Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amisgerichts St. Ingbert. 
der ‚St⸗Ingberter —A. erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn⸗ und Feiertage. 2 mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗Vlatt und Mittwohs und Samstags mi 
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40. 
Reichssstagskandidat 
der nationalliberalen Partei 
für den Wahlkreis 
Zweibrücken-PYirmasens 
ist Herr 
Kommerzienrat Adt, 
FBürgermeister in Ensheim. 
Deutiches Reich 
Metz, 15. Febr. Die gestern gebrachte Nach—⸗ 
icht von der verweigerten Drucklegung des Hirten- 
riefes des hiefigen Bischofs ist dahin zu berichtigen, 
zaß nicht die Drucklegung. sondern die Veraus⸗ 
abung des bereits gedruckten Hirtenbriefes nicht 
jestattet wurde und zwar lediglich wegen Unter⸗ 
afsung der gesetzlich vorgeschriebenen Vorlage an 
ie Regierung. Nach Erfüllung der gesetzlichen 
estimmung wurde die Verausgabung sofort 
zestaftet. 
Muünchen, 15. Febr. Im Finanzaus⸗- 
husse hielt Kultusreferent Dr. Daller den 
Zlandpunkt des Zentrums betreffs der Frage des 
glazets und des Verfafsungseides aufrecht. Der 
lusschuß genehmigte den ordentlichen und außer⸗ 
rdentlichen Kultusetat, und setzte infolge der 
zrklaͤrung des Zentrums die für Ankauf von 
dunstwerken, Aufbisserung der Gehälter und für 
Schulbauten erhobenen neuen Forderungen ab. 
Ninister Crailsheim erklärte beim Etat Univerfi- 
uͤten, die Regierung berufe nur Lehrer, welche die 
läaubige Gesinnung der Zuhdrer nicht untergrüben; 
in Weitergehen hierin hieße, die Capiciläten von 
»en bayerischen Hochschulen fernzuhalten. 
Berlin, 15. Febr. Der Kaiser hat dem 
yreiherrn von Stumm seinen demnäͤchstigen 
desuch in Neunkirchen zugesagt; er soll 
ine Abordnung der fiskalischen Bergarbeiter bei 
ieser Gelegenheit zu empfangen entschloffen sei. 
Lotale und pfaͤlrnische Nachrichten 
St. Ingbert, 17. Febr. Aus der Mitte 
er Arbeiter des Eisenwerkes wurde der Anlaß zur 
gründung eines Vereins gegeben, der vor vielen 
indern sich durch seinen edlen Zwed auszeichnet 
uind deshalb gewiß mit Freuden begrüßt werden 
vird. Nachdem alle nothigen Schritte gethan, fand 
jestern Nachmittag im Cafe Becker die erste Ge⸗ 
jeralve rsammlung des „Allgemeinen Unter⸗ 
üzungsvereins der Arbeiter des 
kisenwerks Kramer“ statt. Der Vorfihzende 
het. Lampel machte darin seinen Kameraden die 
Ritteilung, daß die Statuten behördlich genehmigt 
eien, und daß sowohl Herr Kommerzienrath Oskar 
drämer als auch Herr Direktor Klaite ihre An⸗ 
rxkennung der Bestrebungen des Vereins aussprachen; 
velches Wohlwollen Herr Kommerzienrath Krämer 
ür den Verein hege, das zeige die reiche Spende 
pon 1000 Mk. welche derselbe dem Verein 
ofort zuge sagt habe. Der Verein hat als eingigen 
—R Unterstütung der Mitglieder im Falle 
nverschuldeter Krankheit oder eruüͤttener körperücher 
Beschadigung. Ordentliches Witglied kann jeder 
Arbeiter im Aher von 16—48 Jahren werden, 
ind benägt der monaätliche Beitrag 20 Pfg. 
die Generalversammlung bestimmte, daß die 
»rr dem 1. März dss. Is. Eintretenden 
eint Eintritisgebühr zu entrichten brauchen. So— 
jann wurde als Vorstandschaft des Vereins qge⸗ 
Montag, 17. Februar 1890. 
25. Jahrp. 
vählt: Pet. Lampel, Ant. Schmitt, Gg. Appel, 
Jos. Detemple, Jos. Schweitzer, V. Gehring, Ik 
Ichs, Hrch. Weiser, Nk. Betz, Joh. Huber, Ant 
Zakraschinsky und Jos. Fischer. Da somit die 
Tagesordnung erledigt war, schloß die Versammlung 
nit einem Hoch auf Herrn Kommerzienrat Krämer 
ind Herrn Direktor Klatte. Zum Beitritt in den 
VBerein haben sich bereits 200 Arbeiter ange— 
neldet. 
* Laut Verfügung der Direktion der pfäl— 
ischen Eisenbahnen erhalten aus Anlaß 
zer erhöhten Leistungen im Vorjahre fämtliche beim 
zetriebde oder im Werkstättendienste ständig ver— 
»endete Arbeiter eine Gratifikation von je 
0 Mk., die Gratifikation der Bediensteten und 
zeamten beträgt je nach Gehaltsbezug 50, 75 und 
00 Mtk. Arbeiter, die erst nach dem 1. Juli v. 
3. in den Dienst der pfälzischen Bahnen traten 
owie bezahlte Werkfättenlehrlinge bekommen ije 
25 Mk. 
*St. Ingbert, 17. Febr. Nachdem schon 
?ozialdemotkratie und Zentrum hier die Wahlagi— 
ation betrieben, ist auch die nationalliberale Partei 
n offener Versammlung dahier gestern mit ihrem 
Itogramm hervorgetreten. Bis auf den leßten Platz 
var der Saal des Cafe Becker gefüllt, was Herr 
Zahunhofverwalter Eifler, der die Versammlung er⸗ 
ffnete, wohl mit Recht als einen Beweis der 
5ympathie für den nationalliberalen Herrn Kandi⸗ 
aten auffaßte. Derselbe gab das Wort sogleich 
in Herrn Justizrat Rosenberger aus Zweibrücken. 
bdor allem erklärte dieser, einer Pflicht des Dankes 
achzukommen, indem er dem bisherigen Vertreter 
mseres Wahlkreises, Herrn Kommerzientat Krämer, 
ür seine Vertretung den Dank ausdrücte; diesen 
Vorten schloß sich die Versammlung durch ein 
reifaches Hoch auf Herrn Kommerzienrat Krämer 
in. In bekannter Meisterschaft gab Herr Kosenberger 
zann eine Darlegung des Parteiprogramms, indem 
r zugleich auch die andern Parteien in seinen Aus— 
ihrungen Rebue passiren ließ. Wir konnen nach⸗ 
tehend nur einiges stizziren. Vor 3 Jahren be⸗ 
rohte die Kriegsgefahr aus Westen uns, und nur 
Ddank dem Ausfall der Wahl und dem festen Zu⸗ 
ammenhalten der Reichstagsmehrheit zu Kaiser und 
skeich haben die Feinde ein Einsehen bekommen, 
ind sei die Gefahr abgewendet worden. Schwere 
Schläge im Innern, den Tod der Kaiser Wilhelm J. 
ind Friedrich habe Deutschland zu tragen gehabt. 
Als dann das Szepter an Kaiser Wilhelm L. 
jelangte, haben die Feinde darauf gerechnet, daß 
zie deutschen Fürsten nicht so willig und treu zu 
zem jungen Herrscher siünden, als zu dem er—⸗ 
ahrungéreichen Manne. Doch diese Rechnung sei 
alsch gewesen. Damals habe der Kitt, der das 
teich zusammenhält, die erste Probe bestanden. 
Bie die Fürsten treu zum Reiche stehen, so achte 
uch der Kaiser die Rechte aller Bundesglieder. 
Fin Glück sei es gewesen, daß damals im Reichs⸗ 
ag eine Mehrheit sich fand, welche mit dem Kaiser 
ind den Bundesfürsten zusammenging und das 
„treben Anderer, den Reichskanzler zu beseitigen, 
ereitelte. Wer heute noch, nachdem Boulanger es 
ar belundet, leugnen wolle, daß damals die Ge⸗ 
ihr des Kriegs bestand, derberge damit seine Ver⸗ 
genheit oder seine Verlogenheit. Die Grhoͤhuag 
er Präsensziffer und die Bildung neuer Armee—⸗ 
xps habe der Reichssstag in der Einsicht der Not- 
Hendigkeit bewilligt; der Übgeordnete Hänel habe 
aauch gesagt, daß fuür diese Bewilligungen alle 
zarteien (mii Ausnahme der Sozialdemokraten) 
herantwortlich seien. Die Sozialdemokraten ver⸗ 
angten Verminderung der Heeresstärke und Ab—⸗ 
ürzung der Dienstzeit, indem sie behaupten. das 
HDeer sei unproduktiv. Demgegenüber betont Redner, 
daß das Heer eben durch die Erhaltung des Friedens 
zewiß produktiv sei; außerdem aber müsse man 
»edenken, daß ja überall Ueberangebot besteht und 
zie Konkurrenz durch die Arbeitsthätigkeit so vieler 
Millionen Soldaten fich ins Maßlose steigern würde. 
Betreffs der laͤngeren Legislaturperioden bemerkt 
Redner, daß dieselbe abgesehen von der Erregung 
der Leidenschasten bei den Wahlen durch die Art 
der Arbeit des Reichstags geboten sei; denn nur 
vahrend des zweiten Jahres sei der Abgeordnete 
»om Einfluß der Wähler frei, welch letzterer gerade 
n letzter Zeit die Wahlreden des Abgeordneten 
Richter im Reichstag zeitigte, die für das Gefühl 
des deutschen Volkes soviel Verletzendes hatten. Zur 
Kolonialpolitik spricht Redner aus, daß wir, wenn 
wir bei der Verteilung der Welt nicht unterliegen 
wollen, wir uns ebenfalls am Wettkampf beteiligen 
müssen. Die deutsche Politik lasse fich aber keinen 
Nasenstüber geben, wie ein gewisser Herr behauptet 
habe. Man habe gesagt, der Reichstag habe durch 
die Zoͤlle das Brod verteuert, mit dieser Phrase 
merde man aber, meint Redner, in unserm Wahl⸗ 
kreis keinen Hund vom Ofen locken; unsere land⸗ 
dauende Bevölkerung wisse genau, daß sie ohne die 
Zölle dem Ruin entgegengehe. Zum weiteren kommt 
stedner auf die sozialpolitische Gesetzgebung zu sprechen, 
velche durch die letzten Ausstände in den Vorder- 
zrund gesetzt ist. Die Ausstände, berechtigt oder 
unberechtigi, seien für Arbeitgeber and ⸗Nehmer 
dets schaädigend und zwar um so mehr, je näher 
der Arbeitszweig, in dem sie geschehen, der Industrie 
dehe. Namentlich geißelt Herr Rosenberger hierbei 
die Agitationsweise der Sozialdemokraten bezüglich 
der Lohnfrage. Die Hauptaufgabe des neuen Reichs⸗ 
tags wird die Arbeiterschutzgesetzgebung sein. Redner 
belont hesonders die dedeutsamen kaiserlichen Erlafse 
und bespricht die Stellung der Parteien zu diesen 
Aufgaben. Die Ziele der Gesetzgebung, wie sie in 
den Erlassen angedeutet, unterzieht er näherer Be⸗ 
trachtung. Uls Erstes hält er hierbei die Schaff⸗ 
ung eines Maximalarbeitstugs; Verlängerung 
der Kündigungsfrist für die Arbeiter, Ein- 
ichränkung der Frauen⸗ und Kinderardeit, Re— 
jelung der Lohnfrage ꝛc. Die nationalliberale 
Zartei allein stehe diesen Fragen rein sachlich gegen⸗ 
über. Zur gerechten Wurdigung und Mitwirkung 
bedürfe es eines Mannes, der im praltischen Leben 
zehe und ein klares Urteil habe. Dies sei aber 
gerade der nationalliberale Kandidat Herr Kommer⸗ 
sienrat Adt; derselbe kenne die Bedürfnisse der Ar⸗ 
hbeiter und der Kleinbauern, wie nicht weniger die 
Lage der Instustrie und des Weltmarkts. Darum 
sei Herr Adt nochmals als Kandidat empfohlen. 
Brausender Beifall lohnte die Rede des Herrn 
zustizrats Rosenberger. Nach diesem Herrn ergriff 
herr Kommerzienrat Krämer hier das Wort, um 
illen seinen Wählern für ihr bewiesenes Vertrauen 
seinen Dank auszusprechen und hierauf ebenfalls 
die Kandidatur des Herrn Adt zu empfehlen. Ueber⸗ 
gehend bemerkt Herr Kommerzienrat Kraͤmer, daß 
gerade der sog. Kartellreichstag die wichtigsten Auf⸗ 
jaben gelöst. Von den Gegenparteien seien die 
Sozialdemokraten am rührigsten in der Agitation, 
ie schickten ihte Agitatoren in die Versammlungen 
wo sie mit hohlen Phrasen auf die Menge zu 
virken suchen. Er warnt die Arbeiter dringend 
or der Sozialdemokratie; die Gesezgebung komme