Full text: St. Ingberter Anzeiger

— In Neustadt fand eine Ausschußsitzung 
des pfälzischen Turnerbunde s statt. Kassen⸗ 
vart Wunschel berichtete, daß die Unfallkasse ein 
Vermögen von 712 M. 59 Pfg. besitze und in 
der Bundeskasse über 1200 M. sich befinden. Für 
Anfälle standen für 1888 8348 M. zur Verfügung, 
104 M. waren bereits als Vorschuß bezahlt, so 
daß noch 244 M. zu vertheilen waren. Die 
Fahnenfabrik von Müller in Speyer machie der 
Unfallkasse ein Geschenk von 30 M., worauf der 
Ausschuß seinen Dank ausspricht und diese Fabrik 
den Turn⸗Vereinen bei Anschaffung von Fahnen 
mit Rücksicht auf die Solidität der Firma gern 
empfiehlt. Da seit 1872 der Bund von 10 auf 
73 Vereine gestiegen ist, so wurde beantragt, die 
Zahl der Vertreter auf dem Turntag, die bis auf 
nehr als 200 gestiegen ist, herabzumindern und 
ttatt wie bisher auf 50, nunmehr auf 100 Mitglieder 
einen Abgeordneten wählen zu lassen. Es wurde 
einstimmig beschlossen, eine Verminderung der Zahl 
der Vertreter eintreten zu lassen. Die Kampfrichter 
für das deutsche Turnfest in München sollen auf 
Bezirksturntagen oder Bezirksvorturner-Cursen näch⸗ 
stens gewählt werden. Der „Pfälzische Turnerbund“ 
ist im beständigen Wachsthum begriffen. Recht 
aützlich wirkt die Unfallkasse; hätten wir diese nicht, 
so würde gar mancher Turn⸗Verein zu Grunde 
gehen, da jeder Unfall nicht der Unvorsichtigkeit, 
sondern dem Turner zur Last gelegt wird; wenn 
aber die Leute sehen, daß die Curkosten und der 
Verdienstentgang ganz oder theilweise vergütet werden, 
so wirkt das sehr gunstig auf die Bevoölkerung. 
(Pf. K.) 
— Speyer. Die dem „L. A.“ entnommene 
Nachricht bezügl. des Metzgers Hrn. Val. Fischer 
bedarf, wie das genannte Blatt mittheilt, der Be— 
richtigung, indem er nicht verschwunden ist, sondern 
sich noch hier befindet. Auch freut es uns, miit⸗ 
theilen zu können. daß kein Landwirth zu Schaden 
kommt. 
— Dürkheim. Der Vorstand der KRellerei— 
Berufsgenossenschaft hat festgesetzt, daß 
die Füllk osten beim Weinfüllen, selbst 
wenn dieselben ein Comissionär oder Frem der be— 
zahlt, vom Verkäufer als Lohnausgabe eing eschrieben 
und mit der Gepnossenschaft verrechnet werden 
müssen. Hierbei ist natürlich blos von Mitgliedern 
die Rede.' 
— Ein in Dürkheim vorgekom— 
mener Unglüdsfall zeigt auf's Neue, 
wie gefährlich es ist, kleine Kinder ohne Aufsicht 
im Zimmer einzusperren. Drei Kinder eines 
hiefigen Winzers waren in einem Zimmer allein 
und schürten das Feuer. Plötzlich fing das Bett 
an zu brennen. Vorübergehende Leute bemerkten 
den Rauch und drangen in die Wohnung ein. 
Hier fanden sie die drei Kleinen halb erstickt da⸗ 
liegen. Durch rasch herbeigeeilte ärztliche Hilfe 
wurden dieselben dem Leben wieder zurücgegeben. 
Das entstandene Feuer wurde nach der N. Z. im 
Entstehen gelöscht. Gar leicht hätte ein größeres 
Unglück entstehen können. Darum lasse man nie 
Kinder mit Kindern allein in einem Zimmer. 
— Ludwigshafen, 28. Febr. Die 
Schutzmannschaft hat gestern in sämmtlichen Bäcke- 
reien der Stadt die Backwaaren auf ihr Ge⸗ 
wicht kontrolirt, wobei sich herausstellte, daß das 
Brod einiger Bäcker zu leicht gebacken war. Die 
Bewichtsdifferenz eines 4pfündigen Laib Brod be— 
trug bei einem Bäcker im noͤrdlichen Stadttheil 
sogar bis zu 140 Gramm. (GG. A.) 
— An einem der letzten Abende entstand auf 
dem Hemshof beißudwigshafen eine Keilerei, 
in deren Verlauf der Arbeiter Adam Hoffmann 
von dem übel beleumundeten Jakob Hoffmann 
mittelst des Messers gehörig gezeichnet wurde. Die 
Ursache soll eine „scheppe Schnud“ gewesen sein, 
die zu machen der Adam Hoffmann sich erlaubte. 
Der Messerheld ist eingesponnen. 
— Kunstwein. Konrad Heinrich Ander⸗ 
sen, 42 Jahre alt, Weinhändler aus Ludwigs⸗ 
hafen, kaufte im Herbst 1886 in der Gegend 
bon Novéant bei Metz große Parthien Rothwein⸗ 
trauben, ließ dieselben in Novéant selbst zum ersten 
Mal leicht pressen und verkaufie den ersten Ablauf 
ain Schaumweinfabriken. Hierauf wurden die 
Trauben unter Zusatz von Wasser und gutem Frucht⸗ 
zucker zum zweiten Male gekeltert und der Saft 
zum Gähren gebracht. Dieses Produkt ließ Ander⸗ 
sen nach Ludwigshafen verbringen, verschnitt es 
nach Bedarf mehr oder weniger mit Südweinen 
und verkaufte es als Naturwein. Zum dritten Mal 
vurden die Trester mit Wasser und Zucker der 
gährung ausgesetzt und dann gepreßt, wie dies in 
zrankreich und auch in den angrenzenden deutschen 
Weinbezirken üblich sei. Diese sogen. „petiotisirt n“ 
Weine wurden durch Andersen direkt von Nobbant 
ind als „Kunstwein“ verkauft. Das „Petiotisiren“ 
st aber nach dem Nahrungsmittelgesetz verboten, 
nuch hat das Reichsgericht deßwegen schon wieder- 
jolt verurtheilende Erkenntnisse gefäallt. Constatirt 
st, daß die in oben angegebener Weise hergestellten 
„Weine“ als leichte französische Rothweine gern 
uind ohne irgend welche nachtheilige Folgen getrun- 
en wurden. Andersen hatte sich wegen seiner 
hdandlungen vor der Strafkammer in Frankenthal 
u verantworten. Das Gericht verurtheilte ihn 
vegen Nachmachens von Wein zu 200 Mark und 
vegen Verkaufs des Produkts zu 100 Mk. Geld⸗ 
uße und zu den Kosten. 
— Kirchheimbolanden. Ein Alt der 
Menschenliebe. Herr Rentner Emil Wolff, k. Rent⸗ 
jeamte dahier, hat eine Schenkung von 15,000 
M. gemacht, welches Kapital unter dem Namen 
„Theodor Wolff⸗Stiftung“ (zum Andenken an seinen 
yerstorbenen einzigen Sohn) in Staatspapieren an⸗ 
gelegt ist und dessen Zinsen der hiesigen Diakonissen⸗ 
Unstalt zufließen sollen, so daß deren Bestand für 
ille Zeiten gesichert sein dürfte. Wie wir ferner 
hernehmen, hat Herr Wolff dem Kriegerverein, dem 
Otilitärverein, sowie dem Kriegerverein Gauersheim 
je 150 Mk. zum Geschenk gemacht. (K. A.) 
— Dem Vernehmen nach war in den alt⸗ 
datholisschen Kirchen⸗Gemeinden der Pfalz 
ꝛine Kundgebung anläßlich des 90. Geburtstages 
Dr. v. Döllinaers geplant. 
Vermischtes. 
FDie Preise des Rheinisch-Westfälischen Roh— 
eisenVerbandes haben neuerdings eine Er— 
höhung von 1-2 Marl erfahren. 
tNeunkirchen, 28. Febr. Die heutige 
Notiz über das Resultat der auf gestern anberaum⸗ 
en Versteigerung der Dampfziegelei der Firma 
Thristian Kümmel dahier beruht auf Irrtum. Die 
ragliche Anlage ging für die geringe Summe von 
10 000 Mt. nicht an Bauunternehmer Herrn Hoff- 
nann über und werden vielmehr die bisherigen 
FEigenthümer ihre Fabrik weiter betreiben. 
(S.⸗ u. Bl.⸗Z.) 
F Den Bemühungen des Mühlenbesiters, 
derrn Hettrich, zu Fechingen ist es aufs 
ieue gelungen, einer Fischotter habhaft zu 
verden. Dieses Exemplar hat eine Länge von 
„I0 Meter und ein Gewicht von 20 Pfund. Es 
st dies schon das sechste Tier, das innerhall zweier 
Fahre gefangen wurde; kein Wunder, daß der 
ziesige, sonst so fischreiche Bach, jetzt einen so ge⸗ 
ingen Bestand der so sehr geschätzten Forellen 
ufzuweisen hat. Von Seiten des rheinischen 
Fischereivereins wird die Thätigkeit des genannten 
Herrn in dankenswerter Weise gewürdigt. Außer 
er festgesetzten Prämie wurde demselben als Be— 
ohnung eine Falle übersandt, welche denn auch 
chon ihren Zweck erfüllt hat. (S. 3.) 
F Burbach. Die Verwaltung der Kranken- 
asse des Burbacher-Eisenhüttenwerkes läßt in diesem 
Jahre an der Lebacher Straße sechs Häuser, jedes 
Zaus für zwei Arbeiterwohnungen eingerichtet, bauen. 
Arbeiterfamilien koönnen bei Abschlagszahiungen und 
Jegen einen mäßigen Zinsfuß ein soiches Haus 
von der genannten Verwaltung erwerben. 
fEin Frankfurter Reger. Ein Frank⸗ 
urter Bankgeschäft hatte zwei Tage lang einen 
chwarzen Lehrling, welcher als Weißer hier geboren 
st. Dies kam so: Auf einem der letzten Mas— 
enbälle vergnügte sich der Betreffende als King 
Besl“, und um seine Maskierung recht wirksam er— 
cheinen zu lassen, hatte er sich Gesicht und Hände, 
evor er solche färbte, mit einer Kleefubstanz über⸗ 
ogen, welche die Farbe gut aufnehmen und fest ⸗ 
jalten sollte. Die Wirkung war in der That über— 
aschend, denn als der junge Mann sich nach dem 
Balle waschen wollte, ging die Farbe nicht mehr 
ib. Das Geschäft konnie er nicht versäumen, und 
'o mußte der imitierte „King Bell“ zwei Tage 
ang ins Bureau fahren, woselbst sein interessantes 
Aeußere natürlich große Heiterkeit verursachte. Mon— 
ag endlich ist die schwarze Farbe verschwunden 
ind „King Bell“ hat wieder sein Alltagsgesicht. 
F Wacht am Rhein. Ein Frankfurter Bankier 
vurde in dem großen Kriegsjahre 1870 sehr häufig 
urch Schaaren begeisterter Vaterlandsfreunde ge- 
tört, die zu später Nachtstunde durch die Straßen 
zogen und mit Donnerstimmen die „Wacht * 
Rhein“ sangen. Endlich, als wieder einmal lan 
nach Mitternacht die Klänge dieser Natibnalhi 
mn sein Ohr schlugen, sprang er empor, riß da 
Fensier auf und rief zornig: „Soll ich leben 
Was ist das fir e färchterliches Gehrill! Wach 
am Rhein und schloft in Frankfurt. 
f Eine Mil lionen Erbschaftist dieserTage 
hei der Königlichen Regierung in Erfurt, abge 
zJoben worden. Seit vielen Jahren war die seh 
jedeutende Hinterlassenschaft des in der Umgegend 
msassig gewesenen Amtmanns Keute in der Schwebe 
veil das Testament von den Erben angefochlen 
var. Jetzt ist der Prozeß entschieden und dat 
Vermögen einem 68jährigen, in München wohn—. 
zaften Herrn, Namens Keute, ausgehändigt 
worden. 
München, 25. Febr. Prinz Alfons, 
vurde gestern Rachmitsh bei einer Fahrt zur Stad 
nit dem Wagen umgeworfen und am linken Ellen⸗ 
ogen leicht contusioniert. 
fMünchen, 27. Febr. Der Landtagsab⸗ 
Jjeordnete Geiger hat seinen 20jährigen Sohn 
iuf schreckliche Weise verloren. Der junge Mensch 
par Baupraktikant und als solcher im Hofbräuhaus 
beschäftigt. Als er am Aufzuge einem im Keller 
hefindlichen Arbeiter etwas zurief, wurde er von 
dem gerade niedergehenden Fahrstuhl rücklings er⸗ 
faßt und in die Tiefe geschleudert. Er war so— 
rort tot. 
F München, 28. Febr. Heute, an Dr 
Ddöllingers 90. Geburtstag liefen auß 
dem In⸗ und Auslande unzählige Glückwunsch 
chreiben und Telegramme ein. Prinzregent Luit- 
zold glückwünschte mit Uebersendung eines pracht⸗ 
vollen Blumenstcaußes. Minister Dr. Frhr. v. Luß 
owie Abordnungen verschiedener wissenschaftlicher 
Zörperschaften erschienen personlich. Der deutsche 
Hesandte Graf Arco⸗Valley in Washington und 
Brinz Wilhelm von Baden telegraphirten dem Dr 
döllinger. Im Namen des Gemeindecollegs der 
Stadt München gratulirte eine Abordnung, deren 
Führer, der zweite Vorstand, Commercienrat Hänle. 
dem Jubilar als einen der großen Geistesfürster 
des 19. Jahrhunderts feierte, dessen Name allezei 
nit Münchens geistiger Entwicklung segensreich 
jerbunden sei. Dr. Döllinger dankte gerührt; er 
jabe viel Freudiges erlebt, doch auch manche stür⸗ 
nische Zeit; sein hohes Alter, in welchem er noch 
chriftstellerisch thätig sein könne, betrachte er alb 
eine Gabe Gottes. 
Ländlichsittlich. In der kleinen 
Stadt G. im Oldenburgischen; pflegte in den frü— 
Jeren Jahren gelegentlich deeabne über 
die städtischen Brunnen imd Wasserläufe ein sog. 
Püttbiec stattzufinden, d. h. ein größeres Trinkge— 
lage, bei welchem sich die Gemeindebeamten und 
angesehenen Bürger für die Mühe der Verwaltung 
im ausgiebigsten Maße zu entschädigen suchten. Als 
einst nach einem solchen Püttbier der Herr Bürger⸗ 
neister auf dem Rückwege nach Hause begriffen 
var, zur größeren Sicherheit von seinem Hausknecht⸗ 
„Krischahn“ geleitet, den die sorgsame Ehehälft 
hm entgegen gesandt hatte, stießen Beide in der 
Dämmerung des Morgens auf einen dunklen Gegen⸗ 
tand, in welchem fie alsbald den Herrn — Stadt⸗ 
chreiber erkannten, welcher fast besinnungslos ir 
der Straßenrinne keuerte. Krischahn“, rief das 
ib solchen Aergernisses empörte Siadthaupt seinen 
dausknechte zu, der mit der Handlaterne die selt 
ame Szene beleuchtete, „Krischahn, nu stell mi an 
»e Wand und denn bring mal irst dat besapene 
Swien to Hus!“ (Christian, nun stell' mich an 
die Wand uͤnd dann bring 'mal erst das besoffen⸗ 
Schwein zu (nach) Hauseh 
F Ein wehmüthige Ueberraschunz 
wurde in diesen Tagen einem Einwohner in Marb 
lissa zu Theil. Auf dem Schiachifelde von Woͤrth 
ist neuerdings wegen Hochwassergefahr ein Krieger⸗ 
zrab geleert worden. In demseiben fand man die 
Gebeine von vier Kriegern. Die Uniformstücke waren 
in erkennbarer Form nicht mehr vorhanden, dagegen 
rand man ein Portemonngie mit einem Thalerstücke. 
6 Zehn⸗ und 3 Fünf-Silbergroschenstücken, einem 
Dreie⸗ und einem Zweipfennigstück sowie ein Pet— 
schaft mit dem Mullerwappen“ und dem Namen A. 
Becert. Den Bemuhungen der Cibil und Mili 
ärbehörden gelang es, festzustellen, daß die Fund⸗ 
achen dem in der 10. Kompagnie des 2. Nieder⸗ 
chlesischen Infanterie:Regiments Nr. 47 dienenden 
I. Beckert, welcher in der Schlacht bei Wöcth ge 
allen war, angehörten. Dieselben wurden durch