Full text: St. Ingberter Anzeiger

Dr. Miquel zur Uebernahme des preußischen Finanz ⸗ 
ninisteriums zu bestimmen. Es stehe zu erwarten, 
daß Bennigsen angegangen werden würde, die Ver⸗ 
nittelung zu übernehmen. 
Ausland. 
Rotterdam, 27. Seot. Gestern brach hier 
eine Arbeitseinstellungder Quaiarbeiter 
aus. Als die Ausständischen heute andere arbeitende 
Genossen an der Entladung des Dampfers „Har⸗ 
wich“ hindern wollten, griff die Polizei ein und 
trieb die Ausständischen mit blanker Waffe aus⸗ 
einander. Die Kommunalgarde ist unter Waffen 
berufen worden. 
Paris, 27. Sept. Wie man hört, hat Jules 
Ferry eingewilligt, seine Kandidatur in einem 
Wahlkreise aufzustellen, wo die Ausfichten für Stich- 
wahl dem republikanischen Bewerber günstig sind, 
welcher zugunsten Ferrys zurücktreten würde. — 
Fortdauernd leisten die Republikaner in der Pro— 
dinz Verzicht zugunsten ihrer Mitbewerber. Nach 
amtlichen Berichten haben die Republikaner selbst 
in mehr als 150 Bezirken sichere Aussicht auf den 
Sieg. Obgleich Boulanger selbst erkannt hat, daß 
seine Partei geschlagen ist und den verlorenen 
Boden auch bei der Stichwahl nicht wiedergewinnen 
kann, setzen die Boulangisten in Paris und in der 
Provinz, besonders in Toulouse, vo Minister Con⸗ 
stans in die Stichwahl kommt, den Wahlkampf 
mit Hartnäckigkeit fort. Der Graf von Paris 
hat noch nichts von sich hören lassen. Allem An⸗ 
jchein nach herrschte unter seinen Anhängern großer 
Unwille darüber, daß man sie gezwungen hat, mit 
Boulanger zu gehen und jetzt die schmählichen Nieder⸗ 
lagen zu jteilen. Aus sicherer Quelle hört man, 
daß verschiedene Führer der Royalisten fest ent⸗ 
schlossen sind, von dem Grafen von Paris zur 
republikanischen Partei überzugehen. 
Rom, 26. Sept. Für die Rückkehr 
Trifpi's nach hier werden große Demon⸗ 
ttrationen vorbereitet; unter anderem werden die 
Deputierten der Haupftadt sowie der Sindaco von 
Rom Manifeste an die Bevölkerung erlassen. — 
Der Ertrag des Pelerspfennigs soll in dem letzten 
Jahre so gering gewesen sein, daß eine Schmäler- 
ung der Pensionen der alten Vatikanbeamten ge⸗ 
plant wird. — Es ist das Gerücht verbreitet, daß 
der vorgestern verstorbene Kardinal Schiaffino, 
welcher liberaleren Anschauungen gehuldigt hat, 
»ergiftet worden ist. Wie es heißt, sind die 
hon Seiten des Gerichts zu treffenden Anord⸗ 
nungen durch Eruierung des Thatbestandes bereits 
pollzogen worden. (Frf. 3.) 
Wien, 27. Sept. Großfürst Paul hat 
gestern den Minister des Aeutzern, Grafen Kal noky. 
empfangen. Er reist Samstag Mittag nach Petrrs⸗ 
zurg. 
Wien, 27. Sept. In hiesigen griech ischen 
Kreisen ist von einem neueren griechischen Rund- 
schreiben nichts dekannt. Die letzten Berichte aus 
Nreta melden vielmehr ein Nachlassen der über⸗ 
zroßen Strenge und eine bevorstehende Rundreise 
des türkischen Statthalters Schalir Pascha. 
Bukarest, 27. Sept. Die Königin 
Natalie ist hier eingetroffen; sie wurde vom 
jerbischen Gesandten und dem Polizeipräfekten 
»mpfangen. 
Petersburg, 27. Sept. Der Minister des 
Aeußern, v. Giers, hat gestern eine zweiwöchent⸗ 
liche Urlausreise in das Tambowsche Gouper⸗ 
nement angetreten — 
Lokale und p.. zhe Nachrichten. 
„*St Ingbert, 28. Sept. Wir wollen 
aicht verfehlen, an dieser Stelle nochmals darauf 
nufmerksam zu machen, daß der prot. Kirchenchor 
im Sonntag Abend im Horst'schen Saale seinem 
Gründer und langjährigen Vorstande, dem von hier 
scheidenden Herrn Pfarrer Ferckel, eine Abschieds⸗ 
feier geben wird. Zu derselben haben alle Freunde 
des Kirchenchors Zutritt. Bei der bekannten Be⸗ 
liebtheit, derer sich Herr Pfarrer Ferckel in hohem 
Maße erfreute, wird der Besuch der Feier sicher 
ein sehr zahlreicher sein. Leider war die Theater- 
direktion nicht dazu zu bewegen, dem Vereine den 
für diesen Zweck so sehr benötigten großen Becker'schen 
Saal zu überlassen. 
* St. Ingbert, 28. Sept. Das nach 
amtlichen Quellen bearbeitete pfäl- 
zische Kursbuch gelangt für den Winter⸗ 
dienst ab 1. Oktober c. zur Ausgabe. 
Dem reisenden Publikum wird es erwünscht 
sein zu erfahren, daß die badischen Post⸗ 
»mnibuskurse neu aufgenommen sind und 
daß sich in den Fahrzeiten, sowohl der 
Postkurse wie namentlich dec Eisen— 
bahnen, nicht unwichtige Aender— 
ungen ergeben haben. Die neuen Eisen— 
bahnkarten der Pfalz und Deutsch⸗ 
lands werden gewiß auch nicht wenig dazu bei⸗ 
fragen, das Kursbuch zu einem beliebten und nütz 
lichen Reisebegleiter zu machen und es in den 
Interessenten⸗Kreisen immer mehr einzubürgern. 
Das Kursbuch kann wie früher bei ullen 
Pfälz. Bahnstationen sowie im Buchhandel zu dem 
bisherigen billigen Preis von 40 Pfennig bezogen 
werden. 
*— Falsche Ein⸗ und Fünf⸗Mark—⸗ 
tüscke zirkuliren in neuerer Zeit wieder; sie sind 
ehr täuschend nachgemacht und in der Prägung 
nußerordentlich rein. Die Einmarkstücke tragen 
zie Jahreszahl 1886 und das Münzzeichen D der 
Münzstätte in München, während die Fünf-Mark—⸗ 
tücke die Jahreszahl 1887 führen. 
— Zweibrücken, 27. Sept. Herr Bezirks⸗ 
aumwart Betsch hier sandte heute einen von 
hm gezogenen Küurbis in dem seltenen Gewicht 
»on 74 Pfund nach Kusel, wo derselbe auf der 
zortigen Ausstellung ausgestellt wird. 
— Zweeibrücken. Dem Kaufmann und 
Fabrikbesitzer Gustav Adolf Glitzner in Leipzig- 
Neuschönefeld wurde unter dem Grubennamen 
„Gustav Adolf“ das Bergwerkseigenthum in 
»em in den Gemeinden Altenglan, Beedesbach 
Friedelhausen, Besenbach, Welchweiler und Horschbach⸗ 
Elzweiler, kal. Bezirksamts Kusel, gelegenen Gruben⸗ 
'eld, welches einen Flächeninhalt von 8 Millionen 
Quadratmeter oder 800 Hektaren besitzt, zur Ge⸗ 
vinnung aller in diesem Grubenfeld vorkommenden 
Steinkohlen verliehen. 
— Landau, 27. Sept. Der hiesigen Polizen 
ist es gelungen, einem größeren Traubendiebstabl 
nuf die Spur zu kommen. In einem Wingert Nuß⸗ 
dorfer Ban ies, dessen Erträgniß Herr Müller Jung 
nuf der Kreuzmühle ersteigert hatte, war in der 
stacht von Mitiwoch auf Donnerstag ein großer 
Theil der Trauden gestohlen worden. Der Verdacht 
ichtete sich gegen einen Bewohner hiesiger Stad! 
ind bei einer gestern vorgenommenen Haussuchung 
vurden eiwa 345 Pfund Trauben aufgefunden 
iber deren rechtmäßigen Besitz sich derselbe nicht 
auuszuweisen vermochte. Die vorgefundenen Trauben 
varen nach den Angaben der Feldschützen von den 
zleichen Sorten, wie fie in dem fraglichen Wingert 
zsepflanzt werden. Der Herrn Jung durch den 
Diebstahl bereitete Schaden beläuft sich nach dem 
Marktwerth der Trauben auf etwa 75 Mk. 
— Aus der Vorderpfalz. Durch die 
arot. Kirche der Pfalz geht die Trauerkunde von 
dem Tode des Herrn Pfarrers Stempel von 
Mutterstadt. Mit ihm, schreibt man dem F. T.“, hat 
ene einen ihrer hervorragendsten Geistlichen ver 
soren, der sich in vielen Beziehungen um das 
prot.kirchliche Leben und Wesen unserer Pfalz und 
harüber hinaus verdient und dadurch belannt ge⸗ 
nacht hat. Sein Geburtsort war Kirrweiler. 
Seine erste Pfarrei war Haardt, wo er von 1848 
bis 1837 stand. Während dieser Zeit redigierie 
er das Organ der orthodoxen Partei der Pfalz 
und zwar im lutherischen Sinne, den „Kirchen⸗ 
boten“. In Gemeinschaft mit seinem Schwieger—⸗ 
daser, dem Historiker Dittmar, half er das Rettungs⸗ 
haus zu Haßloch gründen. Die innere und 
Außere Mission verliert in ihm einen ihrer thätig⸗ 
sten und eifrigsten Gönner und Förderer. Er hat 
das 69. Lebensjahr erreicht und seiner Heimats 
kirche 46 Jahre lang in Treue gedient, 8 Jahre 
als Vikar und 41 Jahre als Pfarrer. 
— Herr Küfermeister Jaan März in Frein s⸗ 
heim, welcher Dienstag Mittag in dem Neu⸗Fröh⸗ 
lich'jchen Anwesen Anwesen mit Weinfüllen be⸗ 
schäftigt war, wurde von einem zurückrollen⸗ 
den gefüllten Fasse so unglücklich getroffen, daß 
das linke Bein buchstäblich zerqueischt ist. 
VPfalzisches Schwurgericht. 
III. Quartal. 
2Zweibrücken, 27. Sept. Die heutige 
Verhandlung gegen Stempel Georg, 34 Jahre 
alt, Ackerer von Weisenheim wegen Meineids endete 
Pachmitags mit Freisprechung, nachdem die 
Beschworenen die Schuldfrage verneint hatten. 
Dermischtes. 
7Saarbrücken, 27. Sept. Die ursprüng⸗ 
lich für den 1. Oktober d. Is. in Aussicht ge⸗ 
nommene Eröffnung einer kaufmännischen 
Fortbildungsschule in Saarbrücken bhaf 
leider einen Aufschub erfahren. Es sieht nämli 
disher noch die Entscheidung darüber aus, ob 
königliche Staatsregierung die Beihilfe von jah 
lich 1000 Mk. welche die Saarbruͤcker Handeh, 
kammer vor einigen Monaten für die Zwede da 
Schule beantragt hat, genehmigen wird oder nicht 
Eet gitt 
FWürzburg. 26. Sept. Der biet pbe 
dozent Knorr, der Erfinder des Antiphrin — 
Ersatzmittel für Chinin, hat einen Ruf an di 
Univerfität Jena erhalten, 
F. Von der Bergstraße. Ein sonderbare 
Tauschgeschaft existirt zwischen dem Hofbauer M 
zu L. und dem dortigen Schuhmacher J. Der Hos 
bauer muß nämlich alles Brod, welches der Schuh 
macher für sich und seine aus weiteren 4 Kopfen 
bestehende Familie dedarf, unentgeltlich liefern, wäh⸗ 
rend der Schuhmacher für 15 Personen der Famili⸗ 
—— 
fertigt. Da dieses seltsame Verhältniß schon sei 
ꝛinigen Jahren besteht, scheinen beide Theile dabe 
ihre Rechnung zu finden. 
* Von einem vergessenen Dezimalpunkt 
herichten Wien. Blätter: In einem dortigen Geldinflitu 
erschienen dieser Tage zwei junge Damen mit dem 
Begehren, daß man ihnen für 8 Gulden, die sie 
erlegten, Mark und Pfennige geben möchte. Geschäfts— 
mäßzig wirft einer der Beamten die wenigen Zahlen 
aufs Papier, nimmt die 8 Gulden in Empfang 
und händigt den Damen den Schein aus, gegen 
dessen Erlag an der betreffenden Kasse die Marf 
und Pfennige zu zahlen waren. Acht Gulden er— 
gaben nach dem Tageskurse 13 Mark 50 Pfennig. 
Der Beamte vergaß es jedoch, durch den Dezima'— 
punkt die Mark von den Pfennigen zu trennen. 
Die Damen trugen die Anweisung, die auf 1850 
Mark lautete, zur Kasse, wo ihnen anstandslos ein 
Tausendmarkschein, drei Hunderter und ein Fünf⸗ 
ziger ausgehändigt wurder. Die Damen schienen 
dieses Wechselgeschäft nich bedauert zu haben, denn 
sie haben fich mit den 1350 Mark nicht wieder 
gemeldet. 
Familiennachrichten. 
Gestorben: In Frankenthal Jean Decker. 
15 J. a. 
Protestantischer Gottesdienst. 
Montag den 30. Sept. Allerhöchstes Namens⸗ 
z S. Maj. des Königs Otto. 10 Uhr vorm. 
Text:: Evang. Joh. 19, 11; Lied 920. 
FRAheater inu St. Ingbert. 
Schon der zahlreiche Besuch des Theaters ließ 
gestern Abend erkennen, daß die Direktion Bau— 
drexler zu der Wahl des „Herrgottschnitzer von 
Oberammergau“ die allgemeine Zustimmung ge⸗ 
funden hatte. Diese Zustimmung erhob sich zur 
vosllen Anerkennung durch die Aufführung selbft. 
Zeigte sie doch, daß die Gesellschaft Baudrerle— 
wie in Opern und Operetten so auch in der Dar⸗ 
stellung von Schauspielen recht schöne Leistunger 
aufweisen kann. Der „Herrgottschnitzer“ besitz 
einen reichen Wechsel an ernsten und heiterer 
Szenen; von letzteren sei nur an den eigenartiger 
Schuhpiattlertanz erinnert. Das treuherzig⸗gemüth 
liche ebensowohl wie das derb⸗lustige Element di⸗ 
Tharalkters der Gebirgler kommt in den verschie⸗ 
denen Rollen und Szenen zum Ausdruck. Gespiell 
wurde gestern allen diesen Anforderungen ent⸗ 
sprechend. Wir können mit Freude sagen, daß 
die Darstellung eine allseitige Bewunderung erntete 
Der oberbayerische Dialekt, in dem der Tert des 
Stückes geschrieben, wird von den einzelnen Mit 
wirkenden, die zum Theil in Oberbayern zu 
Hause zu sein scheinen, vollkommen beherrscht. Die 
ausikalische Begleitung war eine sehr ansprechende 
und passende. 
„Ein Blitzmädel“, dem es gewiß nicht an Fesche 
heit fehlen wird, wird morgen hier über die Brette 
gehen. Nachdem man die „Näherin“ gesehen, dars 
man auch von dem „Blitzmädel“ sich die ange 
nehmsten Stunden versprechen. Nicht weniger al⸗ 
drei Einakter sollen am Montag zur Vorführun— 
kommen: ein Singspiel „Stadtmamsel und Bäueril 
eine Posse „Nachtigall und Nichte“ und eine Opereite 
„die schoͤne Galathee.“ Man sieht, das Programm 
ist reichhaltig. An seinem Gelingen belteht kein 
Zweifel. 
— 
Leueste Nachrichten. 
Nom, 27. Sept. Das viatu, Voce del 
Verita“ bezeichnet die Meldung einiger Blätter, d 
ardinal Schi affind an Gift gestorben sei, ab 
eine gehässige, niedere Efindunga.