Full text: St. Ingberter Anzeiger

Jet sparen wir nicht mehr, weil, wenn wir ein⸗ 
nat'arbeitsunfahig werden, flir unsere notwendig⸗ 
hen Bedürfnisse unter allen Umständen gesorgt 
vird.“ Der überlegende Fabrikarbeiter, der ver⸗ 
unftige Taglöhner, sie sagen ganz aaders. Sie 
hnen: „Eine Invaliditätsrente von 160 M. eine 
Mersrente von 190 M. reicht nicht einmal aus 
ir den Lebensunterhalt einer einzelnen Person, um ⸗ 
‚jebiel weniger für eine ganze Familie. Doch ist 
n solches Summchen eine willkommene Beisteuer 
jr jeden, der freiwillig auch vom schmalen Ver- 
jenste nach und nach einige hundert Mark zurück 
elegt hat. Die Rente soll dem Berechtigten nicht 
lles zum Leben Nötige bieten, aber sie will ihm 
qs Leben doch erträglicher machen, zu Brod und 
Jemüse an einzelpen Tagen ein Pfündchen Fleisch 
igen.“ Das ist der letzte Zweck des Gestzzes. 
asselbe will für alle Arbeiter ein Sporn zum 
zparen werden. 
Vermischtes. 
St. Johann, 27. August. Die Schiffs⸗ 
genthümer fordern und erhalten jetzt für Kohlen 
wdungen hohe Frachtsätze; von der Malstatter 
halde ab werden zur Kohlenbeförderung bis Mül—⸗ 
ausen 4 Francs 75 Cent. und von Louisenthal 
Francs 50 Cent. für die Tonne bezahlt. Vor 
zintritt der Winterzeit konnen im günstigen Fall 
eladene Schiffe noch 2 Fahrten von hier nach 
ztraßburg und eine Fahtt von hier nach Mül—⸗ 
ausen zurücklegen; die Schiffseigenthümer sind 
nithin imstande, für diese Bestimmungsorte noch 
rei Fahrakkorde in diesem Jahre mit hiefigen 
dandlungshäusern abzuschließen. (S. J.«S. A.) 
Saarbrücken, 27. August. Der in 
mseren Städten heute abgehaltene Bartholo— 
ndus⸗Markt erfreute sich, obwohl vom schönsten 
Petter begünstigt, nur eines mittelmäßigen Besuches 
on Verkaufern und Käufern. Auf dem Kram- 
narkt in St. Johann war nar das Geschäft 
n Haushaltungsgegenständen, Schuh⸗, Blech-⸗, 
ztuhl⸗, Kübler⸗ und Korbwaren von Belang. 
luf dem Viehmartkt hier in Saarbrücken 
jar der Auftrieb laut Aufstellung der „Saarb. 3.“ 
iemlich schidach. Zuchtschweine wurden sämilich 
u hohen Preisen (Ferkel das Paar 25 — 40 Mark) 
ehandelt, Einleger noch höher. Das wenige zu 
Ndarkt gebrachte Milchvieh war ebenfalls teuer. 
jon Arbeitspferden schwach vertreten, verließen 
iele vor 11 Uhr unverkauft den Markt. Schlacht⸗ 
seh war fast gar nicht aufgetrieben. Ungünstig 
ir die hiesigen Märkte mag auch der gleichzeitig 
Saarlouis abgehaltene Viehmarkt gewirkt haben. 
— Ein allerliebster Zwischenfall trug sich bei der 
1bfahrt des kaiserlichen Paares in 
ztraßburg zu. Als die Maj stäten am Bahn⸗ 
ofe aus dem Wagen steigen wollten, trat die Gattin 
es pensionierten Gendarmen Dobrick vor, auf den 
irmen ein weißgekleidetes Kind haltend, welches 
uit seinen kleinen Händchen der Kaiserin einen 
zlamenstrauß entgegen streckte. Die hohe Frau 
ahm den Blumenstrauß und rief, auf die Be⸗ 
nerkung der Murter, der Kleine sei ein Patenkind 
ꝛes Kaisers, ihrem Gemahl zu: „Du, Wilhelm, 
omm doch einmal her, und sieh' den prächtigen 
zungen!“ Der Kaiser, welcher inzwischen ausge— 
tiegen war, drückte der Frau Dobrick die Hand, 
ankte für den Strauß und sagte: „Wie viel Kinder 
naben Sie denn, liebe Frau?“ — „Neun, Maje⸗ 
idt.“ — „Alle Buben?“ — „Nein, Majestät, 
wei Mädchen, aber sieben Buben. Dieser hier ist 
ꝛer siebente, und da haben Majestät die Gnade 
jehabt, die Patenschaft anzunehmen.“ — „Ah ja, 
d erinnere mich. Wie alt ist denn der alteste?“ 
7 „Dreizehn Jahre, Moajestät, er ist jetzt in der 
Militäranstalt in Annaburg.“ — „So, das ist 
chön, und wie alt ist denn der jüngste, dieser hier ? 
„Am Tage, an dem Maj⸗stät hier eingezogen, 
er vierzehn Monate geworden.“ — „Na, das 
ja ein prachtiger kleiner Kerl fur sein Alter, der 
iieht mal einen strammen Soldaten. Ich werde 
nich seiner erinnern“, sagte der Kaiser und reichte 
ochmals der hochbeglüdten Mutter die Vand, 
vähtend der kleine Wilhelm ganz unbefangen an 
en glänzenden Knoͤpfen der Uniform des Kaisers 
rehte, was dieser sich mit der besten Laune von 
einem Paten gefallen ließ. Mit den freundlichen 
Vocten: „Ich danke Ihnen sehr für den schönen 
Strauß, nun halten Sie den kleinen Wilhelm recht 
uut, damit er so gesund und blühend bleibt. Adieu, 
jebe Frau, auf Wiedersehen!“ nahm dann die 
Kaiserin Abschied wäbrenn die Menge die Mutter 
umdrängte und haarklein erzählt haben wollte, was 
denn geschehen war. 
F Der neulich aus Pisdorf (Elsaß) gemeldete 
Bierstreik hat am Sonntag mit dem Siege der 
Birthe sein Ende erreicht. Eine bessere Qualität 
Zier und ein Streichkonzert dürften wohl viel zum 
Untergang des Streikes beigetragen haben. 
F Aus den Alpen, 26. August. Die plötz⸗ 
lich hereingebrochene Augustlälte spürt man auch 
hereits in den bayerischen Alpen sehr bedeutend. 
Bestern war die ganze bhayerische Alpen— 
kette tief verschneit. Selbst die kleineren 
Bergspitzen zeigten diesen Augustschnee. Die Sonne 
der scheidenden Hundstage aber malte die herr— 
lichsten Rosa⸗undVislettfarben auf das glitzernde Weiß. 
fUeber einen Raubmord bei Frank— 
urt a. M. wird von dort geschrieben: Das 
Ipfer ist der etwa 40jährige Beamte des Tiefbau—⸗ 
imtes Herrman Elsner, dem seine Hausgenossen 
pas Zeugniß eines soliden, etwas zu Sonderlings- 
nanieren neigendey Junggesellen geben, der läng— 
tens Abends um 10 Uhr zu Hause zu sein pflegte. 
Um Sonntag hatte er eine Partie in den Stadt⸗ 
pald gemacht und, wie es scheint, von der Luisa 
ommend, den Wartweg eingeschlagen, welcher am 
rorsthause mündet. Etwa 300 Schritte vom öst⸗ 
ichen Eingang entfeint, wurde er von Einem oder 
Nehreren offenbar von hinten überfallen und mil 
Nesserstichen auf das Jämmerlichste zerstochen. 
tin Stich im Nacken, der die Schlagader ge— 
roffen, ist als Ursache des Todes zu betrachten. 
Ddie Leiche wurde von dem Taglöhner Georg Niko— 
aus am Montag Morgen um halb 8 Uhr auf 
em Gesichte liegend aufgefunden, die Fäuste 
rampfhaft über der Brust geballt, in einer großen 
zlutlache liegend. Eine Visitation des Todten 
xgab die Qualität des Mordes als Raubmord. 
Vertsachen fanden sich keine vor. Portemonnaie 
ind Uhr waren verschwunden und nur ein Visiten- 
artentäschchen mit Karten, die die Bezeichnung: 
Herrmann Elsner, Techniker, Oppenheimeistraße 
47, trugen, ein Taschentuch, ein Kämmchen und 
»nstige Kleinigkeiten wurden bei der Leiche ge— 
unden. Elsner hatte von den Mordgesellen nicht 
veniger als 8 Stiche in den Kopf, den Hals, die 
Schultern, den Rücken und die Haände erhalten. 
Ueber die Thäter feblen zur Zeit noch alle An⸗ 
jaltspunkte. Die Thatumstände sprechen voll⸗ 
tändig gegen die Annahme, daß ein Racheakt 
jorliege. Die Blutthat ist und bleibt ein brutaler 
kaubmord. 
F Eine Duell-Angelegenheit, deren Be⸗ 
)eutung weit über den betreffenden Fall hinaus— 
reicht, witd aus Leipzig der ‚Bresl. Ziq.“ ge⸗ 
neldet. Danach ist im genannten Ort ein Staalts⸗ 
inwalt, der gleichzeitig Reserve⸗Offizier war, durch 
hrengerichtliches Etkennmiß aus der letzteren Stel⸗ 
ung entlassen worden, weil er es abgelehnt hatte, 
zme in der Ausübung seines Berufes gefallene 
Aeußerung mit der Waffe in der Hand gegen 
Jemanden zu vertreten, welcher sich durch diese 
leußerung beleidigt fuhlte. Der Verlust seines 
Iffizierscharakters habe denn auch die Rückwirkung 
zhabt, daß er seine bürgerliche Stellung aufgab. 
Man wird erft abwarten müssen, was über die 
iäheren Umstände dieses merkwürdigen Falles ver⸗ 
autet. Bestätigte es sich, wäre also eine im Dienst 
jemachte und innerhalb der dienstlichen Grenzen 
jehaltene Aeußerung des Staatsanwaltes die alleinige 
Ursache der ihm gewordenen Herausforderung und 
der Folgen der Adlehnung, so würfe das ein Licht 
auf die hertschenden Anschauungen und die be—⸗ 
tehenden Verhältnisse, daß vor deren Weiterent⸗ 
vickelung ernstliche Besorgniß gerechtfertigt wäre. 
Denn wenn dem so wäre, würde sich in Zukunft 
ie Stellung eines Reserveoffiziers mit der eines 
ichterlichen Beamten, eines Staats- und Rechts⸗ 
mnwaltes nicht mehr vereinen lassen, da jeder Be⸗ 
imte, desonders jeder Ressort und Abtheilungschef 
iner beliebigen Beamtenklasse und selbst jeder 
Zürger, der eine Ehre darein setzte, auf dem Boden 
der Staats⸗ und Reichsgesetze zu stehen, würde Be— 
henkentragen müssen, Reserveoffizier zu werden oder 
zu bleiden, weil er dadurch in Konflikte kommen 
önnte, welche, wenn er dieselben nach Pflicht, Ge⸗ 
vissen und bestehendem Recht löste, seine Zukunft 
erstören müßten. Gerade ein Fall, wie der Leip⸗ 
iger, giebt hoffentlich die Veranlassung, die leidige 
xrage des Zweikampfes in ihrer Beziehung auf die 
ürgerlichen Verhältnisse endlich zur Entscheidung 
u bringen. 
*Nondon,. 27. ANuanl Der Musstand 
der Kohlenträger der haupistädtischen Central⸗ 
bahnhöfe Kings Croß und St. Pancras dehnte sich 
auf alle Kohlenniederlagen der Great Northern 
Railway aus. — Die Vertreter der ausständi⸗ 
schen Dockarbeiter hatten heute eine Unter⸗ 
cedung mit den Mitqliedern des Direktionsrats des 
Londoner „Past India-Docks“. Der Direktionsrat 
ehnte die Lohnerhöhung bis 6 Pence für die Stunde 
nit dem Mindestlohn von 2 Schilling für den Tag, 
owie die Abschaffung des Systems der Arbeits⸗ 
dächter ab. 
fœ Athen, 27. August. Gestern wurden heftige 
krderschütterungen wahrgenommen, die sich 
iber ganz Griechenhand erstreckten. Im Allge⸗ 
neinen sind jedoch nur Schäden ohne Bedeutung 
angerichtet worden, ausgenommen in Patras und 
Missolonghi, wo einige Häuser eingestürzt und 
indere schwer beschädigt worden sind. Menschenver⸗ 
uste sind nicht vorgekommen. 
Dienstesnachrichten. 
Der Kammerpraktikant H. Grünewald von 
Niedermoschel, z. Zt. bei dem kgl. Rentamte Leng— 
furt (Unterfranken), wurde als Revisor an die kgl. 
Regierungsfinanzkammer der Pfalz einberufen. 
Der geprüfte Rechtspraktikant, Amtsanwalt G. 
Ad. Bach in Germersheim wurde an das Amtsge— 
richt Landau unter gleichzeitiger Uebertragung der 
Beschäfte des Amtsanwalts am Amisgerichte Ann- 
weiler, der geprüfte Rechtspraktikant, Amtsanwalt 
Froch. Geiger in Wolfstein an das Amtsgericht 
Bermersheim, sämmtliche ihrem Ansuchen ent—⸗ 
sprechend, versetzt. Zum Amtsanwalte für das 
Amtsgericht Wolfstein und Lauterecken mit dem 
Amtssitze in Wolfstein wurde der geprüfte Rechts⸗ 
praktikant K. Limmer von Krottelbach ernannt. 
VDls Sekretariatsgehilfe bei dem Amtsgerichte 
Dahn wurde der geprüfte Sekretariatsadspirant 
Gg P. Krebs, zur Zeit in Hohmühle, aufgestellt. 
Der Post-Adjunkt J. Fleck in Zweibrücken 
wurde in gleicher Eigenschaft nach Nürnberg versetzt, 
der Telegraphenwärter J. Schambach in Landau 
»um Ober⸗Telegraphenwärter beim kal. Oberpostamt 
Speyer befoͤrdert. 
Neueste Nachrichten. 
Saarbrücken, 28. August. Schaden⸗ 
feuer. Gestern Abend um 11 Uhr wurde die 
Malstatt⸗Burchbacher Feuerwehr durch das Nebel⸗ 
jorn der Burbacher Hütte allarmiert. In der 
Wagenfabrik der Herren Gebr. Lüttgens war ein 
Feuer ausgebrochen, welches aber durch die schnell 
jerbeigeeilte Feuerwehr bald gedämpft wurde. Auch 
in unseren Städten wurden viele Leute durch das 
durchdringende Signal aus den Betten an die 
Fenster und auf die Straßen getrieben. In St. 
Johann ertönte Trommelwirbel. in Malstatt die 
Lärmtrompete. Gtg.) 
Wiesbaden, 27. Auzust. Schreinermeister 
decker, der Chef des Bürger-Schützenkorps, iss 
gestern bei Hechtsheim auf der Jagd durch einen 
—A 
(Pf. K.) 
Berlin, 27. August. Der Kanzler befindet 
sich im besten Wohlsein in Friedrichsruhe, wo er 
dis Spätherbst zu bleiben, also seinen Aufenthalt 
durch den „Besuch des Zaren“ nicht zu unterbrechen 
gedenkt. 
Paris, 27. August. Nach einem Pariser 
Telegramm der „Voss. Ztg.“ behaupten Pariser 
Blätter „ernsthaft,“ der deutsche Kaiser sei 
don Adjutanten begleitet zwischen seiner englischen 
und elsässer Reise 48 Stunden in Paris ge⸗ 
wesen; nur die Regierung wußte um das In⸗ 
tognito und sorgte durch diskrete Polizeimaßregeln 
für die Vermeidung vor Ungehörigkeiten, falls der 
Kaiser erkunnt worden wäre. — Die „Enten“ 
scheinen in Paris gut zu gedeihen. 
VParis, 27. August. Man spricht immer mehr 
zavon, daß Präsident Carnot angesichts der 
Wahlen einen Aufruf an das Land erlassen 
werde. Der endgiltige Beschluß hierüber wird dem⸗ 
aächst, vielleicht schon in dem morgen stattfindenden 
Dinisterrate, gefaßt werden. — Der Kongreß der 
Feuerwehrleute ist heute Nachmittag 2 Uhr 
m Trocadero eröffnet worden. Erschienen sind zu 
)emselben die Vorsteher der Feuerwehren von Wien 
dondon, Brüssel, Athen, Amsterdam, Kopenhagen, 
Christiania, Genf, Madrid und Straßhurg. Von 
englischen Feuerwehren sind 86 Personen, 80 
Nänner und 6 Frauen, gestern eingetroffen. 
Tür die Redaktion verantwortlich 5 DPDemebeb