Full text: St. Ingberter Anzeiger

zas gerichtliche Vorgehen gegen die Sozialiften 
aufhalten, wenn er die betreffenden Thatsachen zur 
Sprache gebracht haben würde, statt Stillschweigen 
zu beobachten. Jansen erwartet, der König werde 
zach Kenntnisnahme der Kammerverhbandlungen die 
Minister nicht auf ihren Posten belassen. Aus den 
Menschenmassen vor dem Kammergebäude ertönten 
wiederholt die Rufe: „Demission.“ Nach der Sitz 
ung durchzogen kleine Menschentrupps die Straßen. 
Die Polizei trieb die Leute auseinander. 
Brüfsel, 6. Dez. Deputirtenkammer 
Bei der heute fortgesetzten Erörterung über die 
Interpellation Bara richtete der Abgeordnete 
Janson heftige Angriffe gegen das Ministeriums, 
besonders gegen den früheren Justizminister De⸗ 
polder. Den letzteren nannte Janson einen 
Lügner. Der Präsident versuchte vergeblich zu 
vermitteln. 
Brüssel, 6. Dez. Die Kammermehrheit 
beschloß, der Regierung heute ein Vertrauens⸗ 
wo tum zu erteilen. 
Bern, 6. Dez. Der Nationalrat ge—⸗ 
nehmigte einstimmig den Bundesbeschluß betreffs 
der 1703 Millionen Franken für Anschoffung von 
150 000 Repetirgewehren „Modell 1889“ und 
von 360 Patronen für jedes Gewehr. Er ge⸗ 
nehmigte ferner den Handelsbertrag mit Belgien. 
Madrid, 6. Dezember. Aus Tanger 
wird gemeldet, es sei eine Verschwörung 
zegen den Sultan von Marocco entdeckt 
worden. Der Sultan habe einen seiner Brüder 
»erhaften und in Fez ins Gefängniß werfen lassen. 
Im Innern des Landes seien infolge dessen einige 
Anruhen ausgebrochen. 
Sansibar, 5. Dez. Das Bureau Reuter 
meldet: Emin Pascha stürzte gestern 
Abend in Bagamoyo aus einem Fenster, welches 
er infolge seiner Kurzsichtigkeit muthmaßlich für 
eine Thüre hielt, heraus und erlitt einen Sch ä⸗ 
delbruch. Sein Zustand ist höchst bedentlich. 
Dr. Parke hofft ihn zu retten. — Eine neuere 
Meldung aus Sansibor besagt über den Unfall 
Fmins folgendes Nähere: Emin hatte sich 
infolge seiner Kurzsichtigkeit in der Höhe des Ge— 
mäuers eines Balkons verrechnet und verlor das 
Gleichgewicht. Er fiel eine Höhe von 20 Fuß 
hinab. Bei dem Aufheben wutde es sogleich klar, 
daß er schwer verletzt sei. Das rechte Auge war 
geschlossen, aus den Ohren drang Blut. Es wer⸗ 
den daher gefährliche innere Verletzungen befürch— 
tet; auch äußerlich ist der Körper arg verletzt. 
Dr. Parke bleibt bei Emin zurück. Die deutschen 
Aerzte sind sehr besorgt, während Parke sehr 
hoffnungsvoll ist. Es ist jedenfalls unmög— 
lich, Emin in den nächsten Tagen nach Sanfibar 
zu bringen. 
Sansibar, 6. Dez. Reichskommissar Mojor 
Wißmann traf vorgestern Stanley, Emin 
Pascha und Casati jenseits des Kinghaniflusses. 
Sie trofen gestern früh zu Pferde in Bagamoyo 
ein, wo sie begeistert empfangen wurden, Die 
ganze Stadt war mit Palmenblättern geschmückt. 
Die Reisenden wurden von dem Kommandanten 
des Kreuzers „Sperber“ im Namen Kaiser Wil⸗ 
helms begrüßt; ebenso von den englischen Vizekon⸗ 
suln Crackwall und Churchill, dem Kopitän des 
englischen Kriegsschiffes „Turquise“ Brackenberg 
und von Michol im Namen des englischen Emin⸗ 
Pascha⸗Komites. Die übrigen Begleiter Stanleys 
trafen später ein. Abends gab Wißmann allen 
anwesenden Europäern ein großes Festessen, bei 
welchem derschiedene Trinksprüche ausgebracht 
wurden, die stürmischen Beifall fanden. — Stanley, 
Casati und ihre Begleiter sind heute an Bord des 
deutschen Kriegsschiffes „Sperber“ hier eingetroffen. 
Von 600 Trägern sind nur 240 bis an die Küste 
gelangt. Am 10. April war Stanley vom Albert 
Nyanza, Ende August vom Victoria Nyanza auf—⸗ 
ebrochen. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 7. Dez. Allen Freun⸗ 
den einer guten Musik sei das morgen Abeud 
im Beckerschen Saale staufindende Konzert 
des hiesigen Cäcilienvereins hiermit noch— 
mals empfohlen. 
*St. Ingbert, 7. Dez. Unserem gest⸗ 
rigen Berichte, die am 9. dieses Monats be— 
zinnenden Schwurgerichtsverhandlungen betreffend, 
lragen wir noch nach, daß, wie uns von zuver⸗ 
jäsffiger Seite mitgetheilt wurde, für die am Frei— 
ag den 18. dss gegen Nikolaus Biewer und 
Margareiha Jung, beide aus Dudweiler, wegen 
Mords angesetzte Verhandlung 2 Tage anberaumt 
ind, da über 30 Zeugen geladen wurden. 
x*— In die im Jahre 1891 abzuhaltende 
Prüfung für den ärztlichen Staatsdienst 
n Bayern sind 57 Aerzte eingetreten, eine noch 
nie erreichte Ziffer. — Niedergelassen haben sich 
»ie Aerzte Dr. .Culmann zu Albersweiler, Dr. 
dannhauser zu Landau, Dr. Bolz zu Ludwigs⸗ 
jafen; verzogen ist Dr. Fath von Schifferstadt 
jach Rheingönheim. 
*— Der Pfalz-Saarbrücker Bezirks— 
serein deutscher Ingenieure hält am Sonn⸗ 
ag den 15. Dezember im Hotel Reinhold zu St. 
dohann eine Versammlung ad, welcher ein 
emeinschaftliches Mittagessen folgt. Auf der Tages⸗ 
ardnung steht u. a.: die Neuwahl des Vorstandes. 
HEnsheim, 6. Dez. Der Kettenschmied 
donrad Huber von Schafbrück, welcher am 
1. Juli vorigen Jahres als am Petersfeste da⸗ 
sier in der Markowitzschen Wirischaft den Schuh⸗ 
nachergesellen Johann Grünewald von Bischmis- 
seim durch mehrere Messerstiche lebensgefährlich 
zerletzte und hierwegen im Monate März dieses 
Jahres von der Ssrafkammer des kgl. Landgerichts 
zweibrücken zu 4 Juhren Gefängniß verurtheilt 
vurde, ist kürzlich in der Gefangenanstalt Zwei- 
hrücken, woselbst er seine Strafe verbüßte, ge— 
torben. Huber war verheirathet und hatte eine 
Frau von St. Ingbert. 
— Als Kuriosum ist mitzutheilen, daß bei 
der Gemeinderathswahl in Ramstein die Ehefrau 
ron Joh. Kling 14 Stimmen erhielt. 
— Kaiserslautern, 6. Dezember. 
Zeute kam an den 2. Vorstand der Pfälzischen 
dampfgenossenschaft aus Worms die Mit⸗ 
heilung, daß Kaiser Wilhelm voraussichtlich 
Zonntag, 8. Dez. Nachmittags zwischen 3 u. 4 
Uhr in Worms eintreffen wird und mit Geneh— 
nigung der Wormser Stadtbehoörde gestern eine 
Finladung an die bayerischen Kriegervereine er— 
sangen ist. Wie man hört betheiligen sich viele 
falzbayerische Krieger an der Wormser Kaiserfeier. 
— Kaiserslautern, 6. Dez. Eintrau—⸗ 
riger Unglücksfall ereignete sich heute Mittag 
urz vor 12 Uhr in der Klosterstraße. Auf dem 
)aus Nr. 22 war das Trägergestell für die 
Telephonanlage aufgestellt worden und war 
»er 15 Jahre alte Dachdeckerlehrling Johann 
Folz, der Sohn des früheren Bremsers, jeßigen 
tädtischen Tagners Jakob Folz, mit dem Wieder⸗ 
indecken des Daches beschäftigt. Bei dieser Arbeif 
am der junge Mensch zum Fall, kollerte das Dach 
sinab, durchschlug die angedrachten Schutzbretter 
ind stürzte auf die Straße. Die erlittenen Ver— 
etzungen (Bruch des Genicks) führte den sofortigen 
dod des Unglücklichen herbei. Es ist anzunehmen, 
aß ein Fehltritt auf dem durch Frost und Schnee 
chlüpfrig gewordenen Dach das Unglück herbeigeführt 
nat. (Pf. A.) 
— Pirmasens, 6. Dez. Nach der „Pirm. 
3.“ hat Herr Maschinenfabrikant Nikolaus Wahl 
on hier eine Erfindung, betreffend „Verfahren zur 
Zerstellung von Treibriemen aus Lederabfällen“ 
um Patent angemeldet. Es ist dies wiederum ein 
rfreuliches Zeichen unserer hiesigen Industrie und 
Zerr Wahl, der außerdem schon 13 Patente besizt, 
u seiner neuen' Erfindung zu beglückwünschen. 
— Zu Polizeidienern in Pirmasens 
vurden die Gendarmen Friedrich Möobs aus 
domburg und Nikolaus Oschs aus Koiserslautern 
ewählt. 
— Landau, 5. Dez. Bei der heute Nach— 
nittag erfolgten Wahl wurde Herr Mah l a wieder 
um Buürgermeister, die Herren Knobloch und 
doch wieder zu Adjunkten mit ollen Stimmen 
Jegen die eigenen gewählt, welche die Wahl 
zankend annahmen. Abends war diesen zu Ehren 
Fackelzug. 
— In Bellheimbrannte die Mühle 
»es Herrn Heene vollstäandig nieder. 
— Bellheim. Gewiß als Seltenheit 
ürfte, nach dem „L. T.“, zu verzeichnen sein ein 
n dem Stalle der Frau Wittwe Peter Dörr da— 
sier sich befindlichs Kalb mit fünf Füßen. 
der fünfte Fuß hat fünf Klauen. Der hintere 
Theil desselben ist herausgewachsen. 
— In Grethen wurde der Tagner Fried 
dotter in seiner Wohnung erhängt aufge—⸗ 
unden. Kotter hinterläßt eine Wittwe und 6 
inmündige Kinder. 
— In Freinsheim ertraänkte sich in 
jnen Weiher am zguten Brunnen“ die in 
mittlerem Alter stehende ledige Margarethe Hunag 
zon da. Dieselbe war im verflossenen Nachsommer 
nach Veräußerung ihrer Liegenschaften mit ihrem 
Bruder nach Amerika ausgewandert, seit einigen 
Wochen aber, aus Sehnsucht nach der Heimath— 
wieder zurückgekehrt. 
— Mamensänderung.) Es wurde ge⸗ 
ehmigt, daß, der Rechte Dritter unbeschadet, der 
verheiratete Fabrikschlosser Ftanz Molz in Franken⸗ 
hal den Familiennamen Eberhard annehme 
und führe. 
— Kirchheimbolanden. Das Haus 
jon Tagner Wirth in der Langgasse ging durch 
LBersteigerung um den Preis von 1000 Mk. an 
derrn Ludwig Liebeck jun., Messerschmied, 
und 4 Dez. Pflanzstück in den Kappesgärten 
um 105 Mk. an Georg Stegohan, Tagner hier, 
über. 
— Obermoschel, 5. Dez. Der früher 
chon gemeldete in Aussicht stehende Aukauf eines 
zrößeren Güterkomplexes auf Ahlet zur Anlage 
ines Steinbruchs von einer Alsenzer Firma 
vurde gestern endgiltig abgeschlossen. Herr 
S„puhler kam um den Preis von 17 Mk. für 
die Dezimale mit den einzelnen Eigenthümern 
iberein. Nächste Woche wird bereits mit dem 
Probebetried begonnen werden. Auch Herr 
Simon, der schon lange Jahre von demselben 
derge einen Steinbruch betreibt, hat von Herrn 
Ackerer Friedrich Stolz 2. einen 134 Dezimalen 
großen Acker um 5000 Mk. angekauft. Seiner⸗ 
eit kostete derselbe, dem „Kt. A.“ zufolge, seinen 
eitherigen Besitzer 700 Gulden. 
— Odernheim. Der Prinzregent Luitpold 
hat unterm 22. November v. J. genehmigt, daß 
die von der Gemeinde Duchtoth⸗Oberhausen erbaute 
Brücke über die Nahe bei Oberhausen den 
amen „Luitpoldsbrücke“ erhulte, unter Anbring- 
ing einer Tafel auf dem Miittelpfeiler außerhalb 
das Churpfälzische mit dem boyerischen Wappen 
verschlungen, oben die Königskrone), auf der 
Brücke eine Tafel mit der Inschrift: Erbaut unter 
der Regentschaft des Prinzen Luitpold von Bayern, 
Unno domini 1889. Die Zeichnungen wurden von 
herrn Gewerbemuseums⸗-Direktor Spatz in Kaisers⸗ 
autern ausgef ührt. 
Vermischtes. 
F St. Johann, 6. Dez. Ein junger 
Mann von hier, der im Jahre 1886 in Straf⸗ 
burg bei einem preußischen Artillerie-Regiment 
diente, zog sich bei einer bei Hagenau stattgefundenen 
Schirßübung ein schweres Gehörleiden zu. Der 
ramme Artillerist wurde als felddienstunfähig erklärt 
und mit einer monatlichen Pension von 15 Mark 
in die Heimat entlassen. Diese Summe wurde 
infolge seiner Reklamation auf 80 Mark erhöht. 
Vor einigen Monaten richtete der Pensfionär ein 
Bittgesuch an Se. Majestät den Kaiser, des In- 
jaltes, daß diese Pension zum Lebensunterhalt un⸗ 
zuläanglich sei, und bat er um eine nochmalige Er⸗ 
Jöhung. Vor einigen Tagen erhielt der Bittsteller 
ein Schreiben der zuständigen Militärbehörde mit 
der Mittheilung, daß seinem an Allerhöchster Stelle 
eingereichten Gesuch willfahrt worden sei und er 
don jetzt ab eine monatliche Pension von 55 Mark 
und außerdem noch eine monatliche Versiümmelungs⸗ 
zulage von 4 Mk. mithin 59 Mark jeden Monat 
bdeziehen werde. Eine schönere Weihnachtsgahe 
hütte sich der Beglückte kaum wünschen können. 
(S. J.S. A.) 
F St. Joh ann. Die hiesige Karnevals— 
Gesellschaft hat eine mildthätige und sehr 
lobenswerthe Einrichtung ernstester Natur beschlossen 
nämlich die Errichtung einer Kinder-Suppenanstalt! 
— Es soll den armen Kindern vor Beginn des 
Früh⸗Unterrichts eine Stärkung gereicht werden und 
geht die genannte Gesellschaft daran, mit allem 
Eifer den Plan auszuführen. 
F Bei der Bildung des 16. Armeekorps 
ist, der „Post“ zufolge, auf die ba yeriche Be—⸗— 
satzungsbrigade (4. und 8. Infanterieregiment) 
in Metz als Theil einer der beiden Divisionen 
gerechnet; bishet war dieselbe der 30. Division 
nur attachirt. Das der 31. Kavalleriebrigade atta⸗ 
hirte 5. Chevauxlegers-Regiment in Saargemünd 
wird künftig als zweites Regiment zu einer neu 
zu bildenden Kavalleriebrigade des 15. Armeekorbs 
gehören. 
F Das Schwurgericht in Mannheim verurtheilte 
den Müller und Kirchenrechner Stadler von Wil⸗ 
delmsfeld z. Z. in Ziegelhausen wohnhaft, deswegen 
zJu einer Gefängnißsirafe von drei Wochen, weil