Amtliches Organ des königl. Amlsgerichts St. Ingbert.
der ‚St⸗ Ingberter —— erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn⸗ und Jeiertage. 2 mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗VBlatt und Nittwochs und Samftags mit
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Auskunft ertheilt, I3 , Reklamen 30 ñ. Bei 4mnaliger Einruckung wird nur dreimalige berechnet.
—„
Politische Uebersicht.
* Die Wiedereröffnung der Reichs⸗
zagssitzungen ist am 5. März zu erwarten.
* Ueber den Inhalt der Artillerie Vor
lage, welche dem Bundesrath zugehen soll, enthält
der „Hamb. Corresp.“ folgende Angaben: Das
Maß der Neuforderungen ist so gering gegriffen,
us es gegenüber der bisherigen Ueberlegenheit der
Franzosen an Batterien, Mannschaften und Pferden
gar irgend zulässig erschien. Gleichzeitig soll auf
zrund der Vorlage ein Mangel ausgeglichen wer⸗
den, welcher unsere Artillerie für den Kriegsfall in
lachtheil setzte. Dieser Mangel war ein organi⸗
atorischer, insofern die Formationen im Kriege
nicht die gleichen waren wie im Frieden. Das
WBichtigste dürfte aber sein, daß die Mehrzahl der
batterien Bespannuug für je 6 Geschütze erhält
ind daß bei einzelnen Armeekorps auch die Muni—
ionswagen schon im Frieden bespannt werden. Für
ie Avancementsverhältnisse in der Artillerie ergibt
ich eine erhebliche Verbesserung aus der Vorlage
aum, da nur wenig neue Stellen in Betracht
ommen dürften.
»Im Landesausschuß für Elsaß—
rothringen traten bei der Beratung der Zolle
und Steuern die Abgg. Hugo Bulach und Grad
jür die Erhöhung des Eingangszolles auf aus-
ändische Tabake sowie für Ermäßigung und milde
dandhabung der Tabaksteuer ein, um dadurch die
ehr gedrückite Lage der Tabakpflanzer aufzubessern.
Als beide Redner sich lebhaft zu Gunsten der Ein⸗
führung des Tabakmonopols aussprachen,
—
Unterstaatssekreiär Schraut betonte abermals, die
ẽnsscheidung über alle diese Dinge liege bei der
Reichsgewalt, die Landesverwaltung habe sich in⸗
dessen zur Fürsprecherin für die Wuͤnsche des Landes
gemacht und werde sie auch ferner vertreten. —
Wie verlautet, dürfte der sür die nächste Zeit im
Reichstage erwartete Nachtragsetat auch eine Nach-
lragsforderung von rund 130 000 M. für den
dalserpalast in Straßburg enthalten.
* Es verlautet, die englische Regierung werde
dom Parlament hundert Millionen Litrl. für eine
wirlsamere Landesverteidigung beanspruchen
bks sollen noch vor dem Jahre 1895 zwanzig neue
roße Panzerschiffe, fünfzig schnellsegeinde Kreuzer
und eine große Anzahl von Torpedobooten gebaut
werden. Die Vorderladekanonen in den dorts sowie
hei der Feldartillecrie werden durch Hinterlader er⸗
itzt werden.
*Zur Lage in Paris sagt die „Sir. P.“:
ðo sind acht Tage, daß die Ministerkrifis ausbrach,
und wir sind gerade so weil, wie am Abend des
14. Februar. Das, was man von den sich dem
Prosidenten Carnot entgegenstellenden Schwierig⸗
kiten vorausahnen konnte,“ iss durcch die Ereignise
richlich übertroffen worden. Zu der längst betann-
n Ohnmacht der Abgeordnetenkammer in noch die
Ohr macht des Elysee gekommen. Man in jeßt
üchich so weit, daß man Carnot alie Schuid auf
han und ihn für das Verschleppen der Keisis der
miwortlich macht, ja sogor von der Möoguchkeit
seines Rücktritts spricht. Das hieße nun sreilich
er Ripublik den Todesstoß geben. Mittlerweile
eteiten die Arbeiter ihre große Kundgebung für
n 24. Februar, den Revolutionstag, vor und das
suhlicum sieht allmählich immer mehr ein, daß das
beil Frankreichs augenbücklich ur in der Kammer⸗
nufdsung tuhn, Nur die Voörse zeigt uten Muth
id laßt die Renie steigen sie boffl eben duf die
Samfstag, 23. Februar 1889.
—X
Bildung eines starken außerparlamentarischen Mi⸗
nisteriums, welches all den jämmerlichen parlamen⸗
arischen Schiebereien der Gegenwart ein Ende be⸗
reitet. Für ein solches Ministerium hat man be⸗
eits den Spitznamen „ministère des derniöres
rieres““ erfunden. Die Geschäftswelt will vor
illen Dingen Ruhe, denn sie fürchtet vielleicht nicht
mit Unrecht, daß bei der Fortdauer des bisherigen
arlamentarischen Unfuges die Weltausstellung ernst-
ich gefährdet werden könnte. Fallen die allgemei-
nen Wahlen in den Oktober, sagt man sich, dann
haben wir acht Monate lang eine schreckliche Wahl⸗
bewegung und zwar mitten in der Ausstellungszeit.
Man muß also für die Ausstellung die Lage klären
and das kann nur durch die baldige Vornadme der
Neuwahlen geschehen.
* Angesichts der Nothlage in der Romagna,
Apulien und Sicilien nimmi die Arbeiterbe⸗
wegnng in Italien zu. In Caltagirone und Bag⸗
nacavallo kam es zu Kämpfen zwischen Militär
und Arbeitern. In Messina ist eine Verschwörung
des Proletariats zum Uederfall der dortigen Bank-
nstitute entdeckt worden. Von anderer Seite wird
aus Rom gemeldet: Die Anzeichen mehren sich,
haß die Tumulte von den Fuͤhrern der Sozial-
demokratie mit Hülfe der Internationale veranstaltet
vorden sind.
Deutie es Weich.
München, 22. Febr. Die Mehrheit des
Magistrats lehnte wiederholt, trotz dem Beschlufse
des Gemeinde⸗Kollegiums, es ab, an Döllinger
eine Adresse zu dessen 90. Geburtstag zu senden.
Berlin, 21. Febr. Das Schulgeschwa—
der unter Contre⸗Admiral Hollmann, welches nach
Deutschland zurückkehren sollte, hat plötzlich den Be—
fehl erhalten, nach Port Said zu gehen. Die
frühere Annahme, daß das Geschwader vielleicht
an der ostafrikanischen Küste Verwendung finden
würde, wird dadurch wieder befesligt.
Nach einer im portugiesischen, Journal de Com⸗
mercis“ veröffentlichten Abhandlung ist außer Zwei⸗
fel gestellt, daß der ostafrikanische Auf—
sttand nicht an der Küste, sondern am Nyassa⸗See
begonnen hat, und zwar ist derselbe hier von den Eng⸗
ländern in muthwilliger Weise hervorgerufen worden.
Die für die Artillerie in dem demnächfft
dem Bundesrath zugehenden Nachtragsetat geforderte
Summe dürfte sich an einmaligen und dauernden
Ausgaben auf ungefähr 15 Millionen Mark be—⸗
aufen. In dem Nachtragsetat dürfte sich auch eine
Forderung für die Trennung der Verwaltung vom
Fommando der Marine befinden.
Berlin, 22. Febr. Der Köolnischen Zeitung
vird von hier berichtet: „Die Nachrichten, daß
der Sultan von Marokko an Deutschland
iinen Gebietstheil zur Anlage eines Kohlen⸗
jafens abgetreten habe, sind aus der Luft ge⸗
riffen. Deutschland hat bei seiner geographischen
dage wenigstens den einen großen Vortheil vor den
übrigen Mächten, daß es die einzige Zentralmacht
st, die keinerlei direkte Interessen am Mittelmeer
»der am Ein⸗ und Ausgange desselben hat, und
daß es daher von Mittelmeer-Interessen erst in
zweiter Linie berührt wird, nämlich erst dann,
wenn Lebensinteressen seiner verbündeten Freunde
in Frage gestellt werden. Wir können deshalb mit
Bestimmtheit erklären, daß alle jetzt oder später auf⸗
lauchenden Gerüchte, wie das Eingangs erwähnte,
ieder Begründung entbehren und nur als Tendenz⸗
ügen in die Welt gesetzt werden, um Mißtrauen
u söäen“.
Berlin, 22. Febr. Die amtliche Veröffent⸗
lichung der Ernennung des Unterstaatssecreltärs v.
Puttkamer in Straßburg zum Staatssecre—
täer dürfte in diesen Tagen zu erwarten sein.
Berlin, 22. Febr. Nummer 41 der Volks⸗
zeitung,“ erstes Blatt, und die heutige Nummer
der „Berl. Neuesten Nachrichten“ wurden
heute Vormittag polizeilich beschlagnahmt.
Braunschweig, 22. Febr. Der Staats⸗
minister Dr. Graf Görtzz Wrisberg, Mitglied
des Bundesraths, ist heute früh 8313 Uhr gestorben.
Ausland.
London, 21. Febr. Im Unterhaus kündigte
Morley einen Zusatz zu der an die Königin zu
richtenden Adresse an, welcher heftigen Tadel über
die jetzige Verwaltung Irlands ausspricht und Maß-
regeln fordert, um die Zufriedenheit des irischen
Volkes durch eine wirkliche Union Großbritanniens
mit Irland herbeizuführen.
London, 21. Febr. Einer „Times“⸗Meld-
ung aus Sansibar zufolge, erließ der Sul⸗
han eine Proklamation, welche die Einfuhr, Aus-
fuhr und den Handel mit Waffen und Munition
für Sanfibar und Pemba untersagt. Der britische
Consul befahl allen britischen Unterthanen die Be—
folgung dieser Proklamation bei einer Strafe von
tausend Rupien oder zwei Monaten Gefängniß.
Haag, 21. Febr. Die Entzündung des
Mundes und Halses des Königs ist, wie der
Leibarzt Professor Rosenstein constatirte, ge⸗
schwunden. Der Kräftezustand läßt zu wünschen
aͤbrig.
Paris, 22. Febr. Das neue Ministe-
rium hat sich jetzt constituirt und is folgender⸗
naßen zusammengestellt: Tirard, Präsidium und
Handel; Constans, Inneres; Rouvier, Finanzen;
Thevenet, Justiz; Fallieeres, Unterricht; Faye,
Ackerbau; Yves Guyot, öffentliche Arbeiten; Frey—
rinet, Krieg; Jaures, Marine. Das auf die Er⸗
nennung der Minister bezügliche Decret ist bereits
»om Präfidenten Carnot unterzeichnet, die Er—⸗
nennung eines Ministers des Aeußeren ist jedoch
noch vorbehalten.
Paris, 22. Febr. Das neue Ministe⸗
rium Tirard beriet heute Vormittag im Elysse
die programmatische Erklärung, die der Kammer
zu unterbreiten ist. Nach langen Erörterungen
wurde der Ministerpräsident Tirard mit ihrer Ab—
jassung betraut. Um 6 Uhr traten die Minifter
ibermals zusammen, um die endgiltige Gestalt der
Erklärung festzusetzen. Dieses Regierungsprogramm
wird vor allem die Notwendigkeit betonen, das
Budget zu erledigen. Ferner gelte es, die Aus—
tellung zu sichern und Republik und
Lerfassung zu verteidigen. Da Waddington
in London, Decrais in Wien und Cambon in
Madrid die Uebernahme des Ministeriums des
Auswärtigen abgelehnt haben, so hat Tirard es
dem Marquis von Noailles angeboten. — Geno⸗
nieh, der frühere Gouberneur des Senegal, der
seinerzeit vier zur Bewachung der französischen
Flagge zurückgelassene Neger auf der Insel. Alkatras
hatte verhungern lassen und deshalb mit einer
Geldstrafe von 600 Franken bestraft worden war,
ist in Berufungsinstanz außer Geldstrafe zu sechs
Monaten Gefängnis verurteilt worden.
Belgrad, 22. Febr. Die Nachricht, daß die
frühere Königin Natalie die von panslawist⸗
scher Seite an sie ergangene Aufforderung zur
Agitation gegen den König zurückgewiesen und das
Pohl des Königs Milan für gleichbedeutend mit