Full text: St. Ingberter Anzeiger

wvünscht haben, als dieser sich selbst beim zweiten 
Vorbeimarsch an die Spitze der Infanterie setzte, 
dieses waffenstarrenden und glünzenden Blockes, 
dessen wie von einer Maschine geregelter Gleichtritt 
döhnte, daß fast der Boden erzitterte — eine ge⸗ 
waltige prachtige Formation, aber nunmedr abge⸗ 
schafft und veraltet und nur noch dei Parade ge— 
bräuchlich. Die Infanterie begleitete der Radetzky⸗ 
marsch, dielleicht, wie ein Zuschauer bemerkte, zu 
Ehren des dritten, abwesenden Gliedes des Drei— 
h»undes. Alles in allem, es war eine überraschende, 
wohlgelungene militärische Schauftellung und wohl 
geeignet, dem Koͤnig Humbert von Italien den 
Werth des Bündnisses mit Deutschland zu veran⸗ 
schaulichen; mit Deutschland, dessen Vertheidigungs- 
kraft auf 19 Armeekorps beruht, alle gleichmäßig 
ausgebildet, in gleich straffer Zucht und Kraft ge⸗ 
jalten wie der glänzende Truppenkörper, welcher 
jeute vor seinem Herrn und Führer aller dieser 
Legionen und vor dessen königlichen Gästen vor⸗ 
heizog.“ 
Brüssel, 23. Mai. Die belgische Regierung 
hat der Stadt Brüssel das Anerbieten gemacht, 
mit ihr gemeinsam maritime Anlagen für 
die Hauptstadt zu schaffen. Die Stadt ist darauf 
eingegangen. Die Kosten betragen 22 Millionen 
Franks, wovon füͤr die Tieferlegung des Kanals 
auf 5,25 Meter 15 Millionen Franks zu ver⸗ 
wenden find. 
Bruüssel, 23. Mai. Die belgische Streik⸗ 
bewegung gewinnt eine immer bedrohlichere Aus⸗ 
dehnung. Die Steinbrüche in Quenast, welche 
über 2000 Arbeiter beschäftigen, mußten heute ge⸗ 
chlossen werden. 
Prag, 23. Mai. Der Betrieb des Kladnoer 
Walzwerkes ist wegen des infolge der Streik⸗ 
dewegung eingetretenen Kohlenmangels einge⸗ 
tellt. Die Bergarbeiter verlangen eine achtstündige 
Schichtdauer. Auf den Schachten der Staatsbahn 
und Buschtiehrader Bahn wurde die Arbeit nicht 
niedergelegt. 
Petersburg, 28. Mai. Der Schah von 
Persien traf heute Nachmittag 2 Uhr hier ein 
und wurde am Bahnhofe vom Kaiser, dem Thron⸗ 
folger und den übrigen Großfürsten und einer 
Ehrenkompagnie empfangen. 
Petersburg, 24. Mai. Die Kaiserin und 
die Großfürstinnen empfingen den Schal, von Per⸗ 
fien in der Eremitage des Winterpalastes. Nach- 
dem der Schah den Mitgliedern des kaiserlichen 
Hauses Besuche abgestattet hatte, fand im Winter- 
dalaste ein Prunkmahl statt. Als Kaiser Alexander 
das Wohl des Schahs ausbrachte, wurden von der 
Peter⸗ und Pauisfestung 21 Kanonenschüsse abge⸗ 
zeben. Der Schah brachte einen Trinkspruch auf 
die Kaiserin aus. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 25. Mai. Sicherem 
Vernehmen nach wird kommenden Mittwoch 
den 29. 1. Ms. abends 8 Uhr, bei Gelegenheit der 
Anwesenheit des Herrn kgl. Consistorialrates Risch im 
Saale des Cafe Beder eine öffentliche 
Versammlung abgehalten werden zur An—⸗ 
bahnung von Sammlungen für die in 
Speyer zu erbauende Gedächtniß-— 
kürche. Auch der geschäftsführende Secretär des 
Vereins, Hetrt Gymnasialprof. Gümbel 
don Spehyer wird der Versammlung anwohnen und 
iüber den Stand der Sache berichten. 
*St. Ingbert, 25. Mai. Ein seltenes 
Fest begeht heute hHer Stadtschreiber Bayer 
dahier. Es sind nämlich heute 25 Jahre, seitdem 
er sein Amt hier angetreten hat. Zur Feier des 
Jubiläums brachte gestern Abend der Saͤngerchor 
der „Gemüthlichkeit“ dem Hrn. Jubilar, welcher 
ihr Ehrenpräsident ist, ein Ständchen. Hr. Herm. 
Fischer richtete namens der Gesellschaft eine An— 
jprache an den Gefeierten, worin er der Freude 
Aber dieses Jubiläum Ausdruck gab und denselben 
unter Ueberreichung eines Bouquets herzlich beglück⸗ 
wünschte. Hr. Bahyer dankte hierfür in bewegten 
Worten. 
*Gestern Mittag zog über unsere Gemarkung 
ein schweres Gewitter mit Regen und Hagelschauer, 
welches zum Glück nicht lange anhielt. Schaden 
hat dasselbe, soviel wir wissen, nicht verursacht. 
Dieselbe Erscheinung wird aus verschiedenen Orten 
der Pfalz gemeldet. Der Hagel soll strichweise, 
besonders bei Kaiserslautern Verwüstungen ange— 
richtet haben. 
* Wir möchten den Besuch der in der Brauerei 
Becker ausgestellten Straßburger Manster⸗-Uhr 
— 
nochmals empfehlen. Die in der bereits mitgeteilten 
krklärung der einzelnen Theile besagten Vorgänge, 
ils Vorübergang der Apostel, Wenden des Stun⸗ 
denglases etc. können durch den Mechanismus des 
hrwerkes willkürlich dargestellt werden. Man kann 
zeshalb die Uhr zu jeder Zeit in vollem Gange 
ehen. Der Verfertiger, welcher, wohlgemerkt, kein 
Uhrmacher sondern ein einfacher Landmann ist, 
ꝛat zur Herstellung derselben, und zwar ohne 
remde Beihilfe, 8 Jahre gebraucht. 
* An die Stelle der „Posttransport⸗Ordnung 
lür das Königreich Bahern vom 1. Januar 1876 
rat, wie bereits mitgeiheilt, am 1. Mai l. J. eine 
reue Postordnung, deren Textausgabe zum 
Preise von 50 Pfg. vom Publikum durch die Post⸗ 
instalten bezogen werden kann. 
*— Der sonnennächste aller Planeten, der so 
elten Gelegenheit zu langerer Beobachtung bietet, 
»er Merkur, ist während dieser Woche dem freien 
Uuge besonders deutlich fichtbar. Man findet ihn 
eine Stunde nach Sonnenuntergang am nordwest⸗ 
ichen Horizonte unterhalb dem „Stier“, von 
velchem er sich durch sein weißes Licht unterscheidet 
Der scheinbare Lauf des „Merkur“ gleicht der 
Form nach genau demjenigen der „Venus“; wie 
iese am Abendhimmel auf eine gewisse Entfernung 
der Sonne ausweicht, dann wieder in ihre Strahlen 
inkt, um am Morgenhimmel den gleichen Hin⸗ 
ind Hergang zu vollbringen, so auch „Merkur“. 
Der Unteeschied ist nur, daß die „Venus“ 48 
ßrad, „Merkur“ dagegen nur 28 Grad der 
Sonne ausweicht. Im Fernrohre zeigt jetzt „Mer⸗ 
ur“ dieselbe Phase, die der Halbmond zeigt, nur 
nicht so scharf abgegrenzt, was zur Annahme von 
jewaltigen, sechs bis acht Meilen hohen Berges⸗ 
ügen Anlaß gab. „Merkur“ ist der kleinste aller 
ichtbaren Planeten; er hat im Durchmesser 4800 
dilometer. Zwanzig Merkur“⸗Kugeln find erst so 
zroß, wie die Erdkugel; seine Geschwindigkeit ist 
echs Meilen in der Sekunde. In 88 Tagen voll- 
rringt er seinen Lauf um die Sonne; seine 
FJahreszeiten wechseln von zwanzig bis zwanzig 
Tagen. Der Wechsel der Dinge muß auf dieser 
Welt ein ungeheurer sein. 
— Zweibrücken, 24. Mai. Die Aktien⸗ 
jesellschaft Parkbrauereien Zweibrücken-Pirma⸗ 
ens hat die Buchheit'sche Brauerei in Zwei— 
rücken, die in den letzten Jahren regelmäßig ca. 
6,000 hl Bier verkaufte, für den Preis von 
65,000 Mk. erworben. Der Kaufpreis, sowie 
as nötige Betriebbkapital von 100,000 M. wer- 
)en durch hypothekarische Eintragung und durch 
leberlassung von 150,000 Mk. Altien en den 
Horbesitzer aufgebracht. (3w. 3.) 
— Hornbach, 23. Mai. Vor einigen Tagen 
vurde in die gut verschlossene Fleischkammer eines 
siesigen Bierbrauers eingebrochen und ein Schinken 
i. s. w. entwendet. Auf erfolgte Anzeige wurden 
jeute früh zwei arbeitsscheue Burschen von hier, 
velche noch weitere Diebstähle begangen haben, 
verhaftet und geschlossen nach Zweibrücken irans— 
ortirt. — In dem nahen Grenzdorfe Ormersweiler 
Lothringen) wurden drei Personen wegen Kinds⸗ 
nord-Verdacht verhaftet und nach Rohrbach in 
Untersuchungshaft abgeführt. 
— Kaiserslautern, 283. Mai. Die 
Arbeiten zum Ausbau des Schlachthofes (Kühlhaus 
ind Verwaltungsgebäude) haben begonnen und 
verden die Kosten auf 70,000 bis 80.000 M. zu 
tehen kommen. 
— Kaiserslautern, 23. Mai. Nach 
einer Mittheilung sollen die Quellen, welche bei 
den Erdarbeiten in der Nähe der Papiermühle —B 
zefunden wurden, so mächtig sein, daß der Bedarf 
der Stadt auf Jahre hinaus gedectt werden könnte. 
ẽEs sollen 68 Sekundenliter abfließen. Wenn diese 
Ungabe richtig ist, so besitzt die Stadt zusammen 
nit den Lauterspringquellen einen Wasserreichthum 
der geradezu unecschöpflich genannt werden muß. 
(Pf. Pr.) 
— Waldfischbach. Die Gemeinde Geiselberg 
jat um Lostrennung vom Vürgermeistereiberbande 
nit Heltersberg und um Errichtung eines eignen 
Bürgermeisteramtes in Geiselberg nachgesucht. Bie 
der Zustimmung der Gemeinde Heltersberg wird 
»er projeltirten Einrichtung weiter nichts im Wege 
ein. 
— Pirmasens, 24. Mai. Herr Gypser⸗ 
neister Unfricht verkaufte sein Wohnhaus in 
er Schützenstraße um 13400 Mk. an Herrn Peter 
kengert, Schuster. 
— Landau, 24. Mai. Der Wirth des 
Englischen Gartenz“, Here Kümmerer, beabsi bn 
im Verlaufe dieses Sommers an schönen Abenden 
in den geräumigen Gartenanlagen Konzerte abzu. 
halten, die gänzlich entröefrei sein werden und wo⸗ 
ür nur ein relativ geringer Aufschlag des Biere⸗ 
oxo Schoppen 8 Pfg. eintreten soll. Die Komeg. 
verden von einer 18 Mann starken Abtheilung der 
stegimentskapelle unseres 18. Inf.Rgts. ausgesuhr 
verden und soll das erste dieser Konzerte, wie das 
Tabl.“ hört, morgen (Samstag) Abend bereits 
tattfinden. 
— Aus Amerika kommt wieder einmal die dien 
»erheißende Nachricht von einer Millionenerbschaft 
Darnach soll ein aus Siebeldingen 15 
Pfalz ausgewanderter und inzwischen Millionät ge- 
wordener Deutscher Namens Steiner kinderloß 
üngst gestorben sein, ohne über das sich auf 
mehrere Millionen belaufende Vermögen eine ber 
ttimmte Verfügung zu treffen. Daß diese Nachricht 
in allen betheiligten Kreisen ungemein viel Stauf 
uufwirbelt, läßt sich leicht denken. 
— Aus der Pfalz. Dem ‚L. Anz.“ zu⸗ 
olge wurde der Rabbinatskandidat Herr Dr. Casat 
Seligmann von, Landau auf die erledigte 
Bredigerstelle in Hamburg gewählt. — Auf die in 
Ingenheim erledigte Arztesstelle wurde der praktische 
Arzt Herr Dr. J. Sil bern agel aus Schwegen- 
jeim berufen. 
— Neustadt. Ein eigenartiges Ventil hat 
derr Wilh. Fischer hier unter K 6751 zum 
datent angemeldet. Dasselbe hat, wie die „Zig.“ 
zerichtet, zwei Eintrittswege und einen Austritiweg 
daß zwei Flüssigkeiten gleichzeitig eintreten und 
ꝛeliebig gemischt zum Abfluß gebracht wecden 
onnen, ferner dient das Ventil als Elevator, zum 
deben von Flüssigkeiten mittelst Dampf und unler⸗ 
cheidet sich in dieser Eigenschaft von den bis jeßt, 
u diesem Zweck bestehenden Apparaten besonders 
»adurch, daß es bis zu jeder gewünschten Größe 
ausgeführt werden kann, was für die Schifffahrt 
son besonderem Werth ist. Das Ventil ist an 
Form und Größe gleich einem gewöhnlichen Dampf⸗ 
ventil gleichen Durchganges. 
— Haßlech, 23. Mai. Das Rennfes 
des pfälzischen Rennvereins, das am Himmelfahrts- 
este stattfinden sollte, ist auf unbestimmte Zeit ver⸗ 
choben worden. — Das Haus des Herrn Adam 
Reichert in der Gillergasse ging durch Vermittlung 
des Herrn Andr. Wittmann um den Preis von 
5000 Mark in den Besitz des Herrn Lorenz Bossa 
über. — Gestern fand dahier die Eröffnung der 
Fohlenweide statt. Aufgenommen wurden 285 Foh⸗ 
len. Diese Zahl wird sich wahrscheinlich im Laufe 
dieses Monats erhöhen, indem bereits noch mehrere 
ingemeldet wurden. Die Weide, die im Laufe des 
derbstes und Winters verbessert wurde, fand un⸗ 
getheiltes Lob. 
— Speyer, 24. Mai. Se. Exzellenz der 
igl. Regierungspräsident der Pfalz, Herr v. 
Braun, hatzgestern einen mehrwöchentlichen Ge— 
chaftsurlaub angetreten. — Zur Vollführung un⸗ 
ibwendbarer öffentlicher Arbeiten beschloß unterm 
23. April d. J. der Stadtrat die Aufnahme einer 
Anleihe von 40,000 Mt. In heutiger Bürger⸗ 
»ersammlung erhielt dieselbe die Genehmigung. Es 
verden die 40,000 Mk. bei der Städtischen Spar⸗ 
asse erhoben und mit 4 pCt verzinst. Die Tilg- 
ing erfolgt in einer zehnjährigen Frist vom Jabhre 
1900 an. 
— Speyer, 24. Mai. In Hombur« 
wird der Zw. Ztg. zufolge beim Missionsfeste 
am 19. Juni Herr Pfarrer Lind aus Kreuznach 
die Festrede halten, die Missionare Müller und 
JFrion, sowie Pfarrer Tischhausen vom Baseler 
Misfionshause haben Berichte und Herr Pfarrer 
Ferckel aus St. Ingbert das Schlußwort 
zugesagt. Die Gesamteinnahme des prälz. Misfions⸗ 
dereins im letzten Jahr war 13,805 Mt. 
— Spenyer. Eine ergangene Verfügung tkrifft 
ichon für das heurige Absolutorium der 
zaher. Realschulen eine Anotdnung, die einen 
auuf der letzten Realschulmännerversammlung in 
München geaͤußerten Wunsch zur Erfüllung bringt. 
Zunächst probeweise werden hier zum ersten Male 
drei Themata für den deutschen Aufsatz zur Aus— 
—A—— 
ttimmtes Thema den Anstalten zugestellt wurde 
An den Gymnasien war bisher schon die Auswabl 
nus drei Themen eingeführt. 
— Duürkheim, 21. Mai. Bezüglich einer 
uus pfälzischen Blättern übernommenen RNotiz, bett.