Full text: St. Ingberter Anzeiger

3a,619 Schweine und 36, 136 Spanferkel aus den 
Niederlanden. J 
pBerlin, —18. August. Ein Kommis, der 
oor bier Jahren einem hiesigen Großindustriellen 
mit der Summe von 6000 Mk nach Amerika 
urchbrannte, ist plötzlich, von Heimweh erfüllt, 
ach Berlin zurückgekehrt, hat sich seinem ehe⸗ 
aügen Herrn gestellt und demselhen die unter⸗ 
lagene Summe nebst 6 pCt. Zinsen zurücker⸗ 
nttei. Der Bestohlene war durch diesen Reue⸗ 
Att derart freudig üͤberrascht, daß er dem früheren 
dommis nicht allein seine That verzieh, sondern 
su auch wieder in sein Geschäft als Buchhalter 
ahm. 
— — 18. August. Ein Handlungsreisen⸗ 
yet war gestern Abend in den Waarenraumen seines 
ohefs in der Leipziger Straße im dritten Stockwerk 
Hachäftigt. Im Begriff, sich mittels Fahrstuhls, 
uch den Parterre⸗Räumlichkeiten zu begeben, über— 
iah er, daß der Fahrstuhl gar nicht oben hielt, 
nat in den leeren Raum und stürzte mit lautem 
Jufschrei in die Tiefe. Angestellte, welche den 
-chtei gehört hatten, fanden ihn jedoch völlig un⸗ 
verietzt, wenn auch bewußtlos. auf einem Woll— 
paarenballen liegend, den man vom Fahrstuhl zu 
ufernen unterlassen hatte. Dadurch war ihm 
her das Leben gerettet. 
Warum in der Ferne schweifen? Siehtz'! 
oas Gute liegt so nah!“ Plagen sich hunderte von 
NRenschen herum, um ein deutsches Wort für 
Cigarre“ zu finden und finden und erfinden 
underte von Worten, die weder passen noch treffen 
Follen, während das richtigste und passendste Wort 
mitten der Cigarre selbst liegt: der Wickel! So 
ange wie Cigarren gemacht werden, heißt die Ein—⸗ 
—DDD—— 
Tüha- oder Pfälzer Tabak ist. Die Arbeiter wickeln 
os ein Deckblatt um den Wickel und dadurch ist 
zie ganze „Cigarre“ fertig. Weg mit der Cigarre, 
und laßt den Wickel, auch mit dem Deckblatt ge⸗ 
pickelt, einen Wickel sein. Tab ak-Wickel braucht 
man nicht zu sagen, denn jeder, der mit Tabak 
jandelt, oder Wickel raucht, weiß, daß seine Wickel 
zicht von Chokolade find. Wickel ist leicht zu ver— 
ehen, kurz und leicht auszusprechen; auch die Ver⸗ 
indungen sind leicht verständlich. Man kauft 3 
B. seinen Havannawickel bei dem Tabak⸗ und 
Wicelhändler, steckt ihn in die Wickeltasche, schneidet 
mit dem Wickelabschneider die Wickelspitze ab und 
zaucht ihn in der Wickelspitze zu Ende, vorausge— 
etßt daß der Wickel den Wickelrauchern auch schmeckt, 
nicht nur als Tabak, sondern auch als Wort. 
dann rauch' ruhig, deutscher Michel, statt Cigarre 
deinen Wickel! 
fNancy, 20. August. Der Orientexpreßzug 
ntgleiste in der vergangenen Nacht in der Nähe 
von Frouard infolge eines Zusammenstoßes mit 
einem Güterzug. Personen sind nicht dabei verletzt 
worden; nach dreistündiger Arbeit war die Bahn 
wieder ftei. 
Paris, 19. August. In Saint⸗-Cloud hat 
ich dei einer dort veranstalteten Festlichkeit ein be⸗ 
zauerlicher Unglücksfall ereignet. Ein am Eingang 
des Parks errichteter Mast fiel um und zwischen 
das Publikum, wodurch ein junger Mann und eine 
zuunge Frau getödtet wurden. 
7 Rothschild als Bettler. Der berühmte 
rranzösische Maler Eugene Delacroix speiste eines 
Tages bei Baron Rothschild und sah während des 
zanzen Diners so aufmerksam und unverwandt auf 
das Antlitz des Hausherin, daß es diesem auffiel 
und er nach aufgehobener Tafel den Künstler um 
die Ursache fragte. Delacroix erwiderte, daß er 
seit Monaten vergebens in Paris nach dem Modell 
jür eine Bettlerfigar suche, die er auf seinem neuesten 
hemälde anbringen wolle, und daß er nun entdect 
habe, wie seltsam genug gerade der Krösus den 
richtigen Kopf für den Beitler habe, den sich der 
Maler denke. Rothschild enkgegnete, daß er gerne 
dereit wäre, in das Atelier zu kommen, um für 
)en Bettler auf dem Bilde Modell zu stehen. So 
jeschah es. Delacroix hatte ihm im Atelier die 
»assende Tunika üdergeworfen, ihm einen langen 
Stab in die Hand gegeben und ihn der Art plaziert, 
ils ob er ausruhend auf den Stufen eines römischen 
Tempels säße. Ein junger Künstler, Freund und 
Schüler des großen Malers, hatte aber Zutritt zu 
»em Atelier und, bei seinem Eintritt von dem An⸗ 
glick überrasEt, beglückwünschte er den Meister, das 
ang gesuchte Modell endlich gefunden zu haben. 
Ahnungslos, daß er nicht wirllich einen von der 
Straße aufgegriffenen Nothleidenden vor sich sah, 
)ruckte der junge Mann dem regungslos Sitzenden 
Jeimlich ein Zwanzigfrancsstück in die Hand. Roth⸗ 
child dankte durch einen Wink der Augen und be⸗ 
jielt das Geld, zog aber nach der baldigen Ent⸗ 
ernung des Gebers Erkundigungen über ihn bei 
Delacroix ein. Nach nicht langer Zeit erhielt der 
unge Mann von dem „Bettler“ einen Brief des 
Inhaltes, daß Wohlthun immer Zinsen trage und 
Jaß die Zinsen für den mildthätig gespendeten Louis 
ich zufällig im Komptoir Rothschild angesammelt 
Jälten, von wo der junge Mann sie in einem Be— 
rage vor mehr als 10000 Francs abholen möge. 
London, 17. August. Auf der Great 
Northern Eisenbahn fuhr gestern Abend unweit 
Finsbury Park Condon) ein Güterzug gegen einige 
mit Pelroleum beladene Wagen an. Das Oel 
entzündete sich und hüllte den Lokomotivführer und 
den Heizer in ein Flammenmeer ein. Heute früh 
rlagen Beide ihren Brandwunden. 
FLondon, 20. August. Gegen 2000 Schiffs- 
zauer und Dockarbeiter legten' gestern die 
Arbeit nieder und schlossen sich den anderen Aus— 
tändigen an. 
'Was ist eine Knotenlänge? Die 
Zeschwindigkeit eines Schiffes wird mit dem „Log“ 
Jemessen. Dieses selbst ist ein dreieckiges Brettstück, 
velches an der größeren Seite mit einem Bleistrei— 
en eingefaßt ist, so daß es aufrecht im Wasser 
chwimmt. An den drei Etken ist es mit starken 
deinen versehen, welche wie die Ketten einer Hänge— 
ampe zusammenlaufen, indem sie an einer bleistift⸗ 
tarten Leine befestigt sind. Diese selbst ist alle 
1521 Meter lang mit einem Knoten versehen, wel⸗ 
her durch Tuchfetzen noch kenntlicher gemacht wird, 
und auf einen Haspel aufgewickelt. Wird die Ge— 
chwindigkeit eines Schiffes nun gemessen, so wird 
das erwähnte dreieckige Brettstück vom Hintertheil 
des Schiffes in's Meer geworfen, und da es auf⸗ 
recht steht, bietet es dem Wasser eine Widerstands⸗ 
läche, fo daß es von diesem immer weiter vo 
Schiffe weggeführt wird, während die Logleine 1 
»om Haspel abwickelt. So viel Knotenlängen der 
Zeine von 1523 Meter sich in 30 Sekunden ab- 
vicheln, so viel Semeilen legt das Schiff in einer 
Sekunde zurück. Ein Schiff, welches 10 Knoten 
in der Siunde zurücklegt, legt also 10 Seemeilen 
zurück. Bei unseren heutigen Ozeandampfern be— 
rägt die Geschwindigkeit 10, 11, 12 bis 14 Kno⸗ 
len in der Stunde. Die Geschwindigkeit unserer 
hesten Dampfer beträgt 2 Drittheile eines Schnell⸗ 
zuges, die der 2. und 3. Klasse aber nur die 
Zzälfte 
Dienstesnachrichten. 
Bahnhofbureaudienergehilfe Th. Roth in Lud— 
vigshafen und Briefnäger Nik. Huber in Mün— 
hen wurden vom 16. August an zu Postkonduk— 
euren in Kaiserslautern ernannt. 
Postadjuntt Joh. Fleck wurde von Zweibrücken 
nach Nürnberg verseßt 
Neueste Nachrichten. 
Straßburg, 20. August. (Das Kaiser—⸗ 
»aar in Straß burg.) Das gute alte deutsche Straß ⸗ 
urg prangt im Festgewande. Vom Muünster weht 
die deutsche Flagge und kündet weit ins Land, wie 
sier im Innern vaterländischer Stolz mit Festes⸗ 
reude sich gepaart, um des Reiches Herrlichkeit zu 
eiera. Unser Straßburg zeigt sich herrlich geschmückt 
den einziehenden Kaiserpaar, und lieblicher Blumen⸗ 
zuft vereinigt sich mit dem ozonreichen Duft der 
Tannen und des frischen Grüns, welches der Wald 
uins geliefert. Während eine vieltausendkopfige 
Menge, viele Reihen hoch hinter einander gedrängt, 
ie via triumphalis besetzt hielt, versammelten sich, 
rzählt der Berichterstatter der „St. P.“, gegen 4 
Uhr auf dem Bahnhofssteig die zum Empfange. 
Befohlenen. Vor den Fürstenzimmern, zwischen 
inmutigen Blumen⸗ und Pflanzengruppen, war ein 
geblümter Teppich ausgebreitet. Rechts hatte die 
xhtenkompagnie Aufstellung genommen, je ein Zug 
Zachsen und Württemberger. Der kaiserliche Statthalter 
st mit seiner Familie und den Behörden erschienen. 
Es ist fünf Uhr ... die Kanonen donnern 
.. der Kaiser fährt in die Festung ein. Einige 
Ninuten noch in Erwartung ... der kaiserliche 
Zug, den Eisendahnbetriebsdirektor Ostermeyer und 
Hraschineninspektor Klaehr begleiteten, fahrt vor. 
Mit raschem kraftvollen Schritt entsteigt der Kaiser 
zem Wagen und wendet sich in huldvoller Be⸗— 
rüßung dem kaiserlichen Statthalter zu. Kaiser 
Wilhelm ist stärker geworden, seit wir ihn zuletzt 
gesehen; Brust und Schulter scheinen breiter; der 
chlanke Jüngling hat sich in einen kraftvollen Nann 
berwandelt. Auf den von der Sonne tiefgebräunten 
Zügen des regelmäßigen Gesichtes, dem der blonde 
Schnurrbart einen ausgesprochen militärischen Cha⸗ 
rakier aufprägt, liegt sinnender Ernst, als der oberse 
Zriegsherr, der die Uniform des ersten Garde⸗Re⸗ 
ziments zu Fuß und Generalsepauletten mit zwei 
Sternen frägt, die Front der Ehrenkompagnie ab⸗ 
chreitet. Dann nimmt er die Meldungen der an⸗ 
wesenden Würdenträger entgegen und wechselt freund⸗ 
liche Worte mit dem Statthalter, dem Korpskomman⸗ 
deuͤr, dem Staatssekretär, dem Bürgermeister und 
den Generälen. Der Musdruck seines Gesichts hat 
iich dabei völlig verändert: die klaren Augen schauen 
süberaus freundiich, und um den Mund spielt ein 
siebenswürdiges, gewinnendes Lächeln. Unterdessen 
war auch die Kaiferin ausgestiegen und hatte, nach—⸗ 
dem fie von der Frau Füuͤrstin v. Hohenlohe, die 
hr einen prachtvollen Blumenstrauß überreichte, 
und der Prinzessin Elisabeth begrüßt worden war, 
den Weg nach den Fürstenzimmern eingeschlagen, 
wo sie verschiedene Vorstellungen entgegennahm. 
Die Erscheinung der Kaiserin ist aus zahllosen 
Bildern ja allbekannt, aber keines der Bilder ist 
doch imstande, einen, sagen wir erschöͤpfenden Ein⸗ 
tuck von ihr zu geben, denn keines spiegelt den 
iüberaus holden, sanften, liebenswürdigen Zug 
vieder, der das Gesicht der schlanken, blonden 
zaiserlichn Frau belebt, wenn fie spricht. 
Mit herzgewinnender Freundlichkeit unterhielt fsie 
ich mit den Anwesenden. Mit dem Kaiserpaar war 
zuch der Großherzog von Baden ausgestiegen und 
jatie in seiner gewohnten Huld die ehrerbietigen 
gegrüßungen die ihm dargebracht wurden, erwidert. 
Der Zug ordnei sich; zwei Kammerherren vorauf, 
chreitet das Kaiserpaar die Treppe hinunter zu den 
»ereitstehenden Wagen. Unterdessen rückte die Ehren⸗ 
ompagnie, welche über den hinteren Ausgang den 
Bahnßteig verassen und auf dem Platze Aufstellung 
Jatie, unter kliugendem Spiele an und zog im 
Parademarsch an dem Kaiser vorüber. Jttzt erschien 
zuch die Kaiserin und bestieg den vorgefahrenen 
Vierspänner, worauf der Kaiser neben seiner er⸗ 
lauchten Gemahlin Plotz nahm. Unter abermals 
mächtig erbraufenden Hochs und Hurrahs setzte sich 
der Zug in Bewegung. Kaiser und Kaiserin neigten 
ich huldvoll und freundlich grüßend nach allen 
Seiten, während die Bebölkerung immer wieder 
hon neuem in jubelnde Begeisterung ausbrach. 
Gegenüber dem Kaiserpalast hatte sich die Stu⸗ 
dentenschaft mit Fahnen aufgestellt, ihnen gegen⸗ 
uiber die Generalicät und weiter bis zur Theater⸗ 
„rücke das Offizierkorps. An der Brücke waren 
Festbühnen für die Bürgermeister der Landgemeinden 
ind 400 junge Elsasserianen in Landestracht. Hier 
vurde der Kaiser jubelnd begrüßt. Von zwet 
uugen Mädchen wurden Blumensträuße überreicht 
ind von der Masse der zugeworfenen Blumen 
vurde der Wagen des Kaiserpaares ganz bedeckt. 
Im ijz6 Uhr erfolgte die Ankunft im Kaiserpalast. 
Zei der Vorstellung der Behörden im Kaiserpalast 
satten Ihre Majestäten die Gnade, den Vertretern 
zer Stadt gegenüber auszusprechen, in wie hohem 
Maßze der ihnen durch die Bevölkerung Straßburgs 
ereitete großartige und herzliche Empfang sie ge- 
reut habe. Der Kaiser beauftragte, zugleich im 
Namen der Kaiserin, den Bürgermeister Back, hiervon 
der Bevölkerung mit dem Ausdrucke des kaiserlichen 
Dankes Kenntniß zu geben. 
Für die Redaktion verantwortlich F. X. Demetz. 
Die Selbstanfertigung der Kinderkleider lassen 
ich nur wenig Mütter nehmen, sei es der Erspar⸗ 
nis des Macherlohnes wegen, sei es um hierbei ge— 
ragene Kleider, die von den Schneiderinnen voch 
nur ungern verarbeitet werden, mit zu verwenden. 
Fin getragenes Kleidungsstück gewährt, neu vorge⸗ 
aichtet, sei es auch noch so zusammengesetzt, der 
parsamen Hausfrau doppelte Freude. Die praktische 
Vochenschriͤt ‚Furs Haus“ giebt häufig Anweisung 
zur Selbstanfertigung neuer, sowie zur Umarbeitung 
Jetragener Kleider. ‚Furs Haus“ leitet auch sonst 
jum sparsamen Wirtschaften an, und kann deshalb 
mit Recht allen Hausfrauen nicht genug empfohlen 
werden. Probenummern versendet kostenfrei jede 
Buchhandlung, sowie die Geschäftsstelle des Blattes 
n Dresden. 
Wiener I e das eben erschienene 22. Heft 
der österreichischen Modezeitschrift bringt, neten 
iner Sammlung reizender, echt Wiener A 
einen Treusseau erlesener Waäschestücke von feinstem 
Beschmack. 
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