Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
St, gugberter Auzeiger⸗ erscheint täglich mit Auznahme der Sonn⸗ und Feiertage. 2 mal wöbchentlich mit Unterhaltungs⸗Blatt und Mittwochs und Samstags mit 
Narieica Beilagen. — Blait kofset vierteljährlich 1 M60 einschließlich Tragerlohn; durch die Poft bezogen 14 78 — einschlietzlich 40 ee Die 
Meructungsgebühr fur die Agespaltene Sarmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraien aus der Pfalz 10 H, bei außerpfälzischen und solchen auf welche die Expedition 
Auakunft ertheilt, 153, Neklamen 80 3. Bei Amaliger Einruckung wird nur dreimalige berechnet. 
V I2G. 
Deutsches Reich. 
Müunchen, 29. Mai. Die durch den Papst 
cfolgte Präkonisirung des Bischofs Thho ma von 
zusau ist der hiesigen Nuntiatur offiziell mitgetheilt 
eiden. Wie man weiter vernimmt, wird der 
iesige Etzbischof in Bälde an Herrn Thoma die 
ischofsweihe vornehmen und zwar im hiesigen 
home, wenn von Passau aus nicht anderweite 
inregungen oder Wünsche kommen. 
dortmund, 29. Mai. Der „Rhein.⸗Westf. 
zig.“ zufolge haben die Mitglieder des General⸗ 
ziteilcomites beschlossen, am 31. d. M. die Arbeit 
vieder aufzunehmen, da die Bochumer Delegierten⸗ 
ꝛetsammlung die Mehrheit nicht hinter sich gehabt 
abe. Heute waren im Oberbergamtsbezirk Dort- 
aund 78,994 Bergleute angefahren. 
Berlin, 29. Mai. Bezuglich der Reise des 
raisers nach England verlautet, daß die 
zoisetin den Kaiser nicht begleiten und letzterer 
ondon nicht berühren wird. 
Die von den betreffenden Ressortministern zur 
zegutachtung der wirthschaftlichen Tragweite des 
zrojektz eine Canalisierung der Mosel, 
z5dar und Lahn angeordnete Zusammenkunft 
inmtlicher dabei Betheiligten zu Koͤln ist auf den 
2. August d. J. verschoben worden. 
Die vom „Berliner Tagbl.“ gebrachten Andeu⸗ 
angen, als habe in hiefigen Regierungskreisen die 
Ubsicht bestanden, in den Kohlenrevieren Westfalens 
en Belagerungszustand zu proklamieren, 
ind völlig erfunden. 
Ausland. 
London, 29. Mai. Lord Salisbury 
apsing eine Deputation, welche die Abschaffung 
es Postens des Vicekönigs von Irland verlangte. 
yt Premierminister sagte, die Regierung sei mit 
er Erwägung der Angelegenheit beschäftigt, jedoch 
ei es schwierig, eine diesbezügliche Bill noch in 
»et gegenwärtigen Session einzubringen. Lord 
zetland habe den Posten des Vicekönigs von Ir⸗ 
uid inzwischen angenommen. 
Brüssel, 29. Mai. Eine große Volks⸗ 
nenge zog heute Nachmittag vor die Ministerien 
unter den Rufen: Nieder mit den Ministern! 
demission! Die Polizei nahm viele Verhaftungen 
vor. Man befürchtet eine Erneuerung der Unruben 
uatt---·-·⸗· — 
—AXAßæ 
St. Ingbert, 81. Mai. Zu der vor— 
elern Abend im Becker'schen Saale anberaumten 
hentlichn Bersamml'ung in Sachen der Er— 
auung einer Protestationskirche in 
wbeyer hatten sich eine ziemliche Anzahl evange⸗ 
sher Burger eingestellt. Herr Pfarrer Ferael 
iß dieselben willkommen und stellte die HH. Con⸗ 
horialrath Risch und Professor Gumbel aus Speyer 
er Versammlung vor. Ersterer ergriff sodann das 
Vort zu einigen einleitenden Bemerkungen. Von 
em Consistorium zunüchst hierhergesandt zur Kennt⸗ 
nahme der kirchlichen Verhältnisse, wolle er auch 
ie Stimmung in der Gemeinde zu den Bemüh⸗ 
ugen des Rerschervereins kennen lernen und fuͤr 
en Verein wirken. Die Sache liege ihm sehr am 
Atzen und er hoffe, daß sie auch hier Unterstütz⸗ 
ng finden möge.“Die geplante Kirche solle ein 
— Denkmal werden an die hochwichtige Pro—⸗ 
tation der Vater gegen allen Glaubenszwang, 
welchem Denkmal aue Protestanten Theie haben 
en. Nachdem schon vor 30 Jahren der Gedanke 
Wo entstanden, sei die Sache erst recht in Fluß 
elommen durch einige junae Leute in Sporber 
— 
Freitag, 31. Mai 1889. 
24. Jahrg. 
velche seit einigen Monaten mit unermüdlichem 
Fifer als Sammler thätig sind, was den schönen 
zrfolge hatte, daß in Speyer allein 200,000 Mt. 
esammelt wurden. Ein besonderer Förderer des 
zereins sei aber Hr. Professor Gümbel, welcher 
astlos mit seinem Worte arbeite für die Protesta⸗ 
ionskirche und der auch den hier Versammelten 
iber Thätigkeit und Erfolg des Vereins Aufllärung 
jseben werde. 
Hr. Gümbel führte diese Aufgabe in schöner, 
ehr klarer Rede aus. Er betonte vor allen Dingen, 
zaß die Protestanten nicht gewohnt seien sich zu 
iner Sache kommandiren zu lassen, sondern erst 
zach voller Ueberzeugung dafür einzustehen. So 
offe er denn, daß auch die Versammelten sich über⸗ 
eugen werden von dem Rechte und der Verpflichtung, 
velche die Protestanten haben zu einer Protestations- 
irche. Das Recht liege schon in dem Zweck und 
»er Bedeutung der Kirche. Dieselbe solle ein Denk⸗ 
nal sein an den hochbedeutsamen Wendepunkt in 
ver Geschichte, welcher mit den 19. Aptil 1529 
eingetreten sei, da die ersten Protestanten sich auf 
die Autorität des göttlichen Wortes beriefen. Es 
var dies eine muthige ewig denkwürdige That, da 
aiserliche und päpstliche Macht sich gegen die Be— 
vegung verbunden hatten, welche Luther hervorge⸗ 
rufen, und dieser selbst in Vollzug des Wormser 
Fdikts in die Reichsacht erklärt werden sollte. 
Millionen schon hatten sich der evangelischen Lehre 
ugeneigt, aber sie besaßen noch keinen Zusawmen⸗ 
salt. Da erklärten 6 deutsche Fürsten und 14 
steichsstaäͤnde zu Speyer, daß Glauben und Gewissen 
rei sein sollen, daß sie, wenn auch dem Kaiser in 
inderen Dingen gehorsam, doch gegen Glaubens- 
wang entschieden protestirten. 
Dieses feste Auftreten, diese unumwundene Er—⸗ 
clärung rettete nicht nur die Reformation vor der 
Bernichtung, sondern auch mit ihr unser späteres 
dulturleben, die Grundlagen der geistigen Ent⸗ 
vickelung unseres Volkes. Darum haben die Pro⸗ 
—XV 
oflichtung, eine Gedächtnißkirche' hieran erstehen zu 
lassen. 
Besonders in der Pfalz sollen die proteßanti⸗ 
chen Glaubensgenossen diese Verpflichtung fühlen, 
denn in der Pfalz iß der Ort, wo die Protestation 
geschah und an dem auch die Protestationskirche 
errichtet werden soll. Es ist ja auch kein neuer 
Blan, der von anderen Unterstützungswerken die 
Heber abhalten soll noch wird. Das Werk des 
stetschervereins ist ja schon soweit vorgeschritten, 
haß derselbe heute über 620,000 Mk. verfügt. 
daiser Wilhelm J. und König Ludwig U. gewähr⸗ 
en je 5000 Mk. Außerdem ist das großartige 
zeschenk des Commerzienraths Hetzel aus Neustadt 
u. H. zu verzeichnen, eine Summe von 200,000 Mk. 
Ueberall in deutschen Provinzen und Gauen 
zabe der Ruf um Beiträge zum Bau der Gedächt- 
nißtirche Widerhall gefunden und zahlreiche Beiträge 
eien eingelaufen. Aber nicht nur in unserm Va— 
erland, auch im Ausland, Schweiz, Italien, Hol⸗ 
and, Schweden, England und Amerika, haben die 
ßlaubensbrüder Unterstützungen theils schon gesandt 
heils zugesagt. Die Pfalz dürfe sich von diesen 
licht übertreffen lassen, zumal sie eine Schuld ein- 
ulösen habe, da wohl in Wittenberg und Worms, 
eider aber noch nicht in Spehyer Denkmale an die 
Zeit der Reformation bestehen. 
Zur erfolgreichen Förderung der Sache habe 
er Vereinsausschuß mit Zustimmung der Kaiserin 
Auqusta Viktoria soa. Lapinenkollekten eingerichtet. 
Es werden nicht nur in den Städten, sondern auch 
in den Landgemeinden Versammlungen abgehalten 
ind zum Beitritt zum Verein aufgefordert. 
Dieses Verfahren hat sich in den Städten und 
zielen Landgemeinden der Pfalz von überraschend 
zoßer Wirkung gezeigt. Der Verein darf nach 
»em Gesetz keine Sammlungen veranstalien, er ver⸗ 
angt deshalb Unterstützung auf mindestens 8 Jahre, 
velche in Form von Mitgliederbeiträgen (monatlich 
oder jährlich) geleistet werden und deren Höhe im 
Belieben der Mitglieder steht. Es find zum wür⸗ 
zigen Bau der Kirche 1 Million Mark nöthig. 
Mögen deshalb die Protestanten mit ihren Gaben 
aicht zurückhalten. 
Die Mittheilungen des Hrn. Redners erweckten 
ein allgemeines Bravo. Hr. Pfarrer Ferckel sprach 
zemselben den Dank dafür aus und erinnerte hier- 
uuf daran, daß gerade die prot. Gemeinde St. 
Ingbert eine Dankespflicht zu erfüllen habe, weil 
a ihre Kirche täglich sie ermahne nicht zu vergessen, 
vas sie der brüderlichen Unterstützung der Glaubens- 
zenossen verdanke. 
Durch allgemeines Erheben von den Sitzen er⸗ 
lärte sich die Versammlung damit einverstanden, 
zaß auch in hiesiger Gemeinde ein Zweigverein sich 
zründe und wurde hiernach das Presbyterium als 
Ausschuß zur Ausführung der nöthigen Schritte 
zestimmt. Hiermit war der öffentliche Theil der 
Zitzung erledigt, und folgte in gemüthlichem Bei⸗ 
ammensein lebhafter Meinungsaustausch über das 
Behörte. 
* St. Ingbert. 31. Mai. Vorgestern Nach⸗ 
nittag um 53 Uhr gerieth in der alten Bahnhof⸗ 
traßze dahier das 492 Jahre alte Söhnchen 
ꝛes Schmelzarbeiters Matthias Kiehm unter den 
eeren Rollwagen des Rollfuhrmannes E. Schwarz 
ind wurde so unglüuͤcklich überfahren, daß es an den 
rhaltenen Verletzungen nach Verlauf von 2 Stun⸗ 
en verschied. 
* St. Ingbert, 31. Mai. Wir erhielten 
im 23. dus. Monats eine Correspondenz von 
-„chnappach, der zufolge die Mariannenthaler 
ßlashütte wegen Mangel an Kohlen einen Ofen 
jußer Betrieb setzen müsse. Wie man uns nun 
on zuständiger Seite mittheilt, ist dies nicht der 
Fall und aller Vorausficht nach auch nicht zu er- 
varten. 
* St. Ingbert, 31. Mai. Es dürfte 
Nanchem angenehm sein, darauf hingewiesen zu 
verden, daß auf dem großen Sommerfahr—⸗ 
plan der Pfälzischen Eisenbahnen eine neue Ein⸗ 
eilung getroffen worden ist, insofern die Namen 
der einzelnen Stationen einer Strecke nur einmal 
yorgedrudtt und zur Orientirung auf- und abwärts- 
aufende Pfeile beigesetzt sind. Die Abfahrts⸗ 
ind Ankunftszeiten der Züge sind nach der Richtung 
ener Pfeile zu lesen. 
— Kaisecslautern, 28. Mai. Die gestern 
tattgefundene Generalversammlung der Aktionäre 
des Eisenwerks Kaiserslautern beschloß die Vertheilung 
iner Dividende von 10pC6t. Außer den statuten⸗ 
näßigen Abschreibungen von Mk. 24,015 und Mk. 
19,711 am Delkredere Konto wurden Mk. 48,000 
zu Extraabschreibungen verwendet und an städtische 
Wohlthätigkeitsanstalten Mk. 1060, sowie derPensions- 
ind Unterstützungskasse Mi. 4417,68 überwiesen. 
— Pirmasens, 28. Mai. Mit Bezug 
uuf den durch Regierungs-Entschließung vom 4. 
Januar 1889 genehmigten Beschluß des Distrikts⸗ 
,athes vom 2. November 1888 betreffs Errichtung 
ines Distrikts-Krankenbauses ist der Stadtrath ge⸗—