Full text: St. Ingberter Anzeiger

zeige eingegengen war, daß aus einem von den 
Zigeunern durchzogenen Dörfer ein dreijähriges 
Kind verschwunden ˖sei. Die Polizei durchsuchte 
alle Wagen nach dem vermißten Kinde, doch wurde 
dieses nicht gefunden. In Niederhausen hat ein 
Theil der braunen Gesellschaft in eine verschlossene 
Mühle einzubrechen versucht, die Müllerburschen 
schlugen die Bande mit kräftigen Hieben zurück. 
Ueberall, wohin die zumteil mit Dolche bewaffnete 
Horde kommt, herrscht Angst und Schrecken, und 
man fragt sich, wie es nur möglich ist, daß eine 
Zigeunerbande von solcher Stärke und mit solcher 
Frechheit noch durch das Land ziehen kann. Aller⸗ 
dings sucht die Polizei sie überall aufs schleunigste 
weiter zu befördern, aber trotzdem bleibt die Ge⸗ 
sellschaft eine Plage. 
7 Die finanzielle Lage der Stadt Frankfurt 
soll so glänzend sein, daß dieses Jahr wieder auf 
einen Ueberschuß von M. 800.000 gerechnet 
werden kann. 
F Elberfeld, 26. Okt. Ein schrecklicher 
Doppelmord hält die Gemüther in Aufregung. In 
der vergangenen Nacht erschoß der in der Wirker⸗ 
straße wohnende Wirth Herm. Holthaus seine be⸗ 
reits im Schlafe liegende Frau und dann sich selbst. 
Bei beiden ging der Schuß in die Schläfe und es 
thrat sofort der Tod ein. Der Mörder war dem 
Trunke siark ergeben, vernachlässigte seinen Beruf 
und lebte mit seiner in zweiter Ehe geheiratheten 
Frau in stetem Unfrieden. Bier Kinder aus der 
ersten und ein Kind aus der zweiten Ehe sind nun 
durch diese grauenvolle That verwaist. Der Mann 
war 38, die Frau 35 Jahre alt. 
Düsseldorf, 27. Okt. Fünf junge 
Hilfsunterbeamten des hiesigen Postamts sind wegen 
wiederholter Beraubung von ankommenden Po st⸗ 
baketen verhaftet worden. 
Fulda, 29. Okt. In Hünfeld und 
Großenbach ist gleichzeitig Großfeuer aus— 
gebrochen. Aus Fulda wird soeben Hilfe ab— 
gesandt. 
Der südwestliche Teil von Hünfeld, ein— 
schließlich der Post und der Apotheke, ist bereits in 
Asche gelegt; der Brand wächst noch immer. Auch 
in Großenbach ist es noch nicht gelungen, des 
Feuers Herr zu werden. 
7Bärenkampf in Stuttgart. Trotz 
eindringlichster Mahnungen zur Vorsicht begab sich 
am Samstag früh halb sieben Uhr ein Knecht im 
Nill'schen Thiergarten in den Zwinger des Malayen⸗ 
Bären. Wie schon zum öfteren, hatte auch dies⸗ 
mal der Knecht unterlassen, das Thier in den be⸗ 
sonderen Käfig einzuschließen, vertrauend darauf, 
daß der Malayen-Bär ein gutmüthiges Geschöpf 
sei und mit seinem Wärter auf freundschaftlichem 
Fuße lebe. Allein kaum hatte heute der Knecht 
den Zwinger betreten, so wurde er auch von dem 
Bären angegriffen und derart überwältigt, daß der 
Knecht in den Wasserbehälter zu liegen kam. Wehr⸗ 
los wie er in dieser Lage war, er konnte weder 
fliehen, noch sich erheben, noch sich zur Wehre 
setzen, blieb ihm nichts übring, als durchdringende 
Hilferufe auszustoßen. Der Gartenbesitzer und seine 
Gehilfen waren augenblicklich zur Stelle; aber nur 
durch wuchtige Hiebe mit Knütteln und eisernen 
Stangen gelang es, den Baͤren, der sich über den 
Wärter hergemacht, von diesem loszubringen. Als 
der Knecht von seinem Angreifer befreit war, stellte 
es sich heraus, daß der Bär ihm die rechte Wade, 
die rechte Hand durchgebissen und unter dem rechten 
Auge eine Schürfung beigebracht hatte. Die Wun⸗ 
den sind schmeczhaft, aber allem Anscheine nach 
nicht bedenklich; es dürfte sich in der Haupisache 
nur um FJleischwunden handeln; die mit stumpfen 
Zähnen beigebrachten Quetschungen pflegen lang⸗ 
sam zu heilen. 
fF Constanz, 28. Olt. Gewerbe-und 
Industrie-Ausstel!ung.) Wie wir hören, 
besteht die Absicht, nächstes Jahr in hiesiger Stadt 
eine Gewerbe ˖ und Industrie⸗Ausstellung abzuhalten; 
der hiesige Gewerbeverein wird nächster Tage in 
dieser Frage Beschluß fassen. 
F München, 27. Okt. Der ehemalige ultra⸗ 
montane Gemeinde⸗Bevollmächtigte und Kirchen⸗ 
pfleger Heinrich Brunnbauer hat fich eine Wechfel⸗ 
fäl schung von 36 000 Mark zu Schulden kommen 
lassen. Die Geschädigten find mehrere hiesige Bank⸗ 
geschäfte. Die Angelegenheit ist bereits in den 
Händen des Staatsanwaltes. Es besteht die Be—⸗ 
fürchtung, daß Brunnbauer auch Kirchengelder 
unterschlagen hat. GF. J.) 
FSfraubing, 25. Okt. Der Raubmoörder 
Obermeier, welcher die Bäuerin Ma y er von 
daidlfing im Frühjahr dieses Jahres in deren 
Wohnung erschlagen und dann sich einen Geldbetrag 
angeeignet hatte, wurde heute vom Schwurgericht 
zum Todeverurtheilt. 
F Ein Geschenk des Kaisers. Eine 
unge Dame in Liegnitz, die ihren und ihrer 
Mutter Unterhalt durch Näharbeit bestreiten muß, 
wandte sich vor etwa drei Wochen an den Kaiser 
mit der Bitte um Beihilfe zur Anschaffung einer 
Nähmaschine. Der Herrscher ließ dieses Bittgesuch 
trotz der sich drängenden Erlebnisse seiner großen 
Reise nicht unbeachtet. Dieser Tage traf im Auf— 
rage des Hofmarschallamts eine prächtige Näh— 
naschine bei der jungen Dame ein. 
Braunschweig. Unter der Spitzmarke 
„Auch ein Stück sozialen Elends“ läuft durch die 
jesamte Presse Deutschlands eine Geschichte, nach 
velcher hier ein Kandidat der Theologie vor Hunger 
zestorben sein sollte. Die Angelegenheit verhält sich 
edoch wesentlich anders, als sie dargestellt ist. Der 
etreffende Mann stand schon im 580. Lebensjahre; 
ein Name ist Bergen. Zu verschiedenen Malen 
var er zur Leitung von Lehr⸗Anstalten berufen, u. 
1. war er mehrere Jahre in einer Schule in Oschers⸗ 
eben thätig. Da Berger jedoch eine unbegreifliche 
zeidenschaft zur Schnapsflasche hatte, so war seines 
Zleibens nirgends lange, nund so er war durch seine 
igene Schuld zu einem vagierenden Leben verur—⸗ 
eilt. Der Tod ereilte den Unglücklichen nach einem 
Behirnschlage. Ob derselbe, wie man glauben wollte, 
uuch Gift genommen hat, wird noch festzustellen 
ein. Ein weißes Pulver, welches sich in und vor 
zem Bette des Verstorbenen vorfand, hat den Verdacht 
erroeckt, daß Selbstmord vorliegt. Festgestellt ist 
jedoch, daß der Verstorbene niemals ohne den not⸗ 
zürftigen Lebensunterhalt gewesen ist, wie es ihm 
denn auch möglich gewesen wäre, durch Vermittlung 
der hiefigen Wohlthätigkeitsanstalten sein Dasein noch 
länger zu fristen. 
F Berlin, 285. Okt. Ueber die deutschen 
Plantagen in Samog hat der Vereinigte Staaten⸗ 
Beneralkonsul in Apia, Herr Harald M. Sewall, 
»em Auswärtigen Amte in Washington einen Be⸗ 
icht unterbreitet, welcher in Anbetracht der gegen⸗ 
värtigen Vorgänge auf Samoa vons Interesse ist. 
Es heißt darin: Die deutschen Plantagen auf 
SZamoa, im Ganzen sechs, zusammen ein Areal von 
3260 Acres Land, umfassen den groͤßten Teill des 
ultivierten Landes auf der nördlichen Seite der 
Insel Upolu. Die Plantagen gehören sämtlich der 
„Deuischen Haudels- und Plantagengesellschaft.“ 
Die jährliche Copra⸗Produktion beziffert sich an 
500 bis 600 Tons. Ferner wird auf den Plan⸗ 
agen Baumwolle, Kakao und Kaffee gebaut. Auf 
)er Plantage Utumavu find gegenwärtig 300 Acres 
nit Kaffeestreichern bepflanzt und sollen weitere 150 
Acres damit angebaut werden. Im letzten Jahre 
wurden auf dieser Plantage 90 000 Pfund Kaffee 
zeerntet. Auf den Plantagen werden ausschließlich 
myportierte Arbeiter beschäftigt. Diese Arbeiter, 
yon welchen durchschnittlich auf sämtlichen Plantagen 
1300 beschäftigt sind, werden kontraktlich 
auf drei Jahre engagiert und in der „Deutschen 
Handels⸗ und Plantagen⸗-Gesellschaft“ gehörenden 
Schiffen von ihrer resp. Heimat nach Samoa und 
„jurück befördert. Dieselben erhalten außer freier 
Station und Bekoöstigung einen Lohn von 3 Dollars 
nonatlich. 
F Berlin. Cudwig Wilhelm⸗Pflegehaus.) 
Die einzige Tochter unseres unvergeßlichen Kaisers 
Wilhelm J., die Frau Großherzogin von Baden, 
jat vor kurzem den hochherzigen Entschluß gefaßt, 
zum ewigen Gedenken an das Jahr der Trauer 
1888, in welchem die edle Frau den theuren Vater 
Kaiser Wilhelm), Bruder (Kaiser Friedrich) und 
einen geliebten Sohn (Prinz Ludwig von Baden) 
vurch den Tod verlor, eine „Anstalt für Frauen 
gebildeter Stände“ zu gründen, in welcher Frauen, 
ie infolge ähnlicher Prüfungen Störungen ihrer 
Zesundbeit erlitten haben, Heilung und Stärkung 
inden können. Die Errichtung dieses „Ludwig 
Wilhelm-Pflegehauses? durch Beisteuer von Bei— 
rägen fördern zu helfen, wird die ganze deutsche 
Frauenwelt sich gedrängt fühlen. Es muß daher 
als ein außerst dankenswerthes Beginnen bezeichnet 
verden, daß die Damenzeitung „Der Bazar“ ihre 
Weltverbreitung benutzt, um durch Veröffentlichung 
es Gründungsprogramms und Errichtung einer 
Sammelstelle den Zweck der hohen Frau zu fördern. 
In Nr. 40 des „Bazar“ findet man den Wort⸗ 
aut des Gründungsplanes. unterzeichnet von Ihrer 
öniglichen Hoheit und die Erkle 
Redaktion (Berlin SW., 11, er — 
Babe, ob groß, ob klein, dankdarst für ged 
Zweck entgegenzunehmen und in regelmaßi —X 
im „Bazar“ Quittung zu leisten t dar 
unsere geehrten Leser, gleichviel, ob fie Abo bitten 
—VD—— nenten 
ter Redcktion einzusenden. „Einen enn 
hat Gott lieb?, sagt die Schrift vu b 
Du deutsche Frauenwelt. Herz und Hand fü d 
chöne Werk der edlen Fürstin. *8 
F Garde bei der Marine. Esz wi 
nächst nach einer kaiserlichen Rinenden 
der deutschen Marine eine Garde eingerichtel werd t 
Dieselbe soll bestehen aus ausgesuchten ane 
pon tadelloser Führung, besonders guten anen 
ind, Gg gednte du atg 
„Hohenzollern“ mit dieser Garde besetzt werden 
'odann ist die Bildung einer Stammseklon in Auz⸗ 
icht genommen. Die Garde⸗Marine wird d 
chmale gelbe Kragenlitze haben, außerdem ein 
sonderes Mützenabzeichen. 
Ein Spazierritt nach Italien. J 
den Kreisen der Berliner Sportswelt erregt di 
Reise eines Millionärs per Reitpferd nach Julsen 
illgemeines Interesse. Der Betreffende, ein Hert 
Seebaum, hat am 1. September die Reise nach 
Nizza angetreten und zwar benützt er ausschließlih 
eine eigenen Reitpferde. Am 14. September befand 
ich der schneidige Reiter bereits in Zürich, vonde 
iberschritt er gleichfalls zu Pferde den St. Gott— 
jardpaß, um am 6. Oktober in die Thore bor 
Mailand einzureiten. Ober-Italien zu Pferd durq 
treifend, gedenkt Herr S. am 1. November in 
stizza anzulangen, von wo er, sich einige Tage da⸗ 
elbst aufhaltend, auf gleichem Wege die Rucrreis 
nach Berlin antreten wird. — Herr S. reite 
zurchschnittlich 10 Stunden den Tag, die 3 Pferde 
velche er benutzt, sind Trakehner Zucht und eigens 
für diesen Zweck zugeritten. 
Das Absteigequartier des Kas 
ers in Hamburg im Hause des Fräulein 
xmilie Jenisch am Neuen Jungfernstieg wird in 
Bezug auf seine innere Einrichtung keiner erheb⸗ 
ichen Veränderung unterzogen, da die Eigenthümerin p 
jon dem Gedanken ausgeht, es werde den Kaiser b. 
nteressiren, die häusliche Einrichtung und Lebend 
veise in einem reichen Hamburger Patrizierhaust 
ennen zu lernen. Daß sich in dem Hause diep 
höchste Eleganz mit solidem Reichthum paart, iß su 
elbstverstandlich. Ueberall ist dem guten Geschmat hy 
neben der Rücksicht auf Bequemlichkeit Rechnung sug 
getragen. Dagegen wird das Aeußere des Hause si 
reichlich geschmückt werden und vor demselben namem 
ich ein Aufbau von immergrünen Bäumen ber. 
gestellt. 
Paris, 29. Olt. Die heutige Civilltau 
ing der Tochter Boulangers dverlief in 
zanzen ruhig. Boulanger und die Hochzeitsguͤft hin— 
erließen gegen 4 Uyr die Wohnung des General 
Anterwegs wechselten Hochrufe mit Zischen und ba 
Pfeifen. Die Polizei irat indessen sehr nachdrüd sn 
uͤch auf und verhaftete etwa 20 Personen. vah 
—2 
den Hochzeitszug, einen anderen Weg als den unß 
prünglich gewählten zu nehmen. uin 
p'Luüͤftbailonfsport. Ein bisher auf kus— 
den nie gesehenes Schauspiel bot sich am Sonnuchaen 
auf der „Place du Carousel“ in Paris. Sieben hou 
Ballons, geführt von den hervorragendsten — 
chiffern, stiegen gleichzeitlig in die Höhe. Din 
Vicktor Hugo“ fuüͤhrte Godard, die „Guyando hh 
Dartois, die, File Vite“ Mangot, den „Abenit ba 
Portier; diese dier wurden mit Preisen bedacht, dube 
ihnen gelang, innerhalb des vorschriftsmahigenm 
Rayons zur Erde zu kommen. 
pGuͤte Gefchafte muß der Held Bo 
anger machen, da er seiner Tochter, weld 
inen Daupimann Deri ant am nachsten Dienßenhuie 
reirathet 100,000 Francs Mitgift geben lon hi 
ermoͤgen hat er keins und bezahlt fast so dibp 
Hiethe als sein Pensionsgehalt beträgt, so d 
man sich erstaunt fragen muß, wer die — 
eines luxuridsen Lebens — er hat bekanntlich 
zahlreiche Dienerschaft und einen wobldesehlen 
dall — und seiner dielen Reisen bestreitet. T— 
die 100,000 Francs Mitgift seiner Tochter J cde 
ein Geschenk seiner Freunde sind, so muß n m⸗ 
ꝛntweder geliehen oder während seiner kurzen 
aisterhertlichkeit erspart“ haben. Man fieht, 1 
reiben, ist in Frankreich ein einträgliches 
nan braucht nur recht auf Deutschland zu schimp 
u