Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
ot⸗ Ingberter Anzeiger“ erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage. 2 mal wochentliq mit Unterhaltun a- Blatt und Freitags und Samstags mit ad 
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23. Jahrg. 
Vmn. 
Dienstag, 5. Juni 1888. 
Politische Uebersicht. 
Der am 8. dis. in Leipzig tagenden 
aneralderfammlung des Nationalliberalen Vereins 
das Konigreich Sachsen lag folgender Antrag 
t: „Den Vorstand des Vereins damit zu be⸗ 
sragen, in geeigneter Weise dafür zu wirken, 
die Stichwahlen zum Reichstag abgeschafft 
Iden, so daß immer schon das Ergebniß der 
en Wahl enischeidend ist, dergestalt, daß Der⸗ 
ls hewahlt gilt, welcher von den aufgestell 
dandidaten die meisten Stimmen erhalten hat.“ 
die Crisengerüchte der letzten Zeit scheinen 
nicht ohne einen gewissen Uniergrund gewesen 
ein. Es wird jetzt bestätigt, daß der Kaiser 
dollziehung des Gesetzes über die Verlangerung 
Vegislaturperioden in Preußen mit einem 
hreiben an Herrn v. Puttkamer begleitete, in 
aͤhem der Monarch betont, daß die Freiheit des 
Hhahlrechts nach dieser Maßregel um so sorgfältiger 
machten sei. Es müssen dieser Mahnung von 
lerhöchster Seite aus gewisse Vorfälle vorange— 
ngen sein, die sich vorläufig noch einer sicheren 
zeuctheilung entziehen, welche aber doch die Basis 
n die übder Herrn v. Puttkamer circulirenden 
zhatritizggerüchte abgegeben zu haben scheigen. 
die die „Nat.⸗Ztg.“ vernimmt, hat der Minister 
eh Innern das kaiserliche Schreiben mit einer 
dorstelung seiner auf die Landtagswahlen bezüg⸗ 
ihen Thatigkeit beantwortet; ob hiermit die neueste 
guttlamerzCrifis abgeschlossen ist, muß noch dahin⸗ 
gfellt bleiben. Auch bezüglich des preußischen 
hausministers, des Grafen Otto von Stolberg⸗ 
Hernigerode, waren bekanntlich Rücktrittsgerüchte 
m Umlauf und will die „Kreuzzeitung“ wissen, 
dh Herr b. Stosch, der frühere Chef der Admi. 
nelitan, zum Nachfolger des Grafen Stolberg aus- 
chen sei. Die letztere Mittheilung klingt vor⸗ 
luig nicht besonders glaubwürdig. 
In dem am Freitag vom Papst abgehaltenen 
unistrium ist u. A. der bisherige Feldpropst 
er preußijchen Armee, Aßzmann, zum 
— mit dem Titel eines Bischofs von 
diladelphia i. P. präconisirt worden. Es ist so⸗ 
nit diese Stelle nach langjähriger Vacanz auf's 
due besetzt worden. 
In der franuzösischen Deputirten⸗ 
ammer hat sich der Minister des Auswärtigen, 
Goblet. am Donnerstag in einer langen Rede 
den Zwischenfall mit Ungarn vernehmen 
D den außerlichen Anlaß hierzu gab die Inter⸗ 
ion des Abgeordneten Gervillereache uͤber die 
— Zisza's, welche der genannte Par⸗ 
y arier als unhöflich und allem internatio⸗ 
ar edude zuwideriaufend bezeichnete. In 
w er rwiderung erllärte Goblet zunächst, daß die 
enn die allgemeine Erregung des Landes 
Je meinte dann weiter, Oesierreich Ungarn 
nnen das Recht gehabt, seine ursprüng⸗ 
—— bezüglich der Pariser Welt⸗ 
ung wieder zurückzuziehen und seine Indu⸗ 
* von der Beschickung derselben zurüczuhalten, 
he sei nicht berechtigt gewesen, zu sprechen, 
8 dn während der Aussiellung eine Störung 
ent ens zwischen Oesserreich und Frankreich 
een und die franzofische Regierung sei nicht 
— age, ihre Gäste zu schützen. Goblet theilte 
8* nih sowohl Graf Kalnoky als auch Tisza 
—** die Vorstellungen des franzosischen Bot⸗ 
une die beruhigendsten Versicherungen er⸗ 
—* nge es nur von Tisza ab, die Miß⸗ 
isse zu heseitigen. An diese Erklärung 
müpfte Goblet eine Auslassung über die allgemeine 
dage, wobei Goblet die friedliebende Politik Frank 
reichs betonte, für welche ja auch das Ausstellungs⸗ 
internehmen zeuge. Wenn irgendwo Unruhen 
ntstehen sollten, äußerte der Minister ironisch, so 
olllen die Ungacn sehr wohl wissen, daß es nicht 
n Frankreich der Fall sein werde. In Frankreich 
ien nur Revolutionen entstanden, wenn die Re— 
zierung dieselben nothwendig gemacht hatte. Die 
stepublik sei stärker, als die Republikaner vielleicht 
elber glaubten. Zum Schlusse versicherte der 
Minister, sollte ein Nachbarstaat die französischen 
Interefsen schädigende Maßregeln ergreifen, so werde 
äch Frankreich nicht in unnütze Beschuldigungen 
verlictren, sondern die geeignete Zeit abwarten, 
Begenmaßregeln zu treffen. 
In der Donnerstagssitzung des englischen 
Unterhauses lam es wieder einmal neben an⸗ 
zeren Fragen auch zur Eroörterung der ebentuellen 
naritimen Aktion Englands im Falle eines eurg⸗ 
aischen Krieges. Hierbei versicherte Unterstaats 
ekrelar Fergusson nochmals, es seien von der eng⸗ 
ischen Regierung keineriei dem Hause unbekannte 
Berpflichtungen eingegangen worden, aber er fügte 
hinzu, es würde nicht weise sein, in Anbetracht 
der über die ganze Welt verbreiteten Interessen 
Inglands übereilte Erklärungen über die zukünftige 
Politik desselben abzugeben. 
* Rußzland macht fortwährend Anstrengungen 
ur Verstärkung auch seiner Wehrkrafit 
ur See. Namentlich läßt es trotz der ungün⸗ 
tigen Lage der russischen Finanzen immer neue 
Banzerschiffe bauen; so fand am Freitag in Peters⸗ 
zurg im Veisein der kaiserlichen Familie der Sta⸗ 
ellauf der neuen Panzerfregatte statt welche den 
aistorischen Namen „Erinnerung an Azow“ führt. 
Ddie Siadi und Festung Azow, unweit der XWw 
uing des Don in das Asow'sche Meer gelegen, hat 
jast durch ein Jahrhundert hindurch den Zankapfel 
wischen Russen und Türken gebildet und kam erfi 
inter Katharina I. dauernd an Rußland. 
Deutsches Reich. 
Muͤnchen, 4. Juni. Graf Rantzau ist heute 
Mittag hier eingetroffen. 
Berlin, A. Juni. Ueber das Befinden der 
Fürstin Bismarck hört man, daß dasselbe in 
efreulicher Weise sich während der letzten Tage 
gebessert hat, so daß die Fuürstin im Stande ist. 
eiweilig das Bett zu verlassen. 
Poisdam, 4. Juni. Der Kaiser hatte eine 
recht gute Nacht und fühlte fich nach kräftigem 
Schlase erfrischt. Derselbe halt sich seit 10*2 Uhr 
im Parke auf und nahm um 11 Ubr den Vortrag 
Wilmowski's entgegen. 
Ausland. 
Bern, 4. Juni. Der Bundesrat verwies 
heute den Johann Ulrich Wuebbeler aus Hannover, 
in Zurich wohnhaft, des Landes und untersagte 
em Martin Etler aus Wuürttemberg, zur Jeit in 
—X Schweiz wegen 
ebhaflen Anteils an den anarchistischen Bestrebungen. 
Paris, 4. Juni. Als die Sitzung der D e⸗ 
unrientammer eröffnet worden war, be— 
intragte Boulanger einen Beschluß der Kammer 
‚etreffend die Abuͤnderung der grundlegenden Ver⸗ 
assungsgesetze und verlangte Dringlichkeit für seinen 
Iutrag. Der Redner verlas ein Schriftstück, welches 
ine Zusammensiellung von Begründungen enthält. 
In demselben wird zunächst Nachdruck gelegt auf 
ie dielen Kundgebungen, die sich an den Namen 
8 Antragstellers geknüpfi batten. (Unterbrechungen, 
mhaltender Lärm.) Diese Kundgebungen machten 
s ihm zur Pflichi, die Klagen und die Wunsche, 
welche sie enihielien, zur Sprache zu bringen, das 
dand mache eine Krisis durch, welche die Republik 
Jefährden koönne; es müsse ein Mitlel zur A hilfe 
Jefunden werden, und dieses fei die Revision. Redner 
sjelle daher seinen Antrag, der ihm durch seine 
Verpflichtungen geboten sei. (Neue Unruhe.) 
Rondon, 4. Juni. Der „Times“ wird aus 
Sansibar gemeldet. daß Italien vom Sultan die 
Abiretung des ihm noch gehörigen Landstrichs 
dismaju an der Mündung des Juba⸗Flusses verlangt. 
Mailand, 4. Juni. Der Kaiser und die 
Zaiserin von Brasilien sind mit vier Aerzten nach 
Iix⸗les⸗Bains abgereist. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingberl, 8. Juni. Von Reisenden 
vird uns Folgendes erzählt. Am Samstag kam 
mit dem Zuge nach halb 12 Uhr von Saarbrücken 
— der beabsich⸗ 
tigt hatte hier auszusteigen. Aus irgend welcher 
Ursache blieb er aber irrtümlicher Weise im Zuge 
itzen und fuhr mit bis Einöd. Als er dort, wäh⸗ 
rend der Zug sich in der Richtung nach Zweibrücken 
in Bewegung seyte, bei dem Schaffner sich erkun⸗ 
digie, ob man die Station St. Ingbert bald er⸗ 
reiche, klärte ihn derselbe dahin auf, daß besagte 
Slaon laängst passirt sei. Zugleich gab der Schaffner 
das Haltefignal. Ohne auf den Stillstand des 
Zuges zu warten, sprang der Reisende aus dem 
Toupee und stürzte daben kopfüber in den Sand. 
Schaden soll er, soviel bekannt, hiebei glüclicher 
Weise nicht genommen haben. — Ein harmloseres 
kreigniß brachte den mit dem vorigen sich hier 
reuzenden Zug zum Stehen. Muͤten auf der 
Strecke Laußkirchen-Würzbach erlönte plötzlich das 
Notsignal. Aengstlich sahen die Reisenden aus 
den Wagenfenstern. Dann hieß es „Rückwärts“ 
und nach kurzer Zeit sah man neben dem Bahn- 
Jeleise einen Sack zabbeln, aus dem der wunder⸗ 
iche französische Laut: Oui, oui sich hören ließ. 
der Sadcbewohner hatte troß seines verschlossenen 
Zustandes“ es fertig gebcacht, aus dem Hunde⸗ 
dupee zu entkommen. Jedenfalls war dieses nicht 
gehörig verschlossen gewesen. Nachdem der Flücht⸗ 
iing wieder eingebracht war, dampfte der Zug mit 
dermehrter Schnelligkeit weiter. 
). Mittelberbach, 3. Juni. Die Feier 
der Grundsteinlegung zum Baue der 
protest. Kirche nahm den schönsten Verlauf. 
Die Züge vormittags und nachmittags 2 Uhr 
zrachten uns zahlreiche Gäste aus nah und fern. 
Um halb 3 Uhr stellte sich der Festzug vor der 
Wohnung des Herrn Bender auf, wo die Fest 
jemeinde das Lied sang: Lobet den Herrn, den 
machtigen König der Ehren“. Hierauf setzte sich 
her Zuͤg unter den Klangen der Bergkapelle Ber⸗ 
zach in Bewegung zum Bauplatze. Die Häuser 
varen festlich geschmuckt. Am Bauplatze ange⸗ 
ommen sang der gemischte Kirchenchor von Mittel⸗ 
dexbach das Lied: „Wie lieblich sind deine Woh⸗ 
ngen⸗ gierauf hielt Herr Vicar Fischer— 
Zrtogeistlichetr von hier, die Eroͤffnungsrede. Er 
Fewilkommnete alle geistlichen und weltlichen Behdr⸗ 
hen, alle Vereine, alle Glaubensgenossen und alle 
ibrigen Festtheilnehmer und legte dann die 
hedeutung des Grundsteines dar. Nach dem 
Algemeinen Gesang des Liedes: „Jehovah“, 
as Herr Vicar Fischer die Urkunde vor, welche 
jon den Vorständen unterzeichnet und dann, mit 
gaschiebenen Mumzen und einer Flasche Wein