Full text: St. Ingberter Anzeiger

Ein Jaht o bn e a ee 
in merlwurdiges Zusammentreffen, das 
rfusch für die traurige Signatur dieses 
sara “ daß eben dieses Jahr, obwoh' 
—3 — Zrei Kaiser regierten, keine Kaiserge 
n J 5*— verzeichnen hat. Kaiser Wilhelm J. 
uri⸗ seinem dirsjahrigen Geburtstage, ebenso 
jatb an und Kaiser Wilhelm II. hat seinen 
a 727. Januar — noch als „Prinz 
Ißelm“ gefeiert. 
mihen eheendet Wobhlthätigkeitz⸗ 
it spielte sich bei Abgang des Extrazuges nach 
tien am Donnerstag auf dem Bahnhof Ale⸗ 
oppega 
ieh Gerlin) ab. Während der Zug be— 
sc sur Abfahrt bereit stand, bemerkte ein bekanntet 
atmann, Herr L., eine ärmlich gekleidete Frau 
— 8 Kindern zusammengekauert auf dem Perron 
hend und leise weinend. Nach dem Grunde ihres 
nmers gefragt, gab die Frau an, daß sie aus 
xchlefien sttamme und ihre Heimath verlassen habe. 
N in Sochsen versprochenermaßen Arbeit zu finden. 
Hin den Kindern habe sie aber Niemand annehmen 
Tlin, weßhalb sie gezwungen sei, wieder die Rüd 
use in die Heimath anzutreten. Mit Zuhürfe. 
zahme des letzten Groschens sei sie hier am Abend 
viher angekommen und habe mit den hungrigen 
indern über Nacht auf den Steinfliesen des Bahn ˖ 
hibgebäudes liegen müssen. Wie ein Lauffener 
hut die Kunde von dem Schicksal der Aermsten unter 
yn versammelten Sportsmen bekannt geworden. 
heit L. nahm seinen Hut und sammelte in größter 
ile — der Zug war bereits zur Abfahrt fertig — 
wa 80 Mk.Noch bei dem ersten Pfiff der Maschine 
xungten fich Gruppen Wohlthätiger an den Sammler 
zran, um ihr Scherflein beizutragen. Ein Eisen ⸗ 
ahnbeamter nahm das Geld in Empfang und 
andigte es der Frau aus, welche vor Freude nicht 
jnmal ein Wort des Dankes hervorbringen konnte: 
ele Freudenthränen flossen ihr über die bleichen 
bangen. 
fIn einem Millionendorfe bei 
zerlin erregte vor Kurzem ein Diebstahl, bei 
belchem es sich um eine Summe von etwa 50,000 
sark handelte, die einem der neugebackenen Millionäre 
us seinem Geldspinde fortgekommen waren, be⸗ 
echtigtes Aufsehen. Der alte Herr pflegte häufig 
ih dor das geöffnete Spind hinzusetzen, um fich 
in dem Besitz seiner Kapitalien zu erfreuen und 
diese durchzuzählen. Wurde er dann bei dieser 
zastrechen Beschäftigung abgerufen, so verschloß 
er das Zimmer, ließ aber die Thür des Geld— 
pindes unverschlossen. Eines Tages war er wie⸗ 
xer bei seiner Beschäftigung vor dem Geldspinde 
plͤrt worden und hatte das Zimmer zwar ver— 
dlossen, aber übersehen, daß das Fenster offen ge⸗ 
lieben wat. Als er nach beseitigter Störung 
ieder zu seinem geliebten Spinde zurückkehrte, fiel 
‚m sosort eine Veränderung des Jnhaltes auf. 
it nahm eine nochmalige Zählung vor und stellte 
nun ein Manko von etwa 50, 000 Mark in Werth⸗ 
xdieten fest. Der alte Herr erfreute sich eines 
Skanmhalters, der, seitdem er bei einem 
Darde Regimente seiner Miitarpflicht gentigt, nob 
in hessionen huldigen gelernt, von dem Allen 
her lnapp gehalten wurde. Auf diesen lenkte sich 
Y sein Verdacht, er nahm denselben auch 
ethör, vermochte aber nicht, ihm ein Geständ⸗ 
re so daß ihm nichts übrig blieb, 
etteffenden Amtsvorsteher von dem Vor⸗ 
Nent seinem Verlust Anzeige zu machen. Dieser 
bhä Ermittelungen an, die den gegen den 
ve ohn gewedten Verdacht nur zu gerecht⸗ 
erscheinen ließen, ohne diesen indessen zu 
hen Gestandniß zu vermögen. Erst als 
rr ge Verfolgung der Sache gedroht wurde, 
in hh or, ein Gestandniß abzulegen, um den 
in de zu bringen, keinen Strafantrag zu 
* e und Sohn. haben fich nun dahin 
* d er erstere dem anderen noch 50.,000 
“. — t hat, unter der Bedingung, daß dieser 
D tliche Haus verlaßt und nun in Berlin sein 
* Zem autschiast Der Sohn soll bereits 
3 Je ihm ausgezahlten 100,000 Mark 
ß n ige Weise unter die Leute zu hringen. 
— die Geschwindigkeit der 
* dan ve in Deutschland spricht ein kürzlich 
vetde ee in Jena erschienenes, sehr lesens⸗ 
a von Eduard Engel: „Eisenbahü ⸗ 
dindi 10. Kapitel wird die Frage der 
vin e — worunter die Zeit zwischen 
nnde Ankunft des Zuges, einschließlich des 
es. zu versteben in — eingehend ersrterl 
und gezeigt, daß nur ein Schnellzug, der Berlin⸗ 
kölner Blißzug, bei uns diesen Namen berdient, 
». h. mindestens 60 Kilometer in der Stunde zu— 
ücklegt. Dessen Geschwindigkeit beträgt nämuich 
hurchschnitilich 62 Kilometer, zwischen Spandau 
und Hannover aber gar 72 Kilometer. Dagegen 
reten die übrigen sogenannten Schnellzüge weit 
zurück So bringen es, um einige Beispiele her⸗ 
auszugreifen, Berlin⸗-Frankfurt über Bebra nur 
uuf 46*2 Kilometer, Berlin⸗Stuttgart auf 42 
ilometer, Berlin⸗Lindau auf 483 Kilometer, Berlin⸗ 
Straßburg auf 4312 Kilometer. Es werde also, 
neint der Verfasser, sehr zu Unrecht für diese Züg⸗ 
in höherer Fahrpreis erhoben. Diese seien ge⸗ 
vöhnliche „Bummelzüge“, die nur einige Stationen 
iberspringen. In Oesterreich steht es freilich noch 
chlechter, indem es kein Zug auf mm hr als 533 
dilometer bringt. Frankreich hat, abgesehen von 
)em wöchentlichen Blitzzuge Paris-Bordeaux, nur 
inen wirklichen Schnellzug: Paris⸗Marseille, der 
s, gleich dem Berlin⸗Kölner, auf 62 Kilometer 
zringt. Ungleich besser steht es in dieser Hinsicht 
iu England. So betragen die Geschwindigkeiten: 
ꝛei London-Bristol 77)3 Kilometer, bei London⸗ 
Manchester 712, bei London⸗Dover 8014 
»ei London⸗Edinburg, trotz der Ueberkletterung des 
Zrampiangebirges, 64'/2 Kilometer. Es sei, meint 
Engel, erwünscht, daß man auch in Deutschland 
rascher fahre, und zwar schon aus wirthschaftlichen 
Bründen. Der Verfasser führt dies an einem sehr 
drastischen Beispiele vor Augen. Wäürde man die 
30 Kilometer-Geschwindigkeit durchführen, so könnte 
»er Reisende auf der Fahrt Berlin⸗-Frankfurt drei 
Stunden ersparen, also zum Vergnügen wie zum 
Beschafte eine bedeutende Zeit gewinnen. Diees 
vürde nicht blos den Schnellzugsverkehr heben 
ondern auch die Unkosten für Wagen erheblich 
dermindern, eine bessere Ausnutzung derselben er⸗ 
möglichen. Dies ergiebt sich aus Folgendem: Der 
Tagesschnellzug auf der genannten Strecke gelang! 
Jalb 9 Uhr Abends nach Frankfurt, d. h. drei 
viertel Stunden nach Abgang des Nachtschnell- 
uges Frankfurt⸗ Berlin. Die Wagen des ersteren 
nüfsen also die Nacht über in Frankfurt unnütz 
iegen, während sie, bei Durchführung der Schnell⸗ 
zugsgeschwindigkeit, bereits halb 6 Uhr in Frank 
urt eintraäfen und nach zwei Stunden die Rüd— 
ceise antreten könnten. 
F Das deutscheitalienische Bündnliß 
zat, wie aus Turin gemeldet wird, daselbst eine 
orignielle Ausdruckfform gefunden. In der ge⸗ 
nannten Stadt erscheint nämlich seit einiger Zeit 
eine Zeitung, deren Text in italienischer und in 
deutscher Sprache gedruckt ist. Das von der Freund⸗ 
schaft der beiden Staaten Zeugniß ablegende Blat 
zeißt „Italienische Rachrichten“ — „Notirie Ita- 
liane“ und verfolgt den Zweck, den Italienern die 
Erlernung der deutschen Sprache zu erleichtern. 
F Von der StanleyErpedition. 
Via Lwerpool wird dem Reuter'schen Bureau“ aus St. 
Paul de Loanda unterm 25. April gemeldet 
„Bezüglich der Stanley'schen Expedition find hier 
ernste Nachrichten eingegangen, welche obwohl die⸗ 
selben noch keine positive Bestätiguag empfangen 
haben, im Wesentlichen für richtig gehalien werden 
und große Beunruhig verursacht haben.. Danach 
hat Major Barttelot, der eine am Flusse Arnwimi 
tationirte kleine Mannschaft befehligt, einen Mann 
nach der Küste geschickt, um eine Kabeldepesche nach 
England zu senden, worin er sich weitere In— 
tructionen erbittet. Ferner verlautet es, daß die 
Mannschaft am Arnwimi seit Monaten von Stanley 
aichts gehört hat, daß Krankheiten unter dem ein⸗ 
Jjeborenen Gefolge ausgebrochen sind und bereits 
iele Todesfälle stattgefunden haben, und daß die 
Proviantvorräthe knapp geworden sind. Ltzter⸗ 
vähntem Punkt der Meldung wird hier kein Glau⸗ 
hen beigemessen, da sich nicht weit von dem 
Punkte, wo die Arnwimi⸗Manuschaft eirquartir! 
ist, eine Station des Congo Freistaates befindet, 
wo Lebensmittel erlangt werden könnten. Major 
Varttelst soll sehr desotgt sein wegen des Aus— 
bleibens n ren von Stanley.“ 
—7 Pflichttreuer Beamter. Aus AMirolo, 
13. Jüni, wird geschrieben: Einer der ältesten 
und besten Bundesbeamten der Schweiz ist heute 
im Aller von 65 Jahren zu Airolo gestorben, 
Josef Zoppi, der seit 47 Jahren Postverwalter 
in Airolo, ein tüchtiger, fleißiger, gewissenhafter 
Beamter, ein ebenso bescheidener wie geachteter und 
zeliebter Vollsmann im wahren Sinne des Wortes 
var. Den besten Beweis seiner Diensttreue dürft⸗ 
wohl sein tapferes Betragen bei dem unvergeßlichen 
großen Brande Airolos am 17. September 1877 
liefein. Zoppi war damals Vatervon sechs nodh 
unerzogenen Kindern. Während nun sein beschei⸗ 
denes Holzhaus, dicht am Post⸗ und Telegraphen- 
bureau gelegen, lichterloh brannte und einstürzte, 
stand er unerschütterlich am Telegraphenapparat, 
nach allen Richtungen der Windrtose das gräßliche 
Unglück verkündigend und um Hiife sür das be⸗ 
drängte Airolo bittend. Die Hinterlafsenen dürfen 
stolz auf das officielle Dankes- und Anerkennungs⸗ 
schreiben sein, welches ihm Bundesrath Welti dva⸗ 
mal Vorsteher des Postdepartements, für seine aus⸗ 
gezeichnete Haltung bei dieser kritischen Gelegenheit 
zustellen ließ. 
(Durch die Blume.) Unteroffizier: Kerl 
Sie sind ein — — —; wo, wenn es Erbsensuppe 
jiebt mit Ihre Ohren drin dann wünde keen Mensch 
jloben, daß das nich Erbsensuppe mit Schweins— 
ohren is. 
Diennachrichten. 
Gestorben: In Saarbrücken Hr. Heinrich 
Schriever, Kaufm, 66 J. a. in Kallstadt J. Georg 
Schröder, Bäcker, 74 J. a., in Ruppertsberg Hr. 
Pfarrer Kunkel, 69 J. a. 
Aene e Nachrichten. 
Müͤnchen, 20. Juni. Se. Kgl. Hoheit der 
Prinz: Regent wird dem Vernehmen nöch die für 
das Frühjahr heabsichtigt gewesene Reise in 
die Pfalz im Herbst dieses Jahres 
machen. 
Berlin, 18. Juni. Wie der „Elberf. Zig.“ 
geschrieben wird, soll der Kaiserin⸗Witwe Vitloria 
das Schloß Wilhelmshöhe bei Kassel zum Witwen⸗ 
sitz und als Eigentum zuerteilt worden sein. 
Berlin, 19. Juni. Ein Erlaß des Kaisers 
vom 18. Juni ordnet für weiland Kaiser Friedrich 
eine Gedächtniß-Feier am 30. Juni in allen Lehr⸗ 
anstalten und Schulen der Monarchie an. 
Berlin, 19. Juni. Der Kaiser Wilhelm 
hat die etste bedeutungsvolle militärische Ernennung 
vollzogen, indem er heute seinen Großeousin, den 
Prinzen Albrecht von Preußen, Prinzregenten von 
Braunschweig, zum General⸗Feldmarschall ernannt 
hat, eine Würde, welche außer Graf Moltke jetzt 
nur noch Graf Blumenthal in der Armee berleidet. 
Basel, 19. Juni. Der Verfasser des Fast⸗ 
nachtsschmähgedichtes, Schill, gegen den der Bundes⸗ 
anwalt drei Wochen Gefängniß, 1000 Franken 
Buße und 200 Franken Urtheilsgebühr beantragt 
hatte, ist vom Gerichtshofe heute zu einer Geldbuße 
von 800 Franken, ferner zu einer Urtheilsgebühr 
von 200 Franken und in samtliche Kosten verur⸗ 
teilt worden. J 
Brüssel, 19. Juni. Gerüchtweise verlautet, 
der König hätte dereits die Nachricht vom Tode 
Stanley's empfangen. 
GSin neuer EHDaAan von Karl Emi' 
Franzos gehoört stets zu jenen Erscheinungen 
unserer modernen Literatur, welchen von vornherein 
die größte Aufmerksamkeit weiter Kreise gesichert 
ist. Zuerst auf dem Gebiete des Kulturbildes und 
der Novelle berühmt geworden, hat sich Franzos 
durch seine Romane Ein Kampf um's Recht“, 
„Der Präfident“ und „Die Reise nach dem Schick⸗ 
sal“ auch unter den deutschen Romandichtern der 
Begenwart eine Stelle in der vordersten Rethe er⸗ 
kämpft. Sein neuestes Werk „Die Scha tten“, 
welches vom Juli ab im Feuilleton des Berliner 
Tageblatt“ erscheinen wird, dürfte schon inso⸗ 
fern die größte Aufmerksamkeit erwecken, als K. 
E. Franzos zum ersten Male durchweg nur deut⸗ 
sches Leben geschildert hat. Diesmal sind die 
dsterreichischen Alpen der Boden, auf welchem der 
Verfasser eine tieferschütternde, durch psychologische 
Vertiefung und spannende Handlung gleich bedeut⸗ 
same Familiengeschichte sich abspielen läßt. Das 
durchaus originelle und schwerwiegende Problem 
findet 'eine ebenso ergreifende als befriedigende 
Losung. Abonnements auf das „Berliner Tage⸗ 
blatt“ und Handelszeitung nebst seinen 4 werth- 
vollen Separat-Beiblättern „Unlike, Lesehalle“, 
„eitgeist“ und Mittheilungen über Landwirthschast, 
Bartenbau und Hauswirthschaft, nehmen alle 
Reichspostanstalten für 5 Mk. 285 Pf. vierteljährlich 
entgegen. Möoglichst früͤhzeitige Abonnements-An⸗ 
meldung ist im eigenen Interesse geboten. 
Für die Redaktion nerantw ttlich: F. X. Deme*