Full text: St. Ingberter Anzeiger

— Ebernburg. Die Erweiterungsarbeiten 
am Denkmalplat auf der Ebernburg haben 
einen raschen Fortgang genommen und find bei⸗ 
nahe vollendet Man ilt jetzt eiftig damit beschaftigt. 
die Umfassungsmauer zu erhöhen, das Gelander 
wieder anzubringen und den ganzen Platz um ka 
m hoͤher als früher anzulegen. Ende dieses Monats 
verden die zum Sockel des Denkmals noöthigen 
Steine aus dem Fichtelgebirge hier eintreffen. an- 
jangs Mai wird mit dem Aufbau desselben begonnen 
werden. 
Vermischtes. 
F Neunkirchen, 16. April. Der verdienft⸗ 
holle Dirigent der Grubenkapelle Konig-Wellesweiler, 
herr Schlemmer, hat det „S.⸗ u. Bl.⸗Ztg.“ zu 
solge fich gendthigt gesehen, wegen seines andauern⸗ 
den Leidens (Brufttrebs), fich mit Anfang dieses 
Monats in den Ruhestand zurückzuziehen. Faft 80 
Jahre hat derselbe die Stelle eines Grubenmusik⸗ 
meisters bekleidet, zuerst in Altenwald und dann 
hier. Während dieser langen Wirkungszeit hat es 
hm an Erfolgen nicht gefehlt, er hat fich das Ver⸗ 
dienst erworben, den Sinn für Musik im Publitum 
mögiichst gefördert und demselben durch seine be⸗ 
lieblen Concerte, die er so schneidig dirigirte, manche 
angenehme und heitere Stunde bereitet zu haben. 
Zu gedenken ist dabei auch seiner steten Bereitwil- 
— 
thätige Zwecke einzutreten, und dadurch zur Linder⸗ 
ung des Unglücks und der Noth beizutragen. Mit 
dem heutigen Tage übernimmt sein Sohn, Herr 
Zarl Schlemmer, bisher ein geschätztes Mitglied der 
dapelle des 69. Infanterie Regiments in Trier, 
weicher den dortigen Kapellmeister schon oft ver— 
reten hat, die hiesige Stelle. Dessen guter Ruf 
als Musiker berechtigt uns zu der Hoffnung, daß 
ex, wie sein Vater, sich dem Gedeihen der Kapelle 
mit Hingebung widmen, und daß dieselbe auch fer- 
ner durch hervorragende musikalische Leistungen all⸗ 
gemein erfreuen wird. 
F Saarbrücken, 16. April. Das große 
schöne Haus Ecke der Louisen- und Eisenbahnstcaße, 
in welchem sich das Restaurant „Vab aria“ be⸗ 
findet, und bisher Eigenthum des Herrn Zimmer⸗ 
neister Ferd. Gussefeld, ist von der Bayerischen 
Brauerei-Gesellschaft in Kaiserslautern 
für die Summe von 100,000 Mark gekauft wor- 
den. (S. J.“S. A.) 
FMalstatt-Burbach, 16. April. Bei 
dem Gasiwirth Adolf Niedner (Cafe Gut Heil) 
liegt, vom Hrn. Bürgermeister a. D. Sprenger 
aus Gersweiler angeregt, eine Liste zum Einzeichnen 
freiwilliger Beiträge, zwecks Erbauung einer Saar⸗ 
brüche zwischen Gersweiler und Burbach offen. Es 
sind bereits von vielen Interessenten ansehnliche 
Beträge gezeichnet, deren Zeichner sich verpflichten, 
dieselben innerhalb zwei Jahren zu entrichten. Es 
wird auch beabdsichtigt, die Brücke mit einem würdigen 
Standbild Sr. hochseligen Majestät Kaiser Fried⸗ 
richs zu schmücken. Gedachte Saarbrücke wäre für 
das geschäftliche Leben Burbachs ganz besonders 
don hochwichtiger Bedeutung, die Ortschaften jen⸗ 
seits der Saar wüurden sicher zum größten Theil 
den ihnen zunächst und bequemst liegenden Ort 
für ihre geschäftlichen Bedürfnisse aufsuchen, und 
dec wäre Burbach; heute ist derselbe Saarbrücken. 
Ferner wohnen drüben viele Arbeiter, welche, um 
hier ihr Brod zu erwerben, bei Hochwasser nur 
schwer oder durch Umwege zum Arbeits-Platz ge⸗ 
langen können. Gersweiler wäre seiner Weiter ⸗ 
Entwickelung erschlossen, da demselben Eisenbahn 
und Post gelegener und näher rückten. 
Der achte Kongreß für innere Me⸗ 
diz in wurde am Montag unter dem Vorsitz des 
Professors von Liebermeister (Tubingen) im weißen 
Saale des Kurhauses zu Wiesbaden eröffnet. 
Alle deutschen Universitäten, sowie viele in Oester⸗ 
reich, der Schweiz, Rußland, Frankreich, England 
und Schweden sind durch bedeutende Kliniker und 
eminente Praktiker vertreten. Einunddreißig Vor— 
träge und Demonstrationen, fast alle Gebiete der 
inneren Medizin umfassend, stehen auf der Tages⸗ 
ordnung des Kongresses. 
Wurzburg, 15. April. Ein Buttnergeselle 
in dem benachbarten Heidingsfeld gerieth mit sein em 
Stiefvater in Worwechsel und warf demselben 
einen Backstein an den Kopf. Der Stiefvater erlitt 
—XD 
aach zwei Tagen dessen Tod eintrat. Der Thäter 
wurde verhaftet. 
Ein Zeitbild. Im „Schwäb. Merkur“ 
hatte ein Reutlinger Geschäft die Stelle eines, Zu⸗ 
schneiders mit 1200 Mk. und diejenige eines Kommis“ 
nit 800 Mt. Gehalt ausgeschrieben; es meldeten 
sich 45 Kaufleute und — 1 Schneider! 
Unruben beim Bahnbau. Von der 
hadisch ⸗schweizerischen Grenze wird der 3. 3.“ 
geschrieben: Die Polizei- und Zollbeamten in den 
jadischen Grenzdörfern, durch welche die strategische 
Bahn gebaut wird, haben um der hier zusammen⸗ 
jestroͤmten Arbeiterhaufen willen einen harten, zu⸗ 
veilen auch recht gefährlichen Dienst. So drangen 
am Sonntag auf der Wutachbrücke in Grimmels- 
dofen wohl an die siebenzig italienische Arbeiter 
zuf die dort stationierten deiden Gendarmen ein. 
dieselben, um sich ihrer zu erwehren, mußten die 
Seitengewehre ziehen und haben sich ihrer bedient, 
is sie don Bluͤt trieften. Einer der Gerdarmen 
rhielt einen Säbelstich in den Kopf. Vier der 
jauptsächlichsten. Uebelthäter wurden am Montag 
jach Bonndorf transportiert. Am gleichen Abend 
rach neun Uhr, als ein im Walde gegen die 
Schweizer Grenze Posten stehender Grenzwächter 
einen vorübergehenden Italiener anhalten wollte, 
Jab derselbe zwei Revolverschüsse ab, die der 
Zrenzwächter seinerseits auch mit einem Schuß 
eantwortete. Verwundet wurde keiner von beiden, 
dagegen konnte der Italiener entfliehen. Solche und 
ihnliche Vorfälle kommen häufig vor, noch häufiger 
iber geschieht es, daß diese Horden sich unter ein⸗ 
ander bis aufs Blut prügeln, hie und da auch 
mit Messer und Revolvern traktieren. 
F Berlin. (leber das Jag dunglüc 
hei Wilmersdorf), welchim, wie schon mit 
getheilt, der 533 Jahre alte, seit 1888 in Augs- 
burg lebende preußische Generalmajor a. D. Ar— 
hur von Kretschmar zum Opfer gefallen ist, fehlen 
noch immer nähere Details. Kretschmar hielt sich 
eit ungefahr 14 Tagen bei seinem Neffen, dem 
Brafen von Schwerin, in Wilmersdorf auf und 
unternahm mit einer kleinen Gesellschaft einen 
Jagdausflun, der ihm das Leben kosten sollte. Nach 
der einen Angabe ist er durch Selbstentladung 
seines Gewehres verunglückt, nach der anderen soll 
er in einen Truͤmpel gerathen sein, in welchem er 
versank. Bei der stets heiteren Gemüthsart des 
Verstorbenen scheint ein Selbstmord absolut aus—⸗ 
gJeschlossen. Kretschmar, eine imponirende Erscheinung, 
war wegen seiner feinen Umgangsformen und 
seines gründlichen Wissens allgemein geachtet und 
beliebt. 
4 Berlin, 10. April. Nirgends enisteht ein 
Menschenauflauf leichter als in einer Welt⸗ 
tadt. So hatten sich heute Tausende von Menschen 
auf beiden Seiten der Leipziger Straße hier auf⸗ 
gestellt und blieben wie festgebannt wohl eine 
Stunde lang stehen. Am Spittelmarkt war die 
Mennschenansammlung am größten; es kostete 
Muühe, hier durchzukommen. Wenn man jemanden 
ragte: „was hier los sei“, erhielt man die Ant; 
vort: „Ein Schnelläufer kommt“. Es hatte sich 
das Gerücht verbreitet, daß ein Läufer, von Pots- 
—X 
intreffen werde. Aber es wurde 7 Uhr, 8 Uhr. 
ind niemand kam. Einige Berliner Jungen ‚uzten“ 
die neugierige Menge nach Kräften; einer hielt 
ine Uhr in der Hand, ging die ganze Reihe der 
Wartenden entlang und rief beständig mit wichtiger 
Miene: „Eine Minute noch, dann kommt er“. 
Erst allmählich verlief sich das genarrte Publi— 
tum, das das Opfer eines „Witzboldes“ geworden 
var. 
F Berlin, 15. April. Die „Kreuzzeitung“ 
»ementiert die Meldung von der angeblichen Er⸗ 
rankung des oldenburgischen erbgroß- 
jerzoglichen Paares, sowie des Grafen und 
»er Gräfin Fritz von Hohenau auf der Reise von 
Bombay nach Calcutta. Alle erfreuen fich im 
Begenteil des besten Wohlseins und treten am 25 
d. M. von Colombo aus die Heimreise an. 
F Ueber Musikunterricht an junge 
MNadchen enthält der Jahresbericht der kgl. Elisa⸗ 
eth⸗Schule (Berlin) folgende beachtenswerthe Aus- 
ührung: Bei einer großen Zahl der Klavierspie— 
erinnen lassen die häuslichen Arbeiten viel zu 
vünschen übrig; die Haltung dieser Mädchen isi 
natt oder aufgeregt. Einige leiden an nervöser 
Unruhe, Andere klagen über häufigen Kopfschmerz 
der Schlaflosigkeit. Mit dem Alter der Schüler⸗ 
nnen nehmen diese Erscheinungen zu und es dars 
hvehauptet werden, deß an der Schwächlichkeit und 
Her Nervosität vieler Mädchen die häuslichen Musik— 
ibungen mehr Schuld tragen als die oft getadelte 
S„chule. Vor dem zwölften Jahre sollte der Klavier⸗ 
unterricht nicht beginnen, pflegen sollten die Musit 
nur ganz gesunde, musikalisch gut begabte Mädchen 
n denen zu erwarten ist, daß ihr Spiel einst den 
Miümenschen Freude bereiten wird. Von hunder 
tlavierspielenden Mödchen gelangten aber neunzig 
nach jahrelanger Mühe nur zu einer automaten. 
hafien Fertigkeit, die mit der Uebung einer Kuns 
icht nur keine Verwandtschaft hat, sondern der 
Fahigkeit schlichter, reiner musikalischer Empfindung 
geradezu verderblich ist. Es ist weder nöthig, noqh 
dünschenswerth, daß wir viele mittelmäßige Klabier— 
pielerinnen haben, aber es ist nothig, daß unsert 
Mädchen körperlich und geistig gesund und frisch 
bleiben.“ 
F Ertrazügenach Berlin. Wie jeß 
schon bekannt geworden ist, wird der erste dies— 
jahrige Extrazug von Straßburg nach Berlin über 
Worins⸗Mainz⸗Frankfurt Mittwoch vor Pfingsten 
— also am 5. Juni — befoͤrdert. 
p'Ein Ostergruß aus dem Munde gestrenger 
Obrigkeit im Jahre 1546, der unsere Lser ber⸗ 
wunderlich anmuthen wird! Ausgangs März det 
genannten Jahres, am Sonntag Invocavit, erließ 
der Herzog von Sachsen, Johann Friedrich, eine 
Lands Ordnung: Von übermässiger Kleidung, Ge⸗ 
schmuck und beköstigung der Hochzeiten, Kindtauffen 
und anderer Gastereyen halben,“ darin heißt es 
unter dem Abschnitt, Was einem jeden Stand auff's 
höchst zu tragen erlaubt sein sollen: „Der eiste 
Stand soll auff's hoöͤchst einen schamlot, und einen 
purpuranischen Rock haben ... Der andere Stand, 
mag auff's höchst einen Lundischen und einen Mech- 
lin'schen Rock haben ... Der dritte Stand sol 
kein ander Tuch oder Gewand zu Röcken, Hosen 
Wammes, oder anderen Kleidungen tragen, denn 
das in unsern und unsers Vettern und Brudern 
Landen gemacht wird.“ 
Lübeck, 15. April. Der Dampfer „Wil- 
helm Tell', Kapitän Kunckelmann, mit Spritfässern 
vbon Lübeck nach Windau, ist bei Bornhoim ge⸗ 
strandet. Der Spitzer'sche Bergungsdampfer ist an 
die Strandungsstelle abgegangen. 
F Zigeuner in der Schule. In Dieders 
dorf (Kr. Lebus) fand jüngst der Lehrer, alf 
er in seine Schule kam, in derselben zu seinem 
Erstaunen drei Zigeunerkinder, welche darum baten, 
am Unterrichte theilnehmen zu dürfen. Aus ihren 
Papieren ging hervor, daß die Kinder, wohin sie 
auch mit ihren umherziehenden Eltern gekommen 
sein mochten, überall fast regelmäßig die Schule 
besucht hatten. Selbst aus den größten Städten 
lagen Bescheinigungen vor. Es war exrfreulich, zu 
bemerken, wie namentlich der ältere Knabe beim 
Beginn des Unterrichts mitsang und mitbetete. Dit 
Bücher dieser seltenen Schulgaste, sowie ihre Bücher⸗ 
mappen waren im saubersten Zustande. 
F Kossuth, der berühmte ungarische Patriot 
soll Wiener Meldungen zufolge in Turin im Sterben 
liegen. 
Graz, 15. April. Heute Nachmittag ist 
mit dem Eilzuge von Triest der ehemalige Fürß 
von Bulgarien, Prinz Alexander von Batienberg, 
mit seiner Gattin unter dem Namen Graf und 
Gräfin v. Hartenau in Graz angekommen und hat 
fich, ohne früher angemeldet worden zu sein, ins 
Hotel „Erzherzog Johann“ begeben, wo das inte— 
ressante Paar drei Zimmer im ersten Stocwerk 
auf einige Tage aufnahm. Prinz Alexander und 
dessen Gemahlin zogen sofort die Blicke der Be⸗ 
gegnenden auf sich: der Prinz durch seine hohe 
Gestalt, den edlen Gesichtsausdruck und den schönen 
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ganz ihrer einfachen Toilette und die ganze Liebens⸗ 
würdigkeit ihrer Erscheinung. Wie der „Grazer 
Zeitung“ mitgeteilt wird, beabsichtigt Prinz Ale— 
rander, in Graz eine Villa zu kaufen und sich dorl 
niederzulassen. Der Prinz ist ohne Dienerschaft, 
aber mit sehr viel Gepäck eingetroffen. 
F Paris, 14. April. Aus Limoges wird 
von einem furchtbaren Verbrechen gemeldet, welchet 
eine dortige Lumpensammlerin im tiefsten Elend 
begangen hat. Seit dem November war ihr Manp 
ohne Arbeit und lebten die Leute mit ihren fün 
kleinen Kindern nur von den Brodrinden, die si 
in den Kehrichthaufen auflasen. In der Verzweif— 
lung stahl der Vater Bleiröhren und suchte sie zu 
verlaufen. Letzten Montag wurde er dafür zu 48 
stündiger Haft verurtheilt; aber die Frou schien zu 
zlauben, daß diese sich ausdehnen wurde, und ent— 
schloß sich bis zum Aeußersten. Sie verlaufte eim 
Ziege und schaffte dafur saubere Kleider füͤr die 
Finder an, bödtete und briet ihre Henne, setzte si