinen, und 
wohl mit Recht, daß es sich hier zunächst um einen 
Versuch handelt, dem, wenn er sich bewährt, auch 
die Freigabe des Zweirades in nicht allzu ferner 
Zeit folgen wird. 
F Zu der Nachricht, daß Fürst Bis marck 
nuf eine ihm vom Kaiser zugedachte besondere 
Auszeichnung verzichtet habe, berichtet die „N.Z.“ 
noch: Wie wir vernehmen, hatte der Kaiser dem 
Fürsten Bis marck auf einem aus seinem Block⸗ 
heft gerissenen Blatte eröffnet, der Reichskanzler 
habe den Diensten, die er Kaiser Wilhelm erwiefen. 
aun schon so viele ihm persönlich erwiesene hinzu—⸗ 
gefügt, daß er beabsichtige, den Fürsten zum Her zog 
zu ernennen und den Söhnen den Titel von Prin— 
zen zu verleihen. Fürst Bis mard bat alsbald, 
anf diese Ehre verzichten zu dürfen, die anzunehmen 
ihm seine materiellen Verhältnisse nicht gestatteten. 
Kaiser Friedrich hat diesen Gründen seine Billig⸗ 
ung ertheilt. 
7 Dr. Makenzie hat den Gedanken, mehrere 
hm abgeneigte Blatter gerichtlich zu belangen, fallen 
lassen. Er beansprucht nur die Berichtigung irr⸗ 
hümlicher Mittheilungen aufgrund des Preßgesetzes. 
Der Befreier Kinlels, Karl Schurz, der 
jetzt in Berlin weilt, beabsichtigt die innerpolit⸗ 
schen Verhältnisse des deutschen Reichs bei Gelegen⸗ 
jeit seines Aufenthaltes in der Heimath einem ein⸗ 
zehenden Studium zu unterziehen. Karl Schurz. 
der soeben mit der Ahfassung seiner Memoiren be— 
chäftigt ist, gedenkt etwa acht Tage in Berlin zu 
»leiben. Er ist heute ein Mann von 89 Jahren, 
zroß und hager, mit gefurchtem Antlitz, leichter⸗ 
zrautem Haar und braunem Vollbart, ein Mann, 
»em man ansieht, daß ihn des Lebens Stürme und 
Wetter umbraust haben. Mit den Manieren eines 
Bentleman verbindet er die legere Art des Welt⸗ 
nanns und eines Weitgereisten. Sein Deutsch und 
ein ganzes Wesen erscheinen durchaus nicht ameri⸗ 
anisch gefürbt, Alles an dem Manne scheint gut 
eutsch geblieben zu sein. Bei der Bedeutung, die 
r in seinem Adoptiv-Vaterlande erlangt hat, und 
»er Werthschätzung und Hochachtung, die ihm seine 
»eutschen Landsleute stets bewahrt haben, kann es 
nicht Wunder nehmen, daß Schurz in Berlin 
on Freunden und Verehrern völlig umworben ist 
ind seine Zimmer im Hotel Kaiserhof von Besuchern 
nicht leer werden. 
F In der orientalischen Gesellschaft in Berlhin 
prach vor einigen Tagen Dr. Solf über die Zii⸗ 
zreuner und schilderte dabei u. A. die eigenartige 
Irganisation der in Deutschland lebenden Zigeuner, 
die dem großen Publikum bisher wohl ziemlich un— 
zekannt gewesen ist. Die in Deutschland wandern⸗ 
den Zigeuner trennen sich in drei Landsmannschaf ⸗ 
len, in Alt⸗Preußen, Neu-Preußen und Hannove- 
raner. Jede der Landsmannschaften hat ihre Farben, 
sowie einen als Stammessymbol geltenden Baum, 
die Alt⸗Preußen führen schwarz weiß und als Sym⸗ 
bol die Tanne, die Neu-Preußen grün⸗weiß und 
als Symbol den Hollunderbaum oder die Birke, 
und die Hannoveraner gold-blau⸗schwarz und als 
S„ymbol den Maulbeerbaum. An der Spitze jeder 
ꝛandsmannschaft steht ein Hauptmann, der auf 
ieben Jahre gewählt wird. Der Hauptmann schließt 
ind scheidet Ehen, erklärt Abtrünnige in Verruf 
ind kann Reuige wieder ehrlich machen. Er führt 
zas Siegel, welches den Igel, das allen Zigeunern 
jeilige Thier, sowie das der betreffenden Lands⸗ 
nannschaft eigene Symbol enthalt. Bei festlichen 
Zelegenheiten trägt der Hauptmann einen dreieckigen, 
nit filbernen Quasten geschmückten Hut und um 
en Arm ein Band in den Farben der Lands- 
nannschaft. Die Ehen werden zumeist am Pfingst 
onntag geschlossen. Eheverbote bestehen nur zwischen 
Ascendenten und Descendenten. Geschwister können 
jeirathen, man vermeidet aber wenigstens in Deutsch⸗ 
and der Gesetze wegen Geschwisterehen. Ehebruch 
st selten und wird streng bestraft. Die ehebrüchige 
Frau erhält einen Schnitt über die Nase, der Mann 
rinen Schuß in's Knie- oder Armgelenk. Eigen 
st den deutschen Zigeunern eine gewisse Scheu vor 
»em Protestantismus. Eine große Vorliebe hat der 
)eutsche Zigeuner für die Taufe wegen der damit 
derknüpften Pathengeschenke. Wenn es anginge. 
ießen die Zigeuner ihre Kinder in jedem Doͤrf 
aufen. Aeußere Zeichen der Trauer legt der Zi⸗ 
euner nicht an, obgleich er sehr pielätvoll ist. 
Seine Lieblingsfarbe ist grün. Grün ist zugleich 
much die Farbe der Ehre, bezüglich welcher ihre 
Anschauungen von denen der Deutschen allerdings 
ehr verschieden ist. 
F Hamburg, 26. April. Die Auswander⸗ 
ing über den hiefigen Hafen, welcher stets das 
Bild eines großartigen Weltverkehrs bietet, scheint 
n diesem Jahre wieder recht lebhaft werden zu 
vollen. Trotzdem am 18. d. M. erst die „Polaria“ 
nit 722 Zwischendecks-Passagieren nach Newyork 
in See gegangen war, herrschte heute früh am 
Jonas, dem Anlegeplatz der Dampfer der Hamburg · 
Imerikanischen Packetfahrt ⸗Aktien Gesellschaft, reges 
Leben. Zu Fuß und zu Wagen kamen die Aus— 
vanderer in langen Zügen daher, theilweise beladen 
nit ihrer Habe, um in der neuen Welt ihr Glück 
u suchen. Es waren meistens Bewohner der öst⸗ 
ichen Landmarken unseres Vaterlandes: Pommern, 
Ostpreußen, Polen, aber auch Russen und Oester⸗ 
reicher, die sich an Bord der „Rhaetia“ nach New⸗ 
jork einschifften, und mit nicht weniger als 8350 
Zassagieren trat das Schiff heute früh nach sechs Uhr 
die Reise an, um in Habre, woselbst es nach 86- 
ründiger Fahrt eintrifft, noch weitere französische 
)assagiere und Güter aufzunehmen. Der Rhaetia⸗ 
olgt am Sonntag den 29. bereits der „Lessing“, 
är welchen volle Ladung und eine bedeutende An⸗ 
ahl Passagiere gesichert sind 
.Squs dezutf ger In teres 
Ausland.) Am 2. Januar h mit 
schien in der Sangarabucht an der senr tine 
uüste die deutsche Corvette „Ariadne“ nn 
detten Capitän Chüden, um das — 
der Dubrecka und dem Rio Pongo in —T— 
Schutz zu stellen. Für diefe Maßnahnene 
mehrere Gründe vorhanden, zunächs 
er Stuttgarter Kaufmann Colin nieden 1 
Hebiet erworben, Factoreien angelegt um us 
schen Schutz gebeten. Capitän Chüden 
am 3. und 6. Januar 1885 in den dn 
orten dieser Gebiete, Taboria und Jal 
Zauptlinge darum nachgesucht hatten, die 
Flagge auf. Sofort erhod aber Franlta 
hes ältere Rechte geltend machte, Widerhe 
zegen, und es begannen bezügliche Verhan 
zwischen Berlin und Paris, die mit du 9 
dom 24. Dezember 1885 ihren Abschluß a 
In diesem Vertrage verzichtete —R 
Koba und Kobitai, Frankreich aber erlunn 
Besitzrecht Deutschlands auf das Togogebie 
Zerzichtete auf einen Küstenstrich füdlich d 
merun. Im August 1886 waren nun —X 
criegsschiffe nach dem Dembia gekommen und. 
da die Eingeborenen sich widerspenstig — 
Ort Taboria, wo der Häuptling TeUinn, 
seinen Sitz hat, beschossen und zerstött. 
schießung hatte auch eine Factorei bon (. 
roffen und beträchtlichen Schaden angericht⸗ 
rauf machte Colin Schadenersatz geliend, 
das Auswärtige Amt Frankreich gegenüber 
Tolin berechnete seinen Schaden auf 87,00 
ine Summe, zu der man sich in Paris 
tehen wollte. Nach anderthalbjährigen 
lungen ist die Sache endlich zum Abschln 
ommen, Frankreich hat sich zur Zahlung bon 
Francs bereit erklärt. 
FDas verflossene Torfschwein. 
dem im Anfang der fünfziger Jahre die so 
reiche wichtige Entdeckung der Pfahlbauten mi 
vunderbaren urzeitlichen Kultur gemacht w 
var, hielten es die Gelehrten für nöthig, v 
Torf aufgefundene Vorwelt auch mit allerheng 
prechenden eigenartigen Thieren auszustatien 
ziese Weise erschienen vor dem Auge der erse 
nodernen Welt ein besonderer Torf⸗Hund, 
Torf · Hirsch, eine Torf⸗Kuh, besonders abe 
Torf-Schwein, um dessen ofsteologische Erfocs 
siich der Senior der Schweizer Zoologen, Rütn 
derdient gemacht hat. Jetzt wird dieses bote 
»om Haus⸗ und vom Wild-Schwein spezifishe 
chiedene Thier seines Ahnenstolzes und Rir 
läglichst entkleidet. Der Berliner Paläo⸗ gr 
Brofessor Nehring hat nämlich kürzlich auf e 
des ihm von den verschiedensten Theilen Er 
zugegangenen Vergleichungs⸗Materials nachge 
daß es mit der besonderen Herkunft des 
schweines Nichts ist. Kurz und gut gesagt: 
Torfschwein ist Nichts, als ein in elenden 
Jältnissen gehaltenes und herangewachsenes ge 
liches Schwein, ein „Kümmerer“, wie unsert 
code sagen, ein Schwein, welches noch jetzt er 
venn junge, unbesonnene Wildschweinsmüllle 
Herbst werfen, so daß die Jungen sich, b 
diesem Winter, auf das jämmerlichste Halbverh 
zurchschlagen müssen. Solche Säuriche, di 
freudenloser Jugend verkümmerten, ergeben“ 
irtig ausgebildet. dos Sne palustris. das 
wein. 
F Das Sitzen auf steine rnen Baͤt 
Schwellen, Treppenstufen ꝛc. bringt in der 
Jahreszeit große Gefahren für Gesundhei 
Leben bei Kindern und auch Erwachsenen wit 
Ddarm- und Magenkatarrhe, Brechruhr, Unten 
entzündungen und rheumatisches Fieber konnen 
zurch kurzes Verweilen auf einem solchen Sr 
hervorgerufen werden. Schon das längett 
auf hoͤlzernen Bänken kaun in dieser Jahr 
gefährliche Erkaltungen zur Folge haben, alen 
steinernen Bänke sind wahre Todfeinde, namm 
jür jugendliche Menschenleben. 
Die aus der Schweiz ausgewie enn, 
zialisten, welche an der Leitung des ,Sozialdenn, 
in Zürich beiheiligt waren, antworten auf, dpe 
livirung der Ausweisungsmaßregel durch die 
zerische Bundesregierung in einem Flugblan 
Unterzeichner des Flugblattes erklären, daß 
im Vertrauen auf das Unabhängigkeitsgefüh 
schweizerischen Volkes und seiner Behörden p 
lassen hätten, sich in der Schweiz naiummnn 
lassen. Jetzt würden aber Schweizer Bürtd