Full text: St. Ingberter Anzeiger

Schwerpunkt der bulgarischen Frage. Seine ohne 
Borbereitungen unternommene Reise beweise, wie 
günstig sich die bulgarischen Verhältnifse gestalteten. 
Ueber sein Verhältniß zur Pforte äußerte sich der 
Prinz mit großer Befciedigung. Schließlich stellte 
der Prinz noch in Abrede, daß er es nöthig ge⸗ 
habt habe, sich mit seinen Verwandten zu versöh— 
nen. Indem er selbstständig gehandelt habe, habe 
Niemand ihn damals zu hindern versucht. 
Wien, 1. Nob. Prinz Ferdinand 
von Koburg reiste gestern Abend nach Sofia 
zurück. 
Petersburg, 831. Olt. Das „Journal de 
St. Poͤtersbourg“ stellt ganz entschieden in Abrede, 
daß der russische Kriegsminister seine Aus— 
gaben ohne alle Aufficht mache und auf fünf Jahre 
boraus Kredit erhalten habe. Die Ausgaben des 
Ktriegsministeriums seien vollständig derselben Auf—⸗ 
sicht unterworfen, wie die der anderen Ministerien. 
Meran, 31. Okt. Die Kaiserin von 
Oesterreich ist heute nach Miramare abgereist. 
Soffia, 31. Oktt. Der Handelsvertrag 
mit Serbien ist unterzeichnet worden. — Es 
heißt, wegen des schlechten Wetters werde die deutsche 
Kaiserin über Sofia und Belgrad heimkehren. 
Ein Hofwagen ist bereits abgegangen. 
—AV 
sichtigte gestern das englische Geschwader und er— 
klärte, er sei glücklich, dassen Verbande anzugehören. 
Soeben, 5 Uhr nachmittags, erfolgte der Aufbruch 
des Kaisers nach Konstantinopel. Die hier an— 
wesenden Fürstlichkeiten geleiten ihn zum Piräus. 
Konstantinopel, 1. Nov. Die Zeitung 
„Tarik“ begrüßt die Ankunfkt Kaiser Wil— 
helms als ein glückliches Ereigniß für die Türkei 
und erblickt in dem Besuch des Kaisers einen Be— 
weis, daß Deutschland die weise Politik des Sul— 
tans billige. Seit Friedrich dem Großen erfreue 
fich die Tüurkei der Sympathie Deutschlands. Der 
Kaiser werde mit großer Herzlichkeit empfangen 
wecden. Die Zusammenkunft der beiden Monar⸗ 
chen werde die guten Beziehungen zwischen den 
deiden Reichen befestigen. Deutschland strebe nach 
Aufrechterhaltung des Friedens, die Türkei ver— 
folge dieselbe Aufgabe, indem fie eine strikte Neu⸗ 
tralität beobachte. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 2. Nov. Der in der vor— 
gestrigen Distriktsratssitzung angenomment 
Voranschlag für das Budget des Jahres 1890 
schlietft ab mit den Einnahmen von 34567 Mk 
und den Ausgaben von 34247 Mk. Die Distrikts⸗ 
umlagen werden sich auf 87 00 stellen. Von 
größeren Positionen ist besonders erwähnenswert 
die Bildung eines Straßenbaufonds in Höhe von 
3900 Mk., wovon für das Rechnungsjahr 1890 
als Zuschuß des Distrikts zum Bau der Straße 
von Rohrbach nach Hassel 2500 Mk. abgetrennt 
werden. An Stipendien bewilligte der Distrikts⸗ 
rat aus Distriktsmitteln insgesammt 400 Mk., aus 
der Stiftung des verstorbenen Reichsrats Gustav 
v. Krämer insgesammt 440 Mti. Das verzins⸗ 
liche Kapital dieser Stiftung beträgt 32900 Mk 
Zur Aufstellung der Schöffen- und Geschworenen⸗ 
liste wurden gewählt die Herren Heinrich und 
Peters hier, Urb. Jakob in Rohrbach, Hrch. Fries 
in Ensheim und Hary und Buchheit in Hecken⸗ 
dalheim. In die Gewerbesteuerkommission wurden 
gewählt die Herren L. Grewenig hier und Buch⸗ 
heit in Heckendalheim, als Ersatzleute die Herren 
M. Thiery und Hary. In die Kommission für 
Einkommen⸗ und Kapitalrentensteuer die Herren 
Peters hier (Ersatzmann Grewenig) und Karren in 
Ensheim (Ersatzmann Grett.) 
* St. Ingbert, 2. Nov. Wir wollen nicht 
unterlassen, darauf hinzuweisen, daß bei der auf 
übermorgen angesetzten Stadtratswahl nur 35 
Stadträte gewählt werden. Solche Wahl-Zeitel, 
auf denen mehr als 35 verzeichnet sind, find un⸗ 
giltig; ebenso Wahlzettel, welche die Unter—⸗ 
schrift des Wählers oder sonstige Ueberflüssigkeiten, 
wie Datum ꝛc. tragen. Bei Eroͤffnung des Wahl⸗ 
aktes um 9 Uhr vormittags gibt der Wahlkom⸗ 
missar sogleich die Schlußzeit desselben bekannt, 
welche dann durch Ausschellen zur allgemeinen 
Kenntniß gebracht wird. 
* St. Inabert, 2. Nop. Der Mord 
am vorigen Sonntag, welchem der Bergmann 
Schmitt aus Dudweiler zum Opfer fiel, hält noch 
immer die Bevölkerung der ganzen Umgegend in 
Aufregung. Die Untersuchung nimmt ihren Fort⸗ 
gang, und immer mehr für die des Mordes Be— 
schuldigten belastendes Material wird zutage ge— 
fördert. Vorgestern Nachmittag nahm das Unter 
juchungsgericht aus Zweibrücken im Beisein des 
beschuldigten M. Biewer eine wiederholte Besichtig— 
ung des Thatortes und sodann gleichzeitig mit 
dem Amtsgericht Saarbrücken eine Haussuchung in 
Dudweiler vor. Zu dieser fand ein ungeheurer 
Menschenzudrang statt. Wie uns glaubwürdig von 
dorther berichtet wird, ist das Gerücht von Auf—⸗ 
findung blutiger Kleider nicht begründet. Dagegen 
soll ein Zeuge, welcher dem genannten Biewer 
zegenübergestellt ward, eidlich ausgesagt haben, er 
habe gesehen, wie jener das in der Nähe des 
Thatortes gefundene Beil geschliffen habe. Dies 
Beil zeigt nur auf der einen Seite Blutspuren; 
das am Stiel abgesägte Stückk, welches gefunden 
wurde, ist durch die Struktur des Holzes unzweifel⸗ 
haft als solches erkannt worden. Die Erbitterung 
der Bevölkerung über die abscheuliche That ist sehr 
groß. Manche Verwünschung, ja Drohung schallte 
dem gefesselt Einherschreitenden entgegen. Als Ur— 
heberin bezichtigt man in Dudweiler allgemein die 
Frau des Getödteten. Die Stimmung, welch⸗ 
gegen dieselbe herrscht, wird bezeichnet durch die 
nNer umlaufende Erzählung, daß am Mittwoch hier 
anwesende Dudweilexer Frauen in ihren Körben 
Steine verborgen hielten, um, falls sie ihnen zu 
Gesicht käme, auf eigene Art Justiz zu üben. Wie 
man hört, soll der Inhaftirte bis jetzt stets und 
zwar mit sichtlicher Ueberlegung ausweichende Ant⸗ 
vorten gegeben haben. Heute Mittag findet Fort⸗ 
setzung der Unterfuchung statt. 
— Zweibrücken, 31. Okt. Den Bemüh—⸗ 
ungen unserer Polizei und der Feidschützen ist es 
nach der „Zig.“ gelungen, den neulich erwähnten 
Finbrecher (in mehreren Gartenhäusern) in der 
Person des 18jährigen Taglöhners Daniel Kuhn 
don Ernstweiler zu ermitteln. 
— Pirmasens, 31. Okt. Herr Schuh— 
fabrikant Simon Schmid kaufte das den Erben 
yon Schreiner Justus gehörige, in der Winzler- 
traße gelegene einstöckigge Wohnhaus sammt dazu 
gehörigem Hofraum um 18,000 Mark. Die Schuh— 
fabrikanten Herren Theobald und Rosenfelder kauften 
oon Herrn Kafetier Spitzfadem dessen im Teick 
gelegenen Garten (1750 Qum.) um 10,700 Mark 
— Der Stadtrat von Virmasens 
hat für die Gehalte dr VBolksschullehrer um 
7000 Mk. mehr angesetzt. Es wird zukünftig der 
Anfangsgehalt der Lehrer um 100 auf jährlich 
1400 Mk. und die S„jährige Alterszulage von 75 
auf 100 Mk. erhöht. Der Stadtbaumeister 
erhielt eine Gehaltserhöhung von 600 Mk. und 
ein Aversum für Porti und Telegramme von jähr 
lich 75 Mk. 
— Aus der Sitzung des Distriktsrathsausschusses 
für den Kanton Dahn berichtet der „L. A.“ fol⸗ 
zendes: Wie in früheren Jahren, so beantragte 
der Ausschuß auch heuer wieder die Erhebung einer 
besonderen Umlage auf die Gesammisteuer einschl. 
der Einkommensteuer von 1000 Mk. zur Ansamm— 
ung des Krankenhausfonds, der mit dem Schluf 
des Jahres 1889 die Höhe von rund 16,000 Mt 
erreicht hat 
— Annweiler, 31. Okt. Laut einem 
Inserate werden Arbeiter für eine hier zu errichtende 
Figarrenfabrik gesucht. Wir haben nun in 
krfahrung gebracht, schreibt man dem „L. Tgb.“ 
daß eine Bremer Fabrik beabsichtigt, an hiefigem 
Platze eine Zweigfabrik zu errichten und steht die⸗ 
elbe bereits mit den Herren Ahlborn 8. Bögel in 
Anterhandlung, um einen Theil der ausgedehnten 
Lokalitäten, in denen genante Herren früher eine 
Stohhutfabrik betrieben, auf eine Reihe von Jahren 
zu miethen, in denen das Zweiggeschäft angelegt 
werden soll. Wie die Verhälmisse hier liegen, be⸗ 
teht kein Zweifel. daß am hiesigen Platze und in 
den umliegenden Dörfern Arbeiter übergenug zu 
inden sein werden, denn es fiel den früheren Stroh⸗ 
jutfabriken nicht schwer, einige hundert Arbeiter 
ind Arbeiterinnen, die für ihren Betrieb nothwendig 
waren, zu bekommen, und wäre es nur zu wünschen, 
wenn besagtes Projelt zur Ausführung gelangen 
würde. 
— Landau, 31. Okt. Einer großen 
Befahr ist der von Germersheim kommende und 
um 4 Uhr 2 Min. vom Westbahnhofe nach Zwei⸗ 
hbrücken abgehende Schnellzug vorgestern Nach— 
mittag ertgangen. Zwischen Landau und Godram- 
tein waren nämlich auf einer Strecke von 4 Meter 
zrößere Granitsteine auf die Bahngeleise geleg! 
worden, die jedenfalls eine Entgleisung des Zuges 
hätten hervorrufen müssen. Glücklicherweife hat r 
in der Nähe stationierte Bahnwart die ng 
Stelle vor Ankunft des Zuges begangen und 34 
Entfernung der Steine ein unberechenbares Unglüo 
verhütet. Den eifrigen Bemühungen unserer uuch 
tigen Gendarmerie gelang es, die Thäter in der 
Person von zwei 9 Jahre alten Buben von Atz 
heim Namens Schmadel und Herzenstiel ausfindig 
zu machen, die nach ihrer Angabe einmal gerne 
jugesehen hätten, wie die Bahnwagen übereinander 
hineinfahren. Da dieselben, aach dem „Pf. HK. 
noch nicht das strafmündige Alter erreicht haͤden 
tönnen sie für die That, deren Tragweite sie jden 
falls nicht zu beurteilen vermochten, nicht zu 
Rechenschaft gezogen werden. Wahrscheinlich haben 
dieselben von den letzten Eisenbahnunglücken irgendwo 
etwas erzählen hören, was sie zu der unglückseligen 
Idee geführt haben wird, einmal selbst eine Kala— 
strophe mit ansehen zu wollen. Eine gehörige 
Tracht Prügel dürfte für dieselben sehr am 
Platze sein. 
—.Landau. Die vollständige Entfestigung 
der Südseite der Stadt wird in kurzer Zeit beendel 
sein. An der Niederlegung der Bastion d'Asfeldt 
wird rüstig gearbeitet und von dem gewaltigen 
Erdaufwurf, dem Kavalier hinter dem Schicen⸗ 
dantz'schen Hause, sind nur noch wenige Kubikmeter 
Erde zu beseitigen. 
— Neustadt, 31. Oklt. Gestern Nachmittag 
fiel in den Mähldbach hinter der Correll'schen 
Mühle das 7 Jahre alte Töchterchen des Oder—⸗ 
müllers Hofseß. Ein kleiner Knabe, welcher 
sich in der Nähe befand, hielt von einem Steg aus 
das Kind, welches er an den Aermchen gefaßt 
halte, so lange über Wasser, bis ein Knecht dasselbe 
aus seinem unfreiwilligen Bade entfernte. Der 
Unfall hätte leicht von ernsten Folgen begleitel 
sein können, da der Mühlbach an dieser Stelle sehr 
tief ist. 
— Speyer, 31. Okt. Die Aktienbrauerei 
zur Sonne, vormals H. Weltz, vertheilt 71 
Prozent Dividende. 
— Frankenthal, 31. Okt. Gestern wurde 
ein gewisse Baumann von Oppau in's hiesige 
Landgerichtsgefängniß eingebracht. Derselbe war 
borige Woche schon einmal inhaftirt worden, weil 
der Verdacht der Brandstift ung auf ihm ruhle; 
er wurde jedoch wieder auf freien Fuß gesetzt, da 
seine Betheiligung an fraglichem Brand nicht nach⸗ 
gewiesen werden konnte. Nun hat sein Complice 
Waschko, welcher ebenfalls inhaftirt ist, ein Ge⸗ 
ständniß abgelegt und Baumann als Betheiligten 
angegeben. 
— Bobenheim a. B. Feldschütz Schild⸗ 
knecht fand Kornähren zweiter Frucht mit 
bollkommen ausgewachsenen und ausgereiften 
Körnern. 
— Eisenberg, 31. Okt. Unterhalb der 
Neumühle fand man gestern Abend die Leiche der 
Susanna Lohr aus Kerzenheim, welche schon 
einige Tage sich heimlich von ihrem Elternhause 
entfernt hatte, in dem Eisbache. Was die Un— 
glückliche zu diesem Selbstmorde getrieben hat, ist 
unbekannt. In einigen Tagen wollie sie sich ver⸗ 
heiraten. 
— Gollheim. Se. Erxzellenz Herr kgl. Re⸗ 
gierungsptäfdent und Staatsrath v. Braun hat 
auf Anregung des Bürgermeisteramtes zu den 
Renovirungskosten des König⸗Kreuz⸗Denkmals 
und Gartens einen Betrag von 54 Mk. gespendet 
und hierbei dem Gemeinderath von Göllhein für 
die bewiesene Opferwilligkeit seine Anerkennung 
ausgesptochen. 
— In Winnwesiler wird am 4. November 
durch geprüfte Arbeitslehrerinnen (Dominikanerinnen) 
eine Frauenarbeitsschule eröffnet werden. 
Vermischtes. 
F Spiesen. Letzter Tage wäre der Gastwirt 
W. von hier beinahe auf eigentümliche Weist ver⸗ 
unglückt. Als derselbe mit mehreren Bekannten 
hei einem Glase Bier und gekochter Zunge sich eben 
etwas gütlich thun wollte, drang ihm ein spitzer 
Gegenstand in die innere Oberlippe. Gleich nach- 
sehend, stellte sich, wie die „S.⸗Bl. 3.“ mitteilt, 
heraus, daß in der gekochten Zunge eine 2 Cen⸗ 
timeter lange Nahnadel verborgen war, welche 
hn auf diese Weise verletzte und sehr leicht großes 
Unheil hätte anrichten können. Da beim Abschälen der 
Zunge sich nichts bemerkbar machte, und die Nadel 
aur mit Mühe aus dem Fleische gezogen werden