Full text: St. Ingberter Anzeiger

welche in der jüngsten Zeit auf dem Gebiete der 
freiwilligen Sanitätskolonne entfaltet wurde und 
welche auch die Bildung einer Abtheilung für Ko⸗ 
sonnenwesen bei dem Zentralkomitee veranlaßte. 
Von besonders weittragender Bedeutung fllr das 
Kolonnenwesen und die Vorbereitungen der Kolonnen 
für den Kriegsfall ist der Organisationsplan für 
die freiwillige Krankenpflege im Kriege. In den 
letzten drei Jahren entstanden verschiedene Zweig⸗ 
kolonnen, sodaß bei Abschluß des Jahres 1887 
nicht nur an den Sitzen der acht Kreisausschüsse 
Hauptkolonnen, sondern auch noch 11 Zweigkolonnen 
(in der Pfalz neben der Hauptkolonne Speyer die 
Zweigkolonnen Kaiserslautern und Bobenheim) mit 
im ganzen 1168 Mitgliedern bestehen. An der 
Ausrüstung der Kolonnenmitglieder wurden ver⸗ 
schiedene Veränderungen vorgenommen, ebenso an 
den Verwundeten⸗Transportwagen. Zu der Frie⸗ 
densthätigkeit der Kolonnen gehört auch die Bei⸗ 
hilfe bei Unglücksfällen und die Bereitstellung hiezu. 
— Der Bahyer. Landeshilfsverein hat in den Jahren 
1885 mit 1887 an Invalide vom Jahre 1866 in 
331 Unterstützungsfällen die Summe von 11047 
Mark 45 Pf. vecausgabt. Dagegen erstreckte sich 
die Thätigkeit des Vereins als Organ der Kaiser 
Wilhelm-Stiftung für deutsche Invaliden in dem 
aämlichen Zeitraume auf 3568 Fälle mit 107980 
Mark 2 Pf. Das Vermögen des Landeshilfsver⸗ 
eins als Verein zur Pflege und Unterstützung im 
Felde verwundeter und erkrankter Krieger betrug 
am Ende des abgelaufenen Jahres insgesamt die 
Summe von 587,828 Mtk. 96 Pf. (daran ist die 
Pfalz betheiligt mit 58,447 Mk. 66 Pf.). Das 
Vermögen des Vereins als Organ der Kaiser 
Wilhelmsstiftung beläuft sich für den angegebenen 
Zeitpunktt auf 181,788 Mk. 26 Pf.; davon ent⸗ 
jallen auf die Pfalz bei dem Kreisausschusse 
119,362 Mk. 50 Pf. und bei den Zweigvereinen 
39,757 Mti. 35 Pf. (dazu sei bemerkt, daß in der 
Pfalz aus den Spenden der Jahre 187071 noch 
ein erhedlicher Vermögensstock vorhanden ist.) 
— Das Georg v. Jäger'sche Universitäts⸗ 
Stipendium im Betrag von 120 Mk. für dieses 
Jahr ist neu zu verleihen. Bewerber hierfür 
müssen sich dem Studium der Philologie widmen, 
an der kgl. Studienanstalt Speyer oder Zweibrücken 
in der Oberklasse den bestqualifizierten Schülern 
angehören und dementsprechend die Absolutorial⸗ 
prüfung bestanden haben. Gesuche sind bis 10. 
August l. J. beim Rektorat der kgl. Studienanstal 
Speyer einzureichen. 
— Ludwigshafen, 7. Juni. Nach einem 
Beschluß der gestern in Berlin tagenden General—⸗ 
versammlung der Hilfskasse deutscher Lokomotiv⸗ 
jührer wird die nächstjährige Generalversammlung 
der Hilfskasse dahier stattfinden. 
— Ludwigshafen, 8. Juni. Der Pen⸗ 
fionskasse der Beamten der badischen Anilin⸗ und 
Sodafabrik dahier wurden auf Grund des Statuts 
vom 20. November 1887 Corporationsrechte ver- 
liehen. 
— Frankenthal. Etrafkammer.) Dienst⸗ 
knecht Adam Ochs aus Weisenheim a. B., 33 Jahre 
alt, brachte ein unbescholtenes Dienstmädchen, wahr⸗ 
scheinlich weil es fich seinen Anträgen gegenüber 
ablehnend verhielt, in übles Gerede und denuncirte 
fie später eines Verbrechens nach 8 218 des Str. 
G.⸗B. Das wenige Tage, nachdem die Uniersuch⸗ 
ung anhängig war, nach ärztlichem Zeugniß an 
Nierenkrankheit gestorbene Maädchen siellte für diese 
schwere Anschuldigund, die sich bei der Section als 
döllig grundlos erwies, Strafantrag. Die kgl. 
Staatsanwaltschaft beantragte für den sonst sehr 
zut beleumundeten Angeklagten eine Gefängnik⸗ 
strafe von 4 Monaten, welchen Antrag das Gericht 
um Erkenntniß erhob. 
Vermischtes. 
F Malstatt-Burbach, 8. Juni. Herr 
Herb hier hat eine Flaschenblasmaschine con⸗ 
struirt, vermittelst der ein einziger Arbeiter 1500 
dis 1600 Stuück Flaschen pro Tagwerk in gleich 
schöner und gleicher Form und gleichem Ge— 
vich! fertig zu stellen imstande ist. Selbsiverständ⸗ 
lich hat der Arbeiler dabei nicht einen einzigen 
hauch seiner Lunge zum Erblasen der Flaschen bei— 
zutragen, weil dies von dem Apparat automatisch 
ausgeführt wird. Da das gute „Motzen“ zum 
Erblasen schöner Flaschen als kaum entbehrlich 
zrachtet wird, so dürfte wohl eine allgemeine Vn— 
ordnung des oben gedachten Motzverfahrens in den 
Flaschenglashütten der Saar in kurzer, absehbaret 
Zeit erfolgen. 
fPüttlingen, 7. Juni. Gestern Nach⸗ 
nittag 4 Uhr tobte ein fürchterliches Unwetter mit 
wolkenbruchartigem Regen, untermischt mit Hagel, 
durch unsere Gemarkung. Statt eines lange er⸗ 
jofften wohlthätigen Regens ward uns eine große 
Verwüstung im Orte, in Feld, Wald und Wiese 
utheil. Es fielen Hagelkörner von solcher Dicke, 
daß die massenhaft durchgeschlagenen Fensierscheiben 
richt wie gewöhnlich bei solchem Hagelschlag blos 
»arsten, sondern bis weit ins Zimmer hinein⸗ 
Jeflogen kamen. Einzelne besonders exponirte 
däuser hatten Zimmer, deren Böden nach dem 
Unwetter ganz mit Glasscherben bedeckt waren. 
Dabei ging eine Wasserfluth durch alle Straßen 
»es Ortes. Von der Stärke derselben gibt wohl 
as Faktum den besten Begriff, daß ein eiserner 
Brunnentrog emporgehoben und ungefähr 16 Meter 
veit getragen wurde. Ein Sjähriges Kind wurde 
von den Fluthen mit fortgerissen, aber, in schon 
ewußtlosem Zustande, von dem Kaufmann Herrn 
steumark gerettet. Die Gartengewächse find ver⸗ 
nichtet, das Korn auf dem Felde wenigstens zur 
Hälfte geknickt. Dieses letztere kann nicht zur Reife 
jelangen; aber auch das verschont gebliebene wird 
venig Körner ansetzen, da der Bluͤhtenstaub voll⸗ 
tändig abgewaschen wurde. (St. J.S. A.) 
FMünchen, 7. Juni. Der Anfang der 
hrüfung behufs Erlangung der Funktion eines 
imtlichen Thierarztes für das Jahr 1888 wird 
uf den 8. Oltober l. J. festgesetzt. Diejenigen 
Thierärzte, welche dieser Prüfung sich unterziehen 
vollen, haben ihre Zulassungsgesuche längfstens bis 
‚um 1. August Jl. J. bei dem k. Staatsministerium 
des Innern einzureichen. 
fFHebammenlehrkurs. Am 14. Juli 
J. J. beginnt ein Lehrkurs für Hebammen in Er⸗ 
angen und koönnen auch Squülerinnen anderer 
kreise Zulassung erhalten. 
f Ulm, 7. Juni. Einem Oberförster in un— 
serem Bezirk, Herrn Bürger in Langenau, O.A 
Alm, ist von dem deutschen Gouverneur in Kame⸗ 
un, Herrn Baron v. Soden, der voriges Jahr 
ruf Besuch bei ihm war, ein 815 Jahre alter 
Znabe zur Erziehung und Ausbildung direkt aus 
Zamerun überschickt worden. Der Knabe ist, wie 
wir dem „Langenauer Anzeiger“ entnehmen, zu 
'einem Alter groß und stark, hat schwarzbraune 
Zautfarbe, dabei aber keine abschreckende Gefichts⸗ 
ildung und soll ziemlich geistig begabt sein. Zu⸗ 
nächst erhält er Unterricht in der deutschen Sprach⸗ 
und ist später dazu bestimmt, irgend ein Handwerk 
ju erlernen. Gegenwärtig ist es bei uns gewiß 
jeiß, aber wie ihn sein j⸗tiger Pflegevater (der 
dnabe hat noch Eltern) am letzten Montag in 
Alm abholte, fror es ihn tüchtig, vielleicht war auch 
Furcht dabei. Nach seiner Ausbildung wird er 
vieder in seine Heimath zurückgeschickt, was aber 
wohl einige Jahre anstehen dürfte. 
tAus Württemberg. Die Offiziere und 
jöheren Beamten des würtlembergischen Armee- 
orps haben zu Gunsten des hier zu errichtenden 
daiser Wilhelm⸗Denkmals sich vom Gehalte den 
Betrag für einen Tag abziehen lassen. Es ist da⸗ 
hzurch dem Fonds für das Denkmal die Summt 
pon 5278 Mk. zugeführt worden. 
fF Pforzheim, 7. Juni. Dem Vernehmen 
nach hat die Pforzheimer Handelslammer fich in 
einer Eingabe an das Reichskanzleramt gewandt 
um für die von Frankreich kommenden Bůjouterie- 
ꝛinkaufer Befreiung vom Paßzwange zu erlangen, 
damit eine Schädigung der hiesigen Industrie der⸗ 
mieden werde. 
F Frankfurt, 7. Juni. Die Eröffnung 
des neuen Hauptbahnhofes, welche auf den 3. Juñ 
angesetzt war, wird möglicherweise eine Verzögerung 
erleiden; die Wasserwerke funktioniren noch nich 
in gewünschter Weise, und der technische Leiter 
derselben erklärt es als unbedingt noihwendig, daß 
dieselben 14 Tage ohne Störung arbeiten, bevor 
sie dem öffentlichen Betrieb übergeben werdeu konnen 
F Esssen. Von der hiefigen Strafkammer 
vurde ein Butterhändler wegen Nahrungsmittelfälsch⸗ 
ung zu 8 Monaten Gefängnis und 800 Mk— 
Geldstrafe verurtheilt. Derselde hatte Naturbutter 
mit Margarine vermengt und das Gemisch, bei 
dessen Berertung seine Frau mitgeholfen hatte, als 
Butter 1. Qualität zum üblichen Preise verkauft. 
Die Frau muß ihre Mithülfe mit 1 Monat Ge— 
fängnis büßen. 
Bezeichnend für die Ueberfüllung der 
wissentschaftlichen Fächer, vornehmlich 
nuch der Theologie, in Preußen ist folgende 
Anzeige aus der „Köln. Ztg.“: pf 
ebp., auch Philologe, sucht, da er wegn inn 
ung bei der Preuß. Staatskirche u — 
kann, anderweitige bescheidene Stellung — 
u. J. M. 75 an die Expedition d. W di 
F Der Reichskanzler hai demd 
Verein „ur Knaben Handarbeit Line duhttn— 
5000 Mt. aus Reichsmittein gewähetechühe u 
F Der schweizerische Alpenklub 
lagt jehi. vor Veginn der Keis sucht! uhu 
dringliche Warnung gegen das underanwo wne 
Wandern im Hochgebirge ohne Führer, daß n v 
auch im glücklichen Fall, nicht befriedigen — 
Demjenigen, der es umernimmt, die wvune 
nüsse einer Gebirgswanderung doch nicht —9J 
Bleichzeitig richtet er an alle Freuude und —* 
der Alpenwelt die dringende Bitte, ihenun 
allen ihnen zu Gebote stehenden Miiteln gegen u 
Beginnen anzukampfen, unerfahrene und zu, 
wegene Bergsteiger auf die drohenden — 
aufmerksam zu machen und sie an der Aufie 
tollkühner Pläne zu hindern. 
FGoulanger), „Figaro“ gibt folzn 
Schilderung von der Erscheinung Boulanger q. 
der Rednertribüne der franzöͤsischen —XE 
kammer. Anzug: graue schwarzgeftreifte Hosc u 
zugeknöpfter schwarzer Rock, Ladstiefei dunlbo 
Kravatte mit einem großen bauschenden —X 
über dem Kleide zusammengehalten, sehr sotgsut 
geordnetes Haar. Vor den Augen eine Loron 
aus Schildplatt, die ihm erlaubt, ohne den hdh 
zu neigen, den Text des Antrags aus der — 
fernung zu lesen und gelegentlich währende 
Rede dte Unterbrechenden zu erkennen. die Ran 
weise ist sehr gemessen, sehr ruhig und sehr desim 
vielleich ein wenig langsam, bas Organ klangin 
und sogar inmitten des lautesten Geräusche s 
bar. Während des Vortrags hält sich der Kn 
beinahe vollkommen unbeweglich, die rechte har 
hält das Manufkript, die Linke stützt sich nacht 
auf die Tribüne und wird ab und zu erhobenn 
die Lorgnette zu richten oder dem Worte, auf w 
ches der Redner am meisten rechnet, mehr No— 
druck zu verleihen. Am charalteristischsten aber 
die unverwüstliche Ruhe, womit der Genenerale 
ärmendsten Unterbrechungen, die Rufe zur Ou 
aung, das Geschrei: „die Zensur! Schlußl“ in 
die tausend kleinen Zwischenfälle dieser ungewöh 
ich bewegten Sitzung über sich ergehen läßt. * 
steht er, unempfindlich, geringschätzig den, der ih 
unterbricht, fixirend, wenn er denselben erkannt he 
»der mit dem Lächeln eines Neugierigen die gen 
Zammer musternd, die vor ihm gesuülulirt. Vin 
— 
»der zwei Schluck Wein mit Wasser, dann ninr 
er seinen Vortrag mit demselben Phlegma un 
derselben Unbekuümmertheit um den Larm, d 
Widersprüche und das Pfeifen wieder auf. D 
dauert so 123 Stunden fort. 
F Der Thronwechsel in Sansid 
wird von einem Correspondenten des „Hambutg 
Fremdenblatt“ unter dem 1. Mai wie folgh 
schildert: Said Bargasch kam Abends 6 Uhtem 
dem Dampfer „Nyanza“ von Maskat an, ih 
wie immer im Dunkeln an Land, soll um 121hb 
Nachts gestorben sein, wurde um 4 Uhr Morger 
begraben und das gute Volt von Sangibar enlb 
dann zu seiner größten Verwunderung, daß 
einen neuen Herrscher bekommen hätte. Ein sot 
Thronwechsel ist ein prächtiger Beweis fürd 
Macht des Schicksals. Said Kalifa, der neu 
—AV 
Eisen gehalten worden und hat seit 9 —R 
bei Hofe erscheinen dürfen; er lebte auf in 
lleinen Landgut in der Nahe der Siadt, alte 
einfacher Pribatmann, bis zu dem erwahnrndn 
Er wurde Nachts um 1 Üühr gewechkt und 
duß er jetzt großmächtiger Sultan von v 
sei. Dieselben Leute, die ihn am Tage 
kaum der Beachtung werth hielten, liegen in 
ihm im Staube. Wir sfind neulich zur Vorste 
im Palast gewesen. Um 10 Uhr vermnn 
wir uns im Consulat und gingen dann unter 
ung des Generalconsuls, Herrn Dr. Wichhn 
nach dem Palast. Die Truppen hatten St— — 
gebildet und wurden wir mit den Klaugn 
„Wacht am Rhein“ begrüßt. Der Sust 
uns bis zur Treppe entgegen, schüttelte * 
Hand und ging, mit dem Generalconsul 
Zpitze und von uns gefolgt, in Baulonmu. 
den Empfangssaal hinein, woselbst wir, du 
dandbewegung don ihm aufgefordert, uns