Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Oragan des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der St⸗ Ingberter — erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn⸗ und Feiertage. 2 mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗Blatt und Mittwochs und Samstags mit 
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Politische Uebersicht. 
x* Eine Zusammenkunft der mächtigsten Monar⸗ 
hen Deutschlands des Kaisers Wilhelm II. und 
esßs Prinzregenten Luitpold von Bayern 
indet heute in Bayreuth statt. Gestern Nachmittag 
egab sich der Regent Bayerns dorthin, um das 
daiserpaar zu begrüßen, welches heute Vormittag 
rort wohl eingetroffen. Die Stadt Bayreuth ver⸗ 
instaltet den Herrschern einen großartigen Empfang. 
deute und morgen nachmittag wird im Residenz- 
chlosse des Prinzregenten ein großes Prunkmahl 
iattfinden. Von Nürnberg aus ist eine Einladung 
m S. M. den Kaiser zum Besuch der Stadt er⸗ 
zangen, und in Karlsruhe, Straßburg, Mezz rüstet 
nan zu prächtigem Empfang. Ueberall gidt fich 
ie Freude über den kaiserlichen Besuch in Süd—⸗ 
„eutschland kund; wie die angestammten Herrscher, 
o begrüßen auch die süddeutschen Stämme den 
daiser aus begeistertem Herzen. Der Einheitsge—⸗ 
zanuke des Reichs ist zur unumstößlichen Gewißheit 
eworden, und ist ein hohes Beispiel treaen Zu— 
ammenhaltens, welches unsere edlen Fürsten geben, 
ind das sicher seine Wirkung nach außen nicht 
erfehlen wird. Möge aber im Vaterlande selbst 
dies Vorbild alle ermahnen, immer und überall 
usammenhalten, wo es gilt einzutreten für Kaiser 
ind Reich. 
»Der zum Bischof von Münster ge⸗ 
oahlte Gymnafiallehrer Herrmann Dingelstädt 
ourde am 2. Marz 1835 in der Bauernschaft 
Ulft bei Bracht (Kreis Renigen, Rheinland) als 
er Sohn einfacher Landleute geboren. Nach Vol—⸗ 
endung seiner humanistischen Studien in der 
ischöflichen, Lehranstalt zu Gaesdonk machte er 
as Abnuri Imeneramen zu Münster und studirte 
bendort Theologie. Gleich nach der am 22. Juni 
859 erfolgten Priesterweihe wurde er als Lehrer 
nm Gaesdonk angestellt. Sein Hang zur Philosophie 
tieb ihn 1862 auf die Universitat zu Bonn und 
päter nach Münster, wo er 18658 zum Doctor 
»hil. promovirte. Bis 1873 wirkte er wieder auf 
der bischöflichen Anstalt in Gaesdonk. Nach 
Schließung dieser Anstalt war er nach der Reihe 
ils Rector in Goch und als Erzieher des jugend— 
ichen Grafen von Hoenbroich (aus Geldern) in 
bechta thätig. 1875 wurde Dingelstädt am Gym⸗ 
nasium in Vechta als Hilfslehrer, kurz darauf als 
tdentlicher Lehrer angestellt. In dieser Stellung 
ꝛerbarrte er bis heute. 
*Das Urteil des französischen Staatsgerichts⸗ 
sofes im Prozeß gegen Boulanger, Dillon 
ind Rochefort ist mit einer Raschheit beendet wor⸗ 
jen, welche nicht blos die Franzosen in Erstaunen 
etßt. Mit Ausnahme der auf die Vorgänge im 
dezember 1887 gelegentlich der Präsidentenschafts⸗ 
tisis gestützten Anschuldigung sind alle gegen die 
genannteu erhobenen Anklagen mit einer erdrücken⸗ 
en Stimmenmehrheit erkannt worden. Die An⸗ 
eklagten wurden unter Aberkennung mildernder 
Imstande zur Deportation nach einem befestigten 
blate verurteilt. Dieses Urteil wird für Nie— 
nanden, am wenigsten aber für die von demselben 
hetroffenen unerwartet kommen. Ueber die Folgen 
ꝛes Urteils gehen die Ansichten weit auseinander. 
der Eindruck der Verurtheilung Boulangers und 
venossen soll in Paris ein mäßiger sein. Wer 
innehmen würde, so schreibt das „Frf. J.“, die 
ioulangistische Bewegung habe mit der Verkündig— 
ing des Urteils gegen Boulanger und Genossen 
ufgehört, eine Gefabhr für die Republik zu bilden. 
Samftag, 17. Auqust 1889. 
A. Jahrg. 
vürde jedenfalls irre gehen; die Entscheidung 
wischen der Republik und dem Boulangismus wird 
rst bei den Wahlen fallen. Bis dahin bleibt alles 
in der Schwebe. 
* Der Prinz Ferdinand von Bulgarien 
cheint sich in seiner fürstlichen Rolle doch die 
Sympathien des Balkanvolkes erwocben zu haben. 
Bei den am 14. dss. Mts. anläßlich des Jahres⸗ 
ages des Regierungsantritts desselben vor dem 
halast inSofia stattgehabtenOvationen hielt ein Bürger 
ine Ansprache an den Prinzen, welcher dieselbe 
mter stürmischem Beifall kurz erwiderte. Bei dem 
gankette wies der Prinz auf die moralische und 
naterielle Entwicklung des Landes seit seiner Thron⸗ 
»esteigung, sowie auf die von der Bevölkerung zur 
Vahrung der Autonomie und Freiheit gebrachten 
Ipfer und auf die Bemühungen zur Aufrechter⸗ 
jaltung der Ordnung und des Friedens hin, 
velche det Regierung nicht nur die Sympathien 
»er ganzen civilifierten Welt, sondern auch das 
dob eines der erlauchtesten und mächtigsten Mo— 
jarchen und hervorragendsten Staatsmänner ver⸗ 
chafft hätten. Stambuloff feierte die Selbstverleug⸗ 
rng des Prinzen und betonte, die Kämpfe der 
etzten Jahre bedeuteten mehr als einen Sieg auf 
»em Schlachtfelde. Mutkuroff beglückwünschte den 
Brinzen namens der Armee. 
x* Ueber den Stand der Dinge auf Kreta 
vird der „Vossischen Zeitung“ aus London be— 
ichtet, daß die Türken ein großes griechisches Dorf 
yon hundert Häusern zerstörten, als Repressalie 
ür die Plünderung und Niederbrennung mehrerer 
ürkischen Dörfer seitens der Christen. Weitere 
xxzesse wurden durch das Einschreiten des Militärs 
erhindert. Die allgemeine Stimmung der Be— 
yölkerung sei auf beiden Seiten ruhiger. Der 
ürkische Ministerrath beschloß, eine Truppenmacht 
in der griechischen Grenze zu konzentrieren, falls 
Zriechenland, trotz der freundlichen Zurückhaltung 
er übrigen europäischen Mächte, die Absicht be⸗ 
unden sollte, sich in die kretensischen Angelegen⸗ 
—V— 
—A 
München, 16. August. Der Prinz-Regent 
st heute nach Bayreuth abgereist. — Der kgl. 
5taatsminister Dr. Frhr. v. Lutz begiebt sich 
leichfalls nach Bayreuth, um dem deutschen Kaiser 
ür die Verleihung des Schwarzen Adler Ordens 
einen Dank abzustatten. (Zw. 3.) 
Berlin, 15. August. Der Kaiser von 
DResterreich ist heute Abend 9 Uhr vom Anhalter 
Zahnhof via Leipzig nach Ischl abgereist. Offi— 
ielle Verabschiedung mit militärischen Ehrener⸗ 
veisungen war auf Wunsch des Kaisers von Oester⸗ 
eich unterblieben. Kaiser Franz Josef, in der 
lniform des Kaiser Franz Garde⸗Grenadier⸗Regi⸗ 
nents, und Katser Wilhelm, in ungarischer Hu⸗ 
zren-Uniform, begaben sich im offenen Vierspänner 
‚emeinsam nach dem Anhalter Bahnhof, wo der 
Erzherzog Freanz Ferdinand, Prinz Heinrich und 
zrinz Albrecht, letzterer in österreichischer Dragoner— 
lniform, und der Ehrendienst bereits anwesend 
varen. Die Verabschieduug beider Kaiser war 
iußerst herzlich; beide Monarchen umarmten und 
üßten einander wiederholt. Kaiser Franz Josef 
ecließ den bereits bestiegenen Waggon wieder, um 
mseren Kaiser nochmals zu umarmen. Auf dem 
Vege nach dem Bahnhof und in der Umgebung 
zes letzteren hatten sich dichtgedrängte Menschen⸗ 
nassen versammelt, welche beiden Kaisern mit immer 
rneuten Hoch- und Hurrahrufen bhuldigten. Nach 
der Abfahrt des kaiserlichen Zuges verabschiede 
ich Kaiser Wilhelm auf dem Perron von dem 
urückgebliebenen Erzherzog Franz Ferdinand, dem 
ürafen Kalnoky und dem gesammten großen Ge⸗ 
'olge des österreichischen Kaisers. Kaiser Wilhelm 
prach herzlich mit jedem einzelnen einige Worte, 
rückte jedem die Hand und kehrte darauf in das 
önigliche Schloß zurück. Erzherzog Franz Fer—⸗ 
inand und das Gefolge des Kaisers Franz Josef 
raten um 9 Uhr 35 Min. die Rückreise nach Prag 
esp. Wien an. Unter den zur Verabschiedung auf 
»em Bahnhof Anwesenden befanden sich auch Graf 
derbert Bismarck und die Mitglieder der österreichischen 
Botschaft mit ihren Damen. Die Militärs trugen 
sleine Uniform, die Herren vom Civil schwarzen 
Unzug. 
Berlin, 15. August. Die Lage auf San—⸗ 
ibar gestaltet sich anscheinend ernster. Dem 
„Newyork Herald“ wird von dort unterm 14. Au⸗ 
zust berichtet, daß am Dienstag Abend Eingeborene 
n das indische Lager drangen und die Indier ohne 
Interschied des Geschlechts mißhandelten. Das 
Militär mußte einschreiten, welches dem Unfug ein 
Ende machte. Achtzehn Rädelsführer wurden ver⸗ 
zaftet, eingesperrt uund gepeitschit. Die Eingeborenen 
ind gegen die Europäer sehr aufgebracht. Gerüchts— 
weise verlautet, für nächsten Sonntag (mohameda⸗ 
nischer Neujahrstag) sei die Niedermetzelung aller 
Fremden geplant. Es wird bezweifelt, ob in solchem 
Falle das Militär auf Seiten der Ordnung bleiben 
würde. 
Berlin, 16. August. Anläßlich des heutigen 
Gedenktages der Schlacht bei Mars⸗sla⸗Tour 
zab das Offizierkorps des ersten Garde ˖ Dragoner⸗ 
stegiments Königin von England ein Frühstäück. 
Beladen waren der Kaiser, Prinz Albrecht, die 
Hrafen Herbert und Wilhelm v. Bismarck und die 
Mitglieder der englischen Botschaft. Prinz Albrecht 
ils ältester Offizier des Regiments brachte den 
Trinkspruch auf die Königin von England als Chef 
des Regiments aus. Der Kaiser trank auf das 
stegiment, ein englischer Botschaftbrath dankte und 
zer Militärbevollmächtigte bei der englischen Botschaft, 
Iberst Russel, trank auf den Prinzen Albrecht. 
Ausland. 
Paris, 15. August. Im Wagramsaale fand 
jeute, wie alljährlich am 15. August, das Ban⸗ 
kett der Imperialisten flsatt, an dem etwa 
1500 Personen theilnahmen. Der Vorsitzende, 
Heneral Dubarail, feierte in der Festrede beson⸗ 
ders Boulanger, der durch seine Verurteilung nur 
ioch sympathischer geworden, jetzt mehr als jemals 
»on den Bonopartisten unterstützzt werden müsse. 
die Versammlung hieß einstimmig Dubarail's Er⸗ 
lärung gut. 
Mailand, 16. August. Der „Sicolo“ 
zreift heftig den KaiserFranz Josef an, weil 
derselbe Berlin, nicht aber Rom besuche. 
Rom, 16. August. König und Kreon⸗—⸗ 
drinz besuchten Nachmittaas das Grab Gari— 
daldis auf Caprera. 
Belgrad, 16. August. Wie verlautet, stimmte 
dönig Nilan zu, daß die Königin Natalie 
den König Alexander unter gewissen Bedingungen 
nehrere Male jährlich im hiesigen Palais besuche 
ind sich einige Zeit daselbst aufhalte. 
Konstantinopel, 16. August. Die Pforte 
jat ihren Botschafter in Rom, Photiades Pascha, 
jierher beschieden. Derselbe hat aber unter Ueber⸗ 
reichung eines ärztlichen Zeugnisses gebeten, ihn 
von der Reise zu enthinden, da er krank sei. —