Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
et⸗ ugberter An eiger“ erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn⸗ und Feiertage. 2 mal wöͤchentlich mit Nnierhaltungs · Blatt und Freitags und Samstags mit ach 
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sctung i aum betraägt bei Inseraten a— er Pfalz bei außerpfalzischen und vichen auf welche die dition 
ur Austunft eriheilt, 1d . Reklamen 80 B. Bei Amaliger Einruckung wird nur ene ene fvels 
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23. Jahrg. 
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130. 
Mittwoch, 20. Juni 1888. 
Die Bestattung Sr. Majestät 
e hochseligen Kaisers Friedrich. 
Das am Montag Vormittag in Potsdam statt⸗ 
jundene Leichenbegängniß des verewig— 
an Kaisers Friedrich trug, entsprechend den 
gwilligen Bestimmungen des hohen Verblichenen, 
m weit einfacheren Charakter als die so glanz- 
le und ergreifende Bestattungsfeier seines großen 
zuers. Wenngleich auch diesmal in verschiedenen 
Nupspunkten das bei der Bestattung Kaiser Wil⸗ 
Ims J. beobachtete Ceremoniell innegehalten wurde, 
wor doch die offizielle Betheiligung an den 
zuuerfeierlichkeiten vom Montag eine wesentlich 
xschranktere und demzufolge war auch die Theil- 
ahme fürstlicher Persönlichkeiten eine geringere, als 
a unter anderen Verhältnifsen der Fall gewesen 
wunde. An beiden Seiten der fich von Schloß 
züedrichskron bis nach der Friedenskirche bei Sans- 
zuch hinziehenden Trauerstraße bildeten Mann⸗ 
heften der Potsdamer Garnison, sowie Innungen, 
gtiegerbereine und sonstige Korporationen Spalier. 
der deichenzug selbst wurde durch eine Leichen⸗ 
sade eidffnei, worauf die Geistlichkeit, die Hof⸗ 
ffizianten, die Kammerjunker und die Kammer⸗ 
eten und die königlichen Leibärzte nebst den üb⸗ 
üen Aerzten, welche dem verblichenen Monarchen 
vͤhrend seiner letzten Krankheit beigestanden hatten, 
volgtken. Hieran schlossen sich die Träger der 
duchsinsignien und zwar trugen das Kurschwert 
die Staalsminister v. Scholz und Graf v. Bis⸗ 
nard-Schoͤnhausen, den Kurhut Staatsminister von 
zohlet, die Kette des Schwarzen Adlerordens 
dtaatsmininer v. Bötticher, das Reichsinsiegel 
aataminister Dr. v. Friedberg, das Reichsschwert 
yr Staatz- und Kriegsminister Bronsart von 
cchelendorf. den Reichsapfel Staatsminister Dr. 
j. ducius, das Reichsscepter Staatsminister von 
Raybach und die königliche Krone der Hausminister 
dich Otito v. StolbergWernigerode. Alsdann 
iglen die verschiedenen Hofchargen und nun kam 
du Leichenwagen, dessen acht Pferde von acht 
dꝛoffizieren geführt wurden; die Zipfel des 
deihentuches trugen die kommandirenden Generäle 
und Ritter des Schwarzen Adlerordens v. d. Goltz, 
—R v. Obernitz und v. Pape. Zwölf 
nwerdle trugen den Baldachin und neben dem 
henwagen schtitten die Commandeure der zwölf 
beibregimenter des hochseligen Kaisers, während 
mnittelbar hinter dem Sarge der greise General⸗ 
eldmarschall Graf v. Blumenthal mit dem Reichs⸗ 
Hanier und die Generaladjutanten v. Mischke und 
Vneren schritten. Nunmehr folgten Kaiser 
Hilhelm, begleitet von König Albert von 
tten, alsdann Prinz Heinrich nebst den 
n Leidtragenden der preußischen Königsfamilie, 
re Anberwandten derselben, die fremden 
r ichteiten und die Abgesandten der fremden Höfe; 
n sich der Reichslanzler Furst Bismard die 
e orenen Prinzen aus souveranen neufürstlichen 
n, Generalfeldmarschall Graf Moltke, die 
eden Schwarzen Adierorden, die Chefs der 
Ine Hauser in Preußen, die preußischen 
88 e der Infanterie und Cavallerie, die com⸗ 
den Generäͤle, die Bundesrathsmitglieder, 
daͤuser sidenten des Reichstages und der beiden 
* des preußischen Landtages, die inactiven 
. Staatsminister, Offiziere und Beamte 
Aele t Rangordnung u. s. w. Im letzten 
soh eß Trauerzuges schritten Deputirte der 
zdamer Reichs⸗ und königlichen Behörden, die 
Magistrate und Stadtversrdneten von Berlin, Pots⸗ 
»am und Charlottenburg; den Beschluß des Trauer⸗ 
gefolges bildeten zwei Schwadronen Gardecavallerie. 
Waährend der Zeit von neun bis zehn Uhr 
MNorgens läuteten die Glocken der Friedenskirche, 
)er sämtlichen Potsdamer Kirchen und der Born⸗ 
tedter Kirche in drei Pulsen und nochmals laäuteten 
die Glocken, bis der Trauerconduct in der zwölften 
Mittagsstunde die Friedenskirche erreicht hatte, wo⸗ 
elbst der Sarg von den 12 Commandeuren und 12 
Unteroffizieren der Leibregimenter vom Wagen ger- 
joben, in die Kirche getragen und auf die vor dem 
Altare errichtete Estrade niedergesetzt wurde. Die 
allerhöchsten nund höchsten Herrschaften, hinter sich 
zas Gefolge, nahmen ihren Plotz dem königlichen 
Sarge gegenüber, weiter rangirten sich im Schiff 
ʒer Kirche hinter den Fürstlichkeiten, die Abgesandten 
der fremden Fürsten, während die übrigen Mit⸗ 
lieder des Trauergefolges sich in der Kirche postirten, 
d weit der Platz reichte. Als der Sarg die 
dirchenschwelle überschritt, stimmte der Domchor den 
Trauergesang an; vor dem Sarge hielt der Ober⸗ 
sofprediger Dr. v. Köogel die Leichenrede und während 
r'den Segen sprach, gab die Jufanterie die vor⸗ 
eschtiebenen drei Salpen, die Artillerie einen 
Trauersalut von 101 Schuß ab, womit den irdischen 
leberressen des verblichenen Monarchen die letzten 
Fhren erwiesen waren. — Bekanntlich hat sich 
daiser Friedrich die Friedenskirche als lette Ruhe⸗ 
dait ausersehen, doch wird dieselbe nicht in der 
dirche selbst, sondern in dem Mausoleum sein, 
velches an die Kirche angebaut werden soll; die 
Heisetzung des Sarges mit den irdischen Ueberresten 
Friedrichs III. in genannter Kirche trägt daher nur 
Anen provisorischen Charakter. 
Politische Uebersicht. 
eDie Nochricht des „Wolff'schen Telegraphen⸗ 
Buréau's“ von der stattgefundenen Section der 
keiche Kaiser Friedrichs, die hie und da 
ruf Zweifel stieß, beftütigt sich durchaus. Die 
Secudn wurde von Prof. Virchow im Beisein der 
Aerzte Dr. Macdkenzie, Dr. Hovell, Dr. Bramann, 
dr. Langerhans, Dr. v. Wegener, Dr. Leuthold, 
Zrofessor Bardeleben, Dr. Waldeyer und Professor 
Dr. v. Bergmann, sowie des Hausministers Grafen 
Slolberg und des Generaladjutanten v. Winterfeld 
orgenommen und beschränkte sich auf die direkt 
Arantten Organe, Hals, Kehlkopf und Lungen. 
die Untersuchung ergab das Vorhandensein 
jon Kehlkopfkrebs und zwar in der Haupt· 
ache eine vollständige Zerstörung des Kehlkopfes 
urch Krebs und Entzündung der feineren Luft⸗ 
röhrenüste infolge des Eindringens fauliger Sub ⸗ 
tanzen. Der ganze Kehlkopf war vollkommen ver⸗ 
uer und siellie sich als eine weiche, schlappe Masse 
dar, namenilich von dem Knorpeigerüst des Kehl⸗ 
topfeßs waren kaum nennenswerihe Theile übrig 
jeblieben; dagegen konnte eine Durchloͤcherung der 
Speiseröhre nicht constatirt werden. Ueber den 
Zectionshefund wurde ein von sämtlichen Aerzten 
interzeichnetes Protokoll aufgenommen und dem 
dausminister Grafen Stolberg übergeben. welcher 
den Staatsacten einverleiben wird. Außerdem 
zat Sir Morell Mackenzie in einem vom Kaiser 
ilhelm gewünschten besonderen Berichte die Krank⸗ 
Jeit seines hohen Patienten ebenfalls für Kehlkopf⸗ 
rebs erklärt. 
* Die amtliche Verkündigung der Ernennung 
des bisherigen Oberpräsidenten der Provinz Posen, 
Zeblitßz Truützschler, zum preußischen 
Minifster des Innern an Stelle Herrn von 
ßuttkamers wird in diesen Tagen erwartet. Poli⸗ 
aͤsch gehört Herr v. Zedlitz der strengconservativen 
Richtüng an; als Verwaltungsbeamter kann er 
chon auf eine reiche Thätigkein zurückblicken und 
jat er sich namentlich als Oberpraͤsident von Posen 
die Achtung aller Parteien durch sein Wirken er⸗ 
vorben. 
* Der Umstand, daß Kaiser Wilhelm sich 
in seiner ersten öffentlichen Kundgebung nicht an 
die Nation, sondern an die Armee gewandt hat, 
scheint bei den Franzosen Sorge und Beklemmung 
zervorgerufen zu haben, die Commentare der fran⸗ 
ischen Presse spiegeln wenigstens diesen Eindruck 
deutlich wieder. Glücklicher Weise stehen die Fran⸗ 
zosen mit dieser ihrer Auffassung von der Bedeutung 
des deutschen Thronwechsels ziemlich vereinzelt da, 
denn wenngleich sich auch in einigen italienischen 
and russischen Blättern die Befürchtung vorfindet, 
die Thronbesteigung Wilhelms II. bedeute eine 
Berschärfung der Weltlage, so lautet doch im All 
Jemeinen das Urtheil der oöffentlichen Meinang 
Furopas dahin, daß auch der neue deutsche Kaiser 
n den friedlichen Bahnen der Politik seiner beiden 
zroßen Vorgänger wandeln werde. Es bedarf auch 
aur des Hinweises auf die Enischiedenheit, mit der 
ich Kaiser Wilhelm U. noch als Prinz gegen die 
Juͤterstellung, als ob er von kriegerischen Plänen 
erfülli sei, erklart hat, um die Annahme, Kaiser 
Wilhelm II. sei von kriegerischem Ehrgeiz beseelt, 
als hinfällig erscheinen lassen, wie denn dieselbe 
auch nicht im Mindesten durch den Ton seines 
ersten Befehles an Armee und Flotte gerechifertigt 
wird. Gewiß, die Sprache, die hierbei der jugend⸗ 
iche Monarch führt, sie ist enischieden undgent⸗ 
chlossen, jedoch nach keiner Seite hin ergreifend 
oder verleßzend und im Lande selbst hat auch diese 
erste Ansprache des jugendlichen Kaisers an seine 
Soldaten allgemeinstes Verständniß gefunden, ohne 
rgendwelche Beunruhigung hervorgerufen zu haben. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 18. Juni. Die Proclamation des 
Zaisers Wilhelhm U. macht allgemein den 
besten Eindruck. Aeußerst sympathisch berührt es, 
vie der Kaiser seine eigene, jugendlichere Person 
öllig zurücktreten laͤßt hinter den großen Geist 
iner Väter und das eigene Wirken den drei maäch⸗ 
igsten Factoren anierordnet: Christenfinn, Frie⸗ 
ausliebe und Rechtsfinn. Das Geloöbniß den 
Frieden zu schirmen, den Bedrängien zu helfen, 
dezeugt, wie tief der Kaiser durchdrungen ist von 
den weitesten Pflichten einer im Dienste des mo⸗ 
Fernen Staates stehenden. diesen defördernden, 
„raciisch bedachten Humanität. All' dieses begeistert 
benso die Masse, wie in den politischen Kreisen 
nit großer Genugthuung begrüßt wurde, daß der 
daiser gleich bei dem ersten Trauer⸗Erlaß durch 
hegenzeichnung des Füursten Bismarck dem consti⸗ 
utionellen Gedanken vollauf gerecht wurde. 
Berlin, 18. Juni. Das „Berl. Tgbl.“ 
vill wissen, daß dieser Tage eine Anzahl Verän⸗ 
derungen in den höheren Commandostellen statt⸗ 
inden werden, welche durch den Tod des Kaisers 
Friedrich verzoͤgert wurden. Nach demselben Blatte 
Ferlautel auch, daß drei Armeecorps, und zwar das 
7., 9. und 10. neu besetzt werden sollen. .Als 
staͤchfolger des Generals von Treskow jsoll General⸗ 
ienant v. Leszcinski, bisher Divisionscomman- 
deur in Breslau — bekannt als Generalstabschef 
verstorbenen Generals Graf Werder — bestimmt