Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amisgerichts St. Ingbert. 
der St⸗ Jugberter Ineiger ercheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage. 2 mal wöchentlich mit Unterhaltungẽ⸗Blatt und Mutwochs und Samftags mit 
— Zuftellungsgebuhr · 2 
gsgebuhr sar die Kgespaltene Saumondicite vder, degen Raum belragt oei Inseraten aus der Pfalz 10 4 bei außerpfaͤlzischen und solchen auf welche die Erpedition 
Auskunft ertheilt, 13, Neklamen 80 . Bei 4maliger Cinruckung wird nur dreimalige berechnet. 
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155. Samstag, 6. Juli 1889. 24. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
Rationalliberaler ParteiAusflug. 
maßlich des großartigen Verlaufes, welchen vor 
wei Jahren der von Parteigenossen aus der Pfalz und 
)essen nach dem Niederwald ausgeführte Ausflug und 
leichermaßen im Vorjahre die Festveranstaltung 
uf der Ludwigshöhe bei Edenkoben in der Pfalz 
enommen hat, ist der Wunsch rege geworden, im 
aufe des Sommers eine den früheren Veran—⸗ 
jaltungen ahnliche in der Bergstraße zu unterneh- 
den. Der Vorstand der nationalliberalen Partei 
n Darmstadt ist dieser Angelegenheit nunmehr 
jͤher getreten und beabsichtigt, am Sonntag, den 
5. August, eine nationalliberale Festversammlung 
m Hofe der Burgruine Auerbach an der Berg⸗ 
sraße zu veranstalten, zu welcher Einladung an die 
darteifreunde des Darmstädter und der benach⸗ 
narten Reichssstagswahlkreise und besonders auch der 
Ztädte Mainz, Worms, Mannheim, Frankfurt und 
fenbach ergeht. Das genaue Programm für die 
zeier ist noch nicht fertig gestellt. 
* Der Kaiser soll, wie der „Köln. Zeitung“ 
on zuverlässiger Seite aus Karlsruhe gemeldet 
vird, während seines Aufenthalites in Süddeusch- 
and wiederholt Anlaß genommen haben, über den 
zwischenfall mit der Schweiz sich auszu⸗ 
ptechen. Der Kaiser erklärte dabei sein Bedauern, 
daß die beiden Völker, die so lange und so innig 
niteinander befreundet seien, jetzt in einen Streit 
eraten wären, sie wüßten selbst nicht wie. Die 
handhabung der Fremdenpolizei in der Schweiz 
abe freilich seit längerer Zeit Anlaß zu Klagen 
ind Beschwerden gegeben. Es sei aber nach den 
us der Schweiz jetzt vorliegenden Berichten anzu—⸗ 
jehmen, daß auch in den dortigen maßgebenden 
ind unbefangenen Kreisen sich die Ueberzeugung 
zahn breche, daß die schweizerische Fremdenpolizei 
iner gründlichen Reorganisation bedürfe; derartige 
lenderungen seien denn auch schon thatsächlich an⸗ 
jehahnt. So zweifle der Kaiser nicht, daß binnen 
urzer Zeit die jetzigen Meinungsverschiedenheiten 
eseitigt werden und daß sich das frühere gute Ver⸗ 
jälms bald wieder herstellen lassen würde. Nach 
Lösung der jetzt schwebenden Frage würde die 
nauernde Interessengemeinschaft der beiden Völker 
ür ungestörte Erhaltung der beiderseitigen 
lnabhängigkeit zweifellos mehr als je erkennbar 
oerden. 
Der Besuch des Kaisers von Oester⸗ 
ceich in Berlin soll, soweit zuverlässige 
Reldungen vorliegen, in den Tagen vom 11. oder 
Z3. bis 17. August stattfinden. Der Besuch des 
daisers von Rußland in Berlin, dem man von 
ffizidsser Seite den Boden zu ebnen suchte, so gut 
* irgend gehen wollte, indem man namentlich die 
detzereien der „Kreuzztg.“ auf einen absoluten 
dullpunckt der Berechtigung herunter zu bringen 
emüht war, steht noch in weiterer Sicht. Es 
vird aber dem „Frf. J.' von unterrichteter Seite ver⸗ 
schert, daß die von Hof zu Hof darüber stattgehabten 
teundschaftlichen Auseinandersetzungen niemals den 
ßedanken gerechtfertigt haben, der Zar möchte die 
krwiderung des Besüches nur umgehen. Anderer- 
eits wird im Auge zu behalten sein, daß alle 
keisen des Zaren, nicht nur im Inlande, son⸗ 
ern auch im Ausland stets bis zum Augenblick 
ꝛer Ausführung möglichst geheimgehalten“ wurden. 
Nan glaubt aber aus Aeuße rungen, die bei der 
ingsten Anwesenheit des Kaisers in Kiel in hohen 
kreisen gefallen find, annehmen zu dürfen, daß 
der Kaiser selbst mit der bestimmten Erwartung 
ines Zusammentreffens mit dem Zaren im Laufe 
»es Sommers sich eingeschifft hat. 
* Eine offiziöse Petersburger Zuschrift der 
Politischen Correspondenz“ bekundet einen diplo⸗ 
natischen Rückzug Rußlands, indem fie 
rklärt, die russische Bevölkerung beurtheile die 
sterreichische Thronrede viel ruhiger, als einzelne 
zeitungen, sogar die Stelle über Bulgarien, welche 
infach die Rückwirlung einer irrigen Auslegung 
zes Trinkspruches des Zaren sei. Man erachte es 
nicht für ganz ungerechtfertigt, daß unter diesem 
rindruck dem Prinzen Ferdinand gegenüber der 
ussischen Politik eine ähnliche Rolle zugedacht 
perde, wie nach irriger Auffassung der Zar dem 
Fürsten Nicolaus gegenüber der österreichischen Poli⸗ 
ik zugetheilt haben sollte. Da aber Rußland 
veder diese ihm zugeschriebenen Bestrebungen noch 
ingreiferische Absichten hege, so sei man in Peters— 
zurg überzeugt, daß die Gegner Rußlands ange- 
ichts seiner unveränderlich correclen Haltung ge— 
wungen sein würden, sich auf ähnliche plato- 
rische Kundgebungen gegen das Zarenreich zu be— 
hränken. 
Deutsches Reich. 
Coburg, 5. Juli. Der Herzog von Edin⸗ 
zurg, von Kissingen kommend, ist zu längerem 
Aufenthalte heute hier angekommen. 
Berlin, 4. Juli. Der „Post“ wird die 
dachricht von der bevorstehenden Verlobung des 
ltesten Sohnes des Prinzen von Wales mit der 
Zrinzessfin Vicioria von Preußen als durchaus un— 
egründet bezeichnet. 
Die englischen Delegirten zuu Samoa- 
Fonferenz sind noch nicht von Berlin abgereist. 
Nan dermuthet, daß diese verlängerte Anwesenheit 
nit der Vorerörterung von Verhandlungen zu⸗ 
ammenhängt, welche Fragen der gemeinsamen 
Machtsphäre betreffen. 
Berlin, 5. Juli. Die „Nordd. Allg. Ztg.“ 
hreibt: Nachdem nunmehr die Prospekte veroͤffent⸗ 
icht sind, nach welchen eine gewisse Anzahl ru s⸗ 
ischer vierprozentiger PrioritätsObli— 
jationen zum Zwecke der Convertirung einer 
Anzahl fünfprozentiger Obligationen zux Ausgabe 
jelangen soll, machen wir darauf aufmerksam, daß 
in dem durch die Anzeigen veröffentlichten Termine 
ie Inhaber der Obligationen au den bekannt zu 
jebenden Zahlftellen die Barzahlung des Nominal- 
verthes ihrer Obligationen in Empfang nehmen 
önnen. Wir empfehlen den Inhabern an, die 
hnen offirirte Ruckzahlung zu acceptiren und sich 
nicht durch Annahme der ihnen gleichzeitig ange⸗ 
otenen Konversion einen neuen Besitzstand ruffischer 
Zapiere unter schlechteren Zinsbedingungen als den⸗ 
enigen ihres früheren Besitzes zu schaffen. 
αιιια 
Ausland. 
Christiania, 4. Juli. Der Kaiser mit 
Hefolge besichtigte heute Vormittag den Nordheim⸗ 
und, Stolkjarrar und den Wasserfall Stensals⸗ 
ossen. In Odde standen 16 Wagen bereit zu 
inem Ausflug durch das Oddethal nach dem präch- 
igen Laatefos. In Odde wird der Kaiser zwei 
Tage verweilen. 
Bergen, 5. Juli. Gutem Vernehmen nach 
vird Karser Wilhelm am Montag hier ei— 
vartet. Er dürfte fich dann am Diensiag nach 
Voß begeben. 
London, 4. Juli. Unterhaus.) Fer⸗ 
russon erklärte, bei der deutschen Regierung seien 
vegen Verhaftung des Königs Eyo durch die 
Mannschaft eines deutschen Kriegsschiffes in Alt⸗ 
Falabar Erkundigungen eingezogen. Der Schrift⸗ 
vechsel dauere fort. Smith beantragt, die könig⸗ 
ichen Botschaften, betreffend die Apanagen des 
Hrinzen Albert Viktor und der Prinzessin Louise 
jon Wales, einem Sonderausschuß zu überweisen, 
ur Berichterstattung über die Grundsätze, die be— 
reffs solcher Apanagen in Zukunft zur Richtschnur 
zienen sollen. Bradlaugh schlägt ein Amendement 
vor, welches den Ausschuß ermächtigt, die Unter- 
uchung auf die königliche Civilliste auszudehnen. 
Ddas Amendement wurde mit 313 gegen 125 
Stimmen verworfen und der Antrag Smith ohne 
Abstimmung angenommen⸗ 
Paris, 5. Juli. Die Kammer hat den 
Untraq, den Frauen das Wahlrecht für die 
HDandelsgerichte zu gewähren, angenommen. 
Bern, 4. Juli. Die Conferenz wegen 
des Simplon⸗Durchstichs beschloß heute, die 
stalienischen Abgeordneten sollten vor Forisetzung 
der Unterhandlungen neue Instruktionen betreffs 
ihrer Stellungnahme zu den mehrseitig projektirten 
Tracen einholen. 
Wien, 5. Juli. Nach einem Stuttgarter Tele⸗ 
gramm der „N. Fr. Pr.“ wird das Dementi des 
„Staats⸗Anzeigers“, betreffend die Weigerung des 
russischen Offiziers, in ein Hoch auf das deutsche 
Heer einzustimmen, als ein Vertuschungsversuch, 
velcher alle Erörterungen binden soll, angesehen. 
Wien, 5. Juli. Der „Wiener Allg. Zig.“ 
vird aus Bukarest gemeldet, daß der ruffische 
Dampfer „Ruß“ mit etwa 50 russischen Offi— 
zieren an Bord, von Odessa kommend und an⸗ 
geblich auf einer Vergnügungsreise nach Serbien 
unterwegs, am 8. d. M. in Braila anlegte. Die 
zussischen Offiziere seien an das Land gegangen 
und hätten das Donauufer von der Höhe aus be—⸗ 
tichtigt. Nachdem die Offiziere an Bord zurück 
wuͤren, sei der Dampfer weiter gefahren. 
Sofssia, 5. Juli. Die Regierung hat mit 
iner amerikanischen Gesellschaft eine Anleihe von 
25 Millionen zu 6 Prozent bei einprozentiger 
Tilgung abgeschlossen. Die Bahnen Burgas ⸗PYam⸗ 
voli und Zaribrod-Vacarel sind Unterpfand. Fünf 
HDeillionen wird die Regierung im September er—⸗ 
Jalten, den Rest in Fristen von je zwei Monaten, 
bezw. kürzer. Das Recht der Rückzahlung zam 
Nennwerth nach 10 Jahren bleibt vorbehalten. 
Kairo, 4. Juli. Depeschen von General 
Woodhouse melden, der Feind sei noch in den 
Bergen, wo ihn Woodhouse gestern angriff und 
Jroße Verluste beibrachte. Deserteure melden, die 
Derwische leiden an größtem Wossermangel. 
Tokale und pfalzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 6. Juli. Wir lesen in 
indern Blättern die erstaunliche Nachricht, daß nach 
einem hier umlaufenden Gerücht Herr Obereinfahrer 
Attenkofser in der Gehnbuch ein neues Kohlen⸗ 
sager entdeckt haben soll, zu dessen Ausbeutung 
an 8000 Bergleute Beschäftigung finden könnten. 
Nach eingezogener Erkundigung können wir mitteilen, 
»aß dem hiesigen Bergamt von einer solchen 
Enideckung gar nichts bekannt ist, überhaupt in 
der Gehndach keine Bohrversuche auf Kohlen vor- 
jenommen wurden. 
x* St. Ingbert, 6. Juli. Gestern Abend 
dielt der hiefige Stadtrath eine Sitzung ab, welche 
nit einem feierlichen Akt begann. Herr Bürger- 
neister Heinrich überreichte namlich an Herrn 
Ztadtschteiber Baäyer mit anerkennenden Worten