Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
St. Ingberter Anzeiger“ erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn⸗ und Feiertage. 2 mal wöͤchentlich mit Unterhaltungs ⸗Blatt und Mittwochs und Samstags mit 
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23. Jahrg. 
T. 
Politische Uebersicht. 
Wie nunmehr feststeht, wird Kaiser Wil⸗ 
elm im Anschlusse an die Zusammenkunft mit 
dharen auch den Hoͤfen von Kopenhagen 
ind Stockhohm einen Besuch abstatten und 
hamit erhält die Kaiserreise einen neuen Zug. 
denn der Besuch unseres Kaisers in Siockholm 
art eine Besiegelung des sich schon aus den beider⸗ 
igen nahen verwandtschaftlichen Beziehungen er⸗ 
zhenden freundschaftlichen Verhälmisses zwischen 
in höfen von Berlin und Stockholm bedeuten 
vinde wäre dem signalisirten Besuche des deutschen 
duschers in der Houpistadt Dänemarks noch eine 
ndere politische Bedeutung zuzuerkennen. Seit 
—— Jahres 1864 
mit dem Verluste Schleswig- Holstein's für 
dnemark endete, grollte der dänische Inselstaat 
iin machtigen deutschen Nachbar und dieser Groll 
ch sich mehr als einmal, namentlich zu Beginn 
ma deutsch franzsischen Krieges, kund. Damals 
aheitele in Kopenhagen eine rührige Partei für 
fme Theilnahme Dänemarks an dem Kriege auf 
zeen Frankreichs, behufs Zurückgewinnung der 
nlblenen Propmzen und vielleicht waren es nur 
je ersten Riederlagen der Franzosen bei Weißen⸗ 
ug und Wörth, welche die danische Regierung 
dueßlich zu ihrer Neutralitätserklärung veranlaßten. 
hhet die danischen Antipathien gegen Deutschland 
nuerten fort und die dänische Nationalpartei agi⸗ 
ine fetigesetzt für Rückgabe wenigstens von Rord⸗ 
hetwig an Dänemark, was natürlich keineswegs 
in Verdesserung der deutsch dänischen Beziehungen 
aitug. Erst in den letzten Jahren hat sich jen⸗ 
itz der Eider und des Sundes allmälich eine 
udete Strömung geltend gemacht, man ist da doch 
eht und mehr zu der Einficht gelangt, daß Deutsch⸗ 
ind unter keiner Bedingung einen Fußbreit der 
ibherzogthümer wieder hergeben würde und hier- 
at wuchs auch in Dänemark die Erkenntniß, es 
abeser, sich mit dem mächtigen Nachbarstaate im 
Den moͤglichst freundschaftlich zu stellen und die 
anfüllbaren Hoffnungen hinsichtlich Nordschleswigs 
tnuen zu lassen. Unter diesen veränderten Ver⸗ 
Amisen ist denn auch das Erscheinen Kaiser Wil⸗ 
eins II. am. danischen Hofe möglich geworden und 
mhete soll zeigen, daß die Dynastien der beiden 
Ander wie die letzteren selbst nunmehr gewillt sind. 
mguten und freuͤndnachbarlichen Beziehungen mit 
mander zu leben. 
Die Annahme, Prinz Georg von Sachsen 
aide infolge seiner Etnennung zum General- Feld⸗ 
wishall und General-Inspecieur der 2. Armee⸗ 
nspection das Commando über das sachsische Ar⸗ 
cpa abgeben, erweist fich als unbegründet. 
Erlaß König Alberts aus Siockholm verfügt, 
v erlauchter Bruder trotz der neuen Pflichten, 
pe die Ernennung zum Armee-Inspecteur auf⸗ 
als commandirender General an der Spitze 
wen Armeecorps verbleibt, dessen bewaͤhr⸗ 
ührer Prinz Georg seit nunmehr fast 18 
itt; wie dekannt, übernahm der Prinz nach 
nher Schlachttagen im August 1270 das 
— über das 12. Armeecorps, während der 
wr Kropprinz Albert zum Oberbefehlshaber 
neugebildeten Magasarmee ernannt wurde. 
— Ir sranzosich⸗ Nationalfeier vom 
* duli ist ohne sonderliche Zwischenfälle verlaufen, 
4 der Haupistadt selbsi. Natürlich hat es 
Parig an den herkömmlichen Demonstrationen 
iesem Tage nicht gefehlt, und ebenso wenig 
un den üblichen patriotischen Reden, und unter den 
letzteren ragt die Ansprache des Präfidenten Carnot 
dem großen Maires Vanket auf dem Marsfelde 
dervor. Die Rede des französischen Staatsober⸗ 
Jauptes feiert in warmen Worten die nationale 
Finheit und republikanische Einigkeit, sie greift auf 
as Wirken Gambetta's zurück, weist auf das zur 
Bertheidigung der nationalen Ehre bereit stehende 
apfete und geschulte Heer hin und gedenkt natür ⸗ 
ich auch der beborstehenden Pariser Weltausstellung. 
Der Boulangismus bekommt einen tüchtigen Seiten⸗ 
zjieb ab, indem in der Carnot'schen Rede auf 
trügerische und lärmende“ Unternehmungen gegen 
zie Einrichtungen des Landes angespielt wird; die 
undgebung des Präsidenten schließt mit 
iner Verherrlichung des republikanischen Ein- 
heitsgedankens. Noden dieser Kundgebung des 
Ztaaisoberhauptes liefen aber bei der Nationalfeier 
noch mindestens ein Dutzend stark chauvinistisch ge⸗ 
ärbter Ansprachen einher. 
* Die Affaire der durch den Brigantenüberfall 
„»on Bellova in die Hände macedonischer Busch 
tlepper gefallenen österreichischen Staatsangehörigen 
st noch nicht erledigt. Die Banditen verlangen 
für dieselben ein Lösegeld von 100,000 Frs., aber 
die bulgarische Regierung, welche auf Drängen des 
diplomatischen Agenten Oesterreichs in Sofia das 
dösegeld bezahlen soll, macht Schwierigkeiten, ihr 
st die geforderte Summe offenbar zu hoch, auch 
cheint in der bulgarischen Staatskasse gerade jetzt 
vieder eine, bedenkliche Ebbe zu herrfchen. Trotz 
der Verzögerung der Auslösung ist man indessen 
in Sofia ohne besondere Sorge um das Schicksal 
der Gefangenen, da sich die Räuber hüten werden, 
denselben ein Leid zuzufügen, denn schließlich müssen 
die Gefangenen doch ausgelöst werden und über⸗ 
dies lassen die Banditen mit sich handeln. 
Deutsches Reich. 
Karlsruhe, 17. Juli. In der zweiten 
Zammer gedachte der Vizepräsident in der Schluß⸗ 
rede der Verluste, w Baden und Deutschland 
pährend des Landtags )erlitten haben, und ist über 
zeugt, daß das Deutsche Reich, gegründet auf 
‚eunsche Treue, seine Machtstellung unter der Fuh⸗ 
rung des Kaisers Wilhelm's L. sichern werde. 
Kronftadt, 17. Juli. Die zum Empfange 
des deutschen Kaisers commandirte, vierzig Wimpel 
zählende Kriegsflotte ist hier eingetroffen und hat 
die vorgeschriebene Stellung eingenommen. Aui 
der großen Rhede hat das Uebungsgeschwader, 
zrößtentheils Fregatten, ebenfalls die angewiesene 
Stellung genommen; gegenüber werden die deutschen 
Kriegsschiffe ankern. 
Ausland 
Paris, 16. Juli. Das Nationalfest isi 
doch nicht ohne arge Ruqhestörungen verlaufen. 
Ramentlich war die Nacht der Revolutionsfeier in 
haris sehr unruhig. An allen Ecken gab es bou⸗ 
angistische Aungebungen, Prügel und Verhaftungen. 
In der Rue Montmarire drängten sich von 11 Uhr 
Poan die 2000 Menschen und brüllten: „Bou— 
anger hoch! Auflösung! Nieder mit Floquet!“ 
Junge Bengel zogen bandenweise über die Boule- 
ards, schrieen und sangen die „Pious Pious de 
»Auvergne“ (ein boulangistisches Couplet). Auf 
dem Opernplatz kam es zum Prügeln und zu Ver⸗ 
zafuungen. Auf dem Concordienplatz war um 
Mitnternacht ein förmlicher Auflauf; der Pöbel 
boßite die Verhafteten befreien, die Polizei schritt 
brutal“ (so drücktt sich die „Agence Havas“ aus) 
in. Fünf Mal drang fie auf den Haufen und 
berhaftete rechts und links. Deroulede, der natür⸗ 
ich dabei sein mußte, faßten sie auch, nahmen ihn 
wischen die Pferde und zogen im Trab mit ihm 
1b.zDie Schreier zogen nun wieder über die Bou⸗ 
sebards. Vor dem ölysee brachten sie Carnot eine 
datzenmusik mit dem Rufe: „Nieder mit Floquet! 
sticder mit Carnot!“ Eine Schwadron Kürassiere 
it auf sie ein und zerstreute den Zusammenlauf. 
Por den Bureaus der „Cocarde“, der „Presse“, 
des „Intransigeant“ hörte das Raufen zwischen 
Houlangisten und der Polizei gar nicht auf. Nach 
TIuhr griff die Polizei überall sofort scharf ein. 
Im Quattier Latin war ein wahres Tohuwabohu. 
Fin Student wucde schwer verwundet. Auf dem 
Bouledard St. Denis wurde ein Kind er⸗ 
schossen. Um Mitternacht gab es vor dem Cafe 
Nmericain eine furchtbare Prügelei. Ein Ingenieur— 
Major, der sich einfallen ließ: Nieder mit Bou⸗ 
langer!“ zu rufen, wurde schredlich zugerichtet und 
blutbedeckt weggetragen. 
Petersburg, 17. Juli. Das Journal de 
St. Petersbourg“ bringt einen sympathischen Ar⸗ 
kel über die Kaiser⸗Entrevue und hebt deren tiefe 
Bedeutung hervor. Die Entrebue könne nichts 
anderes sein, als eine neue Bestätigung der Friedens⸗ 
politik, welche beide Kaiserreiche zu consolidiren streben. 
Eokale und pfaͤlzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 18. Juli. (Schoͤffen⸗ 
zerichtssitzung. Als Schöffen fungiren die 
Herren Alb. Zorn und David Kahn hier. Die 
Zerhandlung umfaßte folgende Fälle. 1L. Schnabel 
Andr. 58 J. a. von Ensheim hatte zwei Arbeiter, 
welche am Pfingstmontag l. Is⸗ einen Wiesenpfad 
begingen, auf den Schnabel Eigentumsrecht gel⸗ 
tend zu machen sucht, mit Schimpfworten empfan⸗ 
gen und in dem sich entspinnenden Streit zuerft 
nit einem Prügel, sodann mit einer Bohnenstange 
blutrünstig geschlagen. Die heute gegen ihn unter 
Annahme mildernder Umstände erkannte Strafe be- 
steht in Zahtang von 12 Mk. und den Kosten eb. 
in 4 Tagen Gefängniß. 2. Wegen Diebstahls 
eines Taschentuches aus einem Brunnentroçe wird 
Maria Simon, Wwe. Blaumeiser, 48 J. a. hier 
zu 1 Tage Gefängniß nebst Kosten verurteilt. 3. 
Andr. Schmitt, 18 J. a. hier, hatte im Verlauf 
eines Streites, der sich am 29. Aptil hier in der 
alten Bahnhofstiaße abspielte, einen Bergmann aus 
Sulzbach durch Schlagen mit einem Stein verletzt, 
weshalbeer heute in eine Strefe von 6 Mk. ev. 2 
Tage Gefängniß und den Kosten verfällt. 4. 
Wegen fortgesetzter Beleidigung des Privatklägers 
Hilar. Pflug wird der Kath. Schmelzer, Wwe. 
Siermacher, 50 J. a. hier, eine Strafe von 14 
Tagen Gefängniß samt Koften zugesprochen. 5. 
Das⸗gerichtliche Nachspiel einer ausgedehnten Schla⸗ 
gerei füllte die groͤßte Zeit der heutigen Verhand⸗ 
lung aus. Angeklagt sind Pet. Jos. Schmelzer, 
Hunlenarbeiter, Joh. Wagner, Tagner, Jos. Gries, 
Gg. Kiehm, Tagner, Mich. Fischer, Bergmann, 
diese 20 J. a., sowie Jak. Jung, 21 J. a., Glas⸗ 
zläser, alle hier, die ersteren den Kuüfergesellen Kar- 
nann am 27. Nov. vor. Is. zuerst vor der Schmel⸗ 
zerschen Wirthschaft am Bahnhof, sodann vor 
dem katholischen Pfarrhause teils mit Schlägen, 
teils mit Fußtritten und Messerstichen traktirt, Jak. 
Jung bei der Verteidigung Karmanns die anderen 
Angeklagten tätlich angegriffen, dabei aber die 
grenzen der Notwehr uberschritten zu haben. Wegen 
weier Vergehen der gemeinschaftlich begangenen 
körperverlezung erkennt das Schöffengericht gegen 
Schmelzer uͤnd Wagner auf je eine Gesamtgefäͤng⸗