Full text: St. Ingberter Anzeiger

wahl fand sich ein Wahlzeitel folgenden Inhalis 
in der Urne: 
Boor unser Gemee se führe, 
Müssen verzehn Mann regiere; 
Foor die Neuigkeiten se verzehle, 
Thu ich G. Annche wähle; 
Ich darf mich, wie ich will befinne, 
Ich kann Euch gar ke besseres finne. 
Ferner entstand in den Wahltagen eine Jere⸗ 
miade nach Wilhelm Hauffs Reiterlied, in seiner 
schoͤnen Rovelle ‚Lichtenflein“, „Morgenroth! 
Morgenroth! leuchtest mir zum frühen Tod ?“ 
wie nachstehend folgt — 
Abendroth, Abendroth! 
Brachtest mir den sichern Todd; 
Schon nach den zwei ersten Stunden, 
War die Hoffnung mir geschwunden,. 
Ach! ich armer Kandidat! 
Hektograph und Urban 
Ihr allein war't schuld dran, 
Wollte ich doch Sieger bleibe. 
Mir vergnügt die Hände reiben. 
Ach! ich armer Kandidat! 
Streikpartei, Streilpartei! 
Steh' mit drinem Trost mir bei. 
Klag' mit mir, dem tapfern Streiter, 
Nicht Ersatzmann bin ich leide;; 
Ach! ich armer Kandidat! em 
saum gedacht und gelacht — 
Bürgermeister war gemacht. 
Wollt' ich doch die Kirche bauen, 
Alles Alte niederhauen, 
Ach! ich armer Kandidat! 
Nun jetzt still, nun jetzt still! 
Füg' ich mich, wie Gott es will! 
Doch in fünf Jahr' will ich's wagen 
Wieder, und mein Schicksal tragen 
Ach! ich armer Kandidafttt— 
— Bliesmengen, 2. Dez. Heute Mittag 
begab sich die Ehefrau des Tagners Johann La⸗ 
galy von hier mit dem Mittagessen zu ihrem im 
hiesigen Walde beschäftigten Manne und ließ 
waährend dieser Zeit ihr 41 jahriges Stieftöchterchen 
allein zu Hause zurüchk. Bei ihrer Rückkunft fand 
die Frau zu ihrem Schrecken das Kind gänzlich 
verbrunnt. Abermals eine Mahnung, kleine Kinder 
nicht allein, d. h. ohne Aufsicht zu lassen. (Zw. 3.) 
— In Homburg wurden wiedergewählt 
als Bürgermeister: Herr Karl Weber, Wirt. Al⸗ 
1. Adjunkt: Herr Jakob Holländer, Bäcker 
und Wirt. Als 2. Adiunkt: Herr Chriftian 
Link, Bäcker. 
— Landstuhl, 2. Dez. Gestern erlegten 
die Gebrüder Lukas, Förster der hiefigen Frhr. v. 
Stumm'schen Forstberwaltung, ein 250 Pfd. schwereß 
Wildschwein. 
— Kaiserslautern, 3. Dez. Gesizwechsel.) 
Die Wirthschaft zum grünen Baum des Herrn 
Karl Rubi in der Alleestraße ging durch Kauf an 
Herrn Georg Hanngen um den Preis von 20 000 
Mtk. über. Die Vermitielung geschah durch den 
Agenten Gustap Feldmüller. 
— Infolge Beschlusses der in Neustadt abge⸗ 
haltenen Sitzung des Ausschusses des Verbandes 
pfälzischer Zithervereine findet die nächste 
Hauptversammmlung, verbunden mit Konzert in 
Pirmasens und zwar am 27. April nächsten 
Jahres statt. 
— Den Hauptigewinn der Landauer Syna⸗ 
gogenbaus⸗Lotterie soll ein Pfälzer Reisender 
gewonnen haben, der sich auf der Durchreise in 
München ein Los kaufte. 
— In Venningen sollte die Bürger— 
meister · und Adjunktenwahl am Samstag statt⸗ 
finden, doch verlief der Wahlakt resultatlos, da 
in 4 aufeinander folgenden Wahlgängen eine 
absolute Majorität abermals nicht erzielt wer⸗ 
den konnte. Weitere Anordnungen werden dem⸗ 
nächst von Seite des k. Bezirksamts ergehen. 
Ggw.) 
— Ludwigshafen, 3. Dez. Die Räume 
des Landwehr-Bezirkskkommandos find 
unzureichend und bedürfen dringend der Er— 
weiterung. Es ist daher, wie der „Kur.“ höͤrt, 
an höherer Stelle die Erbauung eines Gebäudes 
beschlossen, in welchem das Landwehrbezirks⸗ 
Kommando und die Linien⸗Kommission unterge⸗ 
bracht werden sollen. Die Mittel für das Ge— 
baude werden von dem Landtag während seine 
tetzigen Tagung in einem Nachtraasbostulat ge— 
fordert werden. — Eine glückliche Erbini, 
die Frau eines in einer hiefigen Fabrik be— 
jchäftigten Schmiedes. Derselben soll nämlich 
bon einem in Amerika verstorbenen Onkel eint 
sehr reiche Erbschaft, man spricht von ein par 
Mal hunderttausend Mark, zugeflossen sein. In 
wie weit die Geschichte auf Wahrheit beruht 
werden wohl die glücklichen Erben am Besten 
wissen. 
— Ludwigshafen, 83. Dez. Gestern 
Abend gegen halb 8 Uhr wurde der Rangirer 
Georg Groß von Böhl zwischen den zwei 
letzten Wagen eines Rangirzuges dodit aufgefun⸗ 
den. Derselbe war mit der Abloppelung der 
Wagen beschäftigt und soll kurz vorher noch 
Signal gegeben haben. Eine äußerliche Ver⸗ 
letzung war an dem Todteu nicht wahrzunehmen, 
das ihm aus dem Mund dringende Blut deutel 
auf eine schwere innere Verletzung hin, welche den 
augenblicklichen Tod zur Folge hatte. J 
— Frankenthal. Bei der Bürgermeister⸗ 
and Adjunktenwahl wurden gewählt die Herren: 
Adolf Mahla als Buürgermeister, Ludwig Neu—⸗ 
nayer als erster Adjunkt, Jalbob Rettig als 
weiter Adjunkt. (Herr Neumayer wurde vor der Wahl 
einstimmig aufgefordert, die Bürgermeisterstelle an 
junehmen, lehnte aber ab) 
— Aus dem Muünsterthal. Wie der 
„Pf. Vzt.“ aus zuverläsfiger Quelle mitgetheilt 
wird, soll mit der Fortsetzung der Bahnlinie Flon⸗ 
heim⸗Wendelsheim⸗Alsenzbahn im Frühjahr begonnen 
werden. Die Strecke Flonheim⸗Wendelsheim bis 
an die Pfaͤlzer Grenze soll bereits zwei Unternehmern 
aus Mainz übergeben sein. Idenfalls wäre es 
jetzt an der Zeit, daß die interessirten Gemeinden 
der Münsterthalbahn die nöthigen Schritte thun 
würden und ihre diesbezügliche Wuünsche an hoher 
Stelle datlegten. 
Jermischten. 
F Am nächsten Sonntag wird in Neun⸗ 
kirchen in der unteren evangel. Kirche unter 
Miwirkung der evangel. Kirchenchöre von Fried⸗ 
richsthal. Sulzbach und Neunkirchen ein Kirchen⸗ 
zesangfest mit einer nachfolgenden, um 5 Uhr im 
Tourth'schen Saale beginnenden Nachversammlung 
gefeiert werden. 
4F In Louisenthal nahm neulich au 
einem Dache ein Storch Quartier und wurde nach 
und nach recht zutraulich. Bruder Langbein hal 
sich auch mit den Hühnern und anderem umher— 
watschelnden zweibeinigen Viehzeug ins Einvernehmen 
gefetzt, so daß er überall gern geduldet ist. — Der 
Herr Kinderlieferant wird sich wohl von dort aus 
auf Geschäftsreisen begeben und bei manchen 
gern, bei anderen ungern gesehene Waare bringen 
FAus dem Reichsland, 1. Dez 
Bestern Abend wurde in Oberaspach der 
schwachsinnige, etwa 40 Jahre alte Alois Krust 
in der Nähe des Dorfes erfroren aufgefunden 
Zrust hatte die Gewohnheit, zuweilen Nachts allein 
imherzustreichen, oder in der Kirche zu übernachten 
und dergleichen, und ist diesem Hang, von dem 
hm seitens seiner Angehörigen schon oft abge⸗ 
zathen worden, jetzt zum Opfer gefallen. — Wie 
in Muhlhausen erzählt wird, soll Notar 
Möhler aus der Haft entlassen worden sein. Der—⸗ 
elbe sei — so wird weiter erzaͤhlt — schon seit 
rinigen Jahren leidend, daß er nicht mehr im 
Stande war, sein ausgedehntes Geschäft zu über⸗ 
sehen. Jetzt erst sollen Obligationen, sehr hohe 
Summen aufgefunden worden sein, an denen sich 
von 3 Jahren her die Koupons noch befänden. 
Die so brach liegenden Gelder aber würden den 
Fehlbetrag, wahrscheinlich gänzlich decken. Es wird 
iich in den nächsten Tagen zeigen, wie weit dieses 
Berücht auf Wahrheit beruht. 
Darmstadt. Zur Begrüßung des Kaisert 
werden am nächsten Freitag ungefähr 250 Krieger 
pereine mit etwa 3000 Mitgliedern hier eintreffen. 
Seitens Sr. Kgl. Hoheit des Großherzogs wurde 
destimmt, daß die sämmtlichen Vereine um 10 Uhr 
Aufstellung in acht Gliedern auf dem Paradeplaß 
riehmen, woselbst dann Seine Majestät der deutsche 
aiser bei seiner Fahrt zur Jagd nach Kranichstein 
eine Parade über die hessischen Kriegervereine ab⸗ 
nehmen wird. 
FMainz. Eine wenig erfreuliche Dezember⸗ 
zescheerung hat die hiesige Bäckerinnung der Main⸗ 
jer Bevoͤlkerung verschafft, nämlich eiinen Brotauf⸗ 
schlag von nahezu 8 Prozent. Von 56 Pfg 
sst der Preis für ein vierpfündiges Brot auf einmal 
vuf 60 Pifg. gestiegen. Da dieser hohe Brotauf— 
schlag in keinem Verhältnis zu der Preisbewegun 
auf dem Fruchtmarkte steht, macht Fich über * 
Preissleigerung in weiten Kreisen der Bevdllerung 
eine lebhafte Mißstimmung gegen die Baderinnung 
laut. 
Frankfurt a. M. Wegen Bruchs des 
Ehbeversprechens wurde hier ein Kommis der 
urtheilt, an seine frühere Braut 15.000 Mark Ent⸗ 
schädigung zu zahlen. Ein Theil der Summe 
(10,000 Markh) ist durch Beschlagnahme eine 
Hypothek gesichert. 
fF Regensburg. Schuzmann Feßmann 
ftürzte iafolge des Glatteises und rannte sich den 
in der Brust tasche befindlichen gespitzten Blei 
Zift derart in den Lungenflügel, daß an seinen 
Aufkommen gezweifelt widd. 
* Weimar, 2. Dez. Im heute verhandelten 
Prozeß gegen den Rechtsanwalt Harmening weger 
Beleidigung des Herzogs von Kodurg⸗Gotha durd 
die Druchchrift „Wer da!“ lautete das Urthei 
für den Angeklagten auf sechs Monate Festung 
zung der Kosten und Vernichtung der Drud— 
chrift. 
FGegen die Verkaufsautomaten mag 
fich an vielen Orten aus erziehlichen Gründen eit 
lebhafter Widerstand geltend. In mehreren Orter 
Sachsens ist eine Agitation im Zuge, um di 
oöͤffentliche Aufstellung derartiger Apparate überhaup 
zu verbieten, da die Schuljugend auf dem Gange 
zur Schult den so bequem zugänglichen Näschereien 
zuspricht. Wie ferner aus Erlangen gemeldet wird 
hat soeben der dortige Magistrat auf Anregung 
des Armenpflegschaftsrathes den Beschluß gefaßi. 
„nicht nur keine Erlaubniß zur Auffstellung von 
Chokolade⸗Automaten an öffentlichen Plätzen und 
Straßen mehr zu ertheilen, sondern auch die be— 
reits ertheilten Bewilligungen zurückzuziehen.“ 
F Braunschweig. Der Prozeß der seche 
Zinder der Gräfin de Civry gegen die Erben des 
Herzogs Wilhelm von Braunschweig, den Herzog 
don Cumberland und den König von Sachsen, der 
seit etwa 10 Jahren die Gerichte beschäftigt und 
in den weitesten Kreisen großes Aufsehen erregt 
hat, kam am Freitag, den 29. November, dvor 
einem besonderen Senat des braunschweigigen 
Oberlandesgerichts, in Vertretung des Reichsge⸗ 
richtes, zur letztinstanzlichen Entscheidung. Der 
Klage liegt folgender Thatbestand zu Grund 
herzog Karl Il. von Braunschweig hatte hekanntlich 
anfangs der 20er Jahre in London ein Verhältniß 
mit der Tochter des englischen Admirals Coldbille 
angeknüpft, dieselbe folgte dem Herzog nach Braun⸗ 
schweig und gebar am 3. Juli 1826 in Wendessen 
bei Braunschweig eine Tochter, die nachmalige 
Gräfin de Cwiy. Das Kind wurde von dem braun⸗ 
schweigischen Hofprediger in der Kirche zu Ahlum 
zetauft und als Gräfin von Colmar in das Kirchen- 
puch eingetragen. Als Pathen find Herzog Karl 
und sein Bruder, der nachherige Herzog Wilhelm, 
genannt. Es wird nun von den Kindern der 
derstorbenen Gräfin behauptet, daß Herzog Karl 
seiner Zeit ein landeshercliches Anerkennungspatent 
für sein Kind habe anfertigen lassen. Doch kann 
die Existenz des Patentes, die einzige von den 
Beklagten (seiner Zeit und von dem Herzog Wil⸗ 
helm) bestrittene Thatsache nicht nachgewiesen werden. 
Finige Jahre jedoch nach der Geburt des Kindes 
entstand zwischen der Lady Colbille und dem 
Herzog Karl eine Entfremdung, und die erster 
ging nach England ins elterliche Haus zurüch, 
Uüberließ aber ihr Kind, um demselben die ver⸗ 
sprochene glänzende Zukunft zu fichern, dem 
Herzog. Dieser ließ seine Tochter auch standes⸗ 
gemäß erziehen und später in der reformirten 
irche in Paris konfirmiren. Ecst als die „Gräfin 
Colmar“ dann ohne Vorwissen ihres Vaters zur 
atholischen Kirche übertrat, zog derselbe seine 
hand von ihr ab. Er trat seiner Tochter noch 
einmal naher, als dieselbe den französischen Grafen 
de Cipbry heiratele, war jedoch durch nichts zu be⸗ 
wegen, noch einmal etwas für sein Kind zu thun. 
Ein 1865 in Paris gegen den Herzog angestrengter 
Prozeß auf Anerkennung der Graͤfin als seiner 
natürlichen Tochter blieb erfolglos, da Letzterer jeden 
Anspruch bestritt und ihm dabei die bekannte Be⸗ 
slimmung im Code Napoleon zar Seite stand 
Wird die Anerkennung erstritten, so hat die Stadt 
Genf. als Universalerbin des Herzogs Karl, einen 
großen Theil der 30.Millionenerbschaft herauszu⸗ 
zahlen. In dem Prozeß, in dem zweifelsohne Billig 
keitsrüchsichten auf Seiten der Kläger stehen, handell 
Z3 sich um sehr schwierige juristische Fragen. In