Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
ot Jugherter amzeiger erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn⸗ und Feiertage. 2 mal wöchentlich mit Unterhaltungs-Blatt und Mittwoche und Samstags m 
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ngegerube sur die Aespallene Barmondzeite oder veren Kaum betragt der Inseralen aus der Pfalz 10) bei aud erpfaluiseen und solchen auf welche die Erpeditior 
sin udiunit eriheit, ixk 4, Aekiamen 80 3. Bei 4maliger Einrudung wird nur dreimalige berechnet. 
23. Jahrg. 
W 164. 
Montag, 30. Juli 1888., 
Deutsches Reich. 
Aoln, 28. Juli. Die „Koöln. Volkszeitung“ 
ulhei aus Sol ingen: Gestern Abend wurde 
n Versammlung in der Kirche mit Vortrag des 
ssrrers Thümmel von Remscheid polizeilich 
ifsgeldsi, da Thümmel den Erzbischof von 
yln und andere stirchenfürsten dec Gottes⸗ 
merung beschuldigte. Es entstand großer Tu⸗ 
vut, Polizei und Gendarmen räumten das Gottes 
und viele Privatgebäude unserer Siadt sind heute 
beflaggt. 
»St. Ingbert, 30. Juli. Wir haben 
ungft mitgetheüüt, daß Herr Pfarrer Roth in 
Zweibrücken seine Gedächtnißrede an Weiland 
Seine Majestät Kaiser Friedrich zum Besten einer 
orten zu errichtenden freiwilligen Sanitätskolonne 
im Druc veröffentlichte. Herr Hüttenbesitzer Oskar 
strämer hier hat davon 4006 Eremplare erworben 
und gestern unentgeltlich unter die hiefige protestan⸗ 
lische Gemeinde verteilen lassen, welche für die schoͤnt 
Spende sehr dankbar ist. 
A Bbckweiler, 29. Juli. Von einem 
chweren Unglücksfalle wurde die Familie des Lehrers 
Bogelgesang gestern betroffen. In Abwesenheit 
»es Vaters spieillten die beiden munteren Knaben 
Wilhelm und Konrad in der Scheune. Dabei fiel 
zer jüngere fast achtjährige Konrad so unglücklich 
vom Gerüste auf den Heuboden, daß die sofortige 
irziliche Hilfe das junge blühende Leben nicht mehr 
teiten konnte. 
— Daß Oberlandesgericht Müncen 
zat die Revisionsbeschwerde des Staatsanwaltes in 
Zaiserslautern gegen ein Urtheil der Straf⸗ 
ammer in Kaiserslautern, betr. Freisprechung des 
Pteßgers Philipp Kohler von Kaisers 
dauüstern wegen anderweiten Verkaufs von auf 
zie Freibank verwiesenen perlsüchtigen Fleisches, als 
zegründet erkannt und die Sache zu nochmalige⸗ 
Verhandlung an das Landgericht Kaiserslautern zu—⸗ 
ückverwiesen. Das Urtheil der Strafkammer in 
daiserslautern vom 15. Mai ds. J. stützte sich be⸗ 
anntlich darauf, daß die Fleischverlaufsordnung 
nur auf den Verkauf nicht bankwurdigen Fleischeß 
in der Freibank Anwendung sindet; den Meßgger 
onne niemand daran hindern, daß' er das „leisch 
nach auswärts (in diesem Falle nach Paris) ver⸗ 
sendet, sei es in Quantität jeden beliebigen 
Bewichtes. Das koͤnigliche Oberlandesgericht ist 
jedoch ganz anderer Meinung. Nach dem Anttag 
des igl. Oberstaatsanwaltes steht nämlich thatsäch 
lich fest, daß Kohler von dem kritischen Fleische 
zas bereits schon auf der Freibank gelegen war 
360 Pfund zum Verkauf geschickt hat; der Ange- 
klagte hätte nur dann das Fleisch ungehindert und 
uinbeanstandet auf irgendwelche Weise verwenden 
der veräußern koͤnnen, wenn es weder auf der 
Freibank noch in seinem Verkaufsladen gewesen wäre. 
ͤllein liege das Fleisch einmal auf der Freibank 
unterliege es auch den gesetzlichen Verkaufsbe⸗ 
limmungen, welche auch auf den Berschleiß von 
Fleisch nach auswärts Anwendung finden; denn 
pöre dies nach der Ansicht des Untergerichts nicht 
der Fall, so wäre ja durch den Verkauf 
nach außen allem Unfug Thür und 
Thorgeöͤffnet. 
— Maikammer, 27. Juli. In dem Gar⸗ 
sen des Herrn Franz Damm in Alsterweiler find 
ollfiändig reife Trauben zu sehen, ein Zeichen, daß 
die Entwicklung der Trauben troß der ungünstigen 
—XELV 
detig vorwärts schreitet. ¶N. B. 3) 
— Wachenheim, 27. Juli. Mit Vergnügen 
zerichten wir heute über einen Alkt von Liberalität, 
vie er in den Annalen unserer Schulgeschichte wohl 
noch nicht vorgekommen ist. Nach Beendigung der 
zeute abgehallenen Hauptprobe zu der nächsten 
Montag flaitfindenen Centenarfeier mußten nämlich 
amtliche Kinder an der Hintertreppe des Stadt⸗ 
jauses vorbeidefiliren, woselbst ihnen von Hrn. 
Zellermeister Heck aus Serbach im Auftrag de 
Hrn. Kohlmaier von der Arche Nooh in Mannheim, 
der gerade mit dem Beladen zweier Weinfuhren 
aus seinen im Stadthauskeller lagernden Weinvor⸗ 
rathen beschaftigt war, lje ein Gläschen trefflichen 
Wachenheimer Weines offerirt wurde. das den 
Zleinen trefflich mundete. — Die Masernepidemie 
st hier, wie aus der gegenwärtigen geringen Fre— 
quenz unserer Schule erhellt, noch immer nicht er⸗ 
soschen. Im Laufe der nunmehr zur Rauͤste gehen⸗ 
den Woche find nämlich in den einzelnen Schul⸗ 
klassen nicht weniger als 332 40*6 der Kinder 
als masernkrank angemeldet worden, was sich leider 
fur den Unterrichtsbetrieb als recht Abrend erweift. 
M. B. 3.) 
Leistadt, 28. Juli. Beim Heuabladen 
fiel gestern Nachmittag die Frau des Ackerers Brod⸗ 
beck don hier rücklings in beträchtlicher Höhe von 
iner Leiter. Dabei brach fie das rechte Schluüfselbein. 
In unserem kleinen Dorschen herrscht eben ein 
reger Verkehr mit Frühbirnen. Dieselbe find durch⸗ 
gungig maffenhaft geraten und bringen den Besitzern 
der Baäume recht artige Erlsse ein. Der Preis 
¶Awantt zwischen 7 —8 Mk. pro Zentner. Unsere 
Weinberge laffen uns auch nicht die geringste Hoff⸗ 
nung auf einen einigermaßen befriedigenden Ertrag; 
durch die lange anhaltende Nässe find die Blaͤtter 
gelb und roffig geworden und die jungen Trauben 
find eutweder durch- oder ganz abgefallen. Am 
schlimmsten aber steht es mit den Portugiesern, die 
is jariere Kinder des Sudens den kalten Nächten 
unseres Nordens nicht gewachsen sind. 
—Sqthwegenheim. Einstimmig wurde Herr 
Pfarrer Koch von Gerolsheim auf die hier erledigte 
Stelle gewählt. 
— Speyer. In den städtischen Kiefernwal⸗ 
dungen hat sich ein gefährlicher Feind derselben 
eingestelll. Der Kiefernspinnen ist in diesen 
Waldungen eingekehrt und richtet große Zerstörungen 
an. Im Einvernehmen mit der kgl. Forstbehörde 
hat das Bürgermeisteramt das Einfangen dieses 
Schmetterlings angeordnet und eine Prämie von 
1 ppfg. fuür 3 Stud ausgesetzt. Hievon wird reich- 
licher Gebrauch gemacht, und es wandern täglich 
biele Kinder in den Wald, um diese Feinde zu 
II 
— ChemikerBersammlung. Die auf 
den 10. August festgesetzte Jahresversammlung 
baherischer Verireier der angewandten Chemie 
mußte eine Verlegung erfahren und findet nun am 
10. 11. und 12. September in Spehyer satt. 
— Die Zahl der Selbstmorde hat im 
Jahre 1887 in der Pfalz die außerordentliche 
Dohe von 129 erteicht. In den unmittelbar vor⸗ 
ausgegangenen Jahten 1885 und 1886 hatte sie 
je 108 betragen und über 113 im Jahre 1884 
und 112 im Jahre 1878 waren wir bekbanntlich 
noch nie hinausgekommen. Auf den Bezirk Neu— 
stadt tiesffen allein 21. Rach Neuftadt folgl 
Zaiserslautern mit 18 (2,38 auf 10,000 Seelen), 
Pirmasens und Ludwigshafen mit je 12 (2,40), 
Frankenthal mit 11 (2,20). Die wenigsten, 2 
ahlte Speyer (0.40), dann Bergzabern 4 (1,05) 
und Kusel 6 (1,10)51. Auf 105 Männer trafen 
24 Frauen; 84 waren katholisch, 94 protestantisch 
und 1 Israelit. 71 wählten den Strang, 26 das 
Wahser, 27 Sqhußwaffen, 2 das Messer und 8 
Fift. — Die Zahl der tödtlichen Unglücksfäll⸗ 
wird zu 165 angegeben. Dieselbe beirug im Jahre 
1886. 178, 18811853: 186, war somit etwas 
uruckgegangen. Auch hier sieht der Bezirk Neu- 
Auslaud. 
Paris, 27. Juli. Der Stadtrath lehnte nach 
siher Debatte mit 40 gegen 28 Stimmen die 
Mastütung von 10 000 Fres., welche die Ar⸗ 
aihcommission zu Gunsten der streikenden Erdar⸗ 
vier vorgeschlagen hatte, ab und verwarf zugleich 
it 49 gegen 16 Stimmen das Tadelsvolum gegen 
n Polizeipräfecten. 
Ztochoim, 27. Juli. Der Koͤnig verlieh 
m Kaiser Wilhelm und dem Prinzen Heinrich 
xh Großlreuz des norwegischen Sanct Olaf Ordens. 
user Wilhelm verlieh dem Staatsminister Frei- 
un von Bildt den Schwarzen Adlerorden. 
Stockholm, 27. Juli. Das Kaisergeschwader 
acht sich segelfertig, um morgen früh 3 Uhr in 
e zu gehen. Die „Hohenzollern“ geht später ab 
id etreicht das Geschwader unterwegs. Der Kaiser 
juchte den Aönig, Tauf ze uge des neugeborenen 
ünzen zu sein. 
Philadelphia, 28. Juli. Aus Anlaß des 
aulich im Repräsentantenhause eingebrachten An⸗ 
ngch auf Einsetzung einer Kommission zur Kon⸗ 
wlitung der Ginwanderung mittelloser 
ztender hielten 2000 hiesige Italiener eine 
chüstungsversammlung ab und verwahrten fich 
ahegen, daß man sie als Paupers betrachte. In 
va gesaßten Beschlüssen heißt es, daß die ita⸗ 
ienischen Einwanderungsgesellschaf— 
in den Namen Italiens schändeten und Sklaven 
u die Padroni landeten. Die Versammlung ersucht 
aghalb den Kongreß, keine gegen die italienische 
uwanderung gerichteten Gesetze zu genehmigen. 
hhengs hatten mehrere italienische Niliztompagnien 
wmelben deiwohnen wollen, die Polizei verbot je⸗ 
—XX 
dokale und proesct He Nechrichten. 
Sit. Ingbert, 30. Juli. Die Gedächt. 
jtier fuür Weiland S. Majestät König Ludwig 1J. 
aude von den hiesigen prot. Schulen und kathol. 
bihbenschulen heune Vormittag dem Programm 
entß begangen. Auch viele Erwachsene hatten 
dhierzu im Oberhaufer'schen Saale eingefunden 
w jolgten mit Inieresse den begeisternden patrio— 
hen Worten der Redner, Herr Pfarrer Feriel und 
n Vfarrer Dengel, welche in ihren Ausprachen 
an Rücblick auf das Leben jenes edien Furfien und 
hen Mannes doten. Die Freude der Kinder 
mm hetzerquickend; kraftig timmten fie die Gesänge 
muind riefen mit leuchtenden Augen das Hoch 
Ss. 4. . den Prinzregenten. Wo solche qute 
aun unter die Jugend gesaet wird, brauchen wir 
ndie Zukunft nicht bange zu sein. Die Feier 
die latholischen Madchenschulen findet heute 
wuitag siait VBeim Ausgange aus dem Saale 
ut jdes Kind in Brehel. Der Saal war 
wig geziert. — — Die protestantischen Schulen 
lun bei gutem Weiter heute Nachmittag einen 
amg nach Schnappach machen, doch ist die 
inung demfelben vicht gunfüug, indem sich heute 
Regen eingestelli hat. Das Stadthaus