Full text: St. Ingberter Anzeiger

Brediger der freireligiössen Gemeinde, Herr Karl 
Scholl, ein Strafmandat in Höhe von 40 M., 
wogegen er Einspruch erhob. Derselbe hatte indeß 
seinen bisseren Erfolg als die früheren Einsprüche, 
da er abgewiesen ward. Auf nähere Ausführungen 
ließ das Gericht Herrn Scholl nicht eingehen, da 
eine Kritik des Gesetzes nicht erlaubt sei. Here 
ʒcholl macht geltend, daß das Gesetz eine Impfung 
n Schutzlymphe vorschreide, daß es aber eine 
solche, in so lange noch nachgewiesenermaßen Krank 
‚eiten durch die Uebertragung dieser Lymphe erzeugt 
ja der Tod des Geimpften herbeigeführt worden, 
— V—— 
Gericht, daß es nicht Sache der Richter sei, sich 
auf die ärztlichen Streitigkeiten und Statistiken 
—E— 
zuwenden habe. Als straferschwerend komme in 
tetracht, daß der Angeschuldigte nicht aus Nach⸗ 
lässigkeit, sondern aus fortgesetzter Opposition ge— 
handelt hade. 
x Ein trauriger Vorfall ereignete sich dieser 
cage in Apolda. Die junge Frau eines ange— 
sehenen Bürgers verweilte in den Abendstunden in 
ihrem Garten. Dabei gerieth ihr eine kleine Fliege 
jn das Auge, was indeß zunächst nicht weiter be⸗ 
achtet wurde. Als die Frau aber am folgenden 
Morgen erwachte, konnte sie nicht mehr sehen und 
wurde von den besorgten Angehörigen sogleich nach 
der Augenklinik in Halle gebracht, woselbst ihr die 
Mittheilung wurde, daß das eine Auge verloren, 
die Erhaltung des anderen sehr zweifelhaft sei. 
Man wolle zwar versuchen, es zu retten, verspreche 
sich aber einen Erfolg nicht. Es wurde eine Ver— 
giftung der Sehnerven festgestellt. 
Braunschweig. Die Bewohner des hart 
an der braunschweigischen Grenze liegenden Dorfes 
Gleidingen wurden dieser Tage das Opfer 
eines schlechten Witzes. Ein Soldat stellte 
iich nämlich dem Ortsvorsteher vor, gab sich fün 
einen Fourier der Hildesheimer Garnison aus und 
meldete für den Tag 800 Mann Einquartirung 
mit voller Verpflegung an. Rasch wurden mit 
Hülfe des Soldaten die Quartierbillets fertiggestellt 
uind umhergesandt, wodurch das ganze Dorf in die 
höchste Aufregung gerieth. Ueberall gings an ein 
Backen und Braten, um die Gäste würdig zu em—⸗ 
pfangen und manche Arbeiterfamilie verzichtete auf 
das Mittagsessen, um solches den müden Vater—⸗ 
landsvertheidigern zu überlassen. Nachdem der an— 
gebliche Fourier sich durch Speise und Trank in 
der umfangreichsten Weise gestärkt hatte, zog sich 
derselbe zurück mit dem Vorgeben, den Truppen 
entgegenzugehen. Indessen ward es Nachmittag und 
Abend, aber keine 79er ließen sich blicken. Die 
Täuschung war um so eher möglich, als Truppen 
m der Braunschweiger und Hildesheimer Gegend 
zur Zeit manövrirten. 
fDie aufgeflogene Schwiegermut— 
ner. Ein Papierwaarenhändler am Kottbuserdamm 
in Berlin hat für die diesjährige Drachen-Saison 
eine besondere Art dieser fliegenden Spielzeuge her⸗ 
gestellt, die augenscheinlich mehr für „größere“ 
Kinder berechnet sind. Diese aus einem leichten 
Webestoff hergestellten Drachen tragen auf ihrer 
Vorderseite das Bild einer zankenden Frauensperson 
and die Ueberschrift: „Adieu, Schwiegermutter!“ 
Ein unter dem Bilde angebrachter Vers schließt 
mit dem bekannten: „Wir brauchen keine Schwie— 
ermama.“ 
fDas Steigen der Viehpreise macht 
ich allenthalben dem konsumirenden Publikum sehr 
mangenehm durch die Vertheuerung des Fleisches 
»emerkbar. Es hat, nach der „Allgem. Fleischer- 
Ztg.“ auch erhebliche Nachtheile für diejenigen 
Fleischereibefitzer zur Folge, welche große Lieferungen 
für Institute, Kasernen ꝛc. in Submission über⸗ 
aommen haben. So hat in Berlin ein Lieferant 
n kurzer Zeit 30,000 Mk. verloren; aus anderen 
Städten sind dem genannten Blatt ganz ähnliche 
Fälle berichtet worden. 
f Ein großes musikalisches Ereigniß meldet 
bie „Berl. Pr.“. Sie verkündet: Der Nachfolger 
der „Kleinen Fischerin“ ist in Sicht! Schon beginnt 
der dahinschlendernde Schusterjunge die Töne zu 
ofeifen, die, wenn man ihrer Sangbarkeit vertrauen 
darf, demnächst wohl wieder eine große Rundreise 
antreten werden, das Dienstmädchen summt sie beim 
Fensterputzen, und als wir gestern Abend die Hasen⸗ 
zaide passirten, erdröhnten sie bereits von einem 
Gartenorchester. „Der Fischerknabe“ nennt sich das 
würdige Seitenstück, an dessen Angel also in der 
aächsten Zeit wieder die ganze „musikalische“ Welt 
zappeln wird. Der Komponist ist natürlich Herr 
Rudolf Waldmann. In dem irxklichen Inhalt des 
neuen Liedes handelt es sich darum, daß ein Fischer⸗ 
kaabe auf die hohe See zieht, um dort ein Nix— 
lein zu fischen. Das Unternehmen gelingt ihm 
auch, worauf der Refrain dann in allen Strophen 
lautet: 
„Fischerknabe, 
Solche Habe 
Zu erringen gereuet bald, 
Laß Dich warnen, 
Dich umgarnen 
Finstere Mächte mit Zaubergewalt.“ 
f. In Altona ist vor kurzem Seine Durch— 
aucht der Fürst Demetrius Jwanowitsch v. 
Schiwa im Armenhause gestorben. Derselbe spielte 
einst am Hofe der Kaiserin Eugenie eine große 
Rolle, verlor aber sein Vermögen im Spiel und 
sank zuletzt zum Hochstapler und Logisschwindler 
herab. Nachdem er in Hambuth und Altona wieder⸗ 
holt die Bekanntschaft mit dem Gefängnisse gemacht, 
chickte man ihn ins Armenhaus, wo er nunmehr 
gestorben iß. 
F Königsberg i. Pr., 29. August. Der 
heute geschlossene allgemeine Vereinstag deutscher 
Benossenschaften wählte Freiburg im Breis— 
qau zum Ort des nächstjährigen Vereinstags. 
F Bern. Der Anstifter des Brandes 
don Muri wurde entdickt. Es ist ein gewisser 
Bloor aus Zofingen, ein Pfründner der Pflege— 
anstalt Muri. Das Motiv war vielleicht Rache. 
Gloor besaß 20,000 Fics. Vermögen, die er rettete. 
Der Brandschaden beträgt gegen 700,000 Fres. 
fLondon, 28. August. Die Kohlen— 
händler Londons haben den streikenden Kohlen⸗ 
rägern und Kohlenfuhrleuten eine deren Forderung 
nahezu entsprechende Lohnerhöhung unter der Be— 
dingung zugebilligt, daß die Arbeit morgen früh 
vieder aufgenommen werde. Man glaubt, daß die 
„treikenden auf das Anerbieten eingehen werden. 
die Direktoren der Dockgesellschaften erkärten den 
Ztreikenden gegenüber, falls die Forderung von 6 
Pence per Stunde zurückgezogen werde, würden die 
anderen Forderungen angenommen werden. Der 
Führer der Streikenden, John Burns, erwiderte, 
ie Streikenden hielten an ihren ursprünglichen 
Forderungen fest und würden keinen Vergleich an⸗ 
nehmen. Man hofft, daß die Verhandlungen morgen 
vieder aufgenommen werden. Der Streik der 
in den großen hiesigen Druckereien Beschäftigten 
jängt an sich auszubreiten. 2000 Personen haben 
dereits die Arbeit eingestellt und fordern Lohn⸗ 
erhoͤhung. 
F Zur Frage der Uebertragbarkeit der 
Rückfahrkarten ergreift jetzt der Reichsgerichts⸗ 
ath Stenglein in der von ihm herausgegebenen 
trafrechtlichen Zeitschrift „Der Gerichtssaal“ das 
Wort. Der Verfasser zählt alle die Vergünstigungen 
nuf, welche die Bahnverwaltungen veranstalten, um 
zas liebe Publikum reiselustig zu machen und fährt 
zann fort: „Wenn aber irgendwo eine Rückfahr⸗ 
arte zu billigerem Preise verlauft wird, so wird 
ein Weheruf erhoben, als sollte der Himmel ein⸗ 
türzen; man malt den Schrecken eines förmlichen 
stückfahrkarten⸗Verkaufsbureaus aus, als handle es 
ich um einen Seelenverläufer, man klagt wegen 
getrugs und muß doch zugeben, daß eine Aufsicht 
inmöglich ist. Gebe man doch den ganzen Handel 
rei und lasse verkaufen, wer verkaufen will. Es 
hut keinen Schaden, die Gefahr von Fälschungen 
iss bei der kurzen Dauer der Karten sehr gering, 
und auch der Verkauf wohlfeier Rückfahrkarten reizt 
um Reisen. Diese Freiheit wäre doch besser, als 
trafbare Handlungen erfinden, bei denen das Ge⸗ 
wissen des Thäters so ruhig bleibt, wie möglich, 
ind die deshalb von niemandem begriffen werden. 
Zu strafen, wo der ungelehrte Mensch nichts Straf⸗ 
hares findet, demoralisitt, erzieht aber nicht zur 
Bewissenhaftigkeit“ 
Dienstesnachrichten. 
Forsipraktikant Rödel von Bergzabern wurde 
ab 1. September zum funkt. Forstgehilfen auf 
Forstamt Jödershura hei Maldmahr ernannt. 
Marktbericht. 
Zweibrücken, 29. August. (Fruchtmittelpreis und Vik— 
ualienmarkt.) Weizen O M, — Pf, Korn M — Pf., 
Berste zweiteihige d M— Pl, vierreihige O M. —Pf. 
S„pelz d M — pPf, Spelzkern — M— Pf., Dinke! 
— VNe — Pf, Wischfrucht dO M. — Pf. Hafer 0 M 
— If., Erbijen — VBi. Wicken 0 M— Vf 
deu 2Ma40 Pf, Stroh J. Qual 8 M. 20 Pf. U. Quau., 
M. 00 Pf., Kartoffeln 1 M. 80 Pf., Weißbrod 1/4 Kilo 
54 pf., Kornbrod 8 Kilo 66 Pf. Gemischtbrod 8 Kils 
30 pf., paar Weck 100 Gr. 6 Pf, Rindfleisch J. Qual 
80 pf., II Qual. 56 Pf., Kalbfleisch 60 Pf. Hammel⸗ 
lleisch 50 Pf. Schweinesfleisch 70 Pf. Wein 1 Liter 80 Pf. 
Bier Liter 24 Vf., Buiter /3 Kilogr. 1 M. 10 Bfg. 
Neueste Nachrichten. 
Ludwigshafen, 29. August. Der Reichs 
postschaffner Annaberg von Frantfurt a. M. 
vurde auf der Strecke Winden⸗Landau vom Schalg 
getroffen und war sofort eine Leiche. (K.) 
Görlitz, 29. August. Verschiedene Geschäfts⸗ 
eisende aus Schlesien wurden in den jüngsten 
Tagen aus Rußland ausgewiesen, da auslän⸗— 
dische Israeliten in Rußland keine Geschäfte 
machen dürfen. 
Kiel, 29. August. Der frühere Oberpräsident 
bon Schleswig⸗Holstein, Freiher August von 
Ende, ist heute gestoörben. 
London, 29. August. Die Direktoren der 
Dockgesellschaften lehnten endgiltig die Lohn⸗ 
erhöhung auf 6 Pence für die Stunde ab. — Der 
Parlamentsschluß erfolgt morgen Mittag. 
— Bern, 28. August. Wegen der Ver⸗ 
hreitung des bekannten anarchistischen Mani⸗ 
festes hat das eidgenössische Justize und Polizei- 
departement eine Haussuchung angeordnet. In 
Basel wurde ein 19jähriger Kommis aus Kanton 
Aargau verhaftet, in dessen Domizil die Polizei 
derschiedene anarchistische Schrifien, unter denen sich 
auch ein Exemplar des Manifestes befand, gefunden 
hatte. (B. T.) 
Petersburg, 29. August. Amtlich wird 
die schwere Erkrankung der Großfürstin 
Marie Paulowna gemeldet. Dieselbe war 
unwohl, befand sich aber bereits wieder besser, als 
gestern früh eine hochgradige Angemie eintrat. 
(Großfürstin Marie Paulowna ist die Gemahlin 
des Großfürsten Wladimir, Bruders des Kaisers; 
sie steht im 36. Lebensjahre.) — Gestern fand die 
Trauung des Herzogs Georg von Leuchten⸗ 
berg mit der Prinzessin Anastasia von Mon⸗ 
'enegro statt. 
Für die Redaktion verantwortlich F. X. Demetz. 
Versteigerungs- und Submisstions⸗ 
Anzeigen. 
Weinversteigerung. Wie bereits gemeldet, 
assen am 23. September die Herren Gutsbesitzer 
A. Brack Erben in Wachenheim daselbst eine Ver⸗ 
teigerung ihrer Weine abhalten. Taxe pro 1000 
diter 1885er M. 600 bis 1100 - 1600 - 1700, 
1887er M. 600 -700 bis 9900 - 1200 - 1300 - 
1750 - 2200, 1886e6 M. 1000 - 1400 - 1500 
-2300 - 3000 und 1884er M. 2500. Probe- 
age: 6. 13. und 23. Sentember 
Farbige Seidenstosfe von Mk. 1. 50 
his 12.55 p. Met. — glatt u. gemustert (ca. 
2500 versch. Farben und Dessins) —- vers. 
roben- und stückweise porto⸗ und zollfrei daf 
Fabrit⸗Déoͤpoͤt G. Henneberg (. u. K. 
hoflief.) Zür ich. Muster umgehend. Briefe 
sten 20 Pfa. Vorte 
Nr. 360 des praktischen Wochenblattes für alle 
hausfrauen „Fürs Haus““ (vierteljährlich nur 
l Markh) enthält: 
Wochenspruch: 
Faul in der Arbeit, fleißig im Beten, 
Ist Orgelspiel ohne Bälgetreten. 
Großmutters Dämmerstunde. (Gedicht.) Noch⸗ 
nals Hausinschriften. Schwefeln. Merkmale huter 
ind schlechter Pilse. Kindergärtnerei. Ein Schre⸗ 
kenstag. (Erzählung.) Lehrerinnen und Erzieher ˖ 
nnen in Nordamerika. Nahrung für Magen— 
eidende. (Schluß.) Photographie ˖ Tasche. Ausge— 
chnittenes Kleidchen für kleine Mädchen bis zu 4 
Jahren. Auszug aufs Land. Laetzschürzen ohne 
Stednadel zu befestigen. Uhrfederkorsett. Vor⸗ 
hänge ohne Rahmen aufzuspannen. Britannia- 
Meiall. Meine Küchenwaage. Ameisen aus Kellern 
zu vertreiben. Alte Rotweine auf Flaschen. Tinte 
für Zinketiketten. Stahlwaren vor Rost zu schützen. 
Weimrauben frisch zu erhalten. Nudel⸗Vorrat für 
den Winter. Preißelbeeren einzukochen. Bohnen 
für den Winter gut und wohlschmeckend aufzube⸗ 
vahren. Einlegen der Birnen in Zucker. Küchen⸗ 
ettel. Räthsel. Auflösung des Räthsels in Nr. 
357. Neue Dicherstimmen. Fernsprecher. Echo. 
Briefkasten der Schriftleitung. Fürs kleine Volk. 
Unzeigen.