Karl Grundhöfer, 23 Jahre alt, lediger Kaufmann
von Friesenheim, Bezirksamt Ludwigshafen, bei
der dritten Escadron 8 Chevauleger⸗Regiment in
Zweibrücken, hatte von seinem Escadronschef Ritt⸗
meister Hanfstengel den Auftrag erhalten, alle für
die Escadron einlaufenden Geldbeträge bei der Post
in Empfang zu nehmen und solche agegen Quittung
im Postbescheinigungsbuch an die Empfangsberech⸗
tigten hinaus zu geben. Er behielt aber eine An⸗
zahl Beträge bvon 2—220 Mk., insgesammt 122
Mk., für sich und dergeudete das Geld. Um die
Unterschlagung zu verdecken, fälschte er die Post⸗
bücher; in einem Falle fälschte er sogar die Unter—
schrift seines Eecadronschefs. Außerdem unterschlug
er verschiedene Briefe, welche mit der Postanweisung
an die Soldaten gelangten, damit seine Unter⸗
schlagung unentdeckt bleiben sollte. Urtheit: 1 Jahr
6 Monate Gefängniß und Versetzung in die zweite
Klasse des Soldatenstandes. — Soldat Johann
Dechner des 17. Inf.⸗Reg., Fabrikschlosser, geboren
zu Weitzenburg im Elsaß, (dessen Eltern zur Zeit
in Pirmasens) wegen Fahnenflucht. Der Angeklagte,
der im 31. Lebensjahr steht, hat ein sehr bewegtes
Leben hinter sich. Vor seiner Militärzeit verließ
er das elterliche Haus und begab sich nach Oran,
wo er in der Fremdenlegion eintrat. 18 Monate
berweilte er dort und versäumte, sich beim deutschen
Heere zu stellen. Auf Antrag seiner Eltern er⸗
wirkte die deutsche Regierung von der franzoͤsischen
dessen Auslieferung. Am 13. Mai 1880 wurde
er beim 17. Infanterie-Regiment als unsicherer
Heerespstichtiger eingereiht. Am 24. Oktober 1880
enifernte er sich wieder, begab sich in die Schweiz,
wo er sich drei Jahre lang aufhielt, hierauf ging
er nach Frankreich und beschäftigte sich dort eben—
falls 3 Jahre lang als Gartenarbeiter. Am 7.
Dezember 1887 wurde er, wie er sagt, plötzlich
vom Heimweh befallen, er ging nach Germersheim,
und stellte sich am 10. Dezember freiwillig. Urtheil!
8 Monate Gefängniß und Versetzung in die 2.
Klasse des Soldatenstandes.
F Baden, 28. Jan. In Offenbach ist ein
Individuum verhaftet worden, das vollkommen mit
dem identisch zu sein scheint, daß den Raubanfall
in Karlsruhe verübt hat. (Fr. Ztig.)
F Kluger Richter. Wir haben kürzlich
der Klugheit eines chinesischen Richters Erwähnung
gethan. Ein ähnliches Stückchen wird nun von
der „B. N.“ erzählt. Eine Anzahl von Bauern
im badischen Kreise K. ....e stand nämlich
unter der Anklage der Wilddieberei zur Aburtheil—
ung vor der Strafkammer, wobei die Jagdgewehre,
welche sie im Walde angesichts der sie verfolgenden
Forsthüter weggeworfen hatten, als stumme und
dennoch beredte Belastungszeugen auf dem Präsi
dententisch lagen. Die pfiffigen Bauern leugneten,
gestützt darauf, daß sie nicht gerade bei der That
ertoappt worden waren, jede Schuld und bestritten
insbesondere auch mit der unschuldigsten Miene ihr
Eigenthumsrecht an den vorliegenden Gewehren,
so daß schließlich der Freispruch erfolgen mußte.
Der Präsident kündigte ihnen letzteren unter kurzer
Begründung an, die er in gleichgiltigem Tone mit
den Worten schloß: „So, jetzt kann Jeder sein
Gewehr nehmen und wieder heimgehen.“ Flugs
hatte jeder der „Schlitzöhrigen“ sein Gewehr er—
griffen, um sich zu entfernen. Nicht minder schnell
war aber der Staatsanwalt bei der Hand, der
jetzt besseren Erfolg mit seinem Strafantrag hatte.
F Frankfurt am Main. Der Gehülfe
in einer Klavierhandlung ist plötzlich beim Trans⸗
port eines Flügels durch das Heben der zu schweren
Last auf der Straße vollständig erblindet. Die
Aerzte erklärten die Erblindung für unheilbar.
FWolfratshausen, 26. Jan. Der „grobe
Unfugs⸗Prozeß', welcher gegen den Kunstmaler
C. M. Diefenbach schwebte, weil er sein jüngstes
Kind vorigen Sommer nackt im Sonnenschein spa⸗
zieren tragen ließ, endete vor dem Amtsgericht mit
Freisprechung. Diefenbach, der bei der Feststellung
seiner Generalien als seine Religion „Allgemeine⸗
Menschenliebe“ bezeichnete, wollte zur Rechtfertigung
seiner „Sonnenscheinbäder“ seine hygienischen Er—
fahrungen zum Besien geben. Der Amktsrichter
duldete aber keine Abschweifung. (Bayer. Kur.)
F Ingweiler, 29. Jan. Gestern wurde
zu Zabern der Banquier Achille Levp aus Jug⸗
weiler wegen Betrugs zu 5 Monaten Gefängniß
und 2 Jahren Ehrenverlust verurtheilt. Damit
wurden die in Pfaffenhofen, Buchsweiler und Ing⸗
weiler verursachten Verluste durch das Fallit des
Banauie:?s Lepy einigermaßen gesühnt. — Am
letzten Mitiwoch schrieb Reichstagsabgeordneter Dr.
Petri von Berlin aus nach Ingweiler, daß der
Bahnbau Buchsweiler-Ingweiler nach einigen Be—
denken im Reichstage genehmigt wurde. In den
etzten 14 Tagen wurde die Bahn Buchsweiler—
Ingweiler abgesteckt und im Laufe der kommenden
Woche werden die Güter angekauft. Man hofft
nuf baldige Fortsetzung über Diemeringen nach
Saargemünd und über Wolmünster nach Zweibrücken.
(Str. P.)
F Berlin, 27. Jan. Eine eigenartige Ver⸗
ammlung fand am Dienstag Abend im Gorrmann-
chen Lokal in der Müllerstraße statt. Dort tagte
ämlich das „zarte Geschlecht“, und eine stattliche
„chaar jener Damen, welche den Tag über
—„chaumlöffel und Füllkelle schwingen, und solcher,
velche mit Schrubber und Scheuertuch den Fuß⸗
öden ihr Recht angedeihen lassen, war an jenem
lbend zusammengekommen, um in lebhafter Dis⸗
ussion das Wohl und Wehe ihrer Kolleginnen,
er Küchenfeen, zu berathen. — Schon einige
dage vorher waren gedruckte Proklamationen in
eder Küche des Nordens seitens des Vorstandes
»es Köchinnen⸗-Vereins vertheilt worden, in welchen
s deutlich stand, daß es nun an der Zeit sei, die
xmanzipation der Dienstmädchen zu erzielen. —
Biele Hundert hatten, wie hiesige Blätter gleich⸗
autend melden, dieser Einladung für jenen Abend
Folge geleistet, und nachdem die Bureauwahl statt⸗
jsefunden und Fräulein Minna Schulze, sowie
AUuguste Lehmann als Beisitzerinnen am Vorstands⸗
isch Platz genommen, wurde zur Tagesordnung
zeschritten. Eine ehemalige Gouvernante, die Prä⸗
identin des Köchinnen˖ Vereins, nahm das Wort
ind hielt einen Vortrag über „Herrschaften und
dienstmädchen“. Dieselbe erklärte den andächtig
auschenden Zuhörerinnen, daß es endlich an der
zeit sei, dem dienenden weiblichen Personal die
zehörige Freibeit angedeihen zu lassen. — „Wir
vollen“, so erwähnte die Vortragende u. A., „nicht
mehr Sklavinnen sein, sondern Mitglieder des All⸗
Jemeinwohls werden und uns der schon lange in
Amerika eingeführten Frauen-Emanzipation an⸗
chließen; den Druck unserer Herrschaften müssen
wir abwälzen und ein freieres (1) Leben führen,
zann werden wir auch gleiche Rechte und Pflichten
jaben.“ Rednerin forderte nun, nachdem ihre Rede
mit stürmischem Beifall aufgenommen worden, die
Bereinsmitglieder auf, einmüthig für diese gerechte
S„ache zu kämpfen, bis der Zweck erreicht sei. —
stachdem nun dieser „Punkt“ erledigt und noch
mehrere Nebenfragen erörtert waren, wurde die
Versammlung geschlossen und, um das Nützliche
mit dem Angenehmen zu vereinigen, ein „Damen-
ränzchen“ veranstaltet, bei dem die Küchenfeen sich
yortrefflich amüsirten, da es bis spät in die Nacht
zjinein dauerte.
F Im Inseratenteil einer Berliner Zeitung
indet sich folgendes „reelle Heirathsgesuch:“ „Ein
Mann in den besten Jahren, einstiger Jünger des
Mars wie des Aeskulap, welcher schier die halbe
Welt durchkreuzte, wünscht jetzt sicher in den Hafen
der Ruhe einzulaufen; doch fehlt ihm hierzu ein
liebebedürftig Weib, ein Passe-par tout, um die
Pforten des Paradieses schon im Diesseits zu fin⸗
den. Ob Witib oder Jungfrau, ist gleichgitlig,
wenn nur gebildet, moralisch, schön, ohne Dünkel
siebenswürdig, geistreich und aus guter Familie.
Vermögen nicht durchaus nothwendig, dagegen darf
die Schwiegermutter nur bei festlichen Gclegenheiten
rscheinen. .
Das Geschäft der Heirathevermittelung wird
n Berlin sehr schwunghaft betrieben. Durch Zu⸗
'all gelaugte die „Berl. Ztg.“ in den Besitz der
Zuschrift einer im Westen Berlins wohnenden
Drirathsvermittlerin, welche an eine reiche Dame
zerichtet war, die eine einzige Tochter besitzt. In
»em Briefe heißt es u. A.: „Durch einen Bekann⸗
en habe ich Ihre werthe Adresse erfahren und
rage ergebenst an, od Sie geneigt wären, wegen
Berheirathung Ihrer Fräulein Tochter mit mir in
Beziehung zu treten. Ich hade sehr achtbare Herren
uuf Lager, die sich gern verheirathen möchten.
Darunter befinden sich ein Freiherr, ein Baron
in Graf und sogar ein Fürst, der allerdings unter
ꝛiner Million nicht heirathet. ..“ Die Heiraths⸗,
hermittlerin, welche ihr Bureau' im Zentrum
Berlins aufgeschlagen hat, kann gewiß stolz auf
hr „Leger“ sein.
F Automatischer Zahlapparat. Ein
nteressantes Kunstwerk, welches zur schnelleren Her⸗
zusgahe des Geldes an den Billetschaltern dienen
oll, ist ein auf Bestellung der Königlisch Preuf
risenbahnbehörde angefertigter automatischer gt
pparat, welcher in neun Messinghülfen 8
300 ynt. aufnimmt, die sich wie folgt behtde
0580 Mk. in Gold, 50 Dreimarkstücke, 70 38r
00 1 Mt., 100 50 Pf., 70 große Nbr!
o0 lo Pii, ioo p ih
Heldstüc auf das messingene Zahlbrett gegeuid!
der Schoierbeonte dunch Diuc do
nopf in den angebrachten Kasten —5*
und gibt den auszuwechselnden Geldbetrag —9
zerschiedenen Münzstücken durch Druck auf dus
der Geldsorte gezeichneten Tasten zurück. Der —8
rat funktionirt sehr genau und schnell; sein enn
ist der Mechaniker Dunkel in Ohrdruff icüt
ringen.
F (GVom Prinzen Friedrich q,
Fine hüubsche Anekdote vom Prinzen Zrude
zringt der „Figaro“: Auf seinem Marsche b
Metz nach Pithwiers im Jahre 1870 kam —*
rach Jouarre. Dort befindet sich ein Nonnenlh, J
)efssen Aebtissin beim Herannahen des fieud
Feindes von unsäglicher Angst um das Wohlsz
'onnen befallen wurde. Sie befkfürchtete biß
er Soldaten, wappnete sich mit Muth und —
sch ins Hauptquartier des Prinzen, den sieep
„chonung des ihrer Obhut anvertrauten duch
ammt dessen herrenloser Heerde bat. Der sih
jab zuerst ausweichende Antwort; die Aebtissinte
elirte aber an sein ritterliches Herz und hob hueu
velcher Scheeck bei dem Anblicke von Soldataet
hre sehr zahlreiche Novizengemeinde fahren win
Der Prinz besann sich einen Augenblick und sstas
dann: „Ihr Kloster soll nicht besetzt werden, ur
ch will Ihr Personal inspiziren. Das wird ket
»och nicht beunruhigen ?“,Es sei“, war die i
vort; „morgen früh um 9 Uhr werden wülelt
in der Kapelle versammelt sein.“ Der Prinz hen
ich pünktlich ein, warf einen flüchtigen Blitracç
die Nonnen, zog sich zurück und sagte zur Aebilei
welche ihn zur Thür geleitet hatte, lächelnd: s
haben sich einen kleinen Spaß mit mir exrleit
ZSie haben die Alten vorangestellt und die Juun
in den Hintergrund.“ Diese Legende wird hin
noch von den Bewohnern Jouarres erzählt. ene
FGie meistgeredeten Spradr
der Erde.) Professor Kirchhoff in Halle w
dieser Tage von einigen Herren in Würzburgi
kntscheidung einer Weite angegangen, die sichtro
die Frage bezog, welche Sprache auf Erden 36
den meisten Menschen geredet würde. Dobin
Jjebniß der Berechnung des Halle'schen Gelchie
ür den genannien Zweck ist folgendes: Id—
eden Zweifel ist die auf Erden von den mare
Menschen geredete Sprache (mindestens seit tad
Jahren) die chinesische, denn sie ist die einzige
von mehreren Hundert Millionen, wahrschtet
hon mehr denn 400,000, 000 geredet wird bi
veitem Abstand folgt dann die Hindusprache hor
uüber 100 Millionen), dann die engüsche (ztt⸗
100 Millionen), die russische (uber 70 Million⸗
die deutsche (über 57 Millionen), die spardet
7 48 Millionen.) Portugiesisch reden nu kfe
i6 Millionen, abgesehen don den auf eiwerer
Mill. geschätzten Negern der portugiesischen Kolol
die sich aber größkeutheils einheimischer Munder
bedienen. Dem Französischen gebührt untu
europäischen Sprachen in dieser Geziehung ers
ünfte Stelle.
FParis, 25. Jan. Im „Gaulois“ hn
hberichtet, es hätten sich nach der Niederlage
Jena in Preußen eine „Unzahl von Redn
Sesellschaften“ gebildet, von denen jede einen
onderen Zweck verfolgte. Eine derselben in
ich — enisetzlih — „Racht -Geheimniß'n
ibertrug ihren Mitgliedern die Aufgabe,
Frankreich zu gehen, sich dort niederzulasen.
nilitärischen, diplomatischen, wirthschaftlichen?
zänge zu beobachten und das Ergebniß e
Zeobachtungen ihrer Gesellschaft mitzutheilen.
das leichter durchführen zu können, mußten
Mitglieder in das französische Heer, die Verwal
ind Handlungshäuser eintreten. Da alle Det,
yon 18-25 Jahren der Gesellschaft —
onnten, so vrachte sie es bald auf eine gewuh
Mitgliederzahl und wurde nahezu ein Stachh
Siaate. Die preußische Regierung beschloß er
in sich auch ihr bedenklich scheinende Gesellf
nicht eiwa zu unterdrücken, sondern ihren Zuh
zienstbar zu machen. Sie ermuthigte sie als
alle Weise und bewilligie ihr bedeutende g
Unterstüßungen. woraus hervotzugehen scheint