Full text: St. Ingberter Anzeiger

eröffentlicht in der „Breslauer Zig.“ 
— Anen Erinnerung: dig 
aAhrend meines langjährigen Aufenthaltes in 
—* machte ich die Bekanutschaft des daselbst 
* Verbannung lebenden Marschalls Bazaine, 
— wohl sagen, daß diefe Bekannischaft, 
sig nach und nach zu einer gewissen Fceund- 
n Iu-bidete, mit, zu den interessantesten Erin⸗ 
ngen gehört, welche ich aus dem fernen Süden 
9 haͤmgebracht habe. Ein Freund, ein Spanier, 
lte mir ines Tages in meinem Bureau einen 
nsetzten, alten, gebeugten Herrn vor. Ich war 
wenig erstaunt, den Vertheidiger von Mitz, 
ñ sogenannten „Verräther“ Bazaine vor mir zu 
—* Wie ganz anders hatte ich mir den berühm⸗ 
3 Marschall vorgestellt, ihn, der durch seine Kriegs⸗ 
haten in der Krim. in Italien und Mexico die 
Halt mit seinem Rufe erfüllt hatte! Was war 
s dem glänzenden Moarschall geworden? Ein 
inr, gebeugter, bedürftiget Mann, bedürftig im 
uhren Sinne des Wortes, denn er ließ sich mir 
adiglich zu dem Zwecke vorstellen, um auf den ihm 
n seinem Bruder, einem noch jetzt in Paris le⸗ 
nden bedeutenden Architekten, monatlich zur Ver⸗ 
ugung gestellten Betrag von 500 Franken einen 
horschuß zu entnehmen. Diesen Vorschuß holte 
ich der Marschall jpäter regelmäßig ab, sodaß der 
qg am Ersten fällige Check bereits immer slark 
asammengeschmolzen war. Ich hatte niemals da⸗ 
an geglaubt, daß Bazaine für Geld Metz verrathen 
aͤbe aber auch der letzte Zweifel mußte schwinden, 
enn man einen Einblick in die geradezu ärmliche 
Lage gewann, in welcher der Marschall lebte. Er 
Aieh häufig die allergeringsten Beträge. Zwischen 
in entstand im Laufe der Zeit eine Art Freund⸗ 
chaft, und manche Stunde verging mir im Fluge, 
wenn der alte Feldherr mir seine Erlebnisse erzählte. 
Henn ich ihn manchmal besonders aufmerksam be⸗ 
rachtete, fragte er mich wohl: „Warum sehen Sie 
nich so an, Sie können sich wohl nicht denken, 
zaß ich einst an der Spitze von Armeen stand und 
nein leisestetr Wink ein Befehl war? Das war 
den mein Unglück, denn wäre ich in Metz nicht 
er Erste gewesen, Frankreich hätte wohl seinen 
zertäther gehabt, er hieße aber nicht Bazaine. Als 
ie Festung nicht mehr zu halten war und fast 
ede Hoffnung aufgegeben werden mußte, ließ ich 
inen Kriegsrath versammeln, um einen definitiven 
ntschluß zu fassen. Wir waren gegen vierzehn 
dersonen, die wir über das Schicksal von Metz 
uischeiden mußten. Ich sammelte zuersi sämmtliche 
immen, ehe ich die meinige gab. Nicht ein Ein⸗ 
iger stimmte dagegen und als Letzter erst gab ich 
—DVV damaligen Col⸗ 
gen sind zu hohen Ehren gelangt — ich allein 
urchirre die Weit mit dem Brandmal des Vater⸗ 
mdsverräthers.“ 
Selbst in Madrid haite er keine Ruhe vor 
er Verfolgung durch seine Landsleute. Ich war 
zuge, wie ein franzoösischer Commis dem Mar⸗ 
hal auf der Straße in's Gesicht spie, ihm die 
dorte: „gàche trastre“ zurufend. Der alte, 
gjahrige, ergraute Soldat zog seinen Hut vor 
em gruͤnen, dummen Jungen und sagte, ver—⸗ 
eugend: „Merci Monsieur!“ Solche Scenen 
biederholten sich oft, daran mußte er sich gewöhnen, 
t. dem die Pariser im Jahre 1867 nach seiner 
dückkehr aus Mexiko zujubelten. Als der deuische 
ronprinz in Madrid war, gab Bazaine mir seine 
bbsicht zu erkennen, den Prinzen, den er persön⸗ 
h kannte, um eine Audienz zu bitten. Ob man 
im einen Wink gab. dies zu unterlassen, oder 
ber den Muth nicht fand, die Bitte auszusprechen, 
imir nicht bekannt, kurz er gab beim Kronp 
rinzen nur seine Karte ad, wie er sich überhaupt 
roß seiner Beziehungen zur Erkönigin Isabella, 
on der er mir mehrere Briefe zeigte, vom spanischen 
hofe vollständig fern hielt. Inleressant war seine 
orrespondenz mit Napoleon und Eugenie; der 
daiser nannte ihn in den Briefen stets du. Ver⸗ 
hiedene Blätter berichten, daß Bazaine in der 
ürftigen Lage, in der er sich befand, geradezu ge- 
etlelt und u. A. auch einmal den Prinzen Fried⸗ 
id Karl, seinen Besieger, um eine Unterstützung 
ugegangen haben soll. 
fRom, 22. Okt. Bei dem durch einen 
ergsturz verursachten Eisenbah nunglück 
Poten za unweit Tarent haben weit mehr 
ersonen den Tod gefunden, als bisher ange⸗ 
pmen wurde. Nach den Angaben der „Riforma“ 
ungefähr 90 Menschen todt und 70 
erwundet Di⸗ Steinlawine. welche sich in 
dl 
ꝛiner Ausdehnung von 50 Metern von einem nur 
30 Meter von der Bahnlinie entfernten Berge los⸗ 
öste, bedeckte die neun mittleren Waggon des Zuges 
ind zerschmetterte vier davon vollständig. Die 
Ipfer der Kathasttophe sind lauter zu den Kaiser— 
sagen nach Niapll gereiste Fahrgäste, darunter 
ramentlich viele aus Messina. 
4 Nach Consulatsberichten befanden sich in Ru—⸗ 
nänien Münchener Weinhändler, um dortige 
stottweine einzukaufen; letztere waren in früheren 
Fahren außerordentlich gut und preiswürdig. In 
diefem Jahre läßt jedoch die rumänische Wein⸗Ernte 
suantitativ wie qualitativ viel zu wünschen übrig, 
d daß die Weinhändler ohne Käufe abgeschlossen 
u haben, wieder abgereist sind. 
4— Der Luftschiffer Baldwin ließ sich am Sonntag 
n London aus einer Höhe von 9000 Fuß mittelst 
eines Fallschirms hinab und kam nach 9 Mi- 
zuten zur Erde. — Der Vorsitzende des Wachsam⸗ 
eitsausschusses, welcher sich in Whitechapel nach 
)en jüngsten Mordthaten gedildet hat, erhielt letzter 
Tage eine Schachtel zugestellt, deren Inhalt sich als 
in Stück menschlicher Niere herausstellte. Es ist 
abei zu bemerken, daß dem letzten ermordeten 
zrauenzimmer die linke Niere herausgeschnitten war. 
der Vorstand genannten Vereins hat auch mehrere 
Zostkarten erhalten, voelche im Stile „Jack des 
lufschlitzers“ gehalten sind. 
'(Hie Rormonen) haben einen Ausweg 
jefunden, dem drohenden Ausrottungsgesetz zu ent⸗ 
sehen. Tausende von Mormonen bereiten sich vor, 
zie heilige Stadt „Salt Lake- Cily“ am Salzfee zu 
erlassen, um einem neuen Jerusalem entgegen zu 
iehen. Seit Monaten ist die Bemerkung gemacht 
vorden, daß die vornehmsten Mormonenältesten mit 
Zab und Gut nach Mexiko auswanderten; doch 
hurden die Pläne der Gemeinde sehr geheim ge— 
Jalten und ein großes Territorium erworben, auf 
velchem die Gemeinde der Mormonen aufs neue 
lücktich werden kann, falls die Regierung von Mexiko 
je in Ruhe last. Das neue Land der „Heiligen 
er letzten Tage“? gehörte vormals den Zuni⸗Indi- 
rmern und besteht aus 4 Millionen Actes zum Be⸗ 
zauen, sowie weiteren 10 Millionen Acres an Holz⸗ 
ind Minenregionen. Die Auswanderung von Utah 
iach Mixiko wird den Gläubigen zum Gesetz gemacht 
ind ist in bollem Gang. Jeder zehnte, durch das 
zos bestimmte Mann und jede dritte Frau hat sich 
innen wenigen Wochen fertig zu machen, seine 
Hherbindungen zu lösen, sein Eigentum zu ver⸗ 
aufen und dem Transport, welchem er zugewiesen 
vird, sich anzuschließen, um aus den Handen der 
Aeltesten“ in Mexiko Land, Gut und Weiber zu 
zeteilt zu erhalten. Wer nicht geht, den treffen die 
Iwersten Sirafen und Drohungen der Kirche. 
Familiennachrichten. 
Gestorben: In Pirmasens Katharina Renneis 
Ww., geb. Suck, 72 J. a. ebendaselbst Friederike 
döser, geb. Schrenk, in Edenkoben Jobh. Münch, 
Zrivatmann, 82 J. a., in Grünstadt Frau Katha⸗ 
ina Ebel, geb. Graf, 39 J. a. 
Neueste Nachrichten. 
Berlin, 28. Okt. Nach neueren Nach 
ichten aus Ostafrika befindet sich die ganze, 
um Sultanat Sansibar gehörige Küste 
n Aufruhr. Speciell in der Umgegend 
ron Bagamoyo herrschen Mord und Plünder⸗ 
ing, während dieser Ort selbst infolge der 
Anwesenheit eines deutschen Kriegsschiffes ruhig 
seblieben ist. Der Handel mit dem Innern 
st völlig unterbrochen, wodurch sowohl die 
eutschen Kaufleute in Sansibar als besonders 
die indischen Händler, welche in den Küsten⸗ 
häfen des Festlandes angesessen sind, großen 
Schaden erleiden. Die Sachlage ist eine der⸗ 
artige, daß weder der Sultan noch die deutsch⸗ 
ostafrikanische Gesellschaft im Stande sind, 
die Bestimmungen des im Frühjahr 1888 
abgeschlossenen Vertrages auszuführen, nach 
velchem die Verwaltung und die Zollerheb- 
ung in dem südlichen Teile der festländischen 
Befitzungen des Sultans auf die Geiellschaft 
uͤbergehen sollten. 
Verlin, 23. Ott. Die „Post“ sagt: 
die russischen Truppenverschiebungen 
tind bereits im Frühiahre angekündiat worden. 
Durch die europäische Gesammtlage ist eine 
riegerische Action Rußlands nach Westen völlig 
ausgeschlossen. Seit dem Besuche des Kaisers 
in Petersburg sind die Beziehungen zu Ruß⸗ 
land fortdauernd gute und freudschaftliche. 
Baris, 23. Okt. General Bou— 
langer ist aufgefordert worden, morgen vor 
dem Revisionsausschuß seinen Plan der Ver— 
assungsänderung darzulegen. 
Für die Redaktion verautwortlich F. X. Demetz 
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Unenthehrliens Lektürel— 
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