Full text: St. Ingberter Anzeiger

zt. Iugherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
3 St berter Auzeiger“ erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage. 2 mal wöochentlich mit Unterhaltungs-Glatt und Freitags und Samsftags mit acht 
t —E Beilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich 1.4 60 2 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen i.M I , einschließlich 404 Zustellungsgebuhr. Die 
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tinru Auskunft ertheilt, 15 4, Neklamen 30 3. Bei 4maliger Ginrückung wird nur dreimalige berechnet. 
F 45. 
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ir daß dritte Vierteljahr (Juli — September) 
uf den täglich erscheinenden 34 
„It. Ingberter Anzeiger 
zü zwei Sseitigen illustrirten Beiblättern 
ehmen an: die Postanstalten, die Postboten, 
Austräger und die Expedition. 
— — —— — —— — 
Politische Uebersicht. 
Die Thatsache, daß Kaiser Wil⸗ 
zelm am 18. Juli zur See über Kiel nach Ruß 
ind teisen und dem Zaren Alexander einen Be— 
uch abstatten wird, beherrschte in der letzten Woche 
die ganze europäische Politik und übte auch auf 
die innere Lage Deutschlands einen günstigen Ein⸗ 
juß aus. Denn was man auch sonst über den 
zud der Reise berichten mag, so steht doch vor 
ilen Dingen soviel fest, daß die Reise dem Aus⸗ 
cusch jreundschaftlicher Gefühle zwischen dem deut⸗ 
den und russischen Herrscherhause gilt, und daß 
m hinblick auf den großen Einfluß, den freund⸗ 
dasuiche petssnliche Beziehungen zweier so mäch⸗ 
ier Kaiser auf die Politik ausüben können, mit 
imlicher Sicherheit eine Besserung der deutsch⸗ 
üishen Beziehungen und eine Aufheiterung der 
it Jahr und Tag umdüsterten Lage Europas er⸗ 
hattet werden kann. 
Der Bundesrath hat mit dem Ende 
— 
ud sch bis zum Herbst veriagt. Die letzten Be— 
chungegegenstände, mit denen sich die Äusschüsse 
u Bundesrathes in angestrengter Arbeit beschäf⸗ 
Jen, war der neue Gesetzentwurf betreffend die 
liez· und Invalidenversorgung der Arbeiter und 
ir dorlage ber die Einführung eines gemein⸗ 
men deutschen bürgerlichen Gesetzbuches. 
letzter Woche schien es, als ob das 
tanzoͤsisghe Ministerium wieder einmal 
n werden würde, denn der Ministerpräsident 
—— hat sich in der Wahlagitation eine arge 
be gegeben und bei der Wahl der für die Be— 
* des Budgets maßgebenden Budgetcom⸗ 
p hatten die Opportunisten, die Gegner des 
Anen Floquet, die Mehrheit erhalten. Der 
uhwrasident Floquet stellie aber kühn anläß— 
Imn angeblichen Wahlbeeinflussung die Ver— 
auuge an die Deputirtenkammer, und siehe 
— F derren Republikaner, denen noch immer 
* Zukunft recht bange ist, solange Boulanger 
don Mund aufthut, dewilligten dem Cabinel 
Ae ein Vertrauensbotum. Nur die Gruppe 
nd von den Opportunisten enthielt sich der Ab⸗ 
n gab also dadurch aber auch zu erkennen, 
ne das Ministerium jetzt nicht gestürzt haben 
9 Dasselbe darf also bis auf Weueres für 
Wigt angesehen werden 
Deutsches Reich. 
diesbaden 6. Juli. Der serbische Kriegs⸗ 
dronisch und der Bischof Zimirh find su 
n ungen über Familienangelegenheiten mit der 
g— Jatale von Serbien hier eingetroffen. 
in in, 5. Juli. Das Diner, welches der 
v er hiesigen beglaubigten Botschaftern geben 
— Juli im Stadtischloß zu Pots⸗ 
atfinden. 
— 7. Juli. Der Kaiser trifft hier am 
* Vormittags ein und gehi mit dem 
* ern“ begleitet von einem Geschwader, 
nach Kopenhagen, dann nach Petersvurg 
Samstag, 7. Juli 1888. 
23. Jahrg. 
Ausland 
Wien, 85. Juli. Von Seiten der Königin 
Natalie von Serbien geht der „Neuen Freien 
Presse“ folgendes Telegramm zu, welches die Kö⸗ 
nigin an den serbischen Metropoliten gerichtet hat: 
„Der König schreibt mir, daß er das Scheidungs⸗ 
»exlangen gestellt hat; weder das canonische noch 
das bürgerliche Recht lassen eine Scheidung ohne 
ceelle Gründe zu. Da ich keinen solchen in unserer 
dage weiß, werde ich niemals zustimmen. Ich 
jertraue der Gerechtigkeit Gottes. gez. Natalie.“ 
diesige unterrichtete Kreise bezweifeln übrigens, daf 
s dem Könige mit der Scheidung ernst sei. Der 
dönig dürfte nur den Wunsch haben, die Rückkehr 
der Königin nach Serbien, sowie deren unablässige 
Zeltelungen mit den Gegnern seiner Regierung zu 
derhindern. 
Wien, 5. Juli. Wie die „Pol. Corresp.“ 
dernimmt, überreichte der türkische Botschafter Sa⸗ 
dulla Pascha gestern dem Grafen Kalnoky eine Con⸗ 
dention betreffend den Suezkanal. Unmittelbar da- 
zach erhielt Graf Kalnoky seitens der hiesigen Bot⸗ 
schafter Frankreichs und Englands gleiche Mitteil⸗ 
ungen. 
Brüssel, 5. Juli. Der Graf von Paris ist 
heute hier eingetroffen. 
Aus St. Petersburg erhält die Wiener 
Politische Correspondenz“ die Nachricht, dieser Tage 
ei in Odessa eine aus drei orthodoren Priestern 
jestehende Deputation eingetroffen, welche der Negus 
zohann von Abissynien nach Rußland entsendet 
Jat, um den Festlichkeiten aus Anlaß des neun— 
jundertjährigen Jubiläums der Einführung des 
Thristentums in Rußland beizuwohnen. Die Depu—- 
ation, in deren Begleitung der unermüdliche Kosak 
Aschinoff sich befindet, begibt sich über Kiew nach 
St. Petersburg, um dem Kaiser ein eigenhändiges 
Schreiben des Negus zu übecreichen, und wird so⸗ 
dann nach Kiew, dem Schauplatz der Jubiläums— 
Festlichkeiten, zu längerem Aufenthalte zurückkehren. 
Belgrad, 5. Juli. Wie ich aus sicherer 
Quelle vernehme, haben die Verhandlungen über 
die Familienverhältnisse des Königs Milan ihren 
Abschluß dahin gefunden, daß nach langen Ver— 
Jandlungen mit dem z. Z. unter der Leitung des 
Metropoliten von Serbien tagenden Consistorium 
die Synode die von dem Könige beantragte Ehe—⸗ 
cheidung gebilligt hat. Der Kriegsminister General 
Protitsch wurde mit der besonderen Mission beauf⸗ 
ragt, der in Wiesbaden weilenden Königin Natalie 
die von der obersten Kirchenbehörde bestätigte Ehe— 
cheidung mitzuteilen und den serbischen Thron⸗ 
olger in sein Vaterland zu bringen. Die Königin 
Natalie hat telegraphisch Protest eingelegt. Die 
Nachricht von der erfolgten Ehescheidung rief in 
Belgrad und im ganzen Lande eine große Auf—⸗ 
regung hervor. Infolge der Ehescheidung hatte der 
Pinister des Innern, Ceda Miatowitsch, seine De⸗ 
nission eingereicht. Es ist dem König aber ge⸗ 
ungen, Herrn Miatowitsch dem Cabinet Christitsch 
zu erhalten und dadurch, vielleicht weiteren Diffe⸗ 
cenzen voczubeugen. (Frf. J.) 
Newyork, 3. Juli. Nunmehr haben 13 
Arbeitgeber die von den strikenden Eisenarbeitern 
jeforderten Lohnsätze bewilligt. Die Mehrzahl der 
Fabrikanten erklärt indeß, daß sie, ehe sie beschlossen, 
den Forderungen der Arbeiter Widerstand zu leisten, 
arauf rechneten, daß gewisse Firmen die Lohnsätze 
der Arbeiter bewilligen würden und daß die That⸗ 
ache, daß diese wenigen Arbeitgeber den Arbeitern 
achgegeben haben, die allgemeine Lage nicht be—⸗— 
einflusse, da 71 Firmen des westlichen Verbandes 
entschlossen sind, den Forderungen der Strikenden 
Widerstand entgegenzusetzen. Die Zahl der Arbeiter 
in Diensten der Firmen, welche höhere Löhne be⸗ 
willigt haben. ist 12000 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 7. Juli. Herr Schulver- 
weser Görl von hier wurde, einem schon früher 
mitgetheilten Antrage des Stadtrathes zu Zwei⸗ 
brücken entsprechend, von der kgl. Kreisregierung 
mit Wirkung vom 11. ds. Mis. an als Schulver⸗ 
weser in Zweibrücken ernannt. Gleichzeitig wurde 
die Verwesung der dadurch hier erledigten Schul⸗ 
stelle dem Schulverweser Herrn Lutz dahier über⸗ 
ragen. 
* St. Ingbert, 7. Juli. Das Publikum 
ist meistens der Anficht, daß es ein Recht auf das 
sogenannte „Abrufen“ durch den Portier auf den 
Bahnhöfen habe, und es kommt vor, daß im Falle 
des Unterbleibens desselben und daraus entstandener 
Versäumniß des Zuges Schadenersatzansprüche an die 
Eisenbahnverwaltung gemacht werden. Es wird 
deshalb von Interesse sein, zu erfahren, daß solchen 
Entschädigungsansprüchen nie stattgegeben wird und 
zwar deshalb, weil es im Betriebsreglement heißt: 
„Das Zeichen zum Einsteigen in die Wagen wird 
durch zwei verschiedene Schläge auf die Stations⸗ 
glocke gegeben.“ Das „Abrufen“ ist zur Bequem⸗ 
lichkeit des Publikums eingeführt; ein Unterlassen 
desselben kann dem damit beauftragten Beamten 
vohl eine Disziplinarstrafe zuziehen, jedoch nie den 
Brund zu Enischädigungsansprüchen für das Pub⸗ 
likum bilden. 
— Alle Anverwandien der Familie Maurer 
aus Hochspeyer werden ersucht, sich am 8. d. M. 
im Hotel Hoffmann in Neustadt, Nachmittags 2 
Uhr, einzufinden behufs Besprechung wegen Erb— 
chafts⸗Angelegenheiten (Pf. Z.) 
— Landanu, 6. Juli. Gestern Mittag 
zegen 1 Uhr erschoß sich in einem Anfall von 
Beistesgestörtheit der Buchbindermeister Heinrich 
Foͤrster in seiner auf der oberen Marktstraße dahier 
belegenen Wohnung, nachdem er vorher noch seinen 
Verkaufsladen sorgfältig geschlossen hatte. Der Un— 
zlückliche war etwa 40 Jahre alt und war noch 
ledig. L. A. 
— Landau, 6. Juli. Ueber eine interessante 
Frwerbung für das pfälzische Gewerbemuseum er⸗ 
hält der L. E. von hochgeschätzter Seite folgende 
Mittheilung: 
Der Gutsbesitzer Steigelmann in Rhodt hatte 
chon seit Jahren ein aus Kiefernholz hergestelltes 
2,10 Meter langes und 50 Centimeter hohes Relief, 
velches aus dem 15. — 16. Jahrhundert zu stammen 
scheint, in seinem Hause aufbewahrt. Die Eltern 
des Steigelmann hatten dasselbe seinerzeit von 
einem armen Taglöhner erworben. Der Müller 
Metzger in Hainfeld, der von diesem Relief, das 
ibrigens übertüncht war, Kenntniß erhielt, hat das⸗ 
selbe im Laufe dieses Winters um 200 Mk. ge⸗ 
kauft, die Tünche abmachen und das ganze Bild 
in seinem ursprünglichen Zustand wieder herstellen 
sassen. Dasselbe wurde in Neustadt photographirt 
ind die Photographien an Seine Exceklenz, den 
Herrn Regierungspräsidenten sowie an verschiedene 
Zunst⸗ und Antiquitätenhandlungen versendet. Nach- 
dem das Bild verschiedenen Besichtigungen unter⸗ 
worfen war, haben Seine Excellenz dasselbe nun- 
neht um 600 Mark fur das pfälzische Gewerbe⸗ 
nusenm erworben.